Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1928


Der "Wolfsschatz."

Von Pastor SEELER - Lauenburg.

"Wir Erich, von Gottes Gnaden Herzog zu Sachsen, zu Engern und zu Westfalen usw., bekennen in dieser Urkunde vor jedermann, daß unser lieber getreuer Hans Marschalk in unserer Gegenwart übergeben hat und gab den WOLFSSCHATZ mit all seinen Renten zu der Vikarie, die Herr Hinrik Cok innehat an der Pfarrkirche zu Lauenburg am Altare zur Heiligen Dreifaltigkeit, belegen vor den Orgeln, die ewig dazu gehört, und der vorher erwähnte Herr Hinrik und alle seine Vikar-Nachfolger an derselben Vikarie haben ihn (den Wolfsschatz) zu gebrauchen und haben ihn in allen Jahren und zu allen Zeiten aufzunehmen von den Leuten, welche die Güter gebrauchen, davon der Wolfsschatz abgeht und denen er auferlegt ist. Und dies ist geschehen mit unserer und unserer Erben Zustimmung und Willen.

Und ich, Hans Marschalk, Knappe, bekenne auch in dieser selben Urkunde, daß ich diesen vorhin benannten WOLFSSCHATZ mit all seinen Renten um meiner Eltern und meiner Seele Seligkeit willen aufgelassen und abgegeben habe, wie hier vorgeschrieben steht, zu der genannten Vikarie und an vorgenannten Herrn Hinrik, wie er auch Urkunden betreffs derselben Vikarie besitzt. Und keine Urkunde soll der andern, die auf diesen WOLFSSCHATZ lautet, zu Schaden sein, sondern eine jede soll bei ihrer Vollmacht bleiben.

Und wir, vorgenannter Herzog Erich und vorgenannter Hans, haben zum Zeugnis und zur Kenntnis dieser vorgeschriebenen Stücke unser Siegel an diese Urkunde hängen lassen, die gegeben und geschrieben ist nach Gottes (Christi) Geburt 1400 Jahre danach in dem 15. Jahre, am Sankt Johannes des Täufers Tage, als er enthauptet wurde. (29. August 1415)."

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In diesem Jahre, am 22. Juli, dem Maria-Magdalenentage, feiert die Kirche der Stadt Lauenburg ihr 700jähriges Bestehen. Sie verdankt ihre Gründung dem Sieg Herzog Adolfs über die Dänen in der Schlacht bei Bornhöved (22. Juli 1227), wodurch unsere Heimat von der Dänenherrschaft befreit wurde.

Von den 700 Jahren ihres Bestehens gehören die drei ersten Jahrhunderte der katholischen, die vier letzten Jahrhunderte der evangelisch-lutherischen Zeit an. Unsere Urkunde versetzt uns in die kirchlichen Verhältnisse und Einrichtungen des Katholizismus (1415). Durch Stiftungen an Geld und Ländereien erwarb man sich ein besonderes Verdienst an der Kirche, wodurch der Stifter dann ein Anrecht auf eine Vikarie erwarb. Vikarie bedeutet soviel wie Stellvertretung vor Gott durch die Kirche; an einem besonderen Altar, deren sich oft viele in derselben Kirche befanden, wurde als Gegenleistung für den Spender die Messe gelesen (Privatmesse). Unsere Kirche hatte zeitweise sieben Vikarien, das war für ihre Verhältnisse recht viel.

Solche Stiftungen an die Kirche mußten natürlich urkundlich festgelegt und durch das Siegel des Landesherrn rechtskräftig und bindend gemacht werden; eine solche Beurkundung Erichs V. für den Knappen Hans Marschalk haben wir in dem obigen Brief vor uns. Hans Mar-

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Zum Aufsatz "Der Wolfsschatz"
 

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schalk stiftet den "WULUESCHAD", d. h. Wolfsschatz, an die Vikarie unserer Kirche, die am Altar der Heiligen Dreifaltigkeit eingerichtet war.

Was haben wir unter dem Wolfsschatz zu verstehen? In der Zeit, da der Sachsenwald noch dichter und umfangreicher war, lebten in unserer Heimat die Wölfe in so großen Rudeln, daß sie für die Bewohner zur Plage und zur Gefahr wurden. Damit nun diese Wolfsplage nicht überhand nahm, wurde angeordnet, jedes Jahr eine gewisse Anzahl zu töten; ähnlich wie heute noch die Vernichtung der Kreuzottern behördlich angeordnet ist. Kirchlicherseits wurde für die jährliche Beibringung einer bestimmten Anzahl getöteter Wölfe dem Ueberbringer eine Vikarie eingerichtet; ja die Kirche setzte die Höhe der zu tötenden Wölfe fest, die für eine Vikarie nötig waren.

Als nun die Wolfsplage aufhörte und somit diese Art des Sich-Verdientmachens ein Ende nahm, wandelte man diese Leistung in eine Geldabgabe oder Stiftung von Ländereien um und behielt für Schenkungen, die so entstanden, den Namen WOLFSSCHATZ bei. In unserer Urkunde ist der Name "WULUESCHAD" wohl schon eine Flurbezeichnung; ein Stück Land, auf dem die Abgabelasten für die Vikarie ruhten: "und haben ihn in allen Jahren und zu allen Zeiten aufzunehmen von den Leuten, welche die Güter gebrauchen. davon der Wolfsschatz abgeht und denen er auferlegt ist."

 


 

 

 

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