Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1929


[Miszelle]

Kleine Mitteilungen

 

Von Zink und Zinn und Mißverständnissen. "Unser Wissen ist Stückwerk", schreibt der Apostel Paulus in seinem 1. Briefe an die Korinther. Diese Wahrheit ermißt ein jeder umso mehr, je tiefer er einzudringen sucht in Kunst und Wissenschaften. Man lernt halt nie aus!

Das 2. Heft der "Lauenburgischen Heimat" von 1929 brachte "Die Kapellen und Totengrüfte der Sachsenherzöge im Ratzeburger Dom". Da steht zu lesen, die alten Fürstensärge seien aus ZINK. ZINN muß es heißen!

Es wäre leicht, dem armen, nur zu oft angeschuldigten Druckfehlerteufel auch diesen Irrtum in die Schuhe zu schieben. Wir haben aber Grund, uns des Fehlers zu freuen, denn er bot Anlaß zu regem Gedankenaustausch. Mehrere Zuschriften suchten Klärung zu schaffen. Dadurch bewiesen sie das erfreuliche Interesse, das den Veröffentlichungen der "Lauenburgischen Heimat" entgegengebracht wird. Nichts kann einer Sache dienlicher sein als dergleichen Aussprachen.

Im besonderen war es Herr Siegfried Schellbach-Mustin, dem wir sachkundige Belehrung verdanken.

Heutzutage sind zumeist Metallsärge aus Zink. Doch ist das eine verhältnismäßig junge Erfindung. Wenn auch bereits am Ende des 16. Jahrhunderts in Goslar Zink gewonnen wurde, so kamen doch Zinkhohlgüsse erst nach 1826 in Gebrauch. Zinn dagegen, dieses viel schönere und wertvollere Metall, fand schon früher vielseitige Verwendung, Schon im Altertum zog es Phönizier und Römer hin zu den britannischen Inseln des dort vorkommenden Zinnes Wegen. Bis in die Neuzeit waren viele Eß- und Trinkgeschirre aus Zinn. Speisten Kaiser und Könige und die reichen Kaufherren wie die Fugger von Gold und Silber, verwendete der Arme Holz und Ton für die Geräte des täglichen Gebrauches, der wohlhabende, behäbige Bürgersmann aß seine Suppe aus zinnernem Teller mit dem Zinnlöffel und trank seinen Rommeldeus aus bauchigem Zinnkruge, aus zinnernem Becher oder ebensolcher Kanne. Das Zinn hat deshalb eine eigene Kunst gezeitigt. Im reichen Lübeck gab es Zinngießerfamilien, die von Vater auf Sohn durch viele Generationen dies Kunsthandwerk betrieben. Den Goldschmieden gleich hatten sie ihr "Amt", ihre Gesetze und ihre "Stempel", *) Ihrer schönen Erzeugnisse erfreut sich heute noch manch einer auf dem Wandbrett seiner Eßstube. Das Bessere ist des Guten Feind und oft auch das Billigere des Teueren. Eines Schwarzkünstlers Erfindung, Meister Böttgers Porzellan, hat allmählich, aber sicher die Zinngeräte in den Hintergrund treten lassen, später auch das Aluminium.

Auch Blei wurde zur Herstellung von Särgen verwandt. Das trifft aber, wie gesagt, bei den Särgen im Dome nicht zu, wenn auch deren Zinn, wie Herr Bernhöft-Ratzeburg als Sachverständiger erklärt, mit Metallzusätzen anderer Art vermischt ist. Erwähnt sei nebenbei, daß die giftigen Bestandteile im

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*) Siehe "Die Zinngießer zu Lübeck" von Johs. Warncke, Lübeck, 1922.
 

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Blei seine Verwendung im reinen Zustande als Eß- und Trink- oder bei Kochgeschirren verbieten. -

Bei den Fürstensärgen des Domes ist auch von der schönen Ziselierung die Rede: "Gravierung" muß es heißen, denn es sind die Wappenbilder und Inschriften eingegraben, eingeschnitten, nicht aber mit Meißel oder Feile herausgearbeitet. -

In der gleichen Abhandlung war davon die Rede, daß vor nicht langen, Zeit die Grüfte und Särge "von ruchloser Hand erbrochen" worden seien. Hier ist eine Einschränkung des Urteils angebracht. Ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Neustrelitz von 1909, das uns nachträglich bekannt wird, besagt, daß damals das eingeleitete gerichtliche Verfahren über den Einbruch im Dome und der Fürstengruft eingestellt wurde, weil sich der Verdacht der Täterschaft auf einen Unglücklichen, einen Geisteskranken, gelenkt hatte, der bald darauf in Tobsucht verfiel. -

"Es irrt der Mensch, so lang' er strebt", sagt "der Herr" im "Prolog im Himmel" des Goethe'schen Faust. Jeder Fehlernachweis ist wertvoll, und die Forschung ist dankbar dafür.

V. NOTZ.




 


 

 

 

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