Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1927


Abenteurer und Herzog.

Lauenburgische Welthandelspläne vor 300 Jahren.

Von Dr. TRAUGOTT TAMM.

Jüngst hat ein holländischer Gelehrter, J. E. Heeres, aus dem Kieler Staatsarchive eine Urkunde veröffentlicht, die nicht nur für die Anfänge niederländischer Welthandels- und Kolonialpolitik von Betracht ist, sondern auch auf eine eigenartige, uns Heutigen ganz erstaunliche Begebenheit der lauenburgischen Geschichte ein ebenso helles wie schnell wieder verlöschendes Streiflicht wirft. Diese Begebenheit, vielmehr zu einer solchen nur der Anlauf, denn sie ist ohne Folgen geblieben, war der Versuch des Herzogs Franz II. (1588 bis 1619), jenes rastlosrührigen Fürsten, den uns neuerdings unser Landesarchivar Dr. H. F. Gerhard wieder nahegebracht hat, mit einem holländischen Seefahrer und Abenteurer sich zusammenzutun zur Anknüpfung direkter Handelsverbindungen zwischen dem Herzogtum Lauenburg einerseits und der ganzen geheimnis- und schätzereichen Welt des fernsten Ostens und Südens (China, Japan, Molukken, Indien) andrerseits. Ein geradezu weltumspannendes Unternehmen, das wir zu allerletzt dem Dynasten solch mittel- und machtlosen Zwergländchens zutrauen würden angesichts der Tatsache, daß die Entdecker dieser fernen Welt, die meerbeherrschenden Portugiesen und Spanier, den Weg dahin jedem Mitbewerber unerbittlich verschlossen hielten, so daß ihre Aufschließung auch für andre nur "DURCH EINE NEWE, ZUVOR UNERHÖRTE UND BISZDAHER UNERFUNDENE STRASZE, benantlich durch das Mare glaciale (Eismeer), zu verwirklichen war!

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Gedachter Entschluß Franz II. und der Vertrag mit Adrian Menninck ist nun nicht etwa bis heute unbekannt gewesen; Kobbe, Gesch. Lauenburgs (1836), tut seiner Erwähnung als des unausgeführten Planes, "eine Expedition von Hadeln aus nach dem Oriente auszurüsten, in Betreff dessen Unterhandlungen mit dem Schiffskapitän Menninck gepflogen wurden." Und Gerß (Zeitschr. des Hist. Ver.'s f. Niedersachsen, 1879) hat den Vertrag teilweise veröffentlicht, mit dem Beifügen. "Die erste Fahrt, die nur mit drei Schiffen zur Exploration des Seeweges unternommen wurde, scheint keinen Erfolg gehabt zu haben: wenigstens enthält das lauenburgische Archiv über den Forttgang des Unternehmens keine weiteren Nachrichten."

Indes ist diese Veröffentlichung durch Gerß seither, nach Herres' Ausdruck, "so gut wie ganz in't vergeetboek geraten"; dem niederländischen Gelehrten gebührt also ungeschmälert das Verdienst der Wiederauffrischung jener verschollenen Dinge. Und was "die erste Fahrt mit nur drei Schiffen" betrifft, so hat sie schwerlich je stattgefunden. Hätte Gerß darüber sonst irgendwoher Nachricht gehabt, so würde er damit nicht hinterm Berge gehalten haben. Er mag aus dem Wortlaute des Vertrags gleich auch eine Fahrt erschlossen haben, aus der bloßen Absicht also die Verwirklichung.

Weiter unten werden die Umstände des näheren erörtert, und wird gezeigt werden, weshalb jene Pläne überhaupt unausführbar waren.

