Die Baugewerkschaft zu Ratzeburg hat, wie
auch an anderer Stelle unserer Zeitschrift berichtet wird, dem
Lauenburgischen Heimatmuseum eine wertvolle Leihgabe überwiesen.
Sie hat sich entschlossen, die beiden alten Laden des
Maureramtes, den Schafferstock und das alte bändergeschmückte
Innungszeichen in dem Museum
aufzustellen, damit alle Mitglieder der Gewerkschaft und alle,
die Interesse für das Zunftwesen vergangener Jahrhunderte haben,
die alten ehrwürdigen Gegenstände betrachten und sich von ihnen
erzählen lassen können.
Und die alten Stücke wissen etwas zu erzählen. Vor der
geöffneten Lade, welche die Jahreszahl 1707
schmückt, hat einst das Maureramt die Lehrlinge zu Gesellenn und
die Gesellen zu Meistern gemacht. Vor ihr wurden fremde
Zuwanderer feierlich in das Amt aufgenommen. Aus dem in ihr
verwahrten Schatze wurden Kranke und Bedürftige unterstützt. Und
in ihr wurden die Urkunden verwahrt, in denen die Rechte und
Pflichten des Amtes verzeichnet sind, ebenso wie die Bücher, die
von den feierlichen Morgensprachen und den dort gefaßten
Beschlüssen berichten.
Das älteste Dokument, das die Hauptlade enthält, ist das
"EINNAHM- UND AUSZGABE-BUCH". Die ersten Eintragungen darin
stammen aus dem April des Jahres 1708. Es ist also
bald nach Gründung des Amtes angeschafft worden, die nach der
Jahreszahl auf der Lade und nach einer im Stadt-Archiv zu
Ratzeburg befindlichen Aufzeichnung gegen Ende des Jahres
1707 erfolgt sein muß. Die Meister und Gesellen des
Maurergewerbes hatten allerdings wohl schon vorher eine Art
Vereinigung. Denn sie wehrten sich in den letzten Jahrzehnten
des 17. Jahrhunderts gemeinsam gegen die
angeblichen Übergriffe der auf der Freiheit und auf dem Dom
(also außerhalb des eigentlichen Stadtbezirks) wohnenden Maurer,
die nach ihrer Meinung kein Recht darauf hatten, in der Stadt
Arbeit anzunehmen. Aber erst im Jahre 1707, als
die schlimmsten Folgen des großen Brandes von 1693
überwunden waren,
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dachte man an die Errichtung eines Amtes, dessen festumrissene
Bestimmungen man bei den soeben erwähnten Streitigkeiten oft
schmerzlich vermißt hatte. Die
Maurer ließen damals - vermutlich durch einen Notarius - die
Satzungen eines Gildebriefes aufsetzen und reichten diesen bei
der Regierung in Ratzeburg ein. Diese aber legte ihn vor der
Genehmigung dem Bürgermeister und Rat der Stadt Ratzeburg zur
Stellungnahme vor, und diese ehrwürdigen Herren machten eine
Reihe sehr beachtenswerter Abänderungsvorschläge. Sie forderten
mildere Bestimmungen über die Aufnahme zuwandernder Meister. Sie
verlangten, daß Streitigkeiten unter den Mitgliedern des Amtes
nicht nur
[Abbildung ohne Titel: Die zur Verfügung
gestellten Exponate]
Phot. A. Hannig, Ratzeburg.
vor ihrer Lade, sondern auch vor dem Stadtgerichte ausgetragen
werden könnten; daß die Innungsgerechtigkeit auf das ganze
Herzogtum auszudehnen sei und daß dem neuen Maureramte Beisitzer
aus dem Rate zugeordnet würden, "damit alles desto ordentlicher
und stiller bei ihren Zusammenkünften zugehe".
Wir wissen nicht, ob die Regierung diese Vorschläge angenommen
hat. Denn das damals eingereichte "Exemplar Articulorum" ist in
den Lauenburgischen Archiven nicht mehr vorhanden. über die
ersten Jahrzehnte des Amtes erhalten wir nur aus dem schon oben
erwähnten Einnahme- und Ausgabe-Buche nähere Nachricht. Aus ihm
ersehen wir, daß das Amt bei jeder Morgensprache einen
"Notarius" zur Führung des Protokolls heranzog, daß es
1708 ein Amtssiegel für zwei und ein Schild für drei
Taler anschaffte und daß es bei den Zusammenkünften in der Regel
eine Tonne Bier auflegte und etwa für einen halben Taler Tabak
spendierte. Wir sehen auch, daß man gelegentlich ein paar
Bouteillen spanischen Wein trank und die Musikanten lustig
aufspielen ließ. Das Geld für all diese Dinge wurde durch
regelmäßige Mitgliederbeiträge, sowie durch Ein-, Ausschreibe-
und Strafgelder hereingebracht.
