Jüngst hat ein holländischer Gelehrter, J. E.
Heeres, aus dem Kieler Staatsarchive eine Urkunde veröffentlicht,
die nicht nur für die Anfänge niederländischer Welthandels- und
Kolonialpolitik von Betracht ist, sondern auch auf eine
eigenartige, uns Heutigen ganz erstaunliche Begebenheit der
lauenburgischen Geschichte ein ebenso helles wie schnell wieder
verlöschendes Streiflicht wirft. Diese Begebenheit, vielmehr zu
einer solchen nur der Anlauf, denn sie ist ohne Folgen geblieben,
war der Versuch des Herzogs Franz II. (1588
bis 1619), jenes rastlosrührigen Fürsten, den uns
neuerdings unser Landesarchivar Dr. H. F. Gerhard wieder
nahegebracht hat, mit einem holländischen Seefahrer und Abenteurer
sich zusammenzutun zur Anknüpfung direkter Handelsverbindungen
zwischen dem Herzogtum Lauenburg einerseits und der ganzen
geheimnis- und schätzereichen Welt des fernsten Ostens und Südens
(China, Japan, Molukken, Indien) andrerseits. Ein geradezu
weltumspannendes Unternehmen, das wir zu allerletzt dem Dynasten
solch mittel- und machtlosen Zwergländchens zutrauen würden
angesichts der Tatsache, daß die Entdecker dieser fernen Welt, die
meerbeherrschenden Portugiesen und Spanier, den Weg dahin jedem
Mitbewerber unerbittlich verschlossen hielten, so daß ihre
Aufschließung auch für andre nur "DURCH EINE NEWE, ZUVOR UNERHÖRTE
UND BISZDAHER UNERFUNDENE STRASZE, benantlich durch das Mare
glaciale (Eismeer), zu verwirklichen war!
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Gedachter Entschluß Franz II. und
der Vertrag mit Adrian Menninck ist nun nicht etwa bis heute unbekannt
gewesen; Kobbe, Gesch. Lauenburgs (1836), tut seiner Erwähnung
als des unausgeführten Planes, "eine Expedition von Hadeln aus nach dem Oriente
auszurüsten, in Betreff dessen Unterhandlungen mit dem Schiffskapitän Menninck
gepflogen wurden." Und Gerß (Zeitschr. des Hist. Ver.'s f. Niedersachsen,
1879) hat den Vertrag teilweise veröffentlicht, mit dem Beifügen. "Die
erste Fahrt, die nur mit drei Schiffen zur Exploration des Seeweges unternommen
wurde, scheint keinen Erfolg gehabt zu haben: wenigstens enthält das
lauenburgische Archiv über den Forttgang des Unternehmens keine weiteren
Nachrichten."
Indes ist diese Veröffentlichung durch Gerß seither, nach Herres' Ausdruck, "so
gut wie ganz in't vergeetboek geraten"; dem niederländischen Gelehrten gebührt
also ungeschmälert das Verdienst der Wiederauffrischung jener verschollenen
Dinge. Und was "die erste Fahrt mit nur drei Schiffen" betrifft, so hat sie
schwerlich je stattgefunden. Hätte Gerß darüber sonst irgendwoher Nachricht
gehabt, so würde er damit nicht hinterm Berge gehalten haben. Er mag aus dem
Wortlaute des Vertrags gleich auch eine Fahrt erschlossen haben, aus der bloßen
Absicht also die Verwirklichung.
Weiter unten werden die Umstände des näheren erörtert, und wird gezeigt werden,
weshalb jene Pläne überhaupt unausführbar waren.