Datiert ist der Vertrag vom 25. Mai (Montag nach Trinitatis) 1592, aus dem herzoglichen Jagdschlosse bei Schwarzenbek - wie Heeres meint, "einem Dorfe in Schleswig (Lauenburg);" und bei Heeres finden wir dann auch eine dankenswerte Zusammenstellung all dessen, was man in den Niederlanden von Adr. Menninck weiß: Es ist ein Mann, der in den Geschicken seiner Heimat von 1566 an eine Rolle gespielt hat. Seines Zeichens ein Weber oder Maler ("Schilder") zu Delft, nahm er als Vorkämpfer des reform. Glaubens teil am Bildersturm zu Delft, 's Gravenhage und Utrecht; 1567 aus Delft verbannt und mit Vermögenseinziehung bestraft, kauft er 1576 sich wieder in Seeland an. Sein Name wird genannt unter den Aufständischen gegen das spanische Regiment und unter den „Watergeuzen"; 1569 erteilt ihm der Prinz von Oranien einen Kaperbrief, 1570 kreuzt er als Vizeadmiral auf der Ems und in den ostfriesischen Gewässern, und Emden und Norden sehen ihn in ihren Mauern; 1572 hört man von ihm vor La Rochelle, dann als Vizeadmiral von Seeland, auch als Kämpfer zu Lande bei Steenwijk; 1580 dient er unter Wigbold van Ewsum, 1581 unter van Merode und als Leutnant-Statthalter Oraniens in Friesland; 1588 übernimmt er eine Sendung an die seeländischen Stände. Damit aber verliert man in den Niederlanden ihn aus den Augen. Heeres kennzeichnet ihn als einen "raschen Kerl", in dessen Charakter sich die abenteuerliche Seite besonders stark herausgebildet haben müsse, ebenso aber auch überhaupt seine Tatkraft, sein Wagemut. Nachdem er in seiner Heimat sich irgendwie unmöglich gemacht, wird er sich subsistenzlos durch die Fremde geschlagen haben, und als er 1592, in Gesellschaft eines Hendrik de

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Hames, wahrscheinlich eines Südniederländers, und eines Erik Lange, eines tiefverschuldeten und aus seinem Vaterlande vertriebenen Dänen, nach Lauenburg kam, um Franz II. für seine weitausschauenden Pläne zu gewinnen, hatte er mit ähnlichen Projekten schon einen Fehlschlag in Dänemark hinter sich, denn er war zwar mit Christian IV. (1588 bis 1648), König von Dänemark und Norwegen, Herzog von  Schleswig-Holstein, zu dem Entwurf einer Übereinkunft gekommen, doch da der König noch minderjährig war, verblieb es beim bloßen Entwurfe.

Heeres hebt hervor, daß Christian IV., der nachherige dänische Kolonialkönig, als solcher zwei Ziele gehabt habe: die Neuansegelung des schon einmal entdeckten, inzwischen wieder verschollenen Grönland, sowie die Anknüpfung von Handelsbeziehungen in Asien, insonderheit zum malayischen Archipel. Kein Wunder, daß in seinem dänischen Vertragsentwurfe auch Menninck auf diese zwei Zielpunkte lossteuert. Ob es jedoch einem so geriebenen, mit allen Wassern gewaschenen Manne je ernstlich um so schwer zu verwirklichende Projekte zu tun war und nicht etwa bloß um eine Hochstaplerei im großen, um die Ergaunerung einer möglichst bedeutenden Geldsumme, wer will das wissen? Die Welt war damals voll von vagabundierenden Lügengenies, Astrologen, Goldmachern, Kolonial- und andern Schwindlern, von denen manche sogar sich einer göttlichen Sendung mystisch gewiß waren, und auch voll von großen und kleinen Herren, die auf jene leichtgläubig hereinfielen!

Dem sei, wie ihm wolle. Vielleicht war Adrian Menninck doch guten Glaubens an seine Sache, an sich, seine seemännischen Fähigkeiten und Erfahrungen, an seinen Stern und seine Sendung. Und zu einer Zeit, wo in seiner niederländischen Heimat höchstens erst die Regierenden (etwa von 1581 ab) ähnliche Pläne zu wälzen sich unterfingen, war es für einen Privatmann jedenfalls eine beachtenswerte Leistung, daß er mit seiner Propaganda sich an verschiedenen Punkten des Auslands immerhin hat Gehör erwirken können, er "zusampt seiner Companey" und von den Dreien war er die Hauptperson, er siegelte und unterfertigte allein den Vertrag mit Franz II., und die von der Companey werden mit Namen nicht genannt.

