Werkstattbericht/Konzept


 

Wir leben in einer Zeit, in der historisches Wissen in einer opulenten Quantität verfügbar ist wie wohl nie zuvor (Stichwort: Google Books(R)). Gleichzeitig schwindet das konturscharfe Bewußtsein von vergangenen Epochen rapide, wie die Antwort eines Schülers in einem Regionalmuseum 2012 südlich von Lübeck offenlegte. In diesem Museum werden Exponate vom frühen Mittelalter bis etwa 1960 gezeigt, und meine Frage an die Schülergruppe (ca. 14jährig)
während einer Führung lautete daher: "Wann, denkt Ihr, war denn das Mittelalter?" Zunächst großes Schweigen. Dann die gleichermaßen überraschende wie lustige Antwort: "Hmmh, Mittelalter, das muß VOR 1950 gewesen sein, denn die hatten sicher noch kein Smartphone." Stimmt. Hatten sie garantiert nicht: Treffer!

Heute denke ich selbstkritisch: wenn man mich vor zwei Jahren gefragt hätte, ab wann Weihrauch, Myrrhe, Styrax usw. außerhalb der sakralen Bedeutung in der deutschsprachigen Literatur auftauchen, hätte ich - genauso unrichtig - das 19. Jahrhundert aufgerufen.

Mittlerweile kann ich zeigen, daß es deutlich frühere Belege dafür gibt, daß die Altvorderen nicht nur von diesen Heilstoffen wußten, sondern sie auch aktiv nutzten. Davon zeugen Formulierungen wie:
"der beste Weyrauch ist weiß / klar / unzertheilt / rund / feist / läßt sich bald anzünden und riecht wohl."


Dieser Beitrag unternimmt den Versuch, gesammelte historische Belege textlich und optisch zu präsentieren in der Hoffnung, daß die gedankliche Verbindung zu diesen wunderbaren Räucherstoffen dadurch noch enger wird; die literarische Hermeneutik hat dafür den schönen Terminus "Horizontverschmelzung" geprägt, was ja bedeutet, sich durch das Lesen der Artikel in die damalige Zeit
und Denkweise hineinversetzen zu können.

Es ist gleichzeitig die Absicht, dieser Webseite neben dem notwendigen merkantilen Teil einen weiteren Aspekt hinzuzufügen, der möglichst Viele ansprechen soll und hoffentlich auch interessieren wird. Texte aus fünf Jahrhunderten sollen dazu beitragen.

Im Museum haben wir Schülerbefragungen durchgeführt, die

zum Ergebnis führten, daß ca. 28% der Gymnasiasten die
vor ca. 1920 vorherrschende Fraktur-Schrift lesen konnten; bei
Realschülerinnen und -schülern lag die Quote bei 20%. Im Umkehrschluß bedeutet das: wenn die historischen "Schätze" erschlossen werden sollen, kann das nur in einer Typographie erfolgen, die auch Alle lesen können.

Daher finden Sie die Kernsätze zu jedem Räucherwerk in heutiger Typographie. Wer ins Detailbild klickt, erhält die Sicht auf die Gesamtseite in hoher Auflösung und kann auf Entdeckungsreise gehen. Mein Vorschlag, wenn Vieles fremd erscheint: lautes Selbstlesen erschließt manch Kryptisches ganz von selbst! Die Umsetzung in heute übliche Schrift erfolgt nicht wortgenau, sondern
sinngemäß, damit sich der Inhalt leicht(er) erschließt. Gewußt werden muß dann nur noch, das ein Schrägstrich (die sogenannte VIRGEL, aus spätlateinisch 'virgula' - kleiner Zweig) die Vorform unseres Kommas ist.

Beim Thema 'Weihrauch' liegt der Interesse-Schwerpunkt im nichtsakralen Bereich, denn die jahrhundertelange Nutzung im kirchlichen Rahmen ist ja hinlänglich bekannt.

Die Auswahl an historischen Texten ist (Arbeitsbeginn war Februar 2023) zur Zeit noch gering, wird aber im Laufe der Zeit zunehmen.

Dr. Horst Otto Müller


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