Datiert ist der Vertrag vom 25. Mai (Montag nach Trinitatis)
1592, aus dem herzoglichen Jagdschlosse bei Schwarzenbek - wie Heeres
meint, "einem Dorfe in Schleswig (Lauenburg);" und bei Heeres finden wir dann
auch eine dankenswerte Zusammenstellung all dessen, was man in den Niederlanden
von Adr. Menninck weiß: Es ist ein Mann, der in den Geschicken seiner Heimat von
1566 an eine Rolle gespielt hat. Seines Zeichens ein Weber oder
Maler ("Schilder") zu Delft, nahm er als Vorkämpfer des reform. Glaubens teil am
Bildersturm zu Delft, 's Gravenhage und Utrecht; 1567 aus Delft
verbannt und mit Vermögenseinziehung bestraft, kauft er 1576 sich
wieder in Seeland an. Sein Name wird genannt unter den Aufständischen gegen das
spanische Regiment und unter den „Watergeuzen"; 1569 erteilt ihm
der Prinz von Oranien einen Kaperbrief, 1570 kreuzt er als
Vizeadmiral auf der Ems und in den ostfriesischen Gewässern, und Emden und
Norden sehen ihn in ihren Mauern; 1572 hört man von ihm vor La
Rochelle, dann als Vizeadmiral von Seeland, auch als Kämpfer zu Lande bei
Steenwijk; 1580 dient er unter Wigbold van Ewsum, 1581
unter van Merode und als Leutnant-Statthalter Oraniens in Friesland; 1588
übernimmt er eine Sendung an die seeländischen Stände. Damit aber verliert man
in den Niederlanden ihn aus den Augen. Heeres kennzeichnet ihn als einen
"raschen Kerl", in dessen Charakter sich die abenteuerliche Seite besonders
stark herausgebildet haben müsse, ebenso aber auch überhaupt seine Tatkraft,
sein Wagemut. Nachdem er in seiner Heimat sich irgendwie unmöglich gemacht, wird
er sich subsistenzlos durch die Fremde geschlagen haben, und als er 1592,
in Gesellschaft eines Hendrik de
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Hames, wahrscheinlich eines Südniederländers, und
eines Erik Lange, eines tiefverschuldeten und aus seinem Vaterlande vertriebenen
Dänen, nach Lauenburg kam, um Franz II. für seine
weitausschauenden Pläne zu gewinnen, hatte er mit ähnlichen Projekten schon
einen Fehlschlag in Dänemark hinter sich, denn er war zwar mit Christian
IV. (1588 bis 1648), König von Dänemark und
Norwegen, Herzog von Schleswig-Holstein, zu dem Entwurf einer Übereinkunft
gekommen, doch da der König noch minderjährig war, verblieb es beim bloßen
Entwurfe.
Heeres hebt hervor, daß Christian IV., der nachherige dänische
Kolonialkönig, als solcher zwei Ziele gehabt habe: die Neuansegelung des schon
einmal entdeckten, inzwischen wieder verschollenen Grönland, sowie die
Anknüpfung von Handelsbeziehungen in Asien, insonderheit zum malayischen
Archipel. Kein Wunder, daß in seinem dänischen Vertragsentwurfe auch Menninck
auf diese zwei Zielpunkte lossteuert. Ob es jedoch einem so geriebenen, mit
allen Wassern gewaschenen Manne je ernstlich um so schwer zu verwirklichende
Projekte zu tun war und nicht etwa bloß um eine Hochstaplerei im großen, um die
Ergaunerung einer möglichst bedeutenden Geldsumme, wer will das wissen? Die Welt
war damals voll von vagabundierenden Lügengenies, Astrologen, Goldmachern,
Kolonial- und andern Schwindlern, von denen manche sogar sich einer göttlichen
Sendung mystisch gewiß waren, und auch voll von großen und kleinen Herren, die
auf jene leichtgläubig hereinfielen!
Dem sei, wie ihm wolle. Vielleicht war Adrian Menninck doch guten Glaubens an
seine Sache, an sich, seine seemännischen Fähigkeiten und Erfahrungen, an seinen
Stern und seine Sendung. Und zu einer Zeit, wo in seiner niederländischen Heimat
höchstens erst die Regierenden (etwa von 1581 ab) ähnliche Pläne
zu wälzen sich unterfingen, war es für einen Privatmann jedenfalls eine
beachtenswerte Leistung, daß er mit seiner Propaganda sich an verschiedenen
Punkten des Auslands immerhin hat Gehör erwirken können, er "zusampt seiner
Companey" und von den Dreien war er die Hauptperson, er siegelte und
unterfertigte allein den Vertrag mit Franz II., und die von der
Companey werden mit Namen nicht genannt.
