Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1926


Kinnervagelscheeten up'n Lann i'n Lauenbörgschen.

[K. V.]
 

"Mudde", seggt lütt Gesche, "wann is denn egentlich Kinnervagelscheeten?" "In twee Wochen, min lütt Deern", antwort de Mudde. "Also twee Wochen noch? Datt sünd denn woll noch twee Sünndag bitt dahenn. Ick krieg also noch tweemal min Sünndagskleed an, un denn is Vagelscheeten? Datt is je nich mehr lang henn! Weest du watt, Mudde? Da hevv ick nülich ober mal en'n Spaß hatt mit Engel Meier. Erst vertelln wi uns, watt wi Vagelscheeten förn Kleed ankriegt. Ick treek doch min witt Kleed an, un Engel sä, se würd sick mit en nies himmelblaues Kleed fin maken. Ja, lieden mach ick ok so wat. Ick vertell ehr denn, ick würd en'n Kranz von Buxbom un Rosen up min Hoor kriegen. Da antwort se mi, se sull en'n Vergißmeinnichtkranz hebbn. Da sä ick to ehr, se wör je woll nich recht klok. De Vergißmeinnicht, so schön se ok sünd, un so fein se to ehr Kleed passen würn, lat doch gliek den'n Kopp hängen, da müß se je de Vergißmeinnicht alle Viertelstunn begeten, un datt güng doch woll nich recht an. Da köm se öber hoch, ganz iwrig wör se dorbi, ick wör woll ganz mall worden, wie ick so watt glöben kunn, de Sak wör doch so, datt se de Vergißmeinnicht von ehr grot Swester kreg. De harr se mal an'n Ballkleed hatt, un de wull davon nu en'n Kranz maken. Da hevvt wi denn ganz bannig lacht, hevvt uns anfat un uns vö luter Vergnögen ümmerlos wie'n Brummküsel rümmdreiht."

So watt Aenliches kunn man in väle Hüser twüschen de Kinner un de Oellern hören.

De Jungs öber, de kümmern sick nich väl um dat, wat se Vagelscheeten antrecken würden, se wüssen ganz genau, se kregen Schoh, Strümp, en Büx mit Gürtel un en Hemd an, un moken sich wieder keen Gedanken öber ehr Kledaj.

Fö de Jungs wör de Hauptsak, datt bald Vagelscheeten wör, un datt se dorbi möglikerwies en Taschenmesser oder watt Aehnliches gewinnen kunn. Se wörn all wochenlaag ganz wichtig dorbi, datt Scheeten to öben mit en'n Flitzbagen, ähnlich son'n Ding, wie all Willem Tell hatt hett, un womit he den'n bösen Landvagt Geßler dotscheeten dö. De Jungs hevvt öber keen Pielers ton Scheeten, son-

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dern Bliebolten, de se sick sülbst makt hevvt. Se hevvt sick en Vörichtung ut Holtstangen herstelt, worupp se den'n Flitzbagen leggt. An en hoge Luk von den Scholhusstall hevvt se en ollen Teekätel hängt, un na dissen scheet se to Prof. Wenn de Bolten gegen den'n Kätel flücht, ballert datt schön, ditt heet so väl, de Jung hett drapen. En Jung schrifft upp, un wer twölfmal drapen hett, gellt as König. Denn lat se den'n König hochläben un makt dorbi en Larm, datt man datt wiet hören kann. Se dot ditt öber blos, damit biet Vagelscheeten ok alls klappen deiht.

