Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1926


LAUENBURGISCHE HEIMAT Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg - E V
Schriftleitung: Landesarchivar Dr. Hans Ferd. Gerhard in Ratzeburg
Lauenburgischer Heimatverlag
(H. H. C. Freystatzky's Buchdruckerei) in Ratzeburg
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Erscheint vierteljährlich und wird den Mitgliedern des Heimatbundes kostenlos zugesandt. Vereinsbeitrag jährlich 3.00 RM. Beitrittserklärungen sind an Herrn Buchhändler GERH. SCHETELING in Ratzeburg zu richten

Heft 2 Ratzeburg, April 1926 2. Jahrgang

 


Lauenburgische Haustüren seit 1600.

Von WILHELM HADELER, Berlin.

Die Haustür ist der Teil des Hauses, der am unmittelbarsten auf den Besucher wirkt, weil sie ihm zuerst entgegentritt. Es liegt deshalb nahe, auf ihre Ausstattung besondere Sorgfalt zu verwenden. Dazu kommt, daß die Tür als architektonisches Element des Hauses wie auch für sich allein eine Fülle von Gestaltungsmöglichkeiten bietet, die zur Ausnutzung anreizen.

Die Maße der Türoffnung wurden in Lauenburg wie überall von jeher durch die Größe der Gegenstände bedingt, die man hindurchschaffen wollte. Erst von ungefähr 1750 ab ist außerdem noch der bauliche Schmuckwert und nicht zum wenigsten die Repräsentation des bürgerlichen Wohlstandes von Einfluß gewesen.

Für heutige Begriffe bauten die Leute vor 200 und 300 Jahren die Türen ihrer Häuser breit im Verhältnis zur Höhe. Seltsamerweise vermieden sie aber zwei Flügel. Weshalb, wissen wir heute nicht mehr, jedenfalls NICHT aus technischen Gründen, denn die Genauigkeit und Sauberkeit der Arbeit ist in dem in Frage kommenden Bereich mit den gegenwärtigen Hilfsmitteln nicht wesentlich weiter zu treiben, als sie im 16. und 17. Jahrhundert mit der Hand geschafft wurde. Weil nun bei einer verhältnismäßig breiten Tür die einflügelige Ausführung leicht gar zu schwer geworden wäre, so verwendete man einen doppelten Satz Scharniere. An der Angelseite wurde erst ein etwa 30 cm breites Stück an den Pfosten gehängt, so daß es sich wie eine Tür öffnen ließ. Gewöhnlich war es aber mit Riegeln so festgesetzt, daß es seinerseits der eigentlichen Tür als Pfosten dienen konnte. So hatte man beidem genuggetan: der Türflügel war trotz Eichenholz und handgearbeiteter Beschläge nicht allzuschwer und wenn es not tat, konnte man ohne Schwierigkeit mit ein paar Handgriffen die Oeffnung um 1/4 verbreitern. Türen dieser Art gibt's in Lauenburg noch eine ganze Anzahl, die ohne Ausnahme aus dem 17. Jahrhundert stammen. Was dagegen an

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zweiflügeligen Ausführungen vorhanden ist, wird schwerlich weiter zurückreichen als äußerstenfalls bis 1750.

Fenster in der Tür selbst kannte man in Lauenburg bis ins 19. Jahrhundert hinein nicht. Das Licht für die Diele oder, wie man hierzulande ja auch gern sagt, für den Vorplatz, fiel durch Fenster neben der Tür oder durch Oberlichter über der Tür herein. Die letzteren boten willkommene Gelegenheit, Schweifsäge und Schnitzmesser zu betätigen. So findet man noch mehrfach einen Lorbeerkranz im Oberlicht, und über der sonst sehr schlichten Haustür Gr. Sandberg 10 ist sogar recht gutes Rokoko-Schnitzwerk erhalten. Mitunter richtete man auch einen Teil des Oberlichts als Laterne ein, die zugleich den Raum außen vor der Tür und den Vorplatz beleuchtete, ein glücklicher Gedanke, der bei der Tür der neuen Dienstwohnung des Bürgermeisters wieder aufgenommen ist.

