Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1940


Unverständlich gewordene, aber doch noch deutbare Orts- und Flurnamen
im südwestlichen Lauenburg.

Von Studienrat i. R. WALTER LÜHRS, Hamburg-Großflottbek.

(Schluß.)

Die in Norddeutschland "RÜSCH" genannte Binse (lat. SCIRPUS oder JUNCUS) 37) wird man einst bei der Rüscher Rie (1774) in der Gegend des jetzigen Bahnhofs Aumühle beobachtet haben. Ähnlich steht es bei Rittbruch und Rittbroicks Wiese (1787) um das REET oder Reit, eine in Wentorf bezeugte Schilfart, deren Name uns an das "Reitbrook" in Billwärder-Moorfleet erinnert.

Gleich geläufig ist uns das Wort BES, Beese 38) oder Beis, mnd. BESE, fries. BÜS, für die "Binse", der das frühere Besenhorst (ab 1230) den Namen verdankt, vermutlich aber auch das Bistal (ab 1746) des Sachsenwaldes, das der Bis oder Bessen durchfließt, an dessen Oberlauf das Escheburger Ackergelände Bessen (ab 1746) liegt und der im Mittelalter eine Mühle getrieben haben dürfte, nachdem er zum Pester Deich oder "Bessendiek" aufgestaut worden war 39). Der Name dieses bereits 1348 urkundlich nachweisbaren Teichs hat übrigens besonders schwer unter sinnentstellender Schreibung gelitten, lesen wir doch z. B. "Tesper Deich" und "Seyster Teich" (1700) sowie "Priesterdeich" und "Pastor Lieb".

Auf der Hamwarder Flotter Wisch (ab 1877) war sicher die FLATTERBINSE zu sehen. Fladder ist "schwimmendes Grasland", eine Bezeichnung mit dem ndd. Grundwort "Flad" für "fließendes Wasser" 40), das wir auch in dem Namen des ehemaligen Elbdorfs Flottbek hören.

Zum wenigsten die ortsübliche Aussprache des Börnser Flurnamens Pusut (ab 1927) gemahnt an den POST oder (Sumpf-)Porst (lat. LEDUM PALUSTRE), der auch in Skandinavien vorkommt, dessen Name aber dunkler Herkunft ist 41).

Was in Geesthacht als Hucks Löcher (1840-42) ausgezeichnet wurde, ist, nach der Lage am Haferberg zu urteilen, gewiß als "FUCHSLÖCHER" zu lesen.

Beim D(r)össelbusch (1812) und Dösselbuschberg (ab 1831) in Geesthacht beziehen sich auf einen "DROSSELBUSCH", nach dem Flurstücke auch im westlichen Mecklenburg heißen 42). Der hier in Frage stehende Vogelname, germ. THROSTLO-, scheint mit idg. TROZDU zusammenzuhängen, einem vermutlich lautnachahmenden Wort 43).
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37) Mensing IV, 235.
38) Huntemann S. 51.
39) Lührs "Alte Wassermühlen im südwestl. Lbg.", in "Ld. a. d. Elbe", Jg. 5 (1932), S. 45-46.
40) Jell. Westf. S. 65.
41) Kluge "Etymolog. Wtb. d. dtsch. Sprache" (Berlin u. Leipzig, 1930-34), S. 452.
42) Neumann S. 105.
43) Suolahti "Die dtsch. Vogelnamen. Eine wortgesch. Untersuchung" (Straßburg 1909), S. 53.


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Der Grünhof-Tesperhuder Rappenberg (ab 1836) ist wohl eigentlich ein "RABENBERG". Den Namen "Rappe" trug noch im Mittelalter der Vogel Rabe. Für das schwarze Pferd hat er sich in Niederdeutschland kaum eingebürgert. Zudem läßt "Schwarzer Berg" (ab 1931), der andere Name dieses Berges, darauf schließen, daß zum mindesten in älterer Zeit der Berg etwas an sich hatte, weswegen man ihn mied, wie es vielleicht auch mit dem Kröppelshagener "Kreien Berg" (1746-96) geschah.

