Ein Wort zum Geleit.
„Lauenburgische Heimat" heißen
die bescheidenen Blätter, die wir heute zum ersten Mal in die Welt
hinaussenden. Sie werden nicht gar zu weit fliegen. Jenseit der
Grenzpfähle unseres Lauenburger Landes werden sie nur in die Hände
weniger Freunde gelangen. Aber hier bei Euch, Ihr Heimatgenossen, da
möchten wir für sie ein Gastrecht gewinnen. Da sollte sich ihnen ein
jedes Haus öffnen, und sie sollten darin von Hand zu Hand wandern.
Denn was sie Euch zu sagen haben, liebe Freunde, ist Eure Sache
nicht weniger als die unsrige.
Das liebe schlichte Wort „Heimat" zeigt Euch, was wir wollen. Wenn
Eure Zeitung Euch tagtäglich in die große Welt hinausführt, in unser
schönes weites deutsches Vaterland, in fremde Länder diesseit und
jenseit des Weltmeers, in die große Politik, in
Welt-Wirtschaftsfragen und in die tausendfältigen Probleme der
Wissenschaft und Technik - hier wollen wir nur über unsre liebe
Heimaterde schreiten. Hier wollen wir uns besinnlich in ihre
Schönheit vertiefen; wollen uns erzählen, wie ihr Boden unter dem
Eise tausendjähriger Gletscher geworden; wie ihre Seen entstanden;
wie Bäume, Blumen und Tiere eigenster Auswahl hier ihre Heimat
gefunden; und wie schon vor mehr als achttausend Jahren
Menschenhorden unser Land durchstreiften und auf schwanken
Schilfinseln ihre Rindenzelte bauten. Und weiter sollen uns
Steinbeil und Bronzespange, Urne und Eisengerät durch das Dunkel der
Vorgeschichte führen. Und bewegten Herzens wollen wir verfolgen, wie
sich unter Heinrichs des Löwen machtvollem Zepter deutsche Siedler
unser Land gewannen und wie hier unter dem harten Zwange
wechselvollen Geschicks ein eigener kerniger deutscher Stamm
heranwuchs von besonderer Mundart und eigener Sitte.
Wenn wir uns aber von dem allen erzählen und dann plötzlich ein
Erschrecken über uns kommt, wie die neue grenzenüberspringende und
denkmalvernichtende Zeit auch bei uns an dem liebgewordenen Alten
rüttelt, wie sie Großstadtkultur in unsre Dörfer trägt, wie sie
Sagen und Märchen, Sitten und Mundart in die Erde pflügt, wie sie
unser altes schönes Bauernhaus entstellt und Bürgerhäuser errichtet,
die sich nicht in das liebe alte Straßenbild einfügen - dann wollen
wir Euch aufrufen, daß wir uns zusammen dem entgegenstemmen. Im neu
begründeten Heimatbunde wollen wir uns vereinigen, und diese Blätter
sollen die Stätte werden, auf der wir uns aussprechen, uns anregen
und uns, wo es Not tut, ins Gewissen reden. So aber, glauben wir,
dienen wir am besten der Heimat und uns und denen, die nach uns
kommen. Nicht zuletzt auch unserm gesamten deutschen Volke. Denn ihm
dient recht nur der, der mit ganzem Herzen an seiner engeren Heimat
hängt.
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Der Heimatbund.
Diese erste Nummer unserer Zeitschrift soll eine
Werbenummer sein. Sie soll jeden guten Lauenburger aufrufen, dem
neubegründeten Heimatbunde beizutreten, Mitglieder für ihn zu
gewinnen und ihn durch Rat und Tat zu unterstützen. Sie soll ihm vor
Augen führen, daß der Bund alle die umschließen muß, die Lauenburg
lieben und denen es Herzenssache ist, die ethischen, künstlerischen
und geistigen Werte, die das Wort „Lauenburgische Heimat"
umschließt, zu schützen.
Von der Politik wird sich der Heimatbund - um das gleich
voranzustellen - sorgfältig fernhalten. Es sei denn, daß einmal von
außen her die wohlverbrieften Rechte Lauenburgs angetastet würden.