Der bauliche Schmuckwert der Tür ist im 17. Jahrhundert, wie selbst jeder Nichtfachmann ohne Mühe erkennt, niemals besonders beachtet, geschweige denn betont worden. Der Zufall der Zweckmäßigkeit waltete da, und mit der Sicherheit eines Naturgesetzes wurde, was er entstehen ließ, ansprechend, denn er wirkte sich durch einfache Handwerke aus, die zwar keine große theoretische Bildung besaßen, aber zünftig und werkgerecht und SELBSTÄNDIG schöpferisch arbeiten konnten, und nicht wie in unsern Tagen allzuoft durch Leute, die als Handwerker nur fremde Gedanken nachzuformen und auszudrücken hatten.




Abb. 1 Hauseingang Elbstr. 79 (um 1600).

Zur Ergänzung des bisher Ausgeführten sollen einige Einzelerscheinungen besprochen werden. Die Tür des Hauses Kirchplatz 1, des ehemaligen Pastorats 1), ist wohl die älteste, die in der Stadt Lauenburg erhalten blieb, oder sie ist doch ebenso alt, wie die in Abbildung 1 wiedergegebene. Leider fehlt der Pfarrhaustür seit ungefähr 22 Jahren der alte schöne Beschlag, Klopfer und Klinke, die die andere sich glücklich bis heute bewahrte. Die äußere Holzarbeit beider Türen ist praktisch gleich, schlichte Rahmen und im Umriß einfach geschwungene, nicht dicker als das Rahmenholz aufliegende Flächen mit leicht profilierten Kanten als Verzierung der Füllung. Das Ganze ist darauf gestimmt, den Blick auf den Klopfer zu lenken, der mitten drin saß oder noch sitzt. Die erstgenannte Tür ist überdies durch ein paar Schnitzereien, stilisierte Blumen, noch etwas reicher gestaltet. Die Klinke spielt bei beiden für das Gesamtbild nur eine nebensächliche Rolle. Trotzdem ist sie zusammen mit dem schweren Kastenschloß ein tüchtiges Stück Schlosserarbeit, das wohl der Beachtung wert ist. Das gilt ähnlich auch für die Tür Elbstraße 95
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1) Abgebildet in Nr. 1 des 1. Jahrgangs auf Seite 11.

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Abb. 2 Haustür Elbstr. 95 (um 1600).

(Abbildung 2), die ein paar Jahrzehnte jünger sein mag. Nur die Tischlerarbeit ist hier ganz anders ausgeführt. Die einfachen, kräftigen Zierformen, eher Barock als Renaissance, die dick auf die ganz glatte Türfläche aufgelegt sind, verraten, daß ein weit gewanderter Meister oder Gesell sie schuf, einer, der die Formenfülle der Brennpunkte des damaligen Lebens gesehen hatte. Die Freude jener Zeit an Formen und Gestalten, der aber immer das Zweckhafte peinlich genau gewahrte Grenzen zog, wird sehr deutlich durch eine Klinke an der Tür des Hauses Elbstraße 120. Hier bildet eine Hand, die einen dicken Stab umklammert, den Drücker. Die Tür selbst ist der von Elbstraße 79 sehr ähnlich, nur durch Absätze in den Kanten des Rahmens und auch der Füllungsverzierung ist sie etwas reicher ausgebildet. Das schmale Stück an der Angelseite aber zeigt tüchtige Bildhauerarbeit, die unverkennbar auf süddeutsche Einflüsse deutet.

Wer nun eine solche Tür nicht bezahlen konnte - gute Arbeit war niemals sehr billig - und doch nicht mit einer gewöhnlichen Brettertür, wie man sie heute an Ställen und Nebengebäuden hat, zufrieden war, der ließ sich eine LEISTENTÜR machen. Bei dieser Form, die eben so einfach wie schön ist, sind leicht profilierte Leisten oder eigentlich schmale Bretter auf die glatte, aus schwerem Holz gebaute Tür aufgenagelt; so entstanden Rautenmuster wie auf Bild 3 oder Schräggliederungen, wie man sie auf den Nebentüren der Kirchen wohl zuweilen sieht. In die mittlere Raute wurde der Klopfer gesetzt, der so auch bei anderen Türen gleichsam der Kern zu sein schien, oder man schob die Mitte etwas nach oben und setzte ein Guckfensterchen hinein. Es gibt wie überall im Lauenburger Land so auch in der Stadt an der Elbe noch eine ganze Anzahl solcher Türen, oft allerdings als Hoftür oder Eingang zu Nebengebäuden. Dazu wird sie auch heute schon wieder angewendet, wie z. B. die Tür zum Kraftwagenhaus des Herrn Dr. Maison zeigt, die die Möglichkeit der Leistentür ausgezeichnet beleuchtet.
 