Charakteristisch ist, daß er mit dem Herzoge des kleinen Lauenburg erst
anknüpfte, als am dänischen Königshofe, wegen der Minderjährigkeit Christians
IV., seine Entwürfe sich als unausführbar erwiesen hatten. Er kann es
sich auch nicht verhehlt haben, daß er, selbst im Falle nachhaltiger
Willfähigkeit des Herzogs, vom Pferde auf den Esel gekommen war. In Dänemark,
Norwegen und Schleswig-Holstein gab es wenigstens eine zahlreiche und erprobte
seemännische Bevölkerung, von Hamburg und Lübeck nicht erst zu reden, und zumal
in Norwegen nicht bloß Material und Zimmerleute genug zum Schiffsbau, sondern
auch Fischer, Schiffer und Händler, die mit den besonderen Verhältnissen der
Nordmeere vertraut waren. Wahrscheinlich hatte auch Menninck, falls er nicht
bloßer Hochstapler war, sich unter diesen bereits nach allerlei Nachrichten
umgetan, wie sie damals selbst in den Niederlanden noch kaum aufzutreiben
gewesen wären.
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Von alledem war im eigentlichen Lauenburg, dem
Binnenländchen, nicht die Rede. Eher in Lübeck; aber dort hätte man sich
gehütet, mit dem, was man konnte und wußte, sich solch dunklem Ehrenmanne in die
Arme zu werfen, der noch dazu dem Lande angehörte, das mit den Hansen in so starkem
Wettbewerbe stand.
Doch auch in dem westlichen Anhängsel des Herzogtums, dem jenseit der Elbe
gelegenen Lande Hadeln, stand es seit den Tagen des Störtebekers mit den
Voraussetzungen für überseeische Unternehmungen nicht besser. Wohl macht es dem
anschlägigen Kopfe des "Herrn Adrian Menningh von Utrecht" alle Ehre, wenn er
bei der Umschau nach einem Ausgangspunkte für seine ostasiatischen Projekte
herausspintisiert: "welcher Gestalt aus Germania, von dem Elbstromb an,
obspecifizierle Lande ... können und mügen aufgesiegelt (=segelt) und gefunden
werden, und gedachter Herr Capitein Adrian Menning, dem durchleuchtigen
hochgebohrnen Fürsten und Herrn, Herrn Franze Herzoge zu Sachsen, Engern und
Westphalenp [sic!] sich präsentieret und
anerbotten, da S.(eine) f.(ürstlichen) g.(naden) in ihrem Erblande Habeln den
Waßerflus, die Medem genandt, so durchs Landt Hadelen an der Stadt Otterndorf
hero in die Elbe fleuß, zu einer Port oder Hafen auf gewiße Conditiones einthun,
überlaßen und leidlich Priuilegia darauf geben wolte, das ehr Adrian Menning
zusampt seiner Companey
ihre freije Segellation oder Schiffart von undt in sölche Haefen haben undt die
Wahren, so sie brächten, aldar ablegen oder ausschiffen undt ferner verhandeln
und ihres gefallens damit hantieren möchten." -
Aber Hafen, Werften, Speicher waren
an der Medem erst noch zu schaffen, dazu die nötigen Schiffe mit Ausrüstung,
Ladung und Bemannung. Mit andern Worten: Das Land Hadeln spielte dabei dieselbe
passive Rolle, wie in der Finanzfrage Seine Fürstliche Gnaden; und wenn der
Vertrag erwähnt, daß "dan gedachter Capitain und seine Gesellschaft im Anfange
dieser von newem fürgenhommenen Schiffart nicht allein viel Unkosten anfwenden,
sondern sich auch zu den Gutheren (Gütern) in große Leibs undt Lebensgefahr
stecken und wagen müßen", so wird es zunächst doch wohl an dieser Passivität von
Land und Landesherrn gelegen haben, daß das ganze Projekt eben Projekt geblieben
ist. Denn schwerlich waren der „Landstörzer" Menninck und seine Bettelkompaney
von vornherein im Besitz solcher Summen, um davon ihre Expedition ausrüsten zu
können. Vielleicht hatten die Abenteurer gehofft, daß sich anderswo, am Ende am
ehesten in den Niederlanden, auf den mit einem leibhaftigen Fürsten des Heiligen
Römischen Reichs geschlossenen Vertrag hin die nötigen Fonds würden auftreiben
lassen? Und als das nicht gelang, daß sie dann leichtherzig von dieser ganz
problematischen Polarfahrt Abstand nahmen und sich andern Dingen zuwandten, um
ihren betrübten Umständen aufzuhelfen?
