Christian Wilhelm, Markgraf von Brandenburg und
Administrator des Erzstifts Magdeburg, wurde von den Zeitgenossen
"Bischof von Halle" genannt, weil er seine Residenz auf der
Moritzburg in Halle hatte. Als 1625 Wallenstein mit
seinem für damalige Begriffe ungeheuren Heer von 50-60 000
Mann sich elbabwärts zog, warb der Bischof eine kleine Truppe, um
mit ihr und dem Landesaufgebot sein Gebiet zu schützen. Wallenstein
jedoch drängte ihn mit leichter Mühe in den nördlichsten Zipfel des
Erzstifts bei Burg und Sandau an der Elbe zurück. Dort hielt sich
der Bischof hinter Feldbefestigungen bis zum Frühjahr 1626.
Da trat er unter Mansfelds Befehl, wurde in dessen Niederlage an der
Dessauer Brücke verwickelt und ging, während Mansfeld nach Schlesien
zog, in nördlicher Richtung zurück. So gelangte er Ende April in das
lauenburgische Amt Neuhaus. Damals war es Witwensitz der Herzogin
Marie, Gemahlin Franz II. Sie starb am 13. August
dieses Jahres, gerade als, wie wir sehen werden, Kämpfe um das
Gebiet tobten. Das Schloß Wehningen, denen v. Bülow gehörig, mußte
eine Abteilung Musketiere aufnehmen. Auch in Bleckede auf dem linken
Ufer wurde eine Besatzung gelassen. Mit dem Rest zog er weiter, um
bei Hamburg die ihm von Holland versprochenen Gelder und Waffen zu
erwarten.
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Inzwischen legte er sich in das Land Hadeln und
wollte wohl dem darob wenig erfreuten Herzog August einen Gefallen tun, indem er
das Schloß Ritzebüttel, einst zu Lauenburg gehörig und von den Hamburgern
erobert, letzteren am 8. Mai wegnahm. Die Hansestadt rüstete zur
Vergeltung, doch gelang es dem dänischen Gesandten, den Bischof zur gutwilligen
Räumung zu bewegen. Nach der Niederlage bei Lutter am Barenberge kam auch die
Hauptmasse der dänischen Truppen ins Land Hadeln. Der König ernannte Christian
Wilhelm zum Direktor seines Kriegsrates.
Im August nahmen die durch die Altmark langsam vorfühlenden Wallensteiner unter
Oberst Cerboni - Wallenstein war selbst nach Schlesien gegangen - die Besatzung
der "Hallischen" in Bleckede gefangen. Ein gleicher Versuch mit Wehningen
mißglückte freilich dank tapferer Gegenwehr, doch wurde die Besatzung bald
darauf zurückgenommen und das ganze Amt geräumt.
Die Manneszucht im bischöflichen Korps war, selbst am damaligen Stande gemessen,
schlecht. Der Führer hatte außer persönlicher Tapferkeit wenig mlitärische
Fähigkeiten. Dazu kam, daß nur selten der Sold gezahlt werden konnte. König
Christian war zwar wegen der hohen Abgaben, die er von allen den Sund
durchfahrenden Schiffen erhob, einer der geldmächtigsten Fürsten seiner Zeit,
aber für seine vielen hochfliegenden Pläne langte es denn doch nicht,
umsoweniger als die Dänen diesen Krieg als ihres Königs Privatvergnügen ansahen
und nichts dafür bewilligen wollten. Ebenso blieben seine Verbündeten ihre
versprochenen Hilfsgelder schuldig. So wurde trotz der sehr strengen dänischen
Kriegsartikel lustig geplündert und dabei wenig Unterschied zwischen eigenem,
feindlichem oder neutralem Gebiet gemacht. Lauenburg, ob seiner Wehrlosigkeit
ohne Ansehen bei Freund und Feind, war zudem noch das Durchzugsland für alles,
was von Norden kommend zur Front strebte, da Hamburg sich beiden Parteien
verschloß.
Kriegsbrücken bei Lauenburg und Boizenburg waren durch Schanzen auf dem linken
Ufer gesichert.
Als die damals noch übliche Winterpause eintrat - erst Gustav Adolf führte auch
in der rauhen Jahreszeit den Krieg fort - gingen die Bischöflichen in Quartiere
um Pinneberg. Beide Parteien rüsteten zum Frühjahr nach Kräften. Christian
Wilhelm ließ durch den Obersten Ludwig von Calenberg, einen Hessen, seine
Reiterei in ein Regiment Arkebusierreiter zusammenfassen. Von den Kürassieren
unterschied sich diese Gattung durch leichtere Panzerung, aber schwerere
Bewaffnung. Sie hatten keine Beinschienen, statt des Visierhelms einen Eisenhut
und statt Pistolen zwei Büchsen. "Arkebuse" war eine Verwelschung der deutschen
"Hakenbüchse", wobei wohl die Verdeutschung "Armbrust" von "ARCOBALLISTA" Pate
gestanden hatte. Gefeuert wurde vom Pferde aus, und zwar bei der Attacke aus
nächster Entfernung. Dazu hatte der Reiter in einer Tülle am Genickriemen des
Pferdes einen Holzstab, um den die brennende Lunte gewickelt war. Nach dem Schuß
waren 99 Handgriffe zum Wiederladen nötig. Wenn also beide Büchsen
abgefeuert waren, griff der Arkebusier ent-
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weder zum Schwert oder ritt eine Strecke zurück,
um neu zu laden. Der Troß eines solchen Regiments war schon damals sehr
beträchtlich, obwohl das Mitnehmen der mehr oder weniger oder weniger
standesamtlichen Frauen und Kinder erst später aufkam. 83
Rüstwagen beförderten auf dem Marsch Arkebusen und Gepäck, dazu kamen noch die
Wagen der Offiziere und eine wechselnde Zahl von Fahrzeugen mit Plündergut.
