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zweiflügeligen Ausführungen
vorhanden ist, wird schwerlich weiter zurückreichen als
äußerstenfalls bis 1750.
Fenster in der Tür selbst kannte man in Lauenburg bis ins 19.
Jahrhundert hinein nicht. Das Licht für die Diele oder, wie man
hierzulande ja auch gern sagt, für den Vorplatz, fiel durch Fenster
neben der Tür oder durch Oberlichter über der Tür herein. Die
letzteren boten willkommene Gelegenheit, Schweifsäge und
Schnitzmesser zu betätigen. So findet man noch mehrfach einen
Lorbeerkranz im Oberlicht, und über der sonst sehr schlichten
Haustür Gr. Sandberg 10 ist sogar recht gutes Rokoko-Schnitzwerk
erhalten. Mitunter richtete man auch einen Teil des Oberlichts als
Laterne ein, die zugleich den Raum außen vor der Tür und den
Vorplatz beleuchtete, ein glücklicher Gedanke, der bei der Tür der
neuen Dienstwohnung des Bürgermeisters wieder aufgenommen ist.
Der bauliche Schmuckwert der Tür ist im 17. Jahrhundert, wie selbst
jeder Nichtfachmann ohne Mühe erkennt, niemals besonders beachtet,
geschweige denn betont worden. Der Zufall der Zweckmäßigkeit waltete
da, und mit der Sicherheit eines Naturgesetzes wurde, was er
entstehen ließ, ansprechend, denn er wirkte sich durch einfache
Handwerke aus, die zwar keine große theoretische Bildung besaßen,
aber zünftig und werkgerecht und SELBSTÄNDIG schöpferisch arbeiten
konnten, und nicht wie in unsern Tagen allzuoft durch Leute, die als
Handwerker nur fremde Gedanken nachzuformen und auszudrücken hatten.
Abb. 1 Hauseingang Elbstr. 79 (um
1600).
Zur Ergänzung des bisher
Ausgeführten sollen einige Einzelerscheinungen besprochen werden.
Die Tür des Hauses Kirchplatz 1, des ehemaligen Pastorats
1), ist
wohl die älteste, die in der Stadt Lauenburg erhalten blieb, oder
sie ist doch ebenso alt, wie die in Abbildung 1 wiedergegebene.
Leider fehlt der Pfarrhaustür seit ungefähr 22 Jahren der alte
schöne Beschlag, Klopfer und Klinke, die die andere sich glücklich
bis heute bewahrte. Die äußere Holzarbeit beider Türen ist praktisch
gleich, schlichte Rahmen und im Umriß einfach geschwungene, nicht
dicker als das Rahmenholz aufliegende Flächen mit leicht
profilierten Kanten als Verzierung der Füllung. Das Ganze ist darauf
gestimmt, den Blick auf den Klopfer zu lenken, der mitten drin saß
oder noch sitzt. Die erstgenannte Tür ist überdies durch ein paar
Schnitzereien, stilisierte Blumen, noch etwas reicher gestaltet. Die
Klinke spielt bei beiden für das Gesamtbild nur eine nebensächliche
Rolle. Trotzdem ist sie zusammen mit dem schweren Kastenschloß ein
tüchtiges Stück Schlosserarbeit, das wohl der Beachtung wert ist.
Das gilt ähnlich auch für die Tür Elbstraße 95
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1) Abgebildet in Nr. 1 des 1. Jahrgangs auf Seite
11.
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Abb. 2 Haustür Elbstr. 95 (um 1600).
(Abbildung 2), die ein paar
Jahrzehnte jünger sein mag. Nur die Tischlerarbeit ist hier ganz
anders ausgeführt. Die einfachen, kräftigen Zierformen, eher Barock
als Renaissance, die dick auf die ganz glatte Türfläche aufgelegt
sind, verraten, daß ein weit gewanderter Meister oder Gesell sie
schuf, einer, der die Formenfülle der Brennpunkte des damaligen
Lebens gesehen hatte. Die Freude jener Zeit an Formen und Gestalten,
der aber immer das Zweckhafte peinlich genau gewahrte Grenzen zog,
wird sehr deutlich durch eine Klinke an der Tür des Hauses Elbstraße
120. Hier bildet eine Hand, die einen dicken Stab umklammert, den
Drücker. Die Tür selbst ist der von Elbstraße 79 sehr ähnlich, nur
durch Absätze in den Kanten des Rahmens und auch der
Füllungsverzierung ist sie etwas reicher ausgebildet. Das schmale
Stück an der Angelseite aber zeigt tüchtige Bildhauerarbeit, die
unverkennbar auf süddeutsche Einflüsse deutet.
