Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1939


Rund um den Kreuzbaum.
Eine hauskundliche Nachforschung.

Von Kreisschulrat i. R. HEINRICH SCHEELE.

(Schluß.)

Das Vorwerksgebäude in Rothenbek um 1715.

Ein Gotteswetter vernichtete 1681 das Vorwerksgebäude in Rothenbek. An seiner Stelle erbaute man ein neues Haus in 16 Fach Länge, mit Stroh gedeckt. Die Giebel wurden mit Steinen ausgemauert, die Traufseiten im oberen Gefach nur geschächtet und geklebt. Die große Tür lag zu Ost, dem Winde abgekehrt; das Wohnende war nach Westen gerichtet. - Die beiden Wohnstuben und die Zwischenkammer zeigten eine anspruchslose Wohlhabenheit. Die Fußböden waren mit roten Floren auszelegt, die Decken mit Eichenbrettern überschlossen, die eichenen Bänke fest eingebaut. Das Dannenblatt des Tisches ruhte auf einem Eichenfuß. Ein Bierschapp war in der Zwischenkammer von der Wand abgeschert. Die dunkelbraunen Kachelöfen wurden durch Feuerdiggen vom Flett her beheizt. Vor den Fenstern der Stuben gab es keine lichthemmenden Vorhänge; sie konnten abends von außen durch Läden geschlossen werden. Von den 22 Glastafeln ließen sich einige aufschlagen, was dem Bedürfnis nach frischer Luft genügte. Das von außen hereinschimmernde Grün, das Rot der Floren, das Weiß der getünchten Wände, das vieltöonige [sic!] Braun auf den belichteten Möbeln, der dunklen Decke und den schwärzlich glänzenden Kacheln, das alles einte sich zu einem satten Farbenklang. der festlich zu stimmen vermochte, wenn man vom dunklen Flett her eintrat. - Als Flett bezeichnete man die mit Feldsteinen gepflasterte Querdiele zwischen dem Wohnende und der großen Diele. Gegen diese war es durch eine niedrige, geklebte Wand abgeschert, die oben durch ein Gitterwerk ergänzt war. Mitten auf dem Flett stand der alte Herd, von Fels- und Mauersteinen aufgerichtet. Die Flammen umloderten den Kessel, der am Kesselhaken unter dem Rahmen hing. Die beiden Rahmenbalken, die 'einem Gewölbe gleich' mit Mauersteinen überlegt waren, ruhten auf den Armen des Kreuzbaums. Der Feuerboden darüber bestand in 3 Fach aus Eichendielen, deren Nuten keinen Funken durchließen. Dicht beim Herd stand eine Digge, von der aus eine der Stuben beheizt werden konnte. Die zweite Digge lag weiter südlich im Flett. Die Luchten der Fletts öffneten sich durch quergeteilte Siedeldören nach außen; das Licht trat auf jeder Seite durch zwei Fenster ein mit je 10 Scheiben, alle aus Glas, keine Holzluke mehr darunter. Bänke und Tisch in der einen Lucht sahen das Haus bei den täglichen Mahlzeiten vereint. Die stattlichen Brote lagen oben auf der Drage mit 6 Schörten. Vom Flett konnte man in die Stuben und Kammern gehen oder in den Keller mit seinen kühlen Felssteinwänden hinabsteigen und konnte man auch auf einer Eichentreppe hinter einer verschließbaren Tür zu den beiden Böden hinaufsteigen, wo Korn und Schätze geborgen lagen, feuersicher vom Viehende abgeschart. - Das alte, abgebrannte Haus hatte fast dieselbe Raumeinteilung gehabt. Herd und Schwibbogen werden schon 1644 im Flett ausgezählt. Herd- und Heizfeuer waren demnach bereits

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getrennt. Vom Rahmen heißt es 1650, daß er neu gemacht werden müsse. Auch der Kreuzbaum muß in jener Zeit schon gestanden haben und nach dem Brande abermals verwandt worden sein. Es könnte sonst nicht 1705 heißen, der Feuerrahmen sei gut, aber der Ständer müsse neu gesetzt werden. 1717 wurde im Flett ein Windfang neu eingebaut. Um den Herd, die Digge und den Kreuzbaum errichtete man auf 4 Fach Seitenlänge im Quadrat ein Geländer aus Tannenbrettern, das oben durch ein Gitterwerk abgeschlossen war. Eine Tür in dem Geländer gab Zutritt zu diesem Bereich der Frauenarbeit. - Außerhalb des stattlichen Vorwerks, das mit seinen Nebengebäuden innerhalb eines Hackelwerks lag, fand sich die Schäferei, die einige Jahre vorher von den Dänen geplündert worden war. Der Schäferkaten war ebenfalls ein Flettdielenhaus. ,Der Feuerdiggen über dem Feuerherd (war) von Mauersteinen aufgeführt, und vor selbem Herd