Eingeteilt war das Regiment in 5 Cornets oder Kompagnien; ersterer
Name kam vom Feldzeichen, wie denn die Infanteriekompagnie "Fähnlein" hieß.
Als im April 1627 bei Krempe die Musterung der fertigen Truppe
stattfand, war der Bischof schon zur Übernahme des Oberbefehls auf dem
schlesischen Kriegsschauplatz abgereist, doch behielt das Regiment seinen Namen
eine Zeitlang bei. Von Offizieren sind bekannt: der Oberstleutnant v. Bortfeld
und der Rittmeister Moritz, die beide im Herbst in Jütland von den Bauern
getötet wurden, sowie der Rittmeister Gebhard von Rundstedt, ein Altmärker, der
schon 1600 seinen ersten Feldzug in den Niederlanden mitgemacht
und später auch unter dem Lauenburger Prinzen Ernst Ludwig in Schweden gefochten
hatte.
In breiter Front, um Quartier und Weide besser auszunutzen, marschierte das
Regiment ins Lauenburgische zurück und trat unter Befehl des Grafen Thurn, jenes
Böhmen, der 1618 durch den Prager Fenstersturz das Signal zum
Kriege gegeben hatte.
Monatelang konnten die Reiter noch über die Elbbrücken ins Lüneburgische
streifen und dort brennen und plündern. Tilly wartete ab, bis Wallenstein aus
Schlesien zurück war. Dann, im Juli, ging er gegen die Elbe vor. Der Däne verlor
vor der drohenden Umklammerung der übermächtigen Feinde die Nerven und rief
Thurn gerade da zu sich nach Wandsbek, als er an der Elbe am nötigsten war. Er
wartete auch garnicht seine Ankunft ab, sondern reiste eilig zur See nach
Dithmarschen, um von da Rendsburg zu erreichen. Als nun Thurn von dem
vergeblichen Ritt nach Wandsbek wieder in Lauenburg eintraf, war das Unglück
schon geschehen. Seinem Vertreter, dem französischen Oberst Durant, hatten die
andern Kommandeure nicht gehorcht und so war Tillys Vorhut ohne wesentlichen
Widerstand südlichen Boizenburg über den Fluß gesetzt.
Zwar warf Thurn nun das Regiment Calenberg mit 800 Musketieren an
die Übergangsstelle, um den Feind zurückzutreiben, doch bissen die Arkebusierer
nicht an, zum Teil, weil auch schon der gemeine Mann von der Mutlosigkeit
angesteckt war, zum Teil wegen der sumpfigen Uferlandschaft, in der Reiter kaum
fechten konnten. Jedenfalls mußte am 9. August die Stadt
Boizenburg geräumt und die dortige Kriegsbrücke abgefahren werden, nachdem Tilly
am 7. seine Brücke fertig gestellt und Teile seiner Hauptmacht auf
das rechte Ufer gebracht hatte. Selbst hinter dem Abschnitt der Delvenau ließ
sich die Truppe nicht zum Stehen bringen. Kampflos mußte Lauenburg geräumt
werden, und am 10. traf Tilly dort ein. Derweilen flutete der
Rückzug der Dänischen durch die schon so schwer heimgesuchten Ämter Lauenburg
und Schwarzenbek. Kein Wunder, daß Ortschaften wie Besenhorst, Kröppelshagen,
Escheburg und Börnsen von den Ein-
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wohnern fast gänzlich verlassen wurden. Letztere
flohen ins Hamburgische, denn das Gebiet dieser Stadt, die beide Parteien noch
auf ihre Seite zu ziehen hofften, wurde von beiden deshalb geschont.
Im November vollendete sich hoch in Jütland, am Liimfjord, das Geschick des
Regiments Calenberg. Von Wallensteins Reitern eingeholt, nahmen die Mannschaften
ihre Offiziere gefangen und lieferten sie dem Feind aus. Der jagte zum Dank die
Meuterer in Hemd und Unterhose in die herbstliche Natur hinaus. Einige Tage
später teilten 5 Cornets vom Regiment des Herzogs Franz Karl von
Lauenburg mit dem Rest der dänischen Reiter ihr Los.
In Lauenburg hatten sich indessen Tilly und Wallenstein getroffen. Letzterer
drängte den kranken Tilly bei Seite und belegte mit seinen Truppen Jütland,
Schleswig-Holstein, Lauenburg und Mecklenburg. Der Lübecker Friede vom Juli
1629 bewirkte nur die Räumung der dänischen Gebiete, in den anderen
blieb der Friedländer bis zu seinem ersten Sturz im Jahre 1630.
Vielleicht hat dieser oder jener beim Lesen des Auszugs aus dem Mustiner
Kirchenbuch im Heft 2 des Jahrgangs 1926 dieser Zeitschrift sich
gefragt, was für ein "Bischof von Hall" das gewesen sein möchte, der mit
"Kriegsvolk zu Roß und zu Fuß gegen die Römische Kayserliche Majestät gekämpft".
Soweit die spärlichen Nachrichten aus jener Zeit es ermöglichen, habe ich
versucht, eine Antwort darauf zu geben.
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