Daß der Kranich oder "KROON" ein häufiger Gast war, darauf weisen zahlreiche Flurnamen hin, unter ihnen auch wohl Kodronshörn (ab 1744), was allerdings auch einmal "Kohelmshörn" (1744) geschrieben wurde, für den Jagen 69 in dem östlichen Winkel zwischen Aue und Süsterbek. Wir denken hierbei an die "Kronshörn" bei Hagenow 44) und das gleichnamige, "wie ein langer spitzer Schnabel in die Leher Flur" hineinragende Flurstück" 45).

II. Eine letzte Erinnerung an die Alte Mühle an der Aue unterhalb Schwarzenbeks, eine Sägemühle, von deren Erbauung oder Neubau eine Eintragung am 16. Dezember 1611 ins Bergedorfer Ratsprotokoll berichtet, birgt der Schwarzenbeker Wiesenname Otterwerk (ab 1716), der anfangs "Altes Wehr", pld. "(dat) OLE WEHR", gelautet haben wird, da die Karte des Sachsenwaldes von 1664 bereits nur noch das Wehr aufweist" 46).

Der hamburgisches von preußischem Gebiete trennende Escheburger Knollgraben (ab 1877) hieße richtiger wohl: "KANALGRABEN", wenn auch damit nach unseren Begriffen dieselbe Sache doppelt ausgedrückt wird. Da nach der Lage ein Knoll oder Knüll, d. h. ein "kleiner Berg", als Namengeber nicht in Betracht kommt, kann wohl nur das ursprünglich babylon. Wort Kanal (für "Rohr") 47) das bestimmende Wort sein.

Ein wichtiger Erwerbszweig ist seit langem, besonders in Geesthacht. das Flechten von Körben 48), wofür die Korb- oder Salweide den
Rohstoff liefert, z. B. in Worth In den Wiedstrücken (ab 1775) oder "WEIDENSTRÄUCHERN". Solche Weiden standen sicher auch auf dem Geesthachter Rutenwärder (ab 1727); denn i. J. 1676 wurde der "Rutenschnitt" einmal als Entschädigung gewährt 49). Vermutlich waren Weiden aber auch, wenigstens als junge Setzlinge, bei den Pütten (1812) bzw. vor den Pfützen (1844) oder beim Pütten- oder Patten­Soll (1754-1842) am Hamwarder Weg in Geesthacht und Im Pott (ab 1877) an den Qual- [oder ,,Quell-"(?)] Wiesen östlich vom Dorfe Worth. Zum wenigsten von Mecklenburg wissen wir, daß amtliche

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44) Steinmann "Die Fln. der Hagenower Feldmark", in "Meckl. Zs.", Jg. 25 (1930), S. 89-95 u. 110-15.
45) E. Räther "Der Streit um die Kronshörn", in M. v. M., Nr. 8 (1937), und Schröter "Rings um den Kranich", ebd. Nr. 7.
46) Lührs Wassermühlen.
47) Kluge S. 279.
48) Vgl. Brüning "Der Flechtzaun im norddtsch. Küstengebiet", in "Ndd. Zs. für Volkskd.", Jg. 10 (1932). S. 89 ff.
49) Prüß "Geesthachter Heimatbuch" (1929), S. 126.


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Vorschriften im 16., 17. und 18. Jh. das Setzen von Patweiden verlangten 50). Mit POTE, Paat, Plur. PATEN, mnd. POTE für "junges
Reis", zu mnd. POTEN für "Pflänzlinge setzen", das auf ein lat. Verb, IMPUTARE zurückgeht, ist ein "Ableger oder junger Zweig" gemeint, in unserem Fall ein solcher von Weiden, der den Winter über in einem Teich oder "POTTSOLL" aufbewahrt wurde 51).

Zeugen harter Waldarbeit erblicken wir u. a. in Namen mit gemeingerm. "Stubbe" und "Drum" für "Baumstumpf", z. B. in dem Wentorfer Namen des Wentorfer Stiidt Bergs (1792) südlich vom Gasthaus Marienburg, der gewiß "Stübarg oder STUBBENBERG" lautete, wie tatsächlich ein Ackergelände an der in Escheburg von Bergedorf heraufführenden Straße "Stubbenberg" (ab 1877) heißt. "DRUM", dessen Plur. "Drümme" als "Trümmer" ins Hd. überging 52), bzw. "Dröm oder Dram" für "Baumstumpf, Erdstück" 53), steckt jedenfalls in dem Forstortsnamen Drumshorn (ab 1786) und den Namen Drum hörnes Blöcke (1746) und Drumshornkoppel (ab 1877) in Hohenhorn. Ob wir die Hamwarder "Tramhöfe" (ab 1724) dazurechnen dürfen, bleibe unentschieden.