Abb. 3 Quergeteilte Leistentür.

Eines ist allen bisher geschilderten Türen gemeinsam: der feste Teil, an dem die Scharnierc und die Schlösser befestigt sind, ist eine glatte aus Eichenholz gefertigte Brettertür OHNE Rahmen, deren Außenseite wie beschrieben durch aufgelegte Rahmen mit verzierten

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Füllungen, Leisten und dergl. geschmückt ist. Das wurde anders, als mit dem Beginn des 18. Jahrhunderts die Tür aus Rahmen und Füllung aufkam. Abbildung 4 zeigt ein Beispiel.



Abb. 4 Haustür Hunnenburg 1 (um 1720).

Es ist erstaulich, wieviel Abwechslungsmöglichkeiten die Elemente dieser uns so schlicht vorkommenden Erscheinungsform bieten; denn so oft man auch darauf trifft, ganz Gleiches findet man nie. Uebrigens sind die ältesten zweiflügeligen Türen, die einen gewissen (kunst-)handwerklichen Wert besitzen, in dieser Art angefertigt (z. B. Hohlweg 31). Um l780 erscheint abermals etwas neues, das insofern von allem bisher Geschilderten abweicht, als es nie mehr richtig "altmodisch" wurde. Denn so einfach die "Kassettentür" 2) ist, sie macht immer den Eindruck einer ruhigen Würde, ohne altfränkisch zu erscheinen, besonders dann, wenn statt einer verlogenen und sinnlosen künstlichen Maserung ein einfacher Oelfarbenanstrich das Holz vor der Witterung schützt.



Abb. 5 Haustür Hamburgerstraße 39 (um 1780).

Abbildung 5 zeigt eine sehr repräsentative zweiflügelige Ausführung vom Hause des Herrn Mauermeisters Fischer. Bei der entsprechenden einflügeligen Form tritt die ursprüngliche Querfelderung deutlicher hervor als, hier wo die Felderung, wie schon der Name sagt, mehr als Kassettenteilung erscheint. Wenn man nun die oberste Füllung in jedem Flügel durch eine Glasscheibe ersetzt, so ist das Urbild der Tür mit Fenster gegeben. Diese Art wurde um 1800 notwendig, denn das lauenburgische Bürgerhaus war aus dem unverkennbaren Niedersachsenhaus, wie es im letzten Heft dieser Zeitschrift beschrieben ist, zu dem geworden, was wir kennen. Die geräumige Diele war verschwunden und an ihre Stelle der mehr gangartige Vorplatz getreten. Der hatte keine Wandfläche neben der Tür, in die man noch Fenster einbauen konnte, und das Oberlicht allein gab nicht genug Helligkeit, besonders nicht in der engen Elbstraße. Da blieb nur der Weg, ein Fenster in dieTür zu setzen, indem man die oberste Füllung aus Glas herstellte. Diese Lösung war bei aller Einfachheit schön, zumal der feierliche Ernst, den eine Kassettentür allzuleicht an sich hat, durch das Glas etwas gemildert wird, besonders wenn geschickte Frauenhände ein Stückchen leichten Stoffes als Gardine dahinterhängen. Der Be-
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2) Die Bezeichnung ist streng genommen nicht ganz zutreffend, denn im Grunde ist es eine quergefelderte Tür mit 2 Flügeln.

