Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1926


Die Farbe im Stadtbild.

[N.N.]
 

Die farbige Behandlung der Architektur in unseren Städten ist keineswegs eine Neuerscheinung. Bis zu Goethes Zeiten hin haben die Häuser ein fröhlich-farbiges Kleid getragen. Erst als der große Kunsthistoriker Winckelmann die Schönheit des marmorweißen griechischen Bildwerks und Tempels verkündete, wurde es anders. Aber

1926/1 - 13
 

1926/1 - 14

Winckelmann wußte damals nicht und konnte es noch nicht wissen, daß es nur die Jahrhunderte gewesen waren, die die lebhaften Farben von den griechischen Giebeln und Statuen abgewaschen hatten. Nun also, ganz Deutschland ließ sich damals von dem bedeutenden Gelehrten in die Irre führen. Farblosigkeit wurde Trumpf und ist es in der Architektur lange Jahrzehnte geblieben, obwohl man Pompeji ausgrub und die Farbigkeit der altrömischen Bauten entdeckte, obwohl Goethe wiederholt die Farbenfreude der Menschen als gesund und berechtigt hinstellte, obwohl so ausgezeichnete Architekten wie Gottfried Semper und Karl Schäfer auf die farbige Architektur der Griechen und des deutschen Mittelalters hinwiesen.

Erst dem Beginn des 20. Jahrhunderts ist es vorbehalten geblieben, der Farbe im Stadtbild wieder Geltung zu verschaffen. Und zwar ging die Bewegung von einer bestimmten neuen Kunstrichtung aus, die vor allem in Magdeburg unter Bruno Taut viele Anhänger fand.

Daß bei den ersten Versuchen, das heutige Stadtbild farbiger zu gestalten, hie und da Mißgriffe vorgekommen sind, ist nicht zu leugnen. Allmählich aber hat man gelernt, sie zu vermeiden, und es haben sich feste Grundsätze für die farbige Behandlung der Architektur herausgebildet. So haben verschiedene Beratungsstellen für Heimatschutz Schriften veröffentlicht, die darüber belehren. Besonders hervorzuheben ist da ein Heft der Thüringischen Beratungsstelle, das den Titel führt: "Farbiger Hausanstrich von Baurat Mühlfeld (Verlag von Dietsch u. Brückner, Weimar)" und das im Hause keines Maurer- und Malermeisters fehlen sollte.

Auch die WESTFÄLISCHE BAUBERATUNGSSTELLE IN MÜNSTER hat im Westfälischen Wohnungsblatt und in der Deutschen Bauzeitung sehr beachtenswerte Vorschläge für die farbige Behandlung der Architektur gemacht. Ihnen entnehmen wir die folgenden lehrreichen Ausführungen, indem wir die Fachleute unter unsern Lesern bitten, im nächsten Hefte zu diesen Vorschlägen Stellung zu nehmen.

Die Westfälische Bauberatungsstelle schreibt:

Bei der Behandlung jedes einzelnen Hauses ist auf die Nachbarhäuser und das gesamte Straßenbild Rücksicht zu nehmen. In alten Stadtteilen, in denen die Einzelbauten nach Form und Alter verschieden sind, wird auch die farbige Behandlung, wenn nur solche Rücksicht geübt wird, zwangslos sein können. Bei neuen, zusammenhängenden Baugruppen wird dem einheitlichen Entstehungsvorgang auch die Farbigkeit durch planmäßige Verteilung der Farbwerte entsprechen müssen. In neuen Siedlungen großen Maßstabes kann die Farbe richtunggebenden, wegweisenden Wert erlangen. Das Endziel der Farbenbewegung muß das farbige Gesamtbild ganzer Ortschaften sein, das kaum ohne einheitliche Leitung entstehen kann.

WAHL DER FARBTÖNE. Man vermeide im allgemeinen das Nebeneinanderstellen zweier ausgesprochen warmer oder ausgesprochen kalter Farben wie Gelb neben Rot, Blau neben Grün. Zu Rot gesellen sich gut graue, zu Gelb graue, graublaue und blaue Töne.