Denn um eine Polarfahrt hat es sich hier gehandelt: um die Auffindung sei es der
Nordwest-, sei es der Nordostpassage nach Indien. Um welche von beiden (oder gar
um die Fahrt direkt über den Pol), wird leider nicht gefagt. Nur obenhin wird von
der Fahrt "durch vorbenanten Paß oder Straße", „durch eine newe
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zuvor unerhörte und bißdaher unerfundene Straße
benantlich durch das ["]Mare glaciale"
gesprochen. Das konnte die Ost- wie die Westpassage bedeuten, und es heißt die
Bahn der Vermutungen weiterschreiten, wenn man etwa wahrscheinlich finden will,
daß der Vertragsentwurf mit Christian IV. im Anschluß an die
Wiederaufsegelung von „Grön- und Grogklandt" doch wohl die Auffindung der
Nordwestpassage, um Nordamerika herum, im Auge gehabt habe, der Vertrag aber mit
Franz II. die der Nordostpassage, um Nordasien herum. Daß also
Kapitän Menninck mehr als einen Pfeil im Köcher gehabt und, je nachdem, bald den
einen, bald den andern herausgeholt habe.
Im dänischen Vertragsentwurfe gibt Menninck an, daß aus den großen Städten
"Quinzaji, Cambalij, Mangij und Smijun", wie auch aus den „Eijlanden Jappen",
"alle köstliche Gestein, Goldt, Perlen, Seijdenwerek auch allerhandt Specerijen,
Gewurtz und Kauffmannswahren in Teutschlandt gebracht werden können, JNNERHALBE
DREIJ MONATE ZEIT." Wozu Heeres anmerkt, daß diese Schätzung der Fahrtdauer zu
der in van Linschotens Itinerario gemachten stimme. Leider gibt aber der Text
keinen Anhaltspunkt dafür, ob sie für die Route ums Kap der Guten Hoffnung
gelten solle, oder, was wahrscheinlicher sein mag, für die Nordwest- resp.
Nordostpassage; im einen wie in den andern Fällen ist sie, zumal für die
damaligen Schiffahrtsverhältnisse, natürlich viel zu niedrig gegriffen und kann
nicht auf wirklicher Sachkunde beruhen.
Doch was branchte es da solcher weltlichen Sachkunde? Nicht unmöglich, daß
Menninck, wie schon oben angedeutet, eine viel sicherere Quelle zu besitzen
meinte, als etwa die Berichte portugiesischer oder aber norwegisch-russischer
Seefahrer aus zweiter, dritter Hand. Es ist bekannt, daß z. B. Columbus sich
weit mehr auf Stellen der Heiligen Schrist, auf den Propheten Jesaias gestützt
hat als auf profane Wissenschaft, wovon er ja auch, selbst für seine Zeit,
blutwenig besaß; er fühlte sich durchaus als Werkzeug Gottes, bestimmt, neue
Welten zu entdecken und der alleinseligmachenden Kirche zuzuführen. und auch bei
einer ganzen Reihe von Entdeckern und Conquistadoren nach ihm läßt sich dieselbe
fanatische Gewißheit nachweisen. Da ist es nicht verwunderlich, daß Adrian
Menninck in seinem Vertrage mit Franz II. von sich sagt, daß er
„von dem Almechtigen Gotte die Erfahrung hat", und, einige Zeilen weiter, daß
„nachbeschriebener Contrakt undt Conditiones" ,Gotte dem Allmechtigen zu Ehren
und zu Nutz" sein sollen, ja, er getröstet oder berühmt sich "ebenmeßiger
Götlicher gnediger Verleihung", und es ist wohl kein Grund, hiebei seiner
Aufrichtigkeit und Glaubensinbrunst zu zweifeln, religiöse Schwärmerei ist von
jeher mit der Gier und der Fähigkeit, in der Welt es zu was zu bringen, Hand in
Hand gegangen, bei den Katholischen der Gegenreformation, den Jesuiten, und
nicht minder bei den kalvinistischen Eiferern und Bilderstürmern, man denke an
Cromwell, die Puritaner, Covenanters, Pilgrimväter.