Charakteristisch ist, daß er mit dem Herzoge des kleinen Lauenburg erst anknüpfte, als am dänischen Königshofe, wegen der Minderjährigkeit Christians IV., seine Entwürfe sich als unausführbar erwiesen hatten. Er kann es sich auch nicht verhehlt haben, daß er, selbst im Falle nachhaltiger Willfähigkeit des Herzogs, vom Pferde auf den Esel gekommen war. In Dänemark, Norwegen und Schleswig-Holstein gab es wenigstens eine zahlreiche und erprobte seemännische Bevölkerung, von Hamburg und Lübeck nicht erst zu reden, und zumal in Norwegen nicht bloß Material und Zimmerleute genug zum Schiffsbau, sondern auch Fischer, Schiffer und Händler, die mit den besonderen Verhältnissen der Nordmeere vertraut waren. Wahrscheinlich hatte auch Menninck, falls er nicht bloßer Hochstapler war, sich unter diesen bereits nach allerlei Nachrichten umgetan, wie sie damals selbst in den Niederlanden noch kaum aufzutreiben gewesen wären.

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Von alledem war im eigentlichen Lauenburg, dem Binnenländchen, nicht die Rede. Eher in Lübeck; aber dort hätte man sich gehütet, mit dem, was man konnte und wußte, sich solch dunklem Ehrenmanne in die Arme zu werfen, der noch dazu dem Lande angehörte, das mit den Hansen in so starkem Wettbewerbe stand.

Doch auch in dem westlichen Anhängsel des Herzogtums, dem jenseit der Elbe gelegenen Lande Hadeln, stand es seit den Tagen des Störtebekers mit den Voraussetzungen für überseeische Unternehmungen nicht besser. Wohl macht es dem anschlägigen Kopfe des "Herrn Adrian Menningh von Utrecht" alle Ehre, wenn er bei der Umschau nach einem Ausgangspunkte für seine ostasiatischen Projekte herausspintisiert: "welcher Gestalt aus Germania, von dem Elbstromb an, obspecifizierle Lande ... können und mügen aufgesiegelt (=segelt) und gefunden werden, und gedachter Herr Capitein Adrian Menning, dem durchleuchtigen hochgebohrnen Fürsten und Herrn, Herrn Franze Herzoge zu Sachsen, Engern und Westphalenp [sic!] sich präsentieret und anerbotten, da S.(eine) f.(ürstlichen) g.(naden) in ihrem Erblande Habeln den Waßerflus, die Medem genandt, so durchs Landt Hadelen an der Stadt Otterndorf hero in die Elbe fleuß, zu einer Port oder Hafen auf gewiße Conditiones einthun, überlaßen und leidlich Priuilegia darauf geben wolte, das ehr Adrian Menning zusampt seiner Companey ihre freije Segellation oder Schiffart von undt in sölche Haefen haben undt die Wahren, so sie brächten, aldar ablegen oder ausschiffen undt ferner verhandeln und ihres gefallens damit hantieren möchten." -

Aber Hafen, Werften, Speicher waren an der Medem erst noch zu schaffen, dazu die nötigen Schiffe mit Ausrüstung, Ladung und Bemannung. Mit andern Worten: Das Land Hadeln spielte dabei dieselbe passive Rolle, wie in der Finanzfrage Seine Fürstliche Gnaden; und wenn der Vertrag erwähnt, daß "dan gedachter Capitain und seine Gesellschaft im Anfange dieser von newem fürgenhommenen Schiffart nicht allein viel Unkosten anfwenden, sondern sich auch zu den Gutheren (Gütern) in große Leibs undt Lebensgefahr stecken und wagen müßen", so wird es zunächst doch wohl an dieser Passivität von Land und Landesherrn gelegen haben, daß das ganze Projekt eben Projekt geblieben ist. Denn schwerlich waren der „Landstörzer" Menninck und seine Bettelkompaney von vornherein im Besitz solcher Summen, um davon ihre Expedition ausrüsten zu können. Vielleicht hatten die Abenteurer gehofft, daß sich anderswo, am Ende am ehesten in den Niederlanden, auf den mit einem leibhaftigen Fürsten des Heiligen Römischen Reichs geschlossenen Vertrag hin die nötigen Fonds würden auftreiben lassen? Und als das nicht gelang, daß sie dann leichtherzig von dieser ganz problematischen Polarfahrt Abstand nahmen und sich andern Dingen zuwandten, um ihren betrübten Umständen aufzuhelfen?