Der Wald diente in großem Maßstab auch der Viehweide und der Schweinemast. So erklärt sich der Name des Fehmbergs (ab 1724) im Süden der Hamwarder Feldmark. "(Die) Fehme", mnd. VEME, dem ein männliches "Feim" für "Schweinemast" 54) entspricht, ist als
"Eichelmast" 55) m unseren Landen nicht geläufig.

Selbstverständlich lag man in den Waldungen auch dem Weidwerk ob. Vor allem der Forstort Wiedenort (ab 1530), "von den Sächsisch
aber der Hertzogenwald genandt", um 1725 als "Wienorth" ein Teil der Schwarzenbeker Amtsforst, dürfte diesem Zwecke vornehmlich gedient haben. Ursprünglich auch Jagd und Fischfang bezeichnend, geht dieses "WEIDE" auf die idg. Wurzel VAT für "weiden, Weideplatz, Genuß" zurück, bildet, entsprechend dem Worte "Weidwerk" sicher das Bestimmungswort zu unserem Namen und ist als "Jagdort" vielleicht gar ein Seitenstück zu dem Namen "Schießkammer" in der einst den Gülzower Grafen gehörenden Gülzower Forst.

Mit dem Weidwerk im Zusammenhänge steht die Jäger Rie (1792) in Schwarzenbek nahe dem heutigen Schützenplatz. Nicht um
einen Wasserlaus, eine "Riede", handelt es sich hier, sondern um eine "JÄGEREI", d. h. das Anwesen des Herrschaftlichen Jägers. Eine
solche JEGERIE ist anderswo bereits um 1210 in mhd. Zeit bezeugt 56).

Eine Verordnung d. J. 1693, wonach die Eingesessenen des Amtes Lauenburg in jedem Dorfe wenigstens eine GRÜTZMÜHLE betreiben
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50) "Mitt. d. Heimatbundes f. d. Fürstentum Ratzeburg", Jg. 14 (1933), S. 31.
51) Neumann S. 95.
52) Mensing I, 879.
53) Woeste S. 59 und Maack "Volks- u. Heimatkd. von Sl.-H., Hamburg u. Lübeck auf rassenbiolog. Grundlage" (Flensburg 1935), S. 97.
54) Sanders "Wtb. d. dtsch. Sprache" (1910), S. 203.
55) Sch.-Lb. V, S. 231 f.
56) Weigand "Dtsch. Wtb." (Gießen 1909), Bd. I, 940, und Gadde "Die Bildungen auf -(er)ei im Dtsch.", im "Archiv f. d. Studium d. Neueren Sprachen u. Literaturen", Bd. 42 (1921), S. 13.

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mußten 57), ruft uns der Hohenhorner Name Gru(i)mühlenkoppel (ab 1877) ins Gedächtnis zurück. Grütze ist übrigens vor dem Bier sicher schon in altgerm. Zeit aus der Gerste gewonnen worden 58).

Ein Ackerfeld oder einen Garten einzuhegen, dazu diente von altersher ein hölzerner Zaun. Nur ndd. oder gar Westf. 59) ist dafür das Wort GLIND, mnd. PLINT. An einem Glind entlang lief ursprünglich der Bergedorfer Glindersweg (ab 1615). Ein anderes Wort, nhd. "Etter" 60), ist auf ndd. Gebieten anscheinend außer Gebrauch gekommen. Wir lesen es in der Escheburger Ortsangabe voreder (1348),
womit gewiß ein "VORETTER", d. h. ein Gelände außerhalb eines Zauns gemeint war, entsprechend der Verwendung der Wörter "Vorland" und "Vorbrook".

