Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1925


Sitten und Gebräuche zur Erntezeit.

Gesammelt von H. EINFELDT-Dassendorf. 1)

Ein Erntefreudentag war in unserer Gemeinde das Heimholen des Wiesenheus aus Besenhorst. Bei der Verkoppelung der Felder hatten nämlich unsere Vollhufner einen Streifen Elbschwemmwiesen als Besitz erhalten. Die Nutznießung der einzelnen Paletten wechselte aber "reihum", sogar mit Landleuten aus Worth und Besenhorst. Erst etwa seit 1911 wurde jedem Vollhufner ein bestimmtes Stück zugeschrieben.

Schon vor Sonnenaufgang gingen die Mäher hinab in die Wiesen, um noch vor der Tageshitze ihren Schnitt beendet zu habeu. Etwa um 7 Uhr vormittags waren auch die Mägde dort, um Schwaden zu streuen, das Heu zu wenden und abends kleine Diemen zu setzen. Sie hatten das Essen mitgebracht, und zwar gab es stets Pfannkuchen. Zum Essen "wör upn Dutt hinlieken gahn". Zunächst wurden einmal alle Pfannkuchenstapel durchprobiert, und es kam vor, daß eine schlecht kochende Bäuerin ihren ganzen "Backskram" am Abend unberührt zurück erhielt.

Nach dem Essen rief man mit einem kräftigen "Hal öber" Schipper Sangerstädt heran, um nach Stove übergesetzt zu werden. Während die Männer "sich eins auskegelten", erfreuten sich die Mägde an "frischen, schwathen Kaßbeern un Stickelbeern". Nach getaner Arbeit ging's mit Gesang fröhlich heim. Auf den Bergen bei Besenhorst am Kirchensteig wurde gerastet. Die Zeit wurde mit Scherzen verbracht. Der Hauptspaß war das "Pöltern". Je ein Knecht und eine Magd umschlangen sich mit Beinen und Armen und rollten unter allgemeinem Beifall den Berg hinab. "De krippeligen un kitteligen Dirns wörn mitn Kirl tohopen bunn." Wer die Eichen unten an der "Pölterkuhl" erreichte, war frei, Wer das Ziel nicht erreichte, mußte sein Teil zurn "Schachtbuddel Köm" zuzahlen. Die Getränke wurden aus Meiers Gasthof unten am Weg geholt, oder das Geld wurde in Hohenhorn bei Gastwirt Schmidt verzehrt.

Zum Einfahren fuhren die Landleute meistens gemeinsam hin. Nachdem in den Wiesen die Wagen beladen waren, wurde von den Mägden für das letzte Fuder ein Erntekranz gewunden. Knechte und Mägde saßen oben auf dem Fuder. Schon von weitem kündete fröhlicher Gesang ihr Kommen. Die Dorfjugend eilte ihnen entgegen. Als Lieder ertönten: Es stand eine Linde im tiefen Tal - Ferdinand, wie schön bist Du - An der Saale hellem Strande - Ich kann ja nicht mehr lustig sein, mein August der ist futsch - Schön ist die Iugendzeit - AIs wir 70/71 sind nach Frankreich einmarschiert und dergleichen mehr. Jetzt sind die Pölterspäße verschwunden, die Wiesen sind durchweg verpachtet.

Nach der Heuernte rüstete man zur Getreideernte. Der Mäher machte sein "Hakentüch ton Schwaden schmieten an sienen Seselbom".
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1) Nach Aussagen von Arbeiter Hinrich Hamester,Ww. Schapitz und Frau Steffens-Dassendorf.