Denn um eine Polarfahrt hat es sich hier gehandelt: um die Auffindung sei es der Nordwest-, sei es der Nordostpassage nach Indien. Um welche von beiden (oder gar um die Fahrt direkt über den Pol), wird leider nicht gefagt. Nur obenhin wird von der Fahrt "durch vorbenanten Paß oder Straße", „durch eine newe
 

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zuvor unerhörte und bißdaher unerfundene Straße benantlich durch das ["]Mare glaciale" gesprochen. Das konnte die Ost- wie die Westpassage bedeuten, und es heißt die Bahn der Vermutungen weiterschreiten, wenn man etwa wahrscheinlich finden will, daß der Vertragsentwurf mit Christian IV. im Anschluß an die Wiederaufsegelung von „Grön- und Grogklandt" doch wohl die Auffindung der Nordwestpassage, um Nordamerika herum, im Auge gehabt habe, der Vertrag aber mit Franz II. die der Nordostpassage, um Nordasien herum. Daß also Kapitän Menninck mehr als einen Pfeil im Köcher gehabt und, je nachdem, bald den einen, bald den andern herausgeholt habe.

Im dänischen Vertragsentwurfe gibt Menninck an, daß aus den großen Städten "Quinzaji, Cambalij, Mangij und Smijun", wie auch aus den „Eijlanden Jappen", "alle köstliche Gestein, Goldt, Perlen, Seijdenwerek auch allerhandt Specerijen, Gewurtz und Kauffmannswahren in Teutschlandt gebracht werden können, JNNERHALBE DREIJ MONATE ZEIT." Wozu Heeres anmerkt, daß diese Schätzung der Fahrtdauer zu der in van Linschotens Itinerario gemachten stimme. Leider gibt aber der Text keinen Anhaltspunkt dafür, ob sie für die Route ums Kap der Guten Hoffnung gelten solle, oder, was wahrscheinlicher sein mag, für die Nordwest- resp. Nordostpassage; im einen wie in den andern Fällen ist sie, zumal für die damaligen Schiffahrtsverhältnisse, natürlich viel zu niedrig gegriffen und kann nicht auf wirklicher Sachkunde beruhen.

Doch was branchte es da solcher weltlichen Sachkunde? Nicht unmöglich, daß Menninck, wie schon oben angedeutet, eine viel sicherere Quelle zu besitzen meinte, als etwa die Berichte portugiesischer oder aber norwegisch-russischer Seefahrer aus zweiter, dritter Hand. Es ist bekannt, daß z. B. Columbus sich weit mehr auf Stellen der Heiligen Schrist, auf den Propheten Jesaias gestützt hat als auf profane Wissenschaft, wovon er ja auch, selbst für seine Zeit, blutwenig besaß; er fühlte sich durchaus als Werkzeug Gottes, bestimmt, neue Welten zu entdecken und der alleinseligmachenden Kirche zuzuführen. und auch bei einer ganzen Reihe von Entdeckern und Conquistadoren nach ihm läßt sich dieselbe fanatische Gewißheit nachweisen. Da ist es nicht verwunderlich, daß Adrian Menninck in seinem Vertrage mit Franz II. von sich sagt, daß er „von dem Almechtigen Gotte die Erfahrung hat", und, einige Zeilen weiter, daß „nachbeschriebener Contrakt undt Conditiones" ,Gotte dem Allmechtigen zu Ehren und zu Nutz" sein sollen, ja, er getröstet oder berühmt sich "ebenmeßiger Götlicher gnediger Verleihung", und es ist wohl kein Grund, hiebei seiner Aufrichtigkeit und Glaubensinbrunst zu zweifeln, religiöse Schwärmerei ist von jeher mit der Gier und der Fähigkeit, in der Welt es zu was zu bringen, Hand in Hand gegangen, bei den Katholischen der Gegenreformation, den Jesuiten, und nicht minder bei den kalvinistischen Eiferern und Bilderstürmern, man denke an Cromwell, die Puritaner, Covenanters, Pilgrimväter.

