Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1926


 J. L. Wensel.

Von Hauptpastor P. BRUNS-Mölln i. Lgb.

Es ist bedauerlich, wie schnell unsre Zeit vergißt. Wer kennt J. L. Wensel? Wen ich in den letzten Wochen danach fragte. wußte nichts von ihm, selbst in Mölln nicht, seiner Geburtsstadt, wo jeder, der auf dem Rathaus zu tun hat, eins seiner schönsten Werke ("Fragment", ein von seiner in Mölln lebenden Tochter Thorwalda Wensel  1915 der Stadt geschenktes Gemälde) immer wieder bewundern kann.

"Johann Heinrich Wensel, Bürger und Maler hieselbst, mit Jgfr. Josephine Rose Augustin Fleuret, einer Tochter des Augustin Fleuret, geboren zu Lüneburg 20. September 1804 getraut" - so steht unterm 12. Mai 1825 im Möllner Trauregister. Und dann folgt unterm 12. Februar 1825 die Eintragung im Taufregister: "Johannes Diedrich Friedrich Wensel, getft. d. 6ten März. Vater: Johann Heinrich Wensel, Maler hieselbst. Mutter: Josephine Rose Augustine Wensel, geb. Fleuret. Gevattern: 1. Joachim Diedrich Römer, Tischl.-Mstr., 2. Johann Joachim Plette, Becker
[sic!], 3. Friedrich Heide, Töpfer-Mstr. - 3 hiesige Bürger." Am Rande findet sich dazu die Bemerkung: "Louis nach Aussage der Eltern. Er selber nennt sich auf einem Zettel, auf welchem er von seiner Malerarbeit in der Möllner Kirche berichtet: "Johannis Friedrich Diderich Ludolf Wensel."

Johannes Ludolf Wensel wuchs als ältester Sohn seines aus Itzehoe stammenden Vaters unter dem Schatten der altehrwürdigen St. Nikolaikirche und des Rathauses am Markt in Mölln i. L. heran. Sein Geburtshaus muß in der Lücke gestanden haben, die jetzt zwischen dem Geschäfte der Brüder Mohr und dem alten Schuhmachermeister Lübbert gehörigen Hause sich findet. Von dort aus ging er zur Schule seiner Vaterstadt und erlernte nach Beendigung der Schulzeit beim Vater das Malerhandwerk. Schon in dieser Zeit zeichnete er sich durch seinen Fleiß und seine künstlerische Begabung aus, die, vom Vater wohl als Veranlagung überkommen, von diesem auch besonders gepflegt wurde. Als dem Vater nicht unwichtige Restaurierungsarbeiten in der St. Nikolaikirche übertragen wurden, war es dem Sohne eine besondere Freude, mithelfen zu dürfen. Davon zeugt ein Zettel, der aus jener Zeit erhalten ist, auf dem der spätere Künstler in schlichter Weise die Tatsache vermeldet, daß er als 16 1/2 Jahre alter Malerbursche bei der Renovierung der Kanzel mithelfen durfte. Eigenartiger Weise hat auf das Künstlerauge des Knaben die landschaftlich so schöne Umgebung Möllns wie auch die malerische alte Stadt, wie es scheint, keinen Eindruck gemacht. Nichts deutet darauf hin. daß er in jener Zeit sich irgendwie damit beschäftigt hat, Motive aus der Stadt und deren Umgebung im Bilde festzuhalten. Erst viel später, in den 70er Jahren, als er von Hamburg aus die Vaterstadt besuchte, sah er diese Schönheiten. Damals hat er einige Aquarelle vom grundlosen Kolk gemalt, die im Rathaus zu Mölln aufgehängt sind.