Aus der großen Zahl der auf die Viehwirtschaft weisenden Namen fallen uns Commohr (ab 1724) und Commohrsblöcke (ab 1775) in Worth auf, die sich wohl nur als "KUHMOOR" deuten lassen, wie es ja in Geesthacht und in Hamwarde Jittmoor, in Escheburg Giepmoor (1718-27) und Jittmoorskoppel (1746) gibt, wo junge "JITT" genannte Ziegen oder Rinder 61) auf die Weide geführt wurden.

Nicht sofort verständlich sind auch Lütje Heersoll (1745) in Brunstorf und Heerhop (ab 1775) im südlichen Worth, solange wir nicht
daran denken, daß der Hirte auf dem Lande "Heer oder Heir" heißt, was sich auch in der Bezeichnung "Heerwisch" für Wiesen widerspiegelt, auf denen man im Walde weidendes Vieh zu melken pflegt 62). Der "KLEINE HIRTENSOLL" und der "HIRTENHOOP" waren sicher den betr. Dorfhirten zugewiesen.

Ein Zeuge der Graswirtschaft ist gewiß der Mehgrund (1724-82) in der Wester-Häse, der uns zuerst als Heide und später als Tannenholzung begegnet. "MEED", mnd. MEDE, f., für Mähde, Heuland" 63), asächs. METH. nld. MAAT, ags. MEETH für "Mahd", scheint in neuerer Zeit in Norddeutschland nicht mehr gebraucht worden zu sein.

Begriffe der Fischerei und der Fischzucht enthalten u. a. vermutlich die Schwarzenbeker Namen Bungelands Bock (1792) und
Bungelandswiese (ab 1744). Im "BUNGELANDSBECK" wird man BUNGEN, d. h. "zylindrische Fischnetze" 64) ausgelegt haben. An
ein HÜ(DE)FATT, das der Aufbewahrung lebender Fische dient, dürfte der Namengeber bei dem Anblick eines Geesthachter Solls gedacht haben, was in späteren Zeiten aber vergessen wurde. Denn den Namen Hüfatt (ab 1705) lesen wir auch in den Fassungen "Hüsatt" und
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57) Lt. Akte D II Nr. 11 im Kieler Staats-Archiv.
58) Hoops "Reallexikon d. Germ. Altertumskd." (1911-19), Bd. II, 337.
59) Vgl. Woeste S. 81.
60) Kluge S. 140.
61) Jellinghaus "Bestimmungswörter westsächs. u. emgrischer Ortsnamen", im "Ndd. Jahrbuch" (1902) und Nehring "Studien zur idg. Kultur u. Ur-Heimat", in "Indogermanen- u. Germanenfrage. Neue Wege zu ihrer Lösung" (= "Wiener Beiträge zur Kulturgesch. u. Linguistik", Jg. IV (Salzburg-Leipzig 1936), S. 110.
62) Tonn "Die Fln. als Quelle d. Heimatkd.", in "Heimat" (1905), S. 108.
63) Sch.-Lb. III, 50, und Jell. Westf. S. 137.
64) Mensing l, 585.


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"Küset" (1754); der Name des benachbarten Husütbergs (1841-42) ist ohne weiteres überhaupt nicht mehr zu verstehen.