1926/1 - 14
 

1926/1 - 15

Die Behandlung größerer Flächen in Blau ist gefährlich. Gelbe Häuser vor blauem Himmel leuchten wie Schmuck auf dunklem Samt, blaue Häuser enttäuschen bei blauem Himmel.

Um grelle Buntheit bei Anwendung verschiedener Farben zu vermeiden, wendet man am besten NUR EINE Farbe stark vorherrschend und ganz ungebrochen an. Und doch muß der Anstrich stets Farbe bekennen; man vermeide die schmutzigen weißgrauen, gelblichbraunen, braungrünen Töne der vergangenen Jahrzehnte.

Beim Ansatz der Farbtöne ist mit dem erfahrungsgemäß infolge der Witterungseinflüsse und der Verstaubung schnell eintretenden Nachlassen der Farbkraft zu rechnen, somit eine gewisse Uebertreibung angebracht. Dies gilt besonders, wo kleinere Schmuckstücke farbig hervortreten sollen.

SCHWARZ, WEISZ UND GOLD. Schwarz und Weiß sind neutral und können bei sparsamer Verwendung zu jeder kräftigen Farbe allein oder vereint hinzutreten, ohne daß grelle Buntheit entsteht. Auch eine kleine Menge von Gold fügt sich fast in alle Zusammenstellungen gut ein.

DIE BEHANDLUNG DER GROSZEN BAUFLÄCHEN. Bei FACHWERKHÄUSERN studiere man die gut bewährten Zusammenstellungen und technischen Eigenschaften der Farbbehandlung in der alten landesüblichen Bauweise. Veränderte Abschattungen der alten Zusammenstellungen ergeben schon Neuerung genug. Aufmalung von Scheinfachwerk auf Putzflächen ist durchaus zu vermeiden. Eine besondere Unsitte ist das Ummalen der Putzflächen im Fachwerk mit rahmenartigen Linien.

STEIN- UND PUTZBAUTEN. Oelfarbe ist im allgemeinen wenig empfehlenswert, weil sie die Poren des Putzes verschließt, so daß die Wände nicht mehr "atmen", und weil hinter abblätternder Oelfarbe Feuchtigkeit besonders gefährdend unbeobachtet eindringen kann. Stets sollte angestrebt werden, den speckigen Glanz des Oelanstrichs durch Zusatz von Wachs zu vermeiden oder doch zu mildern. Wenn ein Haus schon früher mit Oelfarbe gestrichen war und völlige Ablaugung nicht in Betracht kommen kann, ist erneuter Oelanstrich nicht zu beanstanden. Sehr billig und von vorzüglicher Wirkung ist stets der Anstrich mit Kalkfarben, der allerdings öfter erneuert werden muß. Dauerhafter und sehr empfehlenswert sind Kaseinfarben. Das zunr Zeit beste Verfahren dürfte in der Anwendung Keimscher Mineralfarben bestehen.

Ganz aus Werkstein gebaute Häuser und steinmetzmäßig behandelte Hartputzfassaden sollten nicht gestrichen werden. Häuser mit geputzten Flächen und Sandsteingliederungen können auf den Putzflächen unbedenklich gestrichen werden; das wird zur Notwendigkeit, wenn die Putzflächen durch Ausbesserung oder Beschmutzung entstellt sind. Stehen Sandsteinglieder durch ihre natürliche Farbe in guter Gegenwirkung zu den Flächen, so sind sie möglichst ohne Anstrich zu belassen. Im anderen Falle möge man zunächst durch Lasieren nachhelfen. Nur wo auch das nicht ausreicht, sollte man sie deckend

1926/1 - 15


1926/1 - 16

streichen. Einfach handwerklich hergestellten Rauhputz wirkt meist lebendiger als Edelputz.

Verputzte Häuser ohne Werksteingliederung können im ganzen farbig gestrichen werden. Die häßliche "Farbe" (?) des Zementputzes sollte man unter allen Umständen und überall durch Farbe decken.

