Unsere große Nachbarstadt Lübeck feierte in den
Tagen vom 3.-6. Juni die
siebenhundertjährige Wiederkehr der Tage, da ihr Kaiser Friedrich
II. nach ihrer Befreiung von der Dänenherrschaft in einer
mit goldener Siegelkapsel versehenen Urkunde zusagte, "daß sie immer
frei sein solle, nämlich eine besondere Stadt und Ort des Reiches
und zur kaiserlichen Stadt gehörig, zu keiner Zeit von ihr zu
trennen." Unser Land nahm mit aufrichtiger Freude an dieser schönen
und seltenen Feier teil. Denn die Beziehungen Lauenburgs zu Lübeck
haben sich im Laufe der Jahrhunderte immer enger und herzlicher
gestaltet.
Heinrich der Löwe, der Sachsenherzog, der grosse Kolonisator des
Ostens, ist der eigentliche Begründer Lübecks und Lauenburgs
gewesen. Er gab Heinrich von Botwide das Polabenland als Grafschaft
Ratzeburg zum Lehen; er zog deutsche Kolonisten ins Land; er ließ
auf der Insel im Ratzeburger See den mächtigen Dom errichten. Und
ebenso wies Heinrich der Löwe nach dem Brande der Stadt Lübeck im
Jahre 1157 den dortigen Bürgern den Hügel zwischen
Trave und Wakenitz zur Siedlung und zum Marktverkehr an; er gab der
Stadt eine Verfassung und hielt seine Hand über ihren Verkehr mit
den nordischen Ländern.
Als Heinrich aber von Barbarosso [sic!]
besiegt und die Stadt nach
Vertreibung der Dänen kaiserlich und frei geworden war, da wurde
Herzog Albrecht I. von Sachsen, der Beherrscher
Lauenburgs. Schirmherr der Stadt und schenkte ihr den Ort
Travemünde.
In den nächsten Jahrhunderten freilich, da wurde das gute Verhältnis
durch mancherlei Wirren getrübt. Die Lauenburgischen Raubritter, die
gelegentlich von den Herzögen geschützt oder gar unterstützt wurden,
bedrohten nur allzu häufig den Lübschen Inlandshandel, der seine
Straße durch Lauenburger Gebiet nehmen mußte. So kam es zu einer
Belagerung Ratzeburgs im Jahre 1290 und zu
wiederholten Zügen der Lübecker gegen die Lauenburger Raubburgen.
Bei den letzteren stellten sich die Herzöge allerdings zumeist auf
die Seite Lübecks, dem sie sich durch Landfriedensbündnisse
verpflichtet hatten.
Als dann im Jahre 1349 die wichtigsten Raubburgen
Lauenburgs. darunter die starke Burg Linau, eingenommen und zerstört
worden waren, da suchte die Politik Lübecks neue Wege, um die
Handelsstraßen der Stadt dauernd vor Ueberfällen zu schützen. Lübeck
legte - und hier finden wir wieder ein Handinhandgehen mit Lauenburg
- eine Landwehr an, die auf der Strecke vom kleinen Ratzeburger See
bis nach Mölln durch eine eigenartige, teilweise noch heute
erhaltene Wallanlage gebildet wurde. Zugleich aber trieb es eine
kluge Territorialpolitik, die letzten Endes darauf hinausging, einen
Landstreifen längst des 1397 vollendeten
Stecknitzkanals als Lübschen
1926/3 - 70
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Abb. [Hans Bunge
(Gestaltung: Grußadresse 1]
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Abb. [Hans
Bunge (Gestaltung: Grußadresse 2]
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Korridor in die Hand zu bekommen. Die Geldnöte
der Lauenburgischen Herzöge und Ritter waren ihm bei der Durchführung dieses
Planes die besten Helfer. Ein Stück Lauenburgischen Besitzes nach dem andern -
selbst Stadt und Vogtei Mölln - gingen in den Besitz oder die Pfandschaft
Lübecks über. Das aber gab begreiflicher Weise zu vielen blutigen Fehden und
langwierigen Prozessen Anlaß, bis endlich das Reichskammergericht im Jahre
1747 all diesen Wirrnissen durch sein Urteil ein Ende bereitete.
Seitdem haben Lauenburg und Lübeck, von einzelnen kleineren Gebiets- und
Hoheitsstreitigkeiten abgesehen, im besten Einvernehmen miteinander gelebt. Ein
Schienenweg, sowie Land- und Wasserstraßen haben sie einander näher gerückt. Die
wirtschaftlichen Beziehungen sind reich und eng geworden. Und Lübsche Gelehrte
und Künstler haben unzählige Anregungen in unser Land hineingetragen.
So war es eine gern erfüllte Pflicht nachbarlicher Freundschaft und Dankbarkeit,
wenn der Kreisausschuß am 4. Juni der großen Schwester Lubeca
durch Herrn Landrat Schönberg als Geschenk einen hübschen alten Willkommen
überreichen ließ, der aus der Hand des Lübschen Meisters Christian Hermann
Hülsemann stammt und für das Lübecker St. Annenmuseum bestimmt ist. Begleitet
wurde das Geschenk von einer Adresse, die, in altertümlichem Stil geschrieben,
der guten und weniger guten Beziehungen in humoristischer Form gedenkt. Diese
Adresse ist von Herrn Hans Bunge-Mölln durch feinste Kunstschrift und
allerliebste kleine farbige Bilder zu einem Kunstwerk gestaltet worden, dessen
Wiedergabe unsere Leser mit Freude begrüßen werden. Ist es doch ein Stück
Heimatkunst und zugleich ein Zeichen nachbarlicher Freundschaft zwischen
Lauenburg und der großen Nachbarstadt. Möge sich das Band dieser Freundschaft in
Zukunft noch weiter festigen - das ist auch unser aufrichtiger und herzlicher
Wunsch!
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