Und selbstverständlich, wer so über göttliche Sendung und göttliche Inspiration
verfügte, als hätte er Brief und Siegel dafür, durfte auch in Seelenruhe und
Zuversicht auf die Entdeckung von Nordwest-
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oder Nordostpassage aussegeln - ihm würden weder
Polarnacht noch Eispressung, weder Kälte noch Skorbut noch wilde Tiere
unüberwindliche Hemmnisse bedeuten!
Was die Nordwestpassage anging, so hatte in jenen Zeiten hauptsächlich Seb.
Cabotto ihrer Entdeckung seine Kräfte geweiht, meist in englischen Diensten;
aber jedesmal wenn er, oder einer seiner Nachfolger, sein Ziel erreicht zu haben
oder ihm nahe gekommen zu sein glaubte, erwies sich das als ein Irrtum; erst
1850 hat Mac Clure die Existenz einer Wasserstraße um Nordamerika
herum und durch die Beringstraße nachgewiesen, allein bis heute hat das Polareis
deren wirkliche Besegelung unmöglich gemacht. So wendete denn schon Cabotto,
ebenfalls vergeblich, in der letzten Hälfte seines Lebens sich der nordöstlichen
Durchfahrt zu.
Nun ist es Tatsache, daß um die Mitte und bis gegen Ende des 16.
Jahrhunderts die Küstenumrisse Afrikas und Südamerikas besser gekannt und
dargestellt waren als die von Nordeuropa. Die Italiener trieben nach
Skandinavien keinen Handel, wohl aber die Hansen, und die verfaßten statt
Seekarten nur Segelanweisungen. Deshalb hatten die Weltkarten dieser Jahre noch
das Bild einer Landverbindung zwischen dem nördlichsten Europa und
Grönland-Nordamerika fest, zu einer Zeit, wo doch die Norweger des Seeweges nach
dem Weißen Meere (Halbinsel Kola; MURMANküste gleich NORMANNENküste!) längst
kundig waren, und die Russen auf ihren leichten, flinken Fahrzeugen, den Lotjen,
in günstigen Eisjahren bis an die Obmündung zu gelangen wußten. Sig. von
Herberstein (1507 und 1526 kaiserlicher Gesandter in
Moskau) hatte von dort aus erkundet, daß der Ob aus dem Kitaisk-See abflösse;
wegen des Anklanges Kitaisk = Kitai (oder Cathay) ward dann darauf geschlossen,
daß, wäre man zu Schiffe erst bis in den Ob gelangt, der Rest der Nordostpassage
keine großen Schwierigkeiten mehr machen würde, und man Herr wäre aller Schätze
Japans, Chinas, der indischen Inselwelt, vor allem jener ganz aus Gold und
Silber bestehenden Inseln, die irgendwo in der Nähe des "goldenen" Chersones
(Malaka) liegen sollten, und deren Phantom vom Altertume an durch das
Mittelalter gespukt und erst recht im Zeitalter der Entdeckungen die Gemüter
erhitzt hat!
Besonders England, später auch Holland. mühte sich um die nordöstliche
Durchfahrt und gelangte bis nach Nowaja Semlja und ins Karische Meer. So gingen
zwei englische Schiffe 1580 auf die Suche nach Ob und Catha; die
Niederländer aber 1584; und Ende 1593 legte Balth de
Moucheron Moritz von Oranien seinen Plan vor: "in wat manieren en bij wat
mittelen de noordsche Zee omtrent Waygats tot China toe bevaarbar zijn zou."