Wer nun eine solche Tür nicht bezahlen konnte - gute Arbeit war
niemals sehr billig - und doch nicht mit einer gewöhnlichen
Brettertür, wie man sie heute an Ställen und Nebengebäuden hat,
zufrieden war, der ließ sich eine LEISTENTÜR machen. Bei dieser
Form, die eben so einfach wie schön ist, sind leicht profilierte
Leisten oder eigentlich schmale Bretter auf die glatte, aus schwerem
Holz gebaute Tür aufgenagelt; so entstanden Rautenmuster wie auf
Bild 3 oder Schräggliederungen, wie man sie auf den Nebentüren der
Kirchen wohl zuweilen sieht. In die mittlere Raute wurde der Klopfer
gesetzt, der so auch bei anderen Türen gleichsam der Kern zu sein
schien, oder man schob die Mitte etwas nach oben und setzte ein
Guckfensterchen hinein. Es gibt wie überall im Lauenburger Land so
auch in der Stadt an der Elbe noch eine ganze Anzahl solcher Türen,
oft allerdings als Hoftür oder Eingang zu Nebengebäuden. Dazu wird
sie auch heute schon wieder angewendet, wie z. B. die Tür zum
Kraftwagenhaus des Herrn Dr. Maison zeigt, die die Möglichkeit der
Leistentür ausgezeichnet beleuchtet.
Abb. 3 Quergeteilte Leistentür.
Eines ist allen bisher
geschilderten Türen gemeinsam: der feste Teil, an dem die Scharnierc
und die Schlösser befestigt sind, ist eine glatte aus Eichenholz
gefertigte Brettertür OHNE Rahmen, deren Außenseite wie beschrieben
durch aufgelegte Rahmen mit verzierten
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Füllungen, Leisten und dergl. geschmückt ist. Das
wurde anders, als mit dem Beginn des 18. Jahrhunderts die Tür aus
Rahmen und Füllung aufkam. Abbildung 4 zeigt ein Beispiel.
Abb. 4 Haustür Hunnenburg 1 (um 1720).
Es ist erstaulich, wieviel
Abwechslungsmöglichkeiten die Elemente dieser uns so schlicht
vorkommenden Erscheinungsform bieten; denn so oft man auch darauf
trifft, ganz Gleiches findet man nie. Uebrigens sind die ältesten
zweiflügeligen Türen, die einen gewissen (kunst-)handwerklichen Wert
besitzen, in dieser Art angefertigt (z. B. Hohlweg 31). Um
l780
erscheint abermals etwas neues, das insofern von allem bisher
Geschilderten abweicht, als es nie mehr richtig "altmodisch" wurde.
Denn so einfach die "Kassettentür" 2) ist, sie macht immer den
Eindruck einer ruhigen Würde, ohne altfränkisch zu erscheinen,
besonders dann, wenn statt einer verlogenen und sinnlosen
künstlichen Maserung ein einfacher Oelfarbenanstrich das Holz vor
der Witterung schützt.
Abb. 5 Haustür Hamburgerstraße 39 (um
1780).
Abbildung 5 zeigt eine sehr
repräsentative zweiflügelige Ausführung vom Hause des Herrn
Mauermeisters Fischer. Bei der entsprechenden einflügeligen Form
tritt die ursprüngliche Querfelderung deutlicher hervor als, hier wo
die Felderung, wie schon der Name sagt, mehr als Kassettenteilung
erscheint. Wenn man nun die oberste Füllung in jedem Flügel durch
eine Glasscheibe ersetzt, so ist das Urbild der Tür mit Fenster
gegeben. Diese Art wurde um 1800 notwendig, denn das lauenburgische
Bürgerhaus war aus dem unverkennbaren Niedersachsenhaus, wie es im
letzten
Heft dieser Zeitschrift beschrieben ist, zu dem geworden, was wir
kennen. Die geräumige Diele war verschwunden und an ihre Stelle
der mehr gangartige Vorplatz getreten. Der
hatte keine Wandfläche neben der Tür, in die man noch Fenster einbauen konnte, und
das
Oberlicht allein gab nicht genug Helligkeit, besonders nicht in der engen Elbstraße. Da
blieb nur der Weg, ein Fenster in dieTür zu setzen, indem man die
oberste Füllung aus Glas herstellte. Diese Lösung war bei aller
Einfachheit schön, zumal der feierliche Ernst, den eine Kassettentür allzuleicht an
sich hat,
durch das Glas etwas gemildert wird, besonders wenn geschickte
Frauenhände ein Stückchen leichten Stoffes als Gardine
dahinterhängen. Der Be-
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2) Die Bezeichnung ist streng genommen nicht ganz zutreffend, denn
im Grunde ist es eine quergefelderte Tür mit 2 Flügeln.
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schlag dieser Türen war dem Uebrigen entsprechend
einfach, blankes Messing für den Drücker und das Schloßschild oder
schmuckloses schwarzes Eisen, wenn das gelbe Metall zu teuer schien.