[Vorwerk Rothenbek um 1720 / Vorwerk Mustin um 1750]

Rothenbek: Entwurf des Verf. nach dem Inventar. MUSTIN, zusammengefaßt aus 2 erhaltenen Zeichnungen; die erste zeigt die Gitterküche (gestrichelt) wie in Rothenbek; die zweite zeigt nur den Kreuzbaum (K), da die Küche beseitigt war. Die übrigen Umgestaltungen des Wohnendes hängen damit zusammen, daß nach Herstellung eines Pächterhauses das alte Haus nur noch als Gesindewohnung diente.

Ausführung der Zeichnung: Baumeister Niemann.
 

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die Hausdiele auf ein ganz Fach mit Feldsteinen übersetzet, worüber auch ein Feuerrahmen'. Der Diggen stand an der Stubenwand, und von ihm her ward die ärmliche Stube beheizt, deren 'Boden' aus Buchen" [sic!] sehr wurmstichig war und nächstens gegen einen Tannenboden ausgewechselt werden sollte 11).

Die Herdstätte.

Wichtig für unsere Untersuchung ist nun die Entwicklung der Herdstätte.

In den VorwerksKATEN, in den Schäfer-, Vogts- und Backhauswohnungen, in den Katen im Weinberg (Lauenburg) und im Tiergarten (Juliusburg) findet sich auf dem Flett der Herd. Über ihm hängt der Rahmen (Rähm, Rämmels), und zugleich ist der Feuerboden mitten über dem Flett mit Eichendielen überschossen, während die Luchtböden nur mit Buchenschleten überlegt sind. Der Herd erhält

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11) Allgemeines über die Vorwerksgebäude.

Nach der Schilderung von Rothenbek mögen noch einige Ergebnisse von allgemeiner Bedeutung aus den Inventarien hier mitgeteilt sein.

Bei allen Vorwerken handelt es sich um Flettdielenhäuser. FLETT wird die ganze Querdiele genannt; die Seitenarme heißen wohl auch LUCHTEN (Auslucht, Fensterlucht), selbst das ganze Flett findet sich als Lucht bezeichnet (Borstorf). Man schreibt: Fledt, Fleht, Fleth, Fleeth, was auf die verschiedene Sprechweise schließen läßt. Eine ABSCHERUNG gegen die Viehdiele ist schon überall eingetreten. Das Flett öffnet sich nach beiden Seiten in quergeteilte SIEDELDÖREN. Die Belichtung geschieht durch Glasfenster, aber auch noch durch 'HÖLZERNE FENSTER' zum Aufschieben oder Aufklappen. Die Fenster der Wohnstube finden sich an einigen Orten (Mustin, Borstorf) mit dem herzoglichen Wappen geziert.