Dann allerdings wird auch er nicht schweigen dürfen. Sonst aber wird
er nur kulturellen Zwecken dienen und wird sich dabei zumeist in den
Grenzen der engeren Heimat halten. Dessen freilich wird er sich
immer bewußt bleiben, daß wir Lauenburger dem großen
Niedersachsenstamme angehören und daß uns engste verwandtschaftliche
Bande mit unseren Nachbaren im Osten und Westen, Norden und Süden
verbinden.
Der Heimatbund Herzogtum Lauenburg hat schon eine Ueberlieferung. Er
ist hervorgegangen aus der Ortsgruppe Heimatschutz für den Kreis
Herzogtum Lauenburg und Umgebung, die der Regierungsassessor v.
Sperber im Jahre 1911 gegründet und 4 Jahre lang mit
außergewöhnlicher Hingabe und Tatkraft geleitet hat. Der Krieg und
die Nöte der Nachkriegsjahre unterbrachen die Arbeit des
Heimatschutzbundes für lange Zeit. Jetzt will der Heimatbund dort
wieder anknüpfen, Wo der Faden im Jahre 1914 abriß, und er wird sich
redlich bemühen, sich seines ersten Gründers würdig zu erweisen.
Und da ist seine Pflicht, als erste und wichtigste Aufgabe die
wieder aufzugreifen, die der Verein einst unter der Leitung seines
Gründers in den Vordergrund stellte: den Heimatschutz im engeren
Sinne. Ueberall dort, wo eine Stadt oder ein Dörf unseres Kreises in
Gefahr ist, durch stilwidrige und geschmacklose Neu- oder Umbauten
entstellt zu werden: überall dort wird er versuchen, den Bauherrn zu
einer Aenderung seines Planes zu bewegen und den Bau so zu
gestalten, wie es die Umgebung und ein geläuterter künstlerischer
Geschmack erfordert. Im besonderen aber wird sein Arbeitsausschuß
für Bauberatung zur Hand sein, jeden ihm übersandten plan zu prüfen
und gegebenenfalls kostenlos Vorschläge für die Aenderung des
Entwurfs zu machen. Aber auch einschlägige Literatur und
entsprechendes Bildermaterial wird der Bund ausleihen. Er wird
aufklärende Vorträge halten und nicht zuletzt jedem, der an ihn
herantritt, tüchtige Architekten nachweisen, die zugleich gute
Kenner unserer heimischen Bauweise sind. Bei dieser mühevollen
Arbeit rechnet er aber auf die rege Unterstützung seiner Mitglieder.
Er bittet alle, die einen Blick für die Schönheit unserer alten
Bürger- und Bauernhäuser haben, ihm Nachricht zu geben, wenn solchem
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Bauwerk eine grobe Verunstaltung oder gar der Untergang droht.
Vielleicht, daß es möglich ist, den Bau noch in letzter Stunde zu
retten.
Und die gleiche Bitte gilt dem Schutz unserer Naturdenkmäler:
unserer herrlichen Knicklandschaft, unserer wundervollen
Baumgruppen, unserer malerischen Moore, unserer seltenen Pflanzen,
unserer Vogel- und Kleintierwelt. Auch hier kann jedes Mitglied
unseres Bundes in seinem Kreise wirken, indem es belehrt und mahnt,
droht und straft. Auch hier wird der Heimatbund jedem zu Hilfe
kommen, der sich für den Schutz eines Naturdenkmals einsetzt.
Und dann ein Drittes! Nutzt bloß das Haus, nicht bloß Dorf und
Stadt, Wald und Flur gilt es zu bewahren. Auch im Hause selbst
treibt der Kobold des Ungeschmacks sein Wesen. Auch dort richten
Gleichgültigkeit und Sorglosigkeit in unzähligen Fällen Schaden an.
Und auch da will der Heimatbund den Ratsuchenden beispringen. Er
will hinweisen auf geschmackvolle Möbel, Teppiche, Vorhänge,
Gebrauchsgegenstände und - was auch dazu gehört - auf die Anlage
hübscher Ziergärten und Einfriedigungen. Er will ferner darauf
hinwirken, daß die Einrichtung eines Hauses auch seinem Charakter
entspricht und daß unsere tüchtigen Handwerker wieder Freude
gewinnen an der selbständigen Herstellung künstlerisch wertvoller
Arbeiten. Gerade auch in diesem Punkte wird dem Heimatbunde das
Wirken seines ersten Vorsitzenden als leuchtendes Vorbild dienen.