IIl. Ein ganz altes Wort für "Bauerschaft, Gemeindeverwaltung und dazugehöriges Gebiet" ist "(der) BUR oder (die) BURE". Anord.
BOER für "Farm" und "Weiler" 65), mnd. BURE und mnld. BUUR, lebte noch im 14. Jh. 66), ist in Deutschland jedoch fast ganz auf Westfalen beschränkt und - nebenbei bemerkt - ein weiteres Zeugnis dafür, daß Westfalen unser Gebiet im Mittelalter besiedelten. Da nun in Escheburg im 14. Jh., 200 m in südlich vom heutigen Bahnhof, ein Hof "Krainborg" 67) gewesen sein soll und für 1348 eine Stätte Borch" 68) mit Gehölz urkundlich bezeugt, der Name des Dorfes Escheburg aber schon ab 1322 nachgewiesen ist und wir auch kaum annehmen können, daß die Neubesiedlung in den Marschwiesen begann, käme höchstens eine alte Burg auf der Geest in Frage. Von dieser würden wir jedoch gewiß etwas gelesen haben. Die nur einmal belegte Schreibung "Eschenberg" (1771) ist ganz offensichtlich ein Versehen. Die Schreibungen Escheborch (1326-71) und Esborg (1788), vor allem die ortsübliche Aussprache: "Eschborg" deuten ebenso wenig wie die Schreibung "Escheburg" auf die Esche, d. h. den Eschenbaum hin; denn Namen mit "Esche" als Bestimmungswort würden die Form "Eschen-" enthalten. Es bleibt jedoch noch eine andere Deutung, die Deutung: "ESCHBUR", d. h. die "Bauernschaft an oder auf dem Esch". Wir wissen zwar nicht, in welcher Reihenfolge die mittelalterlichen Dörfer unseres Gebiets "gegründet" wurden; doch können wir gewiß unbedenklich annehmen, daß Bergedorf vor Escheburg entstand, weil es bei dem heutigen "Brink", d. h. in dem Winkel zwischen Schulenbrooksbek und Brookniederung, wegen der geschützten Lage oberhalb auch der damals noch sehr breiten Billniederung einen verhältnismäßig starken Anreiz zur Niederlassung ausübte, während der Geestrand nach Osten zu noch längere Zeit ESCH, d. h. "offenes, uneingehegtes, ursprünglich gemeinsam bebautes Saatfeld" 69) blieb, zumal die Escheburger Feldmark viele Hügelgräber beherbergte. Als es dann zur Besiedelung kam, wurde eben ein "Bur an oder auf dem Esch". Auch Namen mit "Esch" sind übrigens in Westfalen und in Westdeutschland sehr häufig.

An den Escheburger Grübben hinter den Koppeln "Bessen" sind die Buerblecken (ab 1746), deren Name in sehr verschiedenen Schreibungen, wie "Im Bauer Bleeck" (1777) und "Buhrblöcke" (ab 1746) auftritt, bei denen es sich jedoch sicher um einen zur Bure Escheburg gehörenden BLEK, d. h. (der Weide dienenden) "waldfreien Platz" 70)
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65) Wührer "Beitr. zur ältesten Agrargesch. d. germ. Nordens" (Jena 1933), S. 64.
66) Sch.-Lb. I, 454.
67) Hofmeister "Die Wehranlagen Nordalbingiens ..." Heft 2 (Lübeck 1927), S. 51.
68) Hasse IV, 338.
69) Jell. Westf.
70) Allerding "Die Fln. des Fürstentums Ratzeburg" (Rostocker Diss. 1923; nur in Maschinenschrift), S. 8, und Prien "Forschgg. u. Betrachtgg. zur Gesch. von Neumünster u. Umgd." (Neumünster 1929), S. 25.

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gehandelt hat. Zudem erinnern wir uns der Fahrendorfer Namen Auf der Hanen Burg (ab 1745) und Hanen Burger Camp (ab 1716 bis 24), die gleichfalls nichts mit einer Burganlage zu tun haben, sondern nur eine "HOHE BUR" bezeichnen dürften. Das Adj. "han, hon" begegnete uns bereits in dem Namen "Hamwarde"; es steckt auch in dem Börnser Flurnamen "Auf dem Hamfelde" (ab 1746).
Schwerer ist der Name Auf dem Purworth (ab 1775) der Wörther Hauskoppeln zu erklären. Denken wir jedoch an den "Borwurt", auf
dem um 1767 in Stotel der Krammarkt abgehalten wurde 71), so erscheint uns die Lesart "BURWORT" möglich, obgleich sie für Worth nicht belegt ist, und dann hätten wir auch hier ein Gelände vor uns, das der ganzen Bure gehört oder gehört hat, wobei uns allerdings
die zwar nur 1781 geschriebene Fassung "Perwordt" nicht irremachen darf.

