Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1928



Loblied auf Ratzeburg
von
JOHANN FRIEDRICH SCHINK.

In Musik gesetzt und den edlen Bewohnern Ratzeburgs
gewidmet von
CHRISTIAN HEINRICH FIEDLER.

 




Wo ist ein Mensch, der's kennt und es nicht priese.
Der nicht geständ', es sei
Von dem verlornen, alten Paradiese,
Das echte Konterfei.

Schön liegt es da im spiegelhellen See,
Prunklos, im Stillen groß!
Llnd rings umher von Waldung, Tal und Höhe
Lacht Baum und Gras und Moos.

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Gleich einem Kranz ziehn hochbejahrte Bäume
Rund um den See sich hin.
W er ihnen naht, den fesseln süße Träume,
Leicht wird ihm Lerz und Sinn.

Ein Zauberland prangt hinterm hohen Dome
Die RÖMNITZ stolz und kühn.
Der SCHWALKENBERG schwimmt auf dem sanften Strome,
Wie seine Wogen, grün.

Verborgen im mäandrischen Gewinde
Von Hecken und Gesträuch,
Liegt dort die BÄK, nur leicht berührt vom Winde,
Elysiums Tälern gleich.

Wohin auch hier die trunknen Blicke wallen,
Hält hoher Zauber sie,
Das Ufer tönt von tausend Nachtigallen,
Der See rauscht Melodie.

Du hast, Natur, hier deine Wundergaben
Mit milder Land verstreut.
Gabst Quellenkühl' und Schatten, den zu laben.
Der deiner sich erfreut.

Dein Schöpferhauch beut hier in jedem Stande
Ein kleines Königreich,
Wir leben hier, wie im gelobten Lande,
Dem Volke Gottes gleich.

Nur bessrer Art, wir sengen nicht und morden,
Wie Gottes Volk einst tat.
Wir stiften sanft, auch ohne Mauerorden,
Der Bruderliebe Staat.

Drum, RATZEBURG, soll auch dein Lob ertönen,
Bis ab Freund Hain uns winkt;
Und Lobgesang und Dichterpreis dich krönen.
Bis die Posaune klingt.

Auf, füllt das Glas, laßt uns die Stimm' erheben
Bei frohem Becherklang!
Laßt RATZEBURG, und dann laßt MICH auch leben,
Der dieses Lied Euch sang!


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Das Loblied auf Ratzeburg ist vermutlich in den Jahren von 1808-1810 entstanden, als der Dichter sowie der Komponist des Liedes der Literarischen Gesellschaft in Ratzeburg angehörten. Die Mitglieder dieser Gesellschaft hatten sich in der schlimmsten Zeit französischer Bedrückung zusammengefunden, um, wie es in ihren Satzungen heißt, "durch Vorlesungen eigener poetischen und prosaischen Arbeiten der Mitglieder, wie durch Mitteilungen interessanter Gegenstände aus dem ganzen Gebiete der Literatur und Kunst, gelehrte Fragen, Zweifel, Wünsche usw." eine edle Geselligkeit zu pflegen. Sie kamen einmal wöchentlich im Ratskeller zusammen. Von 5 bis 6 Uhr wurde Tee gereicht. Dann folgten die Verhandlungen. Ein gemeinsames Abendessen schloß sich an. Die


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Gesellschaft war nach dem Muster ähnlicher literarischer Vereinigungen eingerichtet. Die Satzungen, die im Archiv des Vereins für die Geschichte des Herzogtums Lauenburg (Band 5, Heft 1) abgedruckt sind, geben einen Begriff von den strengen und feierlichen Formen, die bei der Annahme neuer Mitglieder innegehalten wurden. Im übrigen scheint es - nach den erhaltenen literarischen Beiträgen zu urteilen - oft recht lustig hergegangen zu sein. Ein paar Mal im Jahre wurden auch Feste gefeiert, und bei einem derselben wird wohl das obige Lied von den Mitgliedern und ihren Damen gesungen worden sein. Die Gesellschaft gab übrigens auch eine wöchentlich erscheinende Zeitschrift, die "Ratzeburgischen Literarischen Blätter", heraus, zu der auch Schink eine ganze Reihe von Beiträgen lieferte. Schink war zweifellos eines der regsten Mitglieder. Er war ursprünglich Theologe, wurde dann aber Theaterdichter und Dramaturg und hat als solcher auch als Nachfolger Lessings an der Hamburger Bühne Fr. Ludwig Schröders gewirkt. In Ratzeburg lebte er von 1797 bis 1806 und dann wieder einige Zeit nach 1808. Bald nach dem Eingehen der Literarischen Blätter Ende 1810 scheint er, ebenso wie der kaiserlich gekrönte Poet Reinhard, der Dichter Nauwerck und der berühmte Kanzelredner Dräseke, Ratzeburg verlassen zu haben. Jedenfalls finden wir ihn 1814 in Berlin. Später setzte ihm die Herzogin Dorothea von Kurland ein Jahrgehalt aus, und nach ihrem Tode fand er eine Sinekure als Bibliothekar in Sagan.
1835 ist er gestorben. Er hinterließ nicht weniger als 90 größere Arbeiten, darunter viele Dramen, außerdem aber unzählige Gedichte.

Von dem Musikus Fiedler, der das Gedicht Schinks in Musik gesetzt hat, ist nicht viel mehr bekannt, als daß er in der Herrenstraße wohnte und daß er wie Schink Mitglied der literarischen Gesellschaft war.

Die Handschrift des Gedichtes und der Komposition befindet sich im Heimat-Museum zu Ratzeburg, dem sie Herr Buchhändler Kutscher zum Geschenk gemacht hat.



 


 

 

 

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