Man sieht dergleichen noch oft; kennzeichnend ist die vasenähnliche
Ausbildung des Schloßschildes an seinem oberen Ende und bei
Zweiflügel-Türen die Tatsache, daß am geschlossenen Flügel ein
Schloßschild als Blende sitzt. - Was noch zu beschreiben bleibt,
sind die Erzeugnisse der Jahre 1870-1910, der Zeit. in der die
Maschine endgültig in die Werkstätten unserer Handwerker eindrang
und dort Herrenrecht zu gewinnen schien, indem sie die Form der
Erzeugnisse entscheidend beeinflußte. Wenn das "von der Maschine
unter Heranziehung von Menschen erzeugte und in großen Serien
gelieferte Produkt" der stoffliche Ausdruck einer "Kultur" sein
mußte, so ist es nicht weiter verwunderlich, daß eine
handwerksgeschichtliche Betrachtung der Haustür aus dieser Zeit
nichts anzuführen weiß, was irgendwelchen Wert hat. Außerdem kennt
ja jeder die "schöne" Tür der Zeit um die Jahrhundertwende mit ihren
silberbronzierten, schwülstigen Gußeisengittern vor übergroßen
Fenstern, mit den ausdruckslosen Engels- und Teufelsgesichtern auf
gußeisernen Schloßschildern, mit beinahe armdicken Zierleisten, die
quartblattgroße Füllungen einfassen, und was der Herrlichkeiten
sonst mehr sind. Man schweige davon. Es ist gut, daß diese Zeit der
zum Grundsatz erhobenen Geschmacklosigkeiten vorüber ist. Leider hat
aber der Krieg und die ihm folgende Zeit der schweren Not die
Ansätze zu neuem Leben vernichtet, ehe sie recht zu Tage kommen
konnten.
Heute gilt es, unter den schwersten Bedingungen ganz von vorn wieder
anzufangen. Ob jemand eine Tür für ein neues Haus braucht, oder ob
eine alte zu ersetzen ist, man hat keinen Pfennig übrig für Arbeit
oder Material, die das Maß des Notwendigen überschreiten. Aeußerste
Einfachheit in Rohstoff und Ausführung ist das Gebot der Stunde.
Damit ist aber unseren Bautischlern mehr als je in den
letztvergangenen Jahrzehnten eine Gelegenheit gewiesen, ihr Können
zu zeigen. Daß die weitgehende Benutzung der vorhandenen
Werkzeugmaschinen und anderer durch die Technik gebotener
Möglichkeiten beitragen müssen, den Preis des fertigen Stückes
niedrig zu halten, ist selbstverständlich, aber unbedingt
werkgerecht kann und muß dennoch geschaffen werden. Sind für 25
Siedlungsbauten möglichst billige Türen erforderlich, mag man
getrost eine Reihenlieferung daraus machen, doch sei man dann
ehrlich genug zuzugeben, daß die Einzelstücke Reihenarbeit sind.
Solche Erzeugnisse sind weder schlecht noch häßlich, wenn sie nur
einfach und zweckmäßig gestaltet sind, aber sie müssen sein, was sie
sind, und nicht durch "Serienschmuck" den Eindruck von Einzelarbeit
hervorzurufen versuchen, was niemals gelingen wird. Kann aber jemand
etwas mehr aufwenden, so möge er eine Wertsteigerung durch bessere
Baustoffe anstreben, nicht durch Aeußerlichkeiten, die nur etwas
vortäuschen, was nicht da ist. Tannenholz bleibt Tannenholz wenn man
auch anstelle eines ein- oder zweifarbigen Oelfarbenanstrichs eine
künstliche Eichenholzmaserung unter farblosem Lack als Wetterschutz
verwendet, und eine Bronzierung macht noch lange kein Messing aus
gewöhnlichem Schmiede- oder Guß-
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eisen, aber in beiden Fällen kann man unangenehm deutlich auf den
schlechten Geschmack des Besitzers der also "verbesserten" Dinge
schließen. Was rein handwerklich mit verhältnismäßig einfachen
Mitteln zu schaffen ist, zeigt die Haustür der neuen
Bürgermeisterwohnung im Weingarten. Sie ist ohne besonderen Aufwand
am Holz oder an der Arbeit mustergültig. Nur die Beschläge sind
reicher, als man sie in Lauenburg gewohnt ist. Leider ist diese Tür
aber von einem Architekten entworfen. Es wäre besser gewesen, wenn
sie in Ausführung UND FORM von dem Meister stammte, dessen Werkstatt
sie lieferte. Wir müssen wieder dahin kommen, daß unsere
eingesessenen Tischler ohne fremde Hilfe Türen bauen, die zwar
vielleicht "aus der Mode" kommen, aber niemals geschmacklos wirken
können, damit das Urteil einer späteren Zeit über die
Handwerksleistung unserer Tage günstiger lauten wird als unseres
über die der letzten 50 Jahre.
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LITERATUR:
Türen und Fenster. Ihre Gestaltung nach alten und neuen
Handwerkstechniken. Von Otto Meyer-Berlin. Verlagsanstalt des
deutschen Holzarbeiterverbandes G. m. b. H. 1924.
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