Die farbige Behandlung der Architektur in unseren
Städten ist keineswegs eine Neuerscheinung. Bis zu Goethes Zeiten
hin haben die Häuser ein fröhlich-farbiges Kleid getragen. Erst als
der große Kunsthistoriker Winckelmann die Schönheit des marmorweißen
griechischen Bildwerks und Tempels verkündete, wurde es anders. Aber
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Winckelmann wußte damals nicht und konnte es noch
nicht wissen, daß es nur die Jahrhunderte gewesen waren, die die lebhaften
Farben von den griechischen Giebeln und Statuen abgewaschen hatten. Nun also,
ganz Deutschland ließ sich damals von dem bedeutenden Gelehrten in die Irre
führen. Farblosigkeit wurde Trumpf und ist es in der Architektur lange
Jahrzehnte geblieben, obwohl man Pompeji ausgrub und die Farbigkeit der
altrömischen Bauten entdeckte, obwohl Goethe wiederholt die Farbenfreude der
Menschen als gesund und berechtigt hinstellte, obwohl so ausgezeichnete
Architekten wie Gottfried Semper und Karl Schäfer auf die farbige Architektur
der Griechen und des deutschen Mittelalters hinwiesen.
Erst dem Beginn des 20. Jahrhunderts ist es vorbehalten geblieben, der Farbe im
Stadtbild wieder Geltung zu verschaffen. Und zwar ging die Bewegung von einer
bestimmten neuen Kunstrichtung aus, die vor allem in Magdeburg unter Bruno Taut
viele Anhänger fand.
Daß bei den ersten Versuchen, das heutige Stadtbild farbiger zu gestalten, hie
und da Mißgriffe vorgekommen sind, ist nicht zu leugnen. Allmählich aber hat man
gelernt, sie zu vermeiden, und es haben sich feste Grundsätze für die farbige
Behandlung der Architektur herausgebildet. So haben verschiedene
Beratungsstellen für Heimatschutz Schriften veröffentlicht, die darüber
belehren. Besonders hervorzuheben ist da ein Heft der Thüringischen
Beratungsstelle, das den Titel führt: "Farbiger Hausanstrich von Baurat Mühlfeld
(Verlag von Dietsch u. Brückner, Weimar)" und das im Hause keines Maurer- und
Malermeisters fehlen sollte.
Auch die WESTFÄLISCHE BAUBERATUNGSSTELLE IN MÜNSTER hat im Westfälischen
Wohnungsblatt und in der Deutschen Bauzeitung sehr beachtenswerte Vorschläge für
die farbige Behandlung der Architektur gemacht. Ihnen entnehmen wir die
folgenden lehrreichen Ausführungen, indem wir die Fachleute unter unsern Lesern
bitten, im nächsten Hefte zu diesen Vorschlägen Stellung zu nehmen.
Die Westfälische Bauberatungsstelle schreibt:
Bei der Behandlung jedes einzelnen Hauses ist auf die Nachbarhäuser und das
gesamte Straßenbild Rücksicht zu nehmen. In alten Stadtteilen, in denen die
Einzelbauten nach Form und Alter verschieden sind, wird auch die farbige
Behandlung, wenn nur solche Rücksicht geübt wird, zwangslos sein können. Bei
neuen, zusammenhängenden Baugruppen wird dem einheitlichen Entstehungsvorgang
auch die Farbigkeit durch planmäßige Verteilung der Farbwerte entsprechen
müssen. In neuen Siedlungen großen Maßstabes kann die Farbe richtunggebenden,
wegweisenden Wert erlangen. Das Endziel der Farbenbewegung muß das farbige
Gesamtbild ganzer Ortschaften sein, das kaum ohne einheitliche Leitung entstehen
kann.
WAHL DER FARBTÖNE. Man vermeide im allgemeinen das Nebeneinanderstellen zweier
ausgesprochen warmer oder ausgesprochen kalter Farben wie Gelb neben Rot, Blau
neben Grün. Zu Rot gesellen sich gut graue, zu Gelb graue, graublaue und blaue
Töne.