Die Siedler, die späterhin aus dem Allgemeinbesitz der Bauerschaft ihr Land erhielten und sich auf ihrem "Kamp" eine eigene "Kate" bauten, häufig wohl jüngere Söhne der Hufner, nannte man Kotsaten, KOSSÄTEN, KOTSEN oder Kätner. So finden wir zwischen 1717 und 1727 neben der Koppel "Bauer Voigt" südlich vom Börnser Roten Hause "3 Cossaten". Kotsen gaben vermutlich aber auch dem Wentorfer Kattenhoop (ab 1746) den Namen, der außerdem als "Katzenhoop" (1787-92) überliefert ist und wozu sicher noch der Kattsendiek (1792) in derselben Gegend "Am Bergedorfer Feld" gerechnet werden muß. Ebenso steht es gewiß um den Geesthachter
Katzberg (ab 1731), der nur in dieser Namensform bekannt ist. Zum mindesten liegt der Berg außerhalb des Dorfes an der Hasenthaler
Forst, und nahe der Elbe war daselbst ein Gelände "Beym Kamp" (1727-31).

Vielfach stellten stehengebliebene Waldteile die natürliche Grenze zwischen Ortschaften dar. Weil dort der Pflug "gewendet" werden
mußte, sprach man, wenn man den begrenzenden Waldrand meinte, auch von der "Wende", so z. B. in Dassendorf von den Wenden,
gesprochen "Wenner" und geschrieben Wendel (ab 1743), und dem Wasserlaufe Wendelbek (1819).

Häufig sagte man statt "Wende" auch "SCHIERE". Von den mehr oder weniger klar erkennbaren Namen dieser Gruppe nennen wir, außer "Bey den Schiren Eichen" (1740) in Bergedorf nahe der Lohbrügger Nagelfabrik, den Escheburger Sniederbarg (ab 1933), der sicher "SCHIER(EN)BERG" heißen müßte.

Ein anderes Wort zur Bezeichnung der Grenze scheint in dem Namen Schadenbek (ab 1664) enthalten zu sein. Ndd. und mnd.
"Scharn", afries. SKERN, ags. SCEARN, ein Wort, das Mist und andere als minderwertig geltende Dinge bezeichnet 72), scheidet als Bestimmungswort von vornherein aus, und zwar zugunsten von "SCHAAR" für abschüssige Gegend, Steilufer, Gestade, Grenze", mnd. SCHORE, ent-

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71) Strunk "Die Fln. aus 12 Gemeinden des Landkreises Geestemünde", in M. v. M., Jg. 24 (1928-30), S. 46.
72) Mensing IV, 294.
 

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sprechend engl. SHORE, ags. SCORE für "Gestade, Küste,' Vorland" 73). Nehmen wir jetzt an, daß die älteste Eintragung "Schaven Beck" (1664) aus "SCHAR(E)NBEK" verschrieben sein kann, und denken wir daran, daß der Bach tatsächlich das Aumühler von dem Rothenbeker Forstrevier trennt, so erscheint die Deutung: "GRENZbach" uns durchaus einleuchtend.

Wo die Grenze über einen Weg verlief, legte man einen (Schlag-)BAUM, wie z. B. hinter den Dassendorfer Müssenwiesen im  nördlichen Dassendorf und vor den Radewiesen an der Bille in Bergedorf. Der erstgenannte Müssen Baum (1783-1819), der den offensichtlich im Zuge des Langestückenwegs von Dassendorf in den Wald führenden Baum(s)weg (ab 1664) sperrte, gab auch den Bohmsplaggen (ab 1773), d. h. den Jagen 245-246, die um 1777 "Heide" waren, den Namen. Das Andenken des anderen Baums bewahrt ab etwa 1810 der "ortsübliche" Name Beim Hundebaum. Wir würden uns täuschen, wenn wir meinten, die in Betracht kommenden Grundstücke des früheren Klosterhofs und Klosterhagens hätten "Hund" gehießen, oder man müßte, im Hinblick auf das in alten Verzeichnissen oft genannte Ackermaß "Hunt", "Huntebaum" sprechen. "Hundebaum" dürfte eher eine falsche Wiedergabe von "RUNNEBAUM" sein. Tatsächlich war in Bergedorf um 1600 ein nicht genauer zu ermittelndes Gelände "vor dem Ronneboom" 74). Da man unter ROONE- oder RENNEBOM, entsprechend mhd. RONE, ahd. RONO für "Baumstamm" 75), einen Grenzpfahl und später einen Schlagbaum verstand, wie u. a. unter dem RENNEBOOM (1350-1400) zu Hamburg, so dürfte dieser Annahme nichts im Wege stehen.