Tein Dag vö datt Fest find sick all de Scholkinner tosam, se treckt sick ehr go Tüg an und lat sick von den'n Lehrer de Fahn gäwen. So geiht datt los in Dörp. En grot Jung, mit de Fahn vörupp, hinner em de Jung, de den'n Spruch biet Geldinsammeln herseggen sall, un an sien Sied de Jung mit de Geldbüß, wo all datt gesammelte Geld rinnkümmt, wofö de Lehrer de Gewinne fö de Jungs un Deerns inköfft. Achter dies all de Scholkinner bunt dörchenanner, ok manch Hund löppt mit. So geiht datt mit Hurra von Hus to Hus. De Husgenossen lopt upp de Däl tosamen, un de Jung seggt sien Spruch her, de so heet:

Hier komm ich hergeschritten,
Hätte ich ein Pferd, so wär' ich geritten,
Hätte ich einen Wagen,
So wäre ich gefahren.
Aber ich habe es mir anders bedacht,
Habe alle meine Kameraden mitgebracht.
Meine Kameraden haben kein Geld,
Und mit mir ist es ebenso schlecht bestellt.
Darum spreche ich den Herrn oder die Madam
Um eine kleine Gabe an.
Der Herr und die Madam, sie leben hoch, hoch, hoch.

In dat Hoch stimmt all de Kinner mit in.

Dorup stickt de Herr oder de Fru en Geldstück in de Büß, wobi de Kinner bannig nipp tokiekt, um to sehn, woväl gäben ward. Et is mannigmal all vökamen, datt de Kinner ok to Junggeselln gaht, um en Gav to halen. Denn bringt se ok dor ehren Strämel an öber den'n Herrn un de Madam, watt denn den'n Junggeselln wägen de Madam mächtig spaßig vökümmt.

So stellt sick denn allmählich de Vagelscheetedag in. De Kinner drückt den'n Dumen, damit datt godes Wäder ward, watt en grot Hauptsak is. Morgens gegen Klock 9 find sick de Kinner uppn Scholplatz an, wo de Vagel ut Holt uppstellt un wo dat Pott-Tröllern oder Pott-Slagen fö de Deerns vö sick gahn sall. Ditt Vergnögen durt denn mehrere Stunn, un all sünd se iwrig, von de Gewinne weck aftokriegen, öber all könt se ditt Glück nich hebben. De meisten sett sick denn mit Humor daröber weg un denkt, datt datt fö se nächstes Johr woll bäter utfallen deiht. Stück fö Stück ward von den'n hölten Vagel afschaten, bitt noch datt letzt Stück hängen deiht. Wer datt rünnerschütt, is König. Schließlich fallt denn ok ditt Stück,

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as all väle Bolten vöbi gähn sünd un manchmal mit son'n Wuppdi afpralln den'n, datt se midden mang de Kinner fülln, de en Stück afsiets stahn deden. As denn endlich de Königsschuß folln is, ropt de Kinner ut volln Hals mit Begeisterung, as wennt de gröttste Begäbenheit wör: Unser König vivat hoch, zum ersten Mal, er lebe hoch, zum zweiten Mal hoch, zun dritten Mal hoch. Un denn singt se: Er lebe, er lebe, er lebe dreimal hoch, hoch, hoch, er lebe, er lebe, er lebe dreimal hoch.

Wer von de Deerns den'n Pott dröppt, kriggt en Geschenk, un schließlich ward de Königin dörch Pott-Tröllern oder Pott-Slagen towäch bröcht. Grad wie bi de Jungs ward de Königin denn hochläben laten.

Wenn nu all de Gewinne verdehlt sünd, gaht de Kinner na Hus und makt sick dor torecht vö datt Danzvergnögen an'n Namiddag. De lütten Deerns hevvt ehr Hoor all an'n Abend vöher upprullt oder inflecht, üm bi datt Danzvergnögen de schönsten Locken to hebben.

Sa kamt denn an'n Namiddag gegen 1/2 3 de Kinner wedder tosamen, de Deerns all hell uppmutscht, witt, rosa, himmelblau un bunt, en'n Blomenkranz uppn Kopp. De Jungs hevvt ok nich veel an, manch'een gar en witte Büx.