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Die Behandlung größerer Flächen in Blau ist
gefährlich. Gelbe Häuser vor blauem Himmel leuchten wie Schmuck auf dunklem
Samt, blaue Häuser enttäuschen bei blauem Himmel.
Um grelle Buntheit bei Anwendung verschiedener Farben zu
vermeiden, wendet man am besten NUR EINE Farbe stark vorherrschend und ganz
ungebrochen an. Und doch muß der Anstrich stets Farbe bekennen; man vermeide die
schmutzigen weißgrauen, gelblichbraunen, braungrünen Töne der vergangenen
Jahrzehnte.
Beim Ansatz der Farbtöne ist mit dem erfahrungsgemäß infolge der
Witterungseinflüsse und der Verstaubung schnell eintretenden Nachlassen der
Farbkraft zu rechnen, somit eine gewisse Uebertreibung angebracht. Dies gilt
besonders, wo kleinere Schmuckstücke farbig hervortreten sollen.
SCHWARZ, WEISZ UND GOLD. Schwarz und Weiß sind neutral und können bei sparsamer
Verwendung zu jeder kräftigen Farbe allein oder vereint hinzutreten, ohne daß
grelle Buntheit entsteht. Auch eine kleine Menge von Gold fügt sich fast in alle
Zusammenstellungen gut ein.
DIE BEHANDLUNG DER GROSZEN BAUFLÄCHEN. Bei FACHWERKHÄUSERN studiere man die gut
bewährten Zusammenstellungen und technischen Eigenschaften der Farbbehandlung in
der alten landesüblichen Bauweise. Veränderte Abschattungen der alten
Zusammenstellungen ergeben schon Neuerung genug. Aufmalung von Scheinfachwerk
auf Putzflächen ist durchaus zu vermeiden. Eine besondere Unsitte ist das
Ummalen der Putzflächen im Fachwerk mit rahmenartigen Linien.
STEIN- UND PUTZBAUTEN. Oelfarbe ist im allgemeinen wenig empfehlenswert, weil
sie die Poren des Putzes verschließt, so daß die Wände nicht mehr "atmen", und
weil hinter abblätternder Oelfarbe Feuchtigkeit besonders gefährdend
unbeobachtet eindringen kann. Stets sollte angestrebt werden, den speckigen
Glanz des Oelanstrichs durch Zusatz von Wachs zu vermeiden oder doch zu mildern.
Wenn ein Haus schon früher mit Oelfarbe gestrichen war und völlige Ablaugung
nicht in Betracht kommen kann, ist erneuter Oelanstrich nicht zu beanstanden.
Sehr billig und von vorzüglicher Wirkung ist stets der Anstrich mit Kalkfarben,
der allerdings öfter erneuert werden muß. Dauerhafter und sehr empfehlenswert
sind Kaseinfarben. Das zunr Zeit beste Verfahren dürfte in der Anwendung
Keimscher Mineralfarben bestehen.
Ganz aus Werkstein gebaute Häuser und steinmetzmäßig behandelte Hartputzfassaden
sollten nicht gestrichen werden. Häuser mit geputzten Flächen und
Sandsteingliederungen können auf den Putzflächen unbedenklich gestrichen werden;
das wird zur Notwendigkeit, wenn die Putzflächen durch Ausbesserung oder
Beschmutzung entstellt sind. Stehen Sandsteinglieder durch ihre natürliche Farbe
in guter Gegenwirkung zu den Flächen, so sind sie möglichst ohne Anstrich zu
belassen. Im anderen Falle möge man zunächst durch Lasieren nachhelfen. Nur wo
auch das nicht ausreicht, sollte man sie deckend
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streichen. Einfach handwerklich hergestellten
Rauhputz wirkt meist lebendiger als Edelputz.
Verputzte Häuser ohne Werksteingliederung können im ganzen farbig gestrichen
werden. Die häßliche "Farbe" (?) des Zementputzes sollte man unter allen
Umständen und überall durch Farbe decken.