Unfruchtbares Land scheint nur in Kröppelshagen Auf der Unstelle (ab 1746) bemerkenswert gewesen zu sein. Allerdings kann mit
diesem Namen auch etwas anderes gemeint gewesen sein; mnd. UNSTEDE für "veränderlich, wechselnd" und ndd. "Unsteed" für "Erkältung, Fieber" 76) und der um 1780 in Vorpommern gebräuchliche Ausdruck: "He is up Unstäden west", d. h. "Er hat Mißgeschick gehabt" 77), geben jedenfalls zu denken. Immerhin war im Westf. Kreise Lüdinghausen ein Hof "UNSTEDDE" (um 1150: Unstede) 78); auch wissen wir von einer VNSTEDE (1295) im Lande Bukow 79). Das Wort scheint also immer auch etwas Greifbares bezeichnet zu haben.

Wege in feuchtem Gelände, wie etwa der Billniederung bei Bergedorf oder den Escheburger Wiesen von Escheburg nach Altengamme, pflegte man in alter Zeit, besonders in Holstein, Hannover und
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73) Ebd. 284.
74) Staunau "Gesch. d. Stadt Bergedorf" (Hamburg 1894).
75) "Kämmereirechnungen der Stadt Hamburg", Hrsg, von K. Koppmann (1869-94), Bd. 1, S. 91.
76) Mensing IV, 249.
77) Dähnert "Pld. Wtb. nach d. alten u. neuen Pomm. u. Rügenschen Mundart" (Stralsund 1781)) [sic!], S. 507.
78) Schneider "Die Ortschaften d. Prov. Westf. bis zum Jahre 1300 ..." (Münster, Diss. 1936), S. 130.
79) Meckl. Urkb. III, 2362.

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Westfalen 80) aus Buschwerk, Knüppeln, Erde oder Rasenstücken herzustellen und "Specken" zu benennen. Diese mit ahd. SPA(H)HO, ags. SPOEC für "Reisig" verwandte Bezeichnung, mnd. und mhd. SPECKE, asächs. SPEKKIA, germ. SPAKKJON 81), ist sicher auch mit dem Worte "Speiche" verwandt. Da man Radspeichen wie auch die genannten Knüppeldämme aus Buchenholz machte, war - nebenbei bemerkt - die Spackhorst (ab 1656) am Kasseburger Weg im Sachsenwald ursprünglich wohl ein Buchenholzbestand; allerdings kann auch der erwähnte Weg einst eine "Specke" gewesen sein, ähnlich wie vermutlich der Weg (Am) Spakenberg (ab 1841) nordöstlich am Geesthachter Ziegenkrug.

Aber die mit der Landschaft zusammenhängenden Namen besteht im allgemeinen gleichfalls wenig Unklarheit.

Auf dem Kley Häger (1727), eine Erhebung nordöstlich am Geesthachter Horstberg, hieß sicher eigentlich "AUF DEM KLEIHAGEN" nach einem "eingehegten" Grundstück auf aus "Kleie" oder Marschboden bestehendem Untergrunde.

Wenn wir nicht das holst. Wort "Veerendeel" 82) kennten und von den mnd. Formen VERENDEL, VERNDEL 83) für "Viertel" wüßten, würde uns der Wörther Name Auf großen Vohrendeihl (1721-1816) unverständlich bleiben, der durch die Schreibungen "das große Vierenthal" (1775-81), "Am großen Vierdahl" (1775) und "Vierenthel" (1816) nicht klarer wird. So sind wir jedoch überzeugt, daß er ein Zeuge der Verteilung des Landbesitzes, vermutlich in Zeiten lange nach der ersten Hufeneinteilung, gewesen ist.

Namengebend wirkte außerdem zuweilen die Form der einzelnen Ackerstücke. So wird der Name Im Zwicken (ab 1760) der keilförmigen
Wiese am Brunstorfer Siekgraben eine Nebenform von mhd. und nhd. "ZWICKEL" für "Keil", dann allerdings von einem "Hochdeutschen" gegeben worden sein. Krümmel (ab 1614) an der Elbe, der vielleicht nach einer Ackerflur in Alt-Tespe heißt 84), und Krümpcl (1744-1845) in Schwarzenbek waren sicher ursprünglich Flurstücke von "krummer" Gestalt.