Nu geiht de Lehrer dorbi un stellt de Kinner to en'n Uemtoch dörcht Dörp torecht. Toerst de Jung mit de Fahn, denn kümmt de König, twee Jungs gaht an sien Sied und hollt en Bagen ut Grön un Blomen öber em. Hinnerher folgt de annern Jungs mit Stöcker in de Hand, wo baben Blomen und Fahnen anbröcht sünd. Hinner de Jungs gaht de Deerns, de Königin ünner enen Bagen mit bunte Blomen vörupp. Ok de annern Deerns drägt Stangen un Bagen, de mit Blomen verziert sünd. Ganz vörn stellt sick de Musikkapell upp, de Lehrer nimmt de Sied von de Kinner in, un denn geiht dat mit volle Musik dörcht ganze Dörp. De Kinner strahlt man so; watt ist öber ok förn Vergnögen, so lingelang hinner de Musik to marschieren an all de Hüser vöbi, wo de groten Lüd un de ganz lütten Kinner staht un sick de Herrlichkeit ankiekt un ut Verwünnern nich rutkamt. Nix as helle Gesichter süht man da, man süht jeden dat Vergnögen an. Manch een van de Lüd, de an de Strat oder ant Finster staht, fallt in, wie de Kinner so hübsch un nett an em vörbi marschiert, datt se ok mal jung west sünd un genau son'n lustig Gesicht makt hevvt wie jetzt de Kinner. Bi manchen is datt all recht lang her, öber de Kinnertied vergitt man nie, un wenn se noch so wiet trüch liggt. Denkt man doran, so ist enen, as wenn man in de Kinnerjohren luter Sünnenschien hatt hett. Watt harr man fö frie Tied, man kann binah dohn, watt man wull, wenn man ok gewisse Stunn in de Schol sitten müß. Watt wören datt fö schöne, warme und sünnige Sommer, un wie wört bannig kolt in'n Winter, wie kunn man da rüschen mit'n Släden un sick mit de anner Kinner sneeballern. Datt is nu mal so in'n Läben, wennt recht lang her is, kümmt enen datt all noch mal so schön fö, öber alls liggt enen goldigen Schien. Watt mütt man ok in'n Läben hebben, wo man gern an denkt. Datt makt datt oft so sure

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un swore Läben erträglicher, un man ward denn mit alls, watt enen verqueer kümmt, lichter farrig. Wie oft ist nödig, enen graden Puckel to maken und denn Kopp recht hoch to drägen, damit keener süht, wiet binnen bi enen beschaffen is.

De lange Toch kümmt denn vört Lokal an, de Musik stellt sick an de Sied, un nu marschiert all de lütten Gäst in'nt Lokal rinn, wo se bitt ton Abend na Hartenslust danzen dörft.

De Musik blast in'n Saal toerst enen schönen Walzer, den'n de König mit de Königin danzt, un dorup fangt de allgemeine Danzerie fö all de Kinner an. Oellich mit'n Diener trädt manche Jungs an, de de Danzschol besöcht hevvt. De lütten Deerns schult väl na de groten  Jungs, mit de se gor to gern mal danzt harrn. Oeber, de wölt nicht recht watt von datt lütte Kropptüg wäten, se danzt leber mit de groten Deerns. Blos henn un wedder bequemt sick mal en von de groten Jungs dorto ut reine Godmödigkeit, en lütte Deern to halen, de etwa sin Kusine oder Nawersch is. Manche danzt schön wie de Groten, datt geiht fix un richtig in'n Takt. Am drulligsten sünd de ganz Lütten, manche könt all danzen, anner wedder doht so, as wenn se danzen könt. Vö allen de Oellern freut sick öber de Kinner. Se hevvt ehr Freud doran, datt de Kinner grade Glieder hevvt un datt Läben un Lustigkeit in ehr stickt.

De Danzerie wart henn un wedder dörch Gesangvödräg awwesselt, ok en Gedicht wart mal vodragen. Wieder sünd Reigendänze inöwt, bi de sungen ward. Datt möckt all väl Spaß un Vergnögen.

So geiht de Tied denn henn. Gegen Abend Klock 9 ward Schluß makt. De Kinner hevvt noch'n heeten Kopp und harrn gern noch en Wiel wieder danzt. Oeber datt helpt nich, Jedes Vergnögen hett mal sien Enn, un so ok datt Kinnervagelscheeten. Da gaht se denn all na Hus, üm in'n Slap vont Vergnögen wieder to drömen.

K. V.

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