Der Ratskeller in Ratzeburg
hat kürzlich unter der fachmännischen Leitung des
Herrn Architekten Arp einen neuen, künstlerisch vortrefflich
gewählten Anstrich erhalten, durch den die Gliederung der Fassade
viel plastischer in die Erscheinung tritt, als dies bei dem Grau der
früheren Farbengebung möglich war. An der Stelle des jetztigen Baues
stand, wie wir schon auf dem Bilde von 1588 sehen können, früher das Rathaus selbst. Das Erdgeschoß diente als
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Schenke, im Obergeschoß aber, zu dem vom Markte aus eine steinerne
Freitreppe hinaufführte, waren die Amtszimmer. Dieser alte Bau wurde
im Jahre 1693 durch das dänische Bombardement
vollständig zerstört. Erst 1698 konnte das Rathaus als
Fachwerkbau wieder errichtet werden. Es diente seinem Zweck bis zum
Jahre 1843, wo das neue Rathaus erbaut und der alte
Bau ganz als Gasthaus eingerichtet wurde. Erst im Jahre 1851
erhielt der Ratskeller das Gesicht, das er heute zeigt. Damals wurde
nämlich die Marktfassade durch den Architekten Martius aus Mölln in
englischer Gotik erneuert. Wenn dieser Stil in der so ganz
andersartigen Umgebung nun auch etwas fremdartig wirkt, so ist doch
nicht zu leugnen, daß das Haus Charakter hat und, für sich genommen,
künstlerisch nicht ohne Reiz ist. Und darum ist es sehr zu begrüßen,
daß der Besitzer, Herr Münstermann, die gotische Putzarchitektur
durch einen geeigneten Oelanstrich so wirkungsvoll gehoben hat. Es
wäre nur zu wünschen, daß sich in Zukunft alle Hausbesitzer von
einem Fachmanne beraten ließen, bevor sie den Anstrich ihrer Häuser
in Angriff nehmen. Der "persönliche Geschmack", von dem sie sich in
der Regel leiten lassen, hat gerade in letzter Zeit, trotz mancher
Gegenvorstellungen des Heimatbundes, allerlei Schlimmes zu Wege
gebracht. Vielleicht daß eine Erweiterung des Ortsbaustatuts da in
Zukunft Wandel schaffen könnte.
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