Doch mit dieser Dreiheit sind die Aufgaben des Heimatbundes nicht
erschöpft. Der Schutz, den das „Gesicht unserer Heimat" erfährt,
wird sich nur wenig über die Bedeutung einer Polizeimaßnahme
erheben, wenn wir nicht aus tiefem Verständnis und aufrichtiger
Liebe für die Eigenart unserer lauenburgischen Heimat handeln. Und
deshalb müssen wir zu erkennen versuchen, wie unser Land mit seinen
Wäldern und Mooren und Seen geworden ist. Wir müssen seine Fauna und
Flora studieren. Wir müssen uns in seine Vorzeit und seine
Geschichte vertiefen und emsig die bodenständige Kultur unserer
lauenburgischen Bevölkerung erforschen. Und da erhebt sich vor dem
Heimatbund Aufgabe um Aufgabe. Er muß eine volkstümliche Geologie
unseres Landes, er muß eine Beschreibung der Flora und Fauna
Lauenburgs herausgeben. Er muß die Denkmäler der Vorgeschichte, die
Ringwälle und Wohnstätten und Grabanlagen, wissenschaftlich
untersuchen. Er muß die Eigenart unseres Bürger- und Bauernhauses,
unsere ländliche Siedlung, unsere Flur- und Straßennamen und vor
allem anderen auch die alten Bräuche unserer Bauernschaft, unsere
Sagen und Märchen, unser gutes lauenburger Platt und die Reste alter
lauenburgischer Volkstrachten erforschen. Nicht zuletzt muß er auch
die Kunst und Dichtung fördern, die auf Lauenburger Boden und aus
Lauenburger Art entspringt. Gewiß, auf all diesen Gebieten ist in
den letzten Jahren von einheimischen und auswärtigen Forschern ein
gut Stück Arbeit geleistet worden. Aber noch Unzähliges bleibt zu
vollenden und neu anzugreifen, bis einst der Zeitpunkt kommt, daß
ein lauenburgisches Heimatbuch alle Ergebnisse in Eins zusammenfaßt.
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Die Erforschung der lauenburgischen Geschichte - vor allem in ihren
politischen Zusammenhängen - nimmt der Heimatbund einstweilen nur in
bescheidenem Maße in seinen Arbeitsplan auf; denn er hofft, daß der
so verdienstvolle lauenburgische Geschichtsverein sich dieser
Aufgabe bald wieder mit voller Kraft widmen wird. Aber immer wird er
bereitwillig dem älteren Bruderverein Hilfsdienste leisten. Er kann
die Hof- und Familienforschung fördern, er kann bis zum
Wiedererscheinen des „Archivs" in diesen Blättern geschichtlichen
Aufsätzen ein Unterkommen gewähren. Er kann durch Vorträge dauernd
das Interesse für die Heimatgeschichte wach erhalten.
Vor allem aber will er mit dem Geschichtsverein zusammen an der
Errichtung eines lauenburgischen Heimatmuseums arbeiten. Der Kreis
hat ja bereits ein Gebäude dafür erworben: die alte Apotheke in
Mölln wird einst, wenn sie erst fachgemäß durchgebaut ist, ein
würdiger Raum für die Sammlungen sein, die der Geschichtsverein und
der Kreisausschuß als Grundstock beisteuern. Gerade hier aber müssen
unsere Mitglieder mit das Beste tun. Sie alle haben die Aufgabe und
die heimatliche Pflicht, das neue Museum durch Schenkungen oder
Leihgaben so auszugestalten, daß es eine Sehenswürdigkeit und ein
Schmuck unseres Landes wird.
So liegt ein Riesenbereich von Aufgaben vor uns. Der Heimatbund aber
geht mit gutem Mut an sein Werk heran. Denn er weiß, daß jeder
rechte Lauenburger seine Arbeit fördern und stützen wird. Möge sein
Vertrauen in aller Zukunft nicht zu schanden werden!
G.
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