Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1934


Die Tagung der Arbeitsgemeinschaft der Heimatmuseen

in Schleswig-Holstein und im Kreise Herzogtum Lauenburg, zu der die größte Zahl der Leiter der über 50 Museen unsrer Provinz in Ratzeburg am 5. und 6. Mai zusammengekommen war, war ein bedeutsames Ereignis für unsre Stadt. Den Auftakt bildete eine Besichtigung des Domes unter Führung des Herrn Landesarchivars SCHELLBACH, die zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den bisherigen Restaurierungen führte, denen das herrliche Bauwerk im Laufe der Jahre bis in die neueste Zeit ausgesetzt war. Die lebhafte Aussprache im Kreise der Fachleute brachte mancherlei Anregungen, die dank der verständnisvollen Anteilnahme des Herrn Dompropsten sicherlich wertvolle Ergebnisse zeitigen werden. - Ortskundige Herren führten dann die Gäste zu bemerkenswerten Kunstschätzen unsrer Stadt, die leider vielen unsrer Mitbürger unbekannt sein dürften; so die köstliche Kreuzigungsgruppe am Domhospital, der Musiksaal in der Propstei, die Gobelins im Landeshause und unsre Petrikirche, die durch eine verständnisvolle Restaurierung einen in allen Teilen harmonischen Eindruck macht. Im Anschluß daran fand eine Arbeitssitzung mit reichem Programm statt, die erst gegen 8 Uhr ihr Ende fand.

Es folgte der öffentliche Vortrag im Ratskellersaal, der recht gut besucht war. Herr Pastor FISCHER-HÜBNER sprach über die Resultate der neuesten Forschung in der lauenburgischen Geschichte. Eine allseitig umfassende, kritische Darstellung der lauenburgischen Geschichte ist erst im Entstehen. Die lauenburgische Geschichtsschreibung von Masch, Duve und Kobbe vor hundert Jahren litt an gutgläubiger Kritiklosigkeit, Sie sowohl, wie später die Professoren Bertheau und Hellwig, haben indessen fleißige Kärnerarbeit geleistet. Diese an sich dankenswerte und durchaus notwendige Arbeit bekam einen neuen Anstoß durch DR. Gerhard, der mit seinen Mitarbeitern in der von ihm begründeten "Lauenburgischen Heimat" es verstanden hat, wertvollste Bausteine für eine künftige, umfassende Darstellung zusammenzutragen. Diese Arbeit wird nun von Herrn Landesarchivar Schellbach mit Glück fortgesetzt. Den ersten Teil unserer Landesgeschichte bis 1230 verdanken wir Herrn Oberstudiendirektor DR. Lammert, der die Lokalgeschichte in den Rahmen der deutschen Gesamtgeschichte gestellt hat, wobei das gesamte einschlägige Quellenmaterial ausgewertet worden ist. Überraschend sind die Ergebnisse dieser überaus dankenswerten Forschung. Vorbei ists mit der Slawenromantik mit dem Glauben, daß die Slawen die Politik und die Kultur unserer engeren Heimat nennenswert beeinflußt hätten. Vorbei ist aber auch die Überschätzung des Einflusses, den Heinrich der Löwe auf die politische und kulturelle, insbesondere auf die Baugeschichte des Doms ausgeübt hätte. Ein Sondergebiet, die Kirchengeschichte Lauenburgs, hat erschöpfende

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Darstellung gefunden durch DR. Bernhöft in seinem "Prämonstratenser Domstift Ratzeburg" und ganz besonders in dem zweibändigen Werke "Die Reformation in Lauenburg" von Pastor Fischer-Hübner, dem hoffentlich bald ein Abschlußband folgen wird. Interessante Streiflichter fielen auf die Kunstschöpfungen, die gerade im 30 jährigen Kriege und den darauffolgenden Jahren entstanden sind. Über den lauenburgischen Erbfolgestreit, der nach dem Ableben des letzten Askaniers zwischen fast allen deutschen und nordischen Staaten entbrannte, liegt eine eingehende Forschung von DR. Ueberhorst vor, die leider bisher noch fast keine Beachtung gefunden hat. Bekannt, aber längst nicht genug gelesen, sind die trefflichen Federzeichnungen des DR. H. F. Gerhard, die ein lebendiges Bild aus den verschiedenen Abschnitten unserer heimischen Geschichte bieten.

Zwei Filme mit ganz vorzüglichen Aufnahmen, die vom Brandschutzmuseum in Kiel vorgeführt wurden, beschlossen den Abend.

Am nächsten Morgen begann die große Sitzung um 8 Uhr. Es sprachen DR. PASSARGE-Kiel über Heimatmuseum und Kunst der Gegenwart mit Lichtbildern; DR. KAMPHAUSEN-Meldorf: Zum Thema Kunstausstellungen in Museen und ihre Technik; DR. FUGLSANG-Flensburg: Die Kunstausstellung im Flensburger Kunstgewerbemuseum; DR. BRAUN-Kiel: Die Zusammenarbeit der Heimatmuseen mit dem Volkskundeatlas, und Landesoberinspektor FRESE-Kiel über die neue Abteilung "Volksglaube" im Kieler Brandschutzmuseum mit Vorführungen der in großer Fülle ausgelegten Schaugegenstände des Erläuterungsmaterials.

Vom Ratskellersaal begab sich die Versammlung ins Landesmuseum zur Eröffnung des von der Landesbrandkasse neu ausgestatteten Raumes. Landesoberinspektor Frese legte in fesselnder Darstellung Zweck und Anlage dieses Ortsmuseums der Landesbrandkasse dar, dessen anschließende Besichtigung ungeteilte Bewunderung und lebhaftes Interesse auslöste. Durch diese Schau, die unserm Museumsleiter hierher zu bringen gelang, ist Ratzeburg um eine Sehenswürdigkeit bereichert worden, um die uns die andern Städte der ganzen Provinz beneiden werden. Gleich im Vorraum steht das große Modell des Engelbrechtschen Bauernhauses in Gr. Grönau, bis in die kleinsten Einzelheiten peinlichst genau naturgetreu wiedergegeben. Im Schauraum selbst zeigen Modellhäuser Schornsteinanlagen, wie sie sein und wie sie nicht sein sollen, Starkstromanlagen in einer bisher noch nirgends gebotenen Genauigkeit in der Darstellung von falsch und richtig; Feuerlöschteichanlagen, 3 Meter hohe Erdschichtentafeln von Brunnenbohrungen, Blitzableiter, eine Serie von geflickten Sicherungen und vielerlei mehr. Hoffentlich bewirkt diese wundervolle Schau, daß die Bevölkerung ihr Landesmuseum eifriger besucht.

Nach einem Gang durch das Museum, dem das höchste Lob von allen Museumsleitern, in erster Linie von der Autorität im Museumswesen, Herrn Professor DR. Lehmann-Altona, gespendet wurde, unternahmen die Teilnehmer nach dem Mittagessen eine Fahrt über den Ratzeburger See, um sich zum Kaffee zum gemütlichen Beisammensein wieder im Museum zusammenzufinden, wo vier Ratzeburger Mädel in der alten schönen Originaltracht die Bedienung der Gäste freundlichst übernommen hatten.


 

 

 

 

 

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