Und selbstverständlich, wer so über göttliche Sendung und göttliche Inspiration verfügte, als hätte er Brief und Siegel dafür, durfte auch in Seelenruhe und Zuversicht auf die Entdeckung von Nordwest-

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oder Nordostpassage aussegeln - ihm würden weder Polarnacht noch Eispressung, weder Kälte noch Skorbut noch wilde Tiere unüberwindliche Hemmnisse bedeuten!

Was die Nordwestpassage anging, so hatte in jenen Zeiten hauptsächlich Seb. Cabotto ihrer Entdeckung seine Kräfte geweiht, meist in englischen Diensten; aber jedesmal wenn er, oder einer seiner Nachfolger, sein Ziel erreicht zu haben oder ihm nahe gekommen zu sein glaubte, erwies sich das als ein Irrtum; erst 1850 hat Mac Clure die Existenz einer Wasserstraße um Nordamerika herum und durch die Beringstraße nachgewiesen, allein bis heute hat das Polareis deren wirkliche Besegelung unmöglich gemacht. So wendete denn schon Cabotto, ebenfalls vergeblich, in der letzten Hälfte seines Lebens sich der nordöstlichen Durchfahrt zu.

Nun ist es Tatsache, daß um die Mitte und bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts die Küstenumrisse Afrikas und Südamerikas besser gekannt und dargestellt waren als die von Nordeuropa. Die Italiener trieben nach Skandinavien keinen Handel, wohl aber die Hansen, und die verfaßten statt Seekarten nur Segelanweisungen. Deshalb hatten die Weltkarten dieser Jahre noch das Bild einer Landverbindung zwischen dem nördlichsten Europa und Grönland-Nordamerika fest, zu einer Zeit, wo doch die Norweger des Seeweges nach dem Weißen Meere (Halbinsel Kola; MURMANküste gleich NORMANNENküste!) längst kundig waren, und die Russen auf ihren leichten, flinken Fahrzeugen, den Lotjen, in günstigen Eisjahren bis an die Obmündung zu gelangen wußten. Sig. von Herberstein (1507 und 1526 kaiserlicher Gesandter in Moskau) hatte von dort aus erkundet, daß der Ob aus dem Kitaisk-See abflösse; wegen des Anklanges Kitaisk = Kitai (oder Cathay) ward dann darauf geschlossen, daß, wäre man zu Schiffe erst bis in den Ob gelangt, der Rest der Nordostpassage keine großen Schwierigkeiten mehr machen würde, und man Herr wäre aller Schätze Japans, Chinas, der indischen Inselwelt, vor allem jener ganz aus Gold und Silber bestehenden Inseln, die irgendwo in der Nähe des "goldenen" Chersones (Malaka) liegen sollten, und deren Phantom vom Altertume an durch das Mittelalter gespukt und erst recht im Zeitalter der Entdeckungen die Gemüter erhitzt hat!

Besonders England, später auch Holland. mühte sich um die nordöstliche Durchfahrt und gelangte bis nach Nowaja Semlja und ins Karische Meer. So gingen zwei englische Schiffe 1580 auf die Suche nach Ob und Catha; die Niederländer aber 1584; und Ende 1593 legte Balth de Moucheron Moritz von Oranien seinen Plan vor: "in wat manieren en bij wat mittelen de noordsche Zee omtrent Waygats tot China toe bevaarbar zijn zou." Weder die Engländer jedoch noch die Holländer haben des Eises wegen China auf diesem Wege zu erreichen vermocht; erst 1878/9 hat Nordenskiöld auf der Vega Asien im Norden umschifft.