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Die Mägde machten ihr "Orntüch" in Ordnung: "witte Jack, witte Schört un'n Flunkerhot". Der "Flunkerhut" wird noch heute bei aller Außenarbeit zum Schutz gegen Sonnenstrahlen und Verstaubung des Haares getragen. Zur Erntezeit mußte die Magd schon um 6 Uhr morgens "de Köh utmolken un de Kalber börnt hem". Ein Knecht oder gar eine Magd "muß all morgens in'n Dau los mit de Hauerplaug (Hungerharke), um aftoharken". Um 6 Uhr stand Kaffee mit "Pannkauken oder mit Kauken un Puffer" bereit - unter "Kauken" verstand man den Butterkuchen -. Bis kurz vor 12 Uhr wurde gemäht. Nach dem Essen ist noch heute in der Zeit zwischen Frühjahrs- und Herbstkrammarkt bis 2 Uhr Mittagspause. Die Hausfrau sorgte in dieser Zelt für Kaffeebrot. Von 2 bis 7 Uhr wurde wieder gemäht - "in de hille Tied mitünner bett Sünnünnergang". Einige fleißige Mägde benutzten auf dem Wege zur Koppel ihr "Knütteltüch". Man war froh, wenn man die Koppel aufgehockt hatte.

"Der Hockerjunge, der muß laufen,
Dafür kann er auch viel Wasser saufen."

Stolz zählte man die Stiege, denn die Landwirte verglichen ihre Erträge nach Stiegen und noch nicht, wie heute, nach Fudern. Nach der Heimkehr hieß es für die Mägde wieder "Köh melken,- Kalber börn und Melkschirr upwaschen", ehe sie ihre einfache Lagerstätte aufsuchen konnten.

Auf der Koppel suchte man sich durch einen alten Bindebrauch Geld für den Ernteball zu erobern. Sobald der Herr aber gar ein Fremder die Koppel betrat, sogleich erschien ein Bindemädchen mit einem dünnen Strohseil und band ihn unter Hersagen eines Spruches. So band mich noch 1910 Frau Steffens auf "von Haves Haidkoppel" mit folgendem Spruch:

"Ich komme her von fern,
zu binden den Herrn.
Mit diesem kleinen Bändelein,
Damit sollen Sie gebunden sein.
Und wollen Sie wieder erlöset sein,
So schenken Sie mir ein Silberlein.
Es mag sein groß oder klein,
Ich will mit allem zufrieden sein."

Später hörte ich auch folgenden Spruch:

"Ich komme her von fern,
Zu binden den Herrn in Ehrn.
Gar liebliche Dinge und freundliche Sachen!
Viele Komplimente weiß ich nicht zu machen.
Der Herr, der mög' mir's nicht verdenken
Und mir ein wenig Biergeld schenken.
Die Gabe möge sein, groß oder klein,
Ich will mit allem zufrieden sein."

In den letzten Jahren habe ich von dieser Sitte nichts mehr gehört.

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Das Erntefest mit dem Ernteball nach alter Sitte ist hier seit etwa 50 Jahren nicht mehr gefeiert worden. "In de Tied, wenn de Plumm riep wern, würr de Danzbrüch legt, un denn wür ünner den Ornkranz utn Telkn Plumm, mit Appeln un Beern un vun all'n lütten Strusch danzt." Mit dem letzten Fuder brachten die Mägde den Erntekranz heim. Derselbe wurde den Bauersleuten überreicht mit einem Spruch und der Bitte, zum Ernteball beizusteuern. "As Muskanten harn wi bloß ümmer Tuters." Selbstverständlich feierten Bauern und Dienstboten miteinander. "Wi arbeit'n tohopen un fiern ok tohopen." Mit Vorliebe wurden "Bunte" getanzt: "Herr Schmidt" - "Zum Tingellink, kalt Wasser ist gesund" - "Dreetritt" - "Kontra achterrüm" - "Schottskadrilch". In unserer Zeit der "Wackel- und Schiebetänze" sind den meisten Musikanten die alten Melodien garnicht mehr bekannt. Damit ist nun auch das "gemütlich Dörpsmäßige", das "rein Ländliche" von unsern Tanzsälen verschwunden.




 

 

 

 


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