Weder die Engländer jedoch noch die Holländer haben des Eises wegen China auf
diesem Wege zu erreichen vermocht; erst 1878/9 hat Nordenskiöld
auf der Vega Asien im Norden umschifft.
Es ist aber fast gewiß, daß Adr. Menninck von den Plänen und Expeditionen seiner
Landsleute wie der Engländer gewußt hat. Er mag die Absicht gehabt haben, ihnen
von der Medem aus, im eigenen Interesse, zuvorzukommen, und es spricht für
seinen Bahn-
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brecher-Optimismus, ebenso sehr auch für sein
ahnendes Vorwegnehmen ferner Welthandelsmöglichkeiten, daß er, als einer der
ersten, die Zukunftsbedeutung der Niederelbe vorausgesehen zu haben scheint.
Daß es überhaupt nicht zu einer Probe-, einer Erkundungsfahrt ums Nordkap herum
gekommen ist, mag an den finanziellen Schwierigkeiten, wie oben bemerkt, oder an
irgend einer Mißhelligkeit zwischen Menninck und Franz II. gelegen
haben. Auf letzteres kann der Umstand gedeutet werden, daß die beiden
Ausfertigungen des Vertrages im Besitz der herzoglichen Kanzlei verblieben sind.
Es müßte also, nachdem der Herzog Unterschrift und Siegel beigefügt hatte, die
Ausfolgung des Exemplares an Menninck eben wegen des gerade damals erfolgten
Zerwürfnisses unterblieben sein, und fortan entschwindet der kühne
niederländische "ruwe Kerel" unsern Blicken. Was nicht besagen soll, daß nicht
hier oder dort seine Anregungen doch mittelbare Folgen gehabt haben könnten.
1616 gründete der Dänenkönig an der Niederelbe, der Medem-Mündung
gegenüber, die Hafenstadt mit dem bezeichnenden Namen "Glückstadt", durch die er
Hamburg "die Krone zu entreißen" und Handels- und Kolonialpolitik im großen,
sowie auch Walfang im Polarmeere zu treiben gedachte; auch gibt es zu denken,
daß Ende der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Niederlande
auf eben diese Stadt und Zollstätte ihr Augenmerk richteten und sich in ihr
festzusetzen vorhatten. Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst, sah sich
bemüßigt, gegen solche Absichten der "Hochmögenden Herren", die, was sie hatten,
so leicht nicht mehr hergaben, ernstlich einzuschreiten, - derselbe, der, ganz
wie Franz II. von Lauenburg, sich dann für seine eigene
Kolonialpolitik auch auf holländische Fachleute (und Schiffe usw.) angewiesen
sah.
So sieht es fast aus wie eine Wiederaufnahme Menninckcher Pläne, wenn der
Brandenburger zwar nicht die Auffindung neuer Polardurchfahrten, aber doch die
Anlage tropischer Faktoreien ins Ange faßte. Und in diesem Zusammenhange würde
sich das Projekt Menninck-Franz II., mit seinem Ausgangpunkte
mitten zwischen Holland und Dänemark und Brandenburg-Pommern, uns Heutigen, seit
wir durch Heeres wieder davon erfahren haben, etwa als ein Verbindungsstück, ein
wieder anfgefundener missing link einer ganzen Kette gleichartiger
Strebungen darstellen.
Die einzelnen Stipulationen des Vertrages von 1592 hier noch
aufzuzählen, wie beide Kontrahenten darin für sich, die "Erbhadeler" resp. die
Menninckschen Erben, ihre Belange gewahrt haben, wie viel vom Hundert der zu
erwartenden Einnahmen als Eingangszoll in die herzogliche Kasse zu fließen hatte
usw., dürfte sich erübrigen, da ja das ganze Projekt im Sande verlaufen ist.
Was aber für Lauenburg von wirklichem Interesse wäre, ist die Frage, ob nicht
aus dem Kieler Staatsarchiv sich die eine der zwei Original-Ausfertigungen für
unser Landesarchiv zurückerlangen lasse. - Vielleicht fällt diese Anregung
zuständigen Ortes auf günstigen Boden.
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