Es ist aber fast gewiß, daß Adr. Menninck von den Plänen und Expeditionen seiner Landsleute wie der Engländer gewußt hat. Er mag die Absicht gehabt haben, ihnen von der Medem aus, im eigenen Interesse, zuvorzukommen, und es spricht für seinen Bahn-

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brecher-Optimismus, ebenso sehr auch für sein ahnendes Vorwegnehmen ferner Welthandelsmöglichkeiten, daß er, als einer der ersten, die Zukunftsbedeutung der Niederelbe vorausgesehen zu haben scheint.

Daß es überhaupt nicht zu einer Probe-, einer Erkundungsfahrt ums Nordkap herum  gekommen ist, mag an den finanziellen Schwierigkeiten, wie oben bemerkt, oder an irgend einer Mißhelligkeit zwischen Menninck und Franz II. gelegen haben. Auf  letzteres kann der Umstand gedeutet werden, daß die beiden Ausfertigungen des Vertrages im Besitz der herzoglichen Kanzlei verblieben sind. Es müßte also, nachdem der Herzog Unterschrift und Siegel beigefügt hatte, die Ausfolgung des Exemplares an Menninck eben wegen des gerade damals erfolgten Zerwürfnisses unterblieben sein, und fortan entschwindet der kühne niederländische "ruwe Kerel" unsern Blicken. Was nicht besagen soll, daß nicht hier oder dort seine Anregungen doch mittelbare Folgen gehabt haben könnten. 1616 gründete der Dänenkönig an der Niederelbe, der Medem-Mündung gegenüber, die Hafenstadt mit dem bezeichnenden Namen "Glückstadt", durch die er Hamburg "die Krone zu entreißen" und Handels- und Kolonialpolitik im großen, sowie auch Walfang im Polarmeere zu treiben gedachte; auch gibt es zu denken, daß Ende der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Niederlande auf eben diese Stadt und Zollstätte ihr Augenmerk richteten und sich in ihr festzusetzen vorhatten. Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst, sah sich bemüßigt, gegen solche Absichten der "Hochmögenden Herren", die, was sie hatten, so leicht nicht mehr hergaben, ernstlich einzuschreiten, - derselbe, der, ganz wie Franz II. von Lauenburg, sich dann für seine eigene Kolonialpolitik auch auf holländische Fachleute (und Schiffe usw.) angewiesen sah.

So sieht es fast aus wie eine Wiederaufnahme Menninckcher Pläne, wenn der Brandenburger zwar nicht die Auffindung neuer Polardurchfahrten, aber doch die Anlage tropischer Faktoreien ins Ange faßte. Und in diesem Zusammenhange würde sich das Projekt Menninck-Franz II., mit seinem Ausgangpunkte mitten zwischen Holland und Dänemark und Brandenburg-Pommern, uns Heutigen, seit wir durch Heeres wieder davon erfahren haben, etwa als ein Verbindungsstück, ein wieder anfgefundener missing link einer ganzen Kette gleichartiger Strebungen darstellen.

Die einzelnen Stipulationen des Vertrages von 1592 hier noch aufzuzählen, wie beide Kontrahenten darin für sich, die "Erbhadeler" resp. die Menninckschen Erben, ihre Belange gewahrt haben, wie viel vom Hundert der zu erwartenden Einnahmen als Eingangszoll in die herzogliche Kasse zu fließen hatte usw., dürfte sich erübrigen, da ja das ganze Projekt im Sande verlaufen ist.

Was aber für Lauenburg von wirklichem Interesse wäre, ist die Frage, ob nicht aus dem Kieler Staatsarchiv sich die eine der zwei Original-Ausfertigungen für unser Landesarchiv zurückerlangen lasse. - Vielleicht fällt diese Anregung zuständigen Ortes auf günstigen Boden.

 


 

 

 

 

 

 

 



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