Die Ausstattung mit Tischen und Bänken (festen Bänken, REGEBENCKEN) ist überall ähnlich. Man findet 'SCHLAAPBENCKE', KUTZEN (1591), Kueßbetten, Schappbedden und Bettsteden. Einmal heißt die Schlafstelle Coy. Die Raumeinteilung ähnelt einander überall. Die Entwicklung der Stubenfußböden vom Lehmbeschlag über die Pflasterung mit Kleinsteinen und weiter über die Auslegung mit roten Fliesen hin zur Bedielung mit Tannenbrettern ist deutlich. Der Fußboden heißt Flor, und danach werden die roten Fliesen Floren genannt. Im Norden sagt man auch AHLSTRACKEN, wie die Vierländer Astern sagten (Estrich < ahd. astrich < lat. aster - Stern). Der Boden über den Stuben findet sich als 'Traunboden', 'TRUMPENBÖHN' bezeichnet (Franzhagen). Es ist der heutige Trumpfenböhn. (Trumpen, Trumben, Trumm = Gerüst des Hauses? [vgl. Trümmer.]) Bei der Erneuerung der Gebäude wird aus dem Boden der SAAL mit Kamin; es erscheint so eine Übergangsform zu einem Herrenhaus. Die Stubendecken sind oft noch GEDÖNCHT, was wohl auf Wellerwerk deutet. In der Zwischenkammer des Wohnendes trifft man das BEERSCHAPP mit Falltür, das im Norden des Kreises schon vor 1600 SCHENKSCHIEWE heißt wie in den reicheren Vierlanden, wo es später zu den Prunkstücken gehörte, während in Lauenburg alles für einfachste Ausführung zeugt. Auf der Viehdiele ist die zweite Ausfahrtstür bemerkenswert; sie ist typisch und mag noch auf die ehemalige Durchfahrtsform des Hauses zurückgehen. Die Abseiten heißen auch 'ANKÖBBELS', die Futterständer 'SCHÜTTELSZE'. Als Zäune findet man die großen HACKELWERKE, von Toren unterbrochen; die Zwischenzäune sind 'Waßenzäune' oder Feldzäune; in Aumühle ist 1641 der 'Mistfaldt mitt einem Kleinen EDEZAUN, mitt Heide Überleget', umgeben (Ede = Torf? Eedheidene = Torfwinkel?).

An Schreibweisen sind noch bemerkenswert: Röd (Reet), Schörwand (Scherwand), Schwie(g)bogen, Zwiebogen (Herdgewölbe), Hengels und Reffels (Hängehölzer auf dem Dach, dazu wohl 'Räpel' als Teile der Kipplatte im First), beede (beide), Beerschapp, Kierschen. Biernen, Disk (Tisch), Zedel (Stuhl im Flett).

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weiterhin eine Brandmauer (AUF dem Herd, ÜBER dem Herd, UM den Herd). Wird sie später als zu niedrig befunden, so wird sie erhöht, und schließlich wird der Herd mit dem Schwiebogen gänzlich überwölbt. Diese Brandmauer heißt in den Inventarien der DIGGEN (ÜBER oder AUF dem Herd). Der Ausdruck 'Diggen' überträgt sich dann auf den ganzen Herd. Der Diggen kann also frei auf dem Flett stehen; er bekommt aber in der Folge seinen Platz an der Stubenwand und dient nun auch zur Beheizung der Stube. Herd- und Heizfeuer sind dabei eins. Der Rahmen bleibt zunächst an seiner alten Stelle, um später nachzurücken oder zu verschwinden. Sein Verbleiben verdankt er wohl zumeist seinem Wert als trockene und sichere Aufbewahrungsstätte. Der Diggen oder DINGEN ist der Schwibbogenherd. NUR IM SÜDEN DES KREISES SAGTE MAN DINGEN (wie auch in den Vierlanden und südlich der Elbe); im Norden sprach man immer nur vom Schwibbogen. - Der DINGEN bezeichnet aber auch das Wohngebäude, im besondern das Wohnende. "In Dingen hööbt's al tauslaten" (= schon abgeschlossen). "Bi'n Gewidder blift man am besten in Dingen." "Wü hööbt dat Hö (Heu) al in Dingen." "Wöt ji mal in Dingen bliben!" (Zuruf an die Kinder.) "Dingdör" = Seitentür. IN DIESER BEDEUTUNG GILT 'DINGEN' IM GANZEN KREISE. - Im Süden hat das Wort demnach eine doppelte Bedeutung. [Das Wort HUUS (Huis) umfaßt eigentlich die Hofstelle (das Erbe) samt dem Volk (Wirt und Gesinde). (Vgl. 'Alte Höfenamen in Lauenburg'. Lbg. Heimat 1935, 1 ff.) Es lag also nahe, dort wo man diesen Wortgebrauch hatte, für das eigentliche Wohnhaus den besondern Ausdruck 'DINGEN' zu gebrauchen. Als über dem Herd die Schutzwände entstanden, die wie ein kleines Haus aussahen - eine hochdeutsche Urkunde aus dem 30 jährigen Krieg spricht vom 'BRANDHAUS' -, da ist vielleicht der Ausdruck Dingen auf den Herd übergegangen. Doch kann dies vorläufig nur als Vermutung ausgesprochen werden.)