Nach beendeter Lehrzeit bezog er die kgl. Akademie in Kopenhagen, wo er drei Jahre studierte. Aber seine Studien gingen in andre Richtung. Nicht Landschafts-, sondern Porträtmalerei wurde sein Fach. Darin leistete er schon in dieser Studienseit so Gutes, daß er für einen von ihm gemalten Frauenkopf den Preis der Akademie erhielt. Man wurde aufmerksam auf den talentierten, jungen Mann; eine Reihe von Aufträgen, auch des Königs, waren die Folge. Auch während des auf die Studienzeit folgenden elfjährigen Aufenthaltes in London übte er die Kunst des Porträtmalens weiter; aus hohen und allerhöchsten Kreisen kamen dem geschätzten Künstler die Aufträge. Wensel hat sich auf diesem Gebiete immer wieder betätigt. wenn er auch später sich andrer Arbeit zuwendete. So hat er in späteren Jahren z. B. noch Porträts Kaiser Wilhelms II., Moltkes und des Leibarztes v. Lauer gemalt.

Daß sein Schaffen in andre Richtung geleitet wurde, dafür wurde sein, wenn auch kurzer Aufenthalt in der Schweiz wohl besonders bedeutungsvoll. Gesundheitshalber ließ er sich im Jahre 1869 in Basel nieder, und wenn er auch hier, wie in dem benachbarten Mülhausen i. Els. zunächst als Porträtmaler wieder ein gesuchter Künstler war, so hat doch ihre umgebende großartige Natur so tiefen Eindruck auf ihn gemacht, daß er sich der Landschaftsmalerei zuwendete.

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Der deutsch-französische Krieg 1870/71 brachte seinem Aufenthalt im Süden ein jähes Ende. Er siedelte nach Hamburg über.

Hier machte eine Ausstellung seiner Gemälde, unter denen besonders "Ophelia" und "Die Flucht nach Aegpten" auffielen, den Künstler bald bekannt, so daß ihm auch hier wieder die Aufträge reichlich zuflossen. Er malte Porträts von einer ganzen Reihe hervorragender Hamburger Persönlichkeiten. Hamburg aber wurde die Geburtsstätte wohl der bedeutendsten Werke Wensels. Anfang der 70er Jahre wurde der von seiner Polarfahrt heimkehrende österreichische Kapitän Weyprecht dort sehr gefeiert. Das gab dem Patrioten Wensel Veranlassung, auf die in Folge des Kriegsausbruches in den Hintergrund gedrängte zweite deutsche Nordpol-Expedition (1869-70) der Kapitäne Koldewey und Hegemann aufmerksam zu machen. Eingehende Studien geographischer und astronomischer Natur in Verbindung mit den Schilderungen der beiden Führer setzten ihn instand, die Erlebnisse der deutschen Expedition derart im Bilde darzustellen, daß die beiden Kapitäne von der Naturwahrheit der Darstellungen überwältigt waren. Aber was mehr gilt, die künstlerische Leistung wird von der berufenen Kritik seier Zeit einstimmig hoch gepriesen. In einer Reihe von 11 Bildern brachte Wensel die Geschehnisse zur Anschauung. 4 Jahre lang hat er daran gearbeitet und stellte sie dann 1876-78 nacheinander in Hamburg, Wiesbaden und Berlin aus. Sämtliche Leitungen der drei Städte brachten lange, eingehende Aufsätze über die Gemälde. Kaiser Wilhelm II. kaufte sie später für das Marine-Museum an.

Es ist mir nicht möglich, selbst in eine Würdigung des künstlerischen Schaffens einzutreten. Dazu fehlt mir die Hauptsache, auch kenne ich leider seine Werke meist nur aus Beschreibungen. In dieser Zeitschrift wollte ich nur auf einen vergessenen, großen Sohn unserer Lauenburgischen Heimat aufmerksam machen und die Anregung dazu geben. daß ein Sachverständiger ihm, etwa in Gestalt einer Monographie, ein Denkmal setzen möge.

Nicht unerwähnt aber soll bleiben, daß Wensel sich auch als Bildhauer betätigt und daß er auch hier Gutes geleistet hat. Eine Eskimogruppe ist besonders bekannt geworden. - Ferner darf nicht vergessen werden, daß er auch als Dichter hervorgetreten ist, in seinen Gedichten spricht eine feinsinnige. tiefempfindende, reine Seele zu uns.

Verheiratet war Wensel seit dem 10. Juni 1856 mit der Tochter des Pastors Harrsing in Sehestedt am Kaiser Wilhelm-Kanal. Am 1. Juli 1899 ist er in Berlin gestorben.
 

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