BACKSTEINROHBAUTEN. Bei Backsteinbauten kommt sehr viel auf die Farbe der Fugen an. Allgemein kann gesagt werden, daß die früher vielfach dunkle Fugung ungünstig wirkt. Doch kann auch die neuerdings oft anzutreffende grellweiße Fugung wohl nicht bedingungslos empfohlen werden. Helle Tönung und starke Hervorhebung der Fugen ist am ehesten zu empfehlen bei reinen Backsteinbauten ohne Werksteingliederungen. Dagegen sollte man bei Backsteinbauten, die durch Werksteingliederung belebt sind, durch Wahl eines Mörtels von wenig hervortretender Farbe ruhige Flächigkeit erstreben. Backsteinrohbauten von unansehnlicher Farbe können gestrichen werden, doch nie mit Oelfarbe und nie mit künstlichen Fugen. Am besten werden sie sofort mit dünner Kalkschlämme überzogen. Bei Backsteinneubauten, die unverputzt bleiben sollen, sind weißliche, gelbe, graue, grau-braune Steine besser zu vermeiden. Nur mit größter Vorsicht sind glasierte Ziegel, Verblender und keramische Erzeugnisse zu verwenden, weil sie keine Patina ansetzen und in unserem Klima meist fremd wirken. Auf glatt geputzten Wänden sollte niemals durch Farbe Backstein vorgetäuscht werden. Die Schönheit guter Klinkerbauten hat heute keine Empfehlung nötig.

FLÄCHENGLIEDERUNGEN. Im ALLGEMEINEN sollten Bestandteile von anderem Werkstoff als dem der Hauptflächen, namentlich, wenn sie eine gute Form haben, auch farblich gekennzeichnet werden. Holzteile, wie Türen, Fenster, Läden und Eisenbeschläge, streiche man also in einer gegen die benachbarten Flächen gut abstechenden Farbe.

Dachrinnen und Abfallrohre können farbig, etwa rotbraun oder grün, hervorgehoben werden (wenn sie nicht an sich störend wirken, wie z. B. schräg über die Wand geführte Rohre).

Wappen, Inschriften, Jahreszahlen, Hausmarken und Steinmetzzeichen an Häusern sollten oft farbig betont werden.

FÜR FENSTER, TÜREN UND TORE verwendete man in den letzten Jahrzehnten leider viel zu ausschließlich Braun - eine gute Fußbodenfarbe, die aber sonst stark zurückgedrängt werden sollte. Die verbreitete Abneigung gegen Deckanstrich auf Eichenholz ist fachlich unbegründet.

Für Fenster empfiehlt sich weißer Anstrich mehr als jeder andere. Keine andere Farbe kann die schmalen zarten Sprossen und Rahmen der Fenster so gut gegen die schwarze Fensterhöhle behaupten, als das gegensätzliche Weiß. Bei Backsteinbauten ist von jeder anderen Behandlung der Fenster abzuraten. Auch die Oberlichter in den Türen sind stets in hellen Tönen: weiß, gebrochen weiß, zartblau usw. am besten auszuführen.

Für Fensterläden und Jalusien ist das herkömmliche kräftige Grün empfehlenswert, ohne daß andere Farben ausgeschlossen wären. So können z. B. an einem rot getönten Hause weiße Läden prächtig

1926/1 - 16


1926/1 - 17

wirken, rotbraune und stumpfblaue Läden zu mancher Hausfläche in guter Gegenwirkung stehen.

Für Haustüren kommt für die großen Flächen neben Weiß, das immer sehr frenndlich wirkt, besonders Grün, Braunrot, Graublau, aber auch Schwarz mit einigen belebend-farbigen Gliedern in Betracht. Zu rot gefärbten Wandflächen steht z. B. eine schwarze Haustür mit blanken Messingbeschlägen ganz vorzüglich. Rahmen und Füllungen verschieden zu streichen, empfiehlt sich nur selten.


* * *
 

 

 

 

 

 

 



*