Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1926


[N. N.]

Lauenburgische Kleiderordnungen.

Die Regierungen früherer Jahrhunderte sahen es als ihre Aufgabe an, das Leben ihrer Untertanen bis in alle Einzelheiten hinein zu regeln und zu überwachen. Sie bestimmten, wie man Taufe und Hochzeit und Begräbnis zu begehen hatte. Sie verordneten, von wem man das Bier beziehen mußte. Ja, sie setzten fest, welche Aussteuer den Töchtern mitzugeben war. Und so wurden denn auch allerorten Kleiderverordnungen erlassen, denen sich der Untertan gehorsamst zu fügen hatte.
Maßgebend war dabei vor allem die landesväterliche Besorgnis, daß die Bürger zu viel Aufwand treiben und sich leichtfertig in Schulden stürzen könnten.

Unsere fürstlich Lauenburgische Regierung scheint VOR dem dreißigjährigen Kriege diese Befürchtung NICHT gehegt zu haben. "Der blöden Armut wegen wurde", wie Friedrich Aepinus in seiner Ratzeburg-Lauenburgischen Polizeiordnung von 1582 schreibt, "besonder große Übermäßigkeit an Kleidung hieselbst nicht so hat gespühret." Immerhin gibt aber der gelehrte Sekretarius doch einige Verhaltungsmaßregeln, die der Putzsucht der jungen Frauenwelt Schranken ziehen sollen. So schreibt er im Namen seines Landesherrn Franz II.: "Wir lassen Uns nicht zuwieder seyn, daß sich die Jungfrauen, so des Standes und Vermögens seyn, mit Bändeln von Gold und Perlen, auch saubern Kräntzen ihre Häupter zieren; Wollen aber doch den Dienst Mägden, golden oder Perlen Hauptzier, auch seidenes Gewand zu Brustleibern zu tragen, verbothen haben."

Mehr jedoch liegt offenbar dem Sekretarius daran, daß "ein jeder nach Standes Gebühr bey Fest- und Sontagen in der Kirchen, sonst in Hochzeiten und andern ehrlichen Freudten Ehrbahr, Züchtig bekleidet seyn möge, um unhoffliche Unsauberkeit zu vermeyden." So ermahnt er die Mitglieder des Rates, bei öffentlichen Anlässen "mit einem Mantel ehrlich angethan" zu erscheinen, und verlangt ganz allgemein, daß die Männer nicht "unzüchtig in Hosen und Wams" zur Kirche gehen, sondern "sich mit einem ehrlichen Kleidt und Mantell versorgen, damit sie nicht durch ihre Leichtfertigkeit jemand zu ärgerlichen Gedanken verursachen und man Christliche Zucht und Schamhafftigkeit bey ihnen zu verspühren habe." -
 
So lagen die Verhältnisse VOR dem großen Kriege, der Deutschland dreißig Jahre lang verheerte. Nachher, besonders als auch der dänisch-schwedische Krieg, der seine Wellen bekanntlich bis nach Lauenburg schlug, vorübergezogen war, scheint eine Aenderung eingetreten zu sein. Die Bürger, die so viele Entbehrungen erlitten hatten, gaben sich bei der günstigeren wirtschaftlichen Lage ungehemmt ihrer Lebenslust hin und werden damals wohl auch in ihrer Kleidung gar zu große Üppigkeit entfaltet haben. Das aber konnte eine hohe Obrigkeit nicht ruhig mitansehen. Und weil die herzogliche Regierung zögerte, so ergriffen Bürgermeister und Rat der Stadt Ratzeburg selbst die Initiative und erließen im Jahre 1668 eine Verordnung gegen die Kleiderpracht, die sie allerdings ganz bescheiden als "Interims-Masgebung" bezeichneten. Diese Verordnung findet sich

1926/4 - 93


1926/4 - 94

als Nachtrag in einem der beiden handschriftlichen Exemplare der oben genannten Polizei-Ordnung, die die Landeshaus-Bücherei in Ratzeburg besitzt. Da sie bisher nicht gedruckt worden ist, so geben wir sie im Folgenden - besonders zu Nutz und Frommen unsrer Frauenwelt - im Wortlaut wieder.

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Senatus Ratzeburgensis Verordnung de 1668
wegen der Kleider Pracht.

Demnach der fürstl. Löbl. Policey-Ordnung dieser Stadt Ratzeburg zu entgegen etliche Jahre her bey gemeinen Bürger Stande viele Misbräuche und Übermas in Kleidungen sich ereignet, dadurch die Heilsahmen Satzungen überschritten, das Laster der Hoffart und Üppigkeit gehäget und das sonsten bey vielen geringe Vermögen merklich geschwächt, auch wohl gar erschöppet wird. Als hat auf Einrathung und mit Consens des fürstl. Herrn Praesidenten ein Ehrenvester Rath beschloßen, bey jetzigen vielen Veränderungen der modellen an Zeug und Trachten bis zu Ihrer Hochfürstl. Durchl. Unsers gnädigsten Herrns weiter oder anderwertiger Verordnung nachgesetzte Interims-Masgebung zu machen, daß hinführo die Gemeine Bürger alter Samnitten oder Plüschen Kleidung sich enthalten und nach BeErdigung [sic!] dero Ehegatten und Eltern nicht über 4 Wochen, nach der Begräbnus aber der Kinder, Geschwister und anderen Verwandten dieselbe durchaus weiter mit langen Traur-Mänteln nicht betrauren; die Gemeine Bürgers Frau aber alter Scharlacken und Hochrothen oder der Scharlacken gleichenden Röcke sich enthalten; Schürtzeltücher von Cammertuch und Klahren Niederländischen Leinen und übermäßiges Band auf den Haupt abschaffen; kein hell oder Niederländisch oder sonst Klahres Knüppels, wie auch kein gewebt oder Knüppel gesponnen Gold oder Silber tragen in Kleidung der Kinder, außer denen, so zu Ehren berathet werden; alles seyden Zeug, wie es Nahmen hat, meiden; und die Dienstmägde durchaus kein Kammertuch oder frembd Klares Leinen weder am Haupt, noch zu Kragen tragen sollen; und solches alles bey Vermeydung willkührlicher ernster Straffe, wonach sich jeder zu richten und vor Straffe vorzusehen.
 

Ratzeburg den 20. Jan. 1668.  
  Fürstl. Nieder-Sächsische Praesident
auch Bürger Meister und Rath zu Ratzeburg.