BACKSTEINROHBAUTEN. Bei Backsteinbauten kommt sehr viel auf die Farbe der Fugen
an. Allgemein kann gesagt werden, daß die früher vielfach dunkle Fugung ungünstig wirkt. Doch kann auch die neuerdings oft anzutreffende grellweiße
Fugung wohl nicht bedingungslos empfohlen werden. Helle Tönung und starke
Hervorhebung der Fugen ist am ehesten zu empfehlen bei reinen Backsteinbauten ohne Werksteingliederungen. Dagegen
sollte man bei Backsteinbauten, die durch
Werksteingliederung belebt sind, durch Wahl eines Mörtels von wenig
hervortretender Farbe ruhige Flächigkeit erstreben. Backsteinrohbauten von unansehnlicher Farbe können gestrichen werden, doch nie mit Oelfarbe und nie mit
künstlichen Fugen. Am besten werden sie sofort mit dünner Kalkschlämme
überzogen. Bei Backsteinneubauten, die unverputzt bleiben sollen, sind
weißliche, gelbe, graue, grau-braune Steine besser zu vermeiden. Nur mit größter
Vorsicht sind glasierte Ziegel, Verblender und keramische Erzeugnisse zu
verwenden, weil sie keine Patina ansetzen und in unserem Klima meist fremd
wirken. Auf glatt geputzten Wänden sollte niemals durch Farbe Backstein vorgetäuscht werden. Die Schönheit guter Klinkerbauten hat heute
keine
Empfehlung nötig.
FLÄCHENGLIEDERUNGEN. Im ALLGEMEINEN sollten Bestandteile von anderem Werkstoff
als dem der Hauptflächen, namentlich, wenn sie eine gute Form haben, auch
farblich
gekennzeichnet werden. Holzteile, wie Türen, Fenster, Läden und Eisenbeschläge,
streiche man also in einer gegen die benachbarten Flächen gut abstechenden
Farbe.
Dachrinnen und Abfallrohre können farbig, etwa rotbraun oder grün, hervorgehoben werden
(wenn sie nicht an sich störend wirken, wie z. B. schräg über die Wand
geführte Rohre).
Wappen, Inschriften, Jahreszahlen, Hausmarken und Steinmetzzeichen an Häusern
sollten oft farbig betont werden.
FÜR FENSTER, TÜREN UND TORE verwendete man in den letzten Jahrzehnten leider viel
zu ausschließlich Braun - eine gute Fußbodenfarbe, die aber sonst stark
zurückgedrängt werden sollte. Die verbreitete Abneigung gegen Deckanstrich auf
Eichenholz ist fachlich unbegründet.
Für Fenster empfiehlt sich weißer Anstrich mehr als jeder andere. Keine andere
Farbe
kann die schmalen zarten Sprossen und Rahmen der Fenster so gut gegen die
schwarze Fensterhöhle behaupten, als das gegensätzliche Weiß. Bei Backsteinbauten
ist von jeder anderen Behandlung der Fenster abzuraten. Auch die Oberlichter in
den Türen sind stets in hellen Tönen: weiß, gebrochen weiß, zartblau usw. am
besten auszuführen.
Für Fensterläden und Jalusien ist das herkömmliche kräftige Grün empfehlenswert,
ohne daß andere Farben ausgeschlossen wären. So können z. B. an einem rot
getönten Hause weiße Läden prächtig
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wirken, rotbraune und stumpfblaue Läden zu
mancher Hausfläche in guter Gegenwirkung stehen.
Für Haustüren kommt für die großen Flächen neben Weiß, das immer sehr frenndlich
wirkt, besonders Grün, Braunrot, Graublau, aber auch Schwarz mit einigen
belebend-farbigen Gliedern in Betracht. Zu rot gefärbten Wandflächen steht z. B.
eine schwarze Haustür mit blanken Messingbeschlägen ganz vorzüglich. Rahmen und
Füllungen verschieden zu streichen, empfiehlt sich nur selten.
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