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schlag dieser Türen war dem Uebrigen entsprechend einfach, blankes Messing für den Drücker und das Schloßschild oder schmuckloses schwarzes Eisen, wenn das gelbe Metall zu teuer schien. Man sieht dergleichen noch oft; kennzeichnend ist die vasenähnliche Ausbildung des Schloßschildes an seinem oberen Ende und bei Zweiflügel-Türen die Tatsache, daß am geschlossenen Flügel ein Schloßschild als Blende sitzt. - Was noch zu beschreiben bleibt, sind die Erzeugnisse der Jahre 1870-1910, der Zeit. in der die Maschine endgültig in die Werkstätten unserer Handwerker eindrang und dort Herrenrecht zu gewinnen schien, indem sie die Form der Erzeugnisse entscheidend beeinflußte. Wenn das "von der Maschine unter Heranziehung von Menschen erzeugte und in großen Serien gelieferte Produkt" der stoffliche Ausdruck einer "Kultur" sein mußte, so ist es nicht weiter verwunderlich, daß eine handwerksgeschichtliche Betrachtung der Haustür aus dieser Zeit nichts anzuführen weiß, was irgendwelchen Wert hat. Außerdem kennt ja jeder die "schöne" Tür der Zeit um die Jahrhundertwende mit ihren silberbronzierten, schwülstigen Gußeisengittern vor übergroßen Fenstern, mit den ausdruckslosen Engels- und Teufelsgesichtern auf gußeisernen Schloßschildern, mit beinahe armdicken Zierleisten, die quartblattgroße Füllungen einfassen, und was der Herrlichkeiten sonst mehr sind. Man schweige davon. Es ist gut, daß diese Zeit der zum Grundsatz erhobenen Geschmacklosigkeiten vorüber ist. Leider hat aber der Krieg und die ihm folgende Zeit der schweren Not die Ansätze zu neuem Leben vernichtet, ehe sie recht zu Tage kommen konnten.

Heute gilt es, unter den schwersten Bedingungen ganz von vorn wieder anzufangen. Ob jemand eine Tür für ein neues Haus braucht, oder ob eine alte zu ersetzen ist, man hat keinen Pfennig übrig für Arbeit oder Material, die das Maß des Notwendigen überschreiten. Aeußerste Einfachheit in Rohstoff und Ausführung ist das Gebot der Stunde. Damit ist aber unseren Bautischlern mehr als je in den letztvergangenen Jahrzehnten eine Gelegenheit gewiesen, ihr Können zu zeigen. Daß die weitgehende Benutzung der vorhandenen Werkzeugmaschinen und anderer durch die Technik gebotener Möglichkeiten beitragen müssen, den Preis des fertigen Stückes niedrig zu halten, ist selbstverständlich, aber unbedingt werkgerecht kann und muß dennoch geschaffen werden. Sind für 25 Siedlungsbauten möglichst billige Türen erforderlich, mag man getrost eine Reihenlieferung daraus machen, doch sei man dann ehrlich genug zuzugeben, daß die Einzelstücke Reihenarbeit sind. Solche Erzeugnisse sind weder schlecht noch häßlich, wenn sie nur einfach und zweckmäßig gestaltet sind, aber sie müssen sein, was sie sind, und nicht durch "Serienschmuck" den Eindruck von Einzelarbeit hervorzurufen versuchen, was niemals gelingen wird. Kann aber jemand etwas mehr aufwenden, so möge er eine Wertsteigerung durch bessere Baustoffe anstreben, nicht durch Aeußerlichkeiten, die nur etwas vortäuschen, was nicht da ist. Tannenholz bleibt Tannenholz wenn man auch anstelle eines ein- oder zweifarbigen Oelfarbenanstrichs eine künstliche Eichenholzmaserung unter farblosem Lack als Wetterschutz verwendet, und eine Bronzierung macht noch lange kein Messing aus gewöhnlichem Schmiede- oder Guß-

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eisen, aber in beiden Fällen kann man unangenehm deutlich auf den schlechten Geschmack des Besitzers der also "verbesserten" Dinge schließen. Was rein handwerklich mit verhältnismäßig einfachen Mitteln zu schaffen ist, zeigt die Haustür der neuen Bürgermeisterwohnung im Weingarten. Sie ist ohne besonderen Aufwand am Holz oder an der Arbeit mustergültig. Nur die Beschläge sind reicher, als man sie in Lauenburg gewohnt ist. Leider ist diese Tür aber von einem Architekten entworfen. Es wäre besser gewesen, wenn sie in Ausführung UND FORM von dem Meister stammte, dessen Werkstatt sie lieferte. Wir müssen wieder dahin kommen, daß unsere eingesessenen Tischler ohne fremde Hilfe Türen bauen, die zwar vielleicht "aus der Mode" kommen, aber niemals geschmacklos wirken können, damit das Urteil einer späteren Zeit über die Handwerksleistung unserer Tage günstiger lauten wird als unseres über die der letzten 50 Jahre.

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LITERATUR:
Türen und Fenster
. Ihre Gestaltung nach alten und neuen Handwerkstechniken. Von Otto Meyer-Berlin. Verlagsanstalt des deutschen Holzarbeiterverbandes G. m. b. H. 1924.


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