In den GROSSZEN HÄUSERN ist die Entwicklung etwas anders. Man beläßt den großen Herd an seinem alten Platz mitten im Flett. Man baut daneben in der Stubenwand, vielleicht auch noch an der Kammerwand, eine oder mehrere Diggen zur Beheizung der Räume. Herd- und Heizfeuer sind also getrennt. Der Herd selbst ist zunächst etwas durch die Abscherung nach der großen Diele geschützt. Bald aber bekommt er eine besondere Abscherung, einen Windfang aus einer brusthohen Bretterwand mit Gitterwerk darüber. So entsteht eine Art Küche. Indem man später in einem Flettarm einen großen Schwibbogen errichtet und diesen Arm auch durch ein Gitter oder eine Wand abschränkt, gewinnt man die eigentliche Küche 12). Damit verbindet sich oft die Errichtung eines besondern Schornsteins, und ein so abgeleiteter Schwiebogen findet sich als Kamin bezeichnet. An der alten Stätte bleibt der verfallende Herd manchmal noch lange. Länger noch halten sich Rahmen und Kreuzbaum an ihrem Ort. Der Kreuzbaum findet sich aber auch seitwärts zur Küche versetzt (Basedow); einmal sogar, und das in Grünhof, kehrt seine Gestalt als 'eiserner Baum' mit 'eisernem Querbaum und Kesselhaken' auf dem Küchenherd wieder.

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12) Solche Abgitterungen des Küchenarms habe ich noch vor einigen Jahren in einer Kate in Tramm gesehen.

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Ergebnis.

Der Kreuzbaum läßt sich, bei uns mit urkundlicher Bestimmtheit seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts nachweisen. Er kam im Durchfahrtsdielen- und im Flettdielenhaus vor, zumeist in großen Häusern, doch auch in Katen.

Sein Zweck war die Stützung des Rahmens. Mit der Wandlung der Feuerstätte wandelte er sich selbst, bis er - bedeutungslos geworden - verschwand. Als Rahmenstütze mag er zugleich den Flettbalken und damit den schweren Kornboden getragen haben. Eine eigentlich bauliche Bedeutung, als Firstsäule etwa, kann man aber für ihn nicht erweisen. Daß er als Träger von Sinnbildern, von Pferdeköpfen u. ä., diente, bleibt eine Annahme, die denkbar, jedoch nicht beweisbar ist. Schmuckformen, die in diese Richtung deuten, sind nicht bekannt.

Der Kreuzbaum muß als besondere bauliche Eigenart der Sadelbande gegenüber dem Polabengau gelten 13). Da er sich nicht in jedem Hause fand, stand er dem Volksgemüt nicht so nahe als das Herdfeuer selbst. Vielmehr war der Dingen als die wärmende Mitte alles häuslichen Lebens mit dem Hause eins. 'Ik bliev in Dingen', das will bedeuten: "Ich bleibe daheim; ich lasse draußen geschehen, was will." Es wird immer bezeichnend für das Gemütsleben der alten Sachsenmark sein, daß sie Haus und Herd in dem Worte 'Dingen' ineins gesetzt hat.

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Fragen wir nun noch einmal mit dem Aufsatz der Reichszeitschrift: "Ist der Kreuzbaum eine heilige Säule?" Unsere Untersuchung wird schwerlich den weiten Bogen stützen können, den metaphysisches Bedürfnis spannen möchte von diesem Rahmenträger bis zum Weltbaum der Urzeit. Wir können die Frage nicht bejahen, und möchten sie nicht verneinen. Sollten jemals genügend Zwischenglieder gefunden werden, die dartun, daß der Kreuzbaum ein sichtbares Mahnmal jener Zeit darstellt, als der Glaube an die alles tragende Kraft der Weltsäule unsere Urväter bewegte, dann wird uns am ehesten die angeführte Hornbeker Überlieferung einen Zugang zu solcher Anschauung vermitteln können. Wer unter dem Kreuzbaum aufwuchs, wer dort an den langen Winterabenden den Erzählungen, sagenhaften Geschichten und Mären aus dem Munde der Älteren lauschte, träumend in die brennenden Törfe sah, während die Funken rote Runen zogen und die Schatten von Baum und Rahmen riesengroß über die Wände geisterten, dem mochte immer der Kreuzbaum wie die Mitte seiner geistigen Welt erscheinen, und sie ist ja die wahre, die uns die rauhe Welt der Wirklichkeit tragen hilft.

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13) Die einzige Ausnahme in Mustin läßt sich wohl als Regelform der amtlichen Bauleitung deuten.




 

 

 

 

 

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