Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1932


Die älteste Steinplastik im Lauenburgischen und ihre Meister. [*]

Von DR. WOLFGANG SCHEFFLER, Kiel.
 

Unter den Steinfragmenten des Museums befindet sich ein Stück, das durch seinen reichen plastischen Schmuck auffällt (vgl. die Abbildung), ein quadratischer Sockel aus Sandstein mit schrägen Seitenwandungen und Eckfiguren, denen sämtlich die Köpfe fehlen. Der obere Teil ist überhaupt stark mitgenommen, ein ringsumlaufendes Wulstprofil fehlt jetzt. In die Mitte der oberen Fläche ist ein Loch gebohrt. Es ist unschwer zu erkennen, daß es sich um den Fuß eines romanischen Taufsteins handelt! *)

 



 

Der plastische Schmuck ist in seiner Stilisierung, die bei aller Primitivität geradezu monumental wirkt, von großem Reiz. Die diagonal gestellten Eckfiguren sitzender Heiliger sind blockartig, kubisch, streng frontal dargestellt, das bekleidete Christuskind mit segnend erhobener Rechten sitzt mitten auf dem Schoß der Muttergottes, die Bewegungen der Gliedmaßen sind scharf rechtwinklig, wie bei den großen freiplastischen Figuren dieses gebundenen romanischen Stils, aber die Eckfiguren sind doch mehr Reliefs als Freiplastiken, der plastisch-kubische Aufbau in der Tiefendimension erscheint zu einer, schräg geneigten, Fläche zusammengepreßt. Außer der Muttergottes finden wir Petrus, beide Schlüssel - für Himmel und Hölle - vor sich präsentierend, ihre riesigen Bärte, symmetrisch nach beiden Seiten geklappt, bedecken die ganze Brust des Heiligen. Wir sehen Abraham mit den Seelen in seinem Schloß, ein Motiv, das uns aus etwas späterer Zeit vom

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*) In den "Bau- und Kunstdenkmälern im Kreise Herzogtum Lauenburg" von R. Haupt ist der Stein auf Seite 135 abgebildet (Zeichnung) und beschrieben.
[*] Die Angabe im Titel: "ihre Meister" ist ein Druckfehler. Auf S. 24 des Heftes 1/1933, Seite 24 wird darauf hingewiesen, daß es heißen muß: "ihr Meister".

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Bamberger Dom bekannt ist (von den Seelen sind nur die Köpfe gegeben), und schließlich einen segnenden Bischof. Alle Figuren sitzen auf Stühlen, deren Pfosten oben mit einer Volute abschließen.

Und nun die Reliefs der Felder! Hier sind die drei Könige zu erkennen, jeder in einem Feld, wie sie feierlich-stereotyp (sie gleichen sich untereinander völlig) sich der thronenden Muttergottes nahen, in der schräg vorgestreckten Hand das Geschenk präsentierend. Die Gewänder sind durch verschieden laufende Parallelschraffuren gegeneinander abgesetzt. Am eigenartigsten aber ist das Relief der vierten Seite (auf der hier vorliegenden Abbildung rechts): Die drei Könige liegen in gemeinsamem Bette, zugedeckt mit einer großen Decke, deren stofflicher Charakter durch Zickzackschraffuren angedeutet wird (unten sieht man die vier(!) Füße des Bettes), und von oben schwebt der Engel herab - ähnlich schwebt Barlachs Güstrower Engel - und trägt ihnen auf, den Rückweg in ihr Land nicht über Jerusalem zu nehmen. - Leider fehlt der Hauptteil der Taufe, die große Cuppa.

Es ist nun möglich, Herkunft und Entstehungszeit dieses Taufsteinfußes genau zu klären. Die Taufsteine in Sörup und Borby, die eine gewisse Verwandtschaft des Stils zeigen, weisen uns den Weg, nach Gotland. Wir nehmen das Prachtwerk Johnny Roosvals über die "Steinmeister Gottlands" (1918) zur Hand und finden in Meister
Sighrafr den Verfertiger des eigenartigen Steins! Roosval kennt von diesem Meister, dessen Name auf der reichverzierten Taufe in Aakirkeby (Bornholm) steht, im ganzen 20 Taufsteine, außerdem Reliefs in Lund, Grötlingbo und Lye. Von jenen gleicht der Taufsteinfuß in Knivsta (Uppland) (Roosval a. a. O., S. 183) unserm Stein bis auf geringfügige Abweichungen völlig! Hier sind die Köpfe der Eckfiguren teilweise erhalten. Die tronende Muttergottes findet sich ebenso auf der Taufe in Ellinge (Fünen) - Roosval, Tafel 58 - wieder, und die Könige schreiten an der Cuppa der Taufen zu Aakirkeby (Bornholm) und Tingstadt (Östergötland) in derselben starren Feierlichkeit einher. Die Taufe in Lau (Gotland) hat unter dem Fuß noch einen aus Platte und Hohlkehle bestehenden Sockel, wie ihn wohl ursprünglich auch unser Taufsteinfuß gehabt haben wird.

Roosval bestimmt die Tätigkeit Meister Sighrafrs auf die Zeit von 1175 bis 1210, in seiner Kunst sieht er Einflüsse französischer Plastik nachwirken. Wir können also als Entstehungszeit unseres Steins etwa die Zeit um 1200 annehmen.

Die Arbeiten Sighrafrs und seiner Vorgänger auf Gotland sind zumeist in südgotländischem Sandstein ausgeführt, seit dem 13. Jahrhundert aber werden dann die gotländischen Taufen in Kalkstein gearbeitet. An gotländischen Kalksteintaufen besitzt Schleswig-Holstein einige 40, wie von Ernst Sauermann nachgewiesen worden ist; die in Sörup und Borby sind die reichsten, prachtvolle Köpfe hat ferner der Satruper, während die späteren meist schlichte Muschelkuppenform aufweisen. Sörup, Borby und Satrup weist Roosval Nachfolgern Meister Sighrafrs zu, wir können folglich den Stein nicht nur als die älteste Steinplastik im Lauenburgischen, sondern auch als die älteste gotländische Taufsteinplastik in Nordelbingen ansprechen.


 


 

 

 

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