Andere Örtlichkeiten wieder verdanken Religion und Kirche ihre Namen.

So gab es noch im J. 1581 in Dassendorf eine, 1614 aber bereits verfallene Kapelle, die, dem i. J. 303 verstorbenen "sächsischen Nationalheiligen" Vitus oder VEIT geweiht, möglicherweise schon um 1334 vorhanden war. An sie erinnert gewiß der Wörther Flurname Billfeitz (ab 1775). Denn wir wissen: zu ihr gehörte um 1581 St. Vitii Holz 85), offenbar die heute "Mastbruch" (ab 1743) heißende Hohen-

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80) Allerding S. 92 und Voigt "Topogr. Nachrichten über d. Stadt Bergedorf" (Bergedorf 1888), S. 1.
81) Vgl. Witt "Beitrr. [sic!] zur Kenntnis der Flußnamen Nordwestdschlds." (Kieler Diss. 1912), S. 156.
82) Mensing V, 350.
83) Sch.-Lb. V, 240.
84) Lührs "Tesperhude - einstmals Hasenthal?", in "Ld. a. d. Elbe", Jg. 8 (1935), S. 45-47.
85) "Lauenburgische Heimat. Zs. d. Heimatbs. Herzogtum Lbg. E. V." (Ratzeburg), Jg. 8 (1933), S. 37.
 

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Horner Holzung. Bei ihm, also "BI'N VEITS (Holl)", waren seinerzeit die genannten Äcker zu finden.

Im Besitz des jeweiligen Hamwarder Pastors oder "PAAPEN", also ein Wittum oder Wedem, war zum mindesten der Wörther Kirchsoll (ab 1724) mit den um ihn herum liegenden Ackern. In ihn muß von Westen her ein jetzt nicht mehr wahrnehmbarer Wasserlauf, die Paperriede (ab 1925) geflossen sein, nach der in Worth, außer dem "Rhienkamp" (ab 1724), eine Koppel und in Hohenhorn der Paritenkamp (ab 1877) heißen dürften. Vielleicht steht auch der Pagelreenkamp (ab 1746) in Geesthacht damit in Zusammenhang, obgleich dessen Name argen Entstellungen, wie "Pagel-Rien-Camp" (1744), "Boll Rien Camp" (1746) und "Paul Reden Camp" (1812), ausgesetzt gewesen ist, die durch den Namen eines Hohenhorner Bauernvogts Paul Kiehn veranlaßt zu sein scheinen.

Daß der Wörther "Wedenhof" (1572-82) und der Block beim Wentkenbarge (1663) Pfarreigentum waren, ist Tatsache, möglich hingegen nur, daß dieser Berg statt "Wedensberg" später Wehmsberg (1771-1877) hieß, was auch "Wehnsberg" (1771) und "Womsberg" (1877) geschrieben wurde.
 

Der Totenehre in grauer Vorzeit werden wir inne beim Anblick der überkommenen Stein- und Hügelgräber, die vor Jahrhunderten noch weit zahlreicher waren. Um 1664 muß ein Steinzeitgrab auch am Börnser Mühlenweg im Forstort Kämpen gelegen haben, und zwar an einem "RIENKAMP", an den vielleicht der Forstname "Wetzsteineriede" (ab 1907) erinnert, der Stein Marien Camp. Aus Bronzezeitgräbern förderte die Folgezeit gelegentlich Geräte aus Bronze oder Gold zutage, womit sie in Escheburg, Kröppelshagen und Worth, hier beim Penneberg (ab 1877), Sagen von der Goldenen Wiege verknüpfte. Deshalb können wir wohl mit Sicherheit annehmen, daß der Jagen Goldberg (ab 1746) südlich der Hamburg-Berliner Landstraße bei Kröppelshagen einstmals "GOLDBERG" hieß. -
 

Der Verfasser ist sich bewußt, daß die eine oder andere Deutung der angeführten Namen einer besseren weichen kann. Er würde sich
aber besonders freuen, wenn er mit seiner Arbeit auch andere Forscher zu ähnlich liebevollem Versenken in tiefer liegende Bereiche der Geschichte unserer Heimat angeregt hätte.



 

 

 

 

 

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