Außerdem aber wurden aus der Lade fremde Gesellen, Abgebrannte
und Kranke unterstützt. Der Beisitzer aus dem Ratskollegium
erhielt bei jeder Morgensprache eine Geldspende, und ebenso der
Notar für die Führung des Protokolls. Ferner unterhielt das Amt
aus seinen Mitteln einen eigenen Kirchenstuhl Und einmal
stiftete es sogar für die Kirche einen Messingleuchter von
6 1/4 Pfund Gewicht, samt Schild, Amtssiegel und
einem grossen Wachslicht darauf.
Aber die Bestimmungen des alten "Articuli-Briefes" von
1707 veralteten bald. Der Reichstag zu Regensburg hatte
für das Innungswesen gewisse Richt-
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linien aufgestellt, die im ganzen deutschen Reiche Geltung haben
sollten. Und so verlangte denn auch die Lauenburgische Regierung
im Jahre 1732 durch die Ratzeburger Behörden die
Rückgabe sämtlicher Gildebriefe, um sie einer genauen
Prüfung zu
unterziehen. Dieser Aufforderung kamen die meisten Ämter ohne
Murren nach. Einige aber weigerten sich und konnten erst nach
längerer Zeit zum Gehorsam gebracht werden. Auch Gottfried
Lehmann vom Maurer-Amte machte Weitläufigkeiten. Er erklärte der
Ratskommission: "er könnte bei der Lade nicht kommen, indem er
nur einen Schlüssel hätte; der andere sei bei dem auswärtigen
Meister verwahrlich, jedoch sei er erbötig, dasselbe nach diesen
von sich zu stellen, wenn es die andern Ämter dieser Stadt auch
täten." Nun, auch die Maurer haben damals schließlich ihren
Gildebrief eingereicht und am 18. Mai 1735
einen neuen dafür ausgestellt erhalten.
Dieser GILDEBRIEF VON 1735 ist wohl der wertvollste Schatz. der
sich in der Maureramtslade befindet. Der innen und außen
beschriebene Umschlag der starken Folio-Urkunde ist aus
Pergament. Ein mächtiges Siegel Georgs II. von Hannover und
England hängt in verzierter Blechkapsel daran. Das Ganze ist mit
großer Sorgfalt geschrieben und ausgefertigt.
Auf die einzelnen Bestimmungen des alten Gildebriefes können wir
hier nicht näher eingehen. Das gehört in eine umfassende
Beschreibung des alten Lauenburgischen Zunftwesens hinein. Aber
Einzelnes sei doch hervorgehoben. Die wichtigste Bestimmung
enthielten wohl die Artikel 35 und
40, die - zum Schutze des
städtischen Baugewerbes - verordneten, daß nur Mitglieder des
Amtes zur Maurerarbeit zugelassen würden und daß es streng
verboten sei, Maurer, die sich unerlaubter Weise in den
Vorstädten und Dörfern niedergelassen hätten, in das Amt
aufzunehmen.
Gearbeitet wurde damals, wie wir aus Artikel 43
ersehen, mehr als heute. Der Gildebrief bestimmte, daß die
Arbeitszeit im Winterhalbjahr vom hellen Morgen bis zum Abend
mit einer Stunde Unterbrechung zur Mittagszeit, und zwar von
10-11 Uhr, dauern sollte. Im Sommer aber begann die
Arbeit bereits Morgens um 4 Uhr und dauerte mit
zwei Unterbrechungen von je einer Stunde bis 7 Uhr
abends.
Die Wanderburschen dagegen hatten es damals zweifellos besser
als heute. Jeder "reisende Gesell" erhielt auf Kosten des Amtes
freies Nachtquartier und eine Mahlzeit oder aber, wenn er darauf
verzichtete, ein Geldgeschenk von 8 Schilling.
Bemerkenswert ist, wie ängstlich die Regierung damals alle
Streiks und alle heimlichen Verabredungen der Meister zu
verhüten suchte. Sie verbot nicht nur den Gesellen bei Strafe
der Festungsbau-Arbeit, "einen universalen Aufstand zu erregen"
und ihren Meistern aus der Arbeit zu gehen, sondern sie verbot
sogar den Meistern selbst, unter sich oder mit andern Gilden
ohne Vorwissen der Obrigkeit eine Zusammenkunft abzuhalten. Ja,
sie verlangte, daß das Amt keinen Brief von einem andern
annehme, erbreche oder beantworte, ohne daß die Obrigkeit vorher
verständigt war.
Besonders lehrreich für uns sind aber die Bestimmungen, die sich
gegen frühere Mißstände im Amte wenden. Aus ihnen ersehen wir,
daß es ehemals gang und gäbe war, die Lehrlinge bei ihrer
Lossprechung durch "unehrbare, ärgerliche, ja teils gottlose
Formalitäten, Actiones und Reden" zu quälen. Wir erfahren, daß
man Mitglieder, die sich dem Spruch des Amtes nicht fügen
wollten, durch allerlei "Arten von Austreibung, als
Einschreibung in das schwarze Buch, an der schwarzen Tafel, das
Nachschreiben bei Schelmschelten, das Unredlichmachen, die
Versagung des Grußes und des ehrlichen Willkommens" kirre zu
machen suchte. Wir hören, daß man zuziehende Meister durch
allerlei Praktiken jahrelang hinhielt, ehe man ihnen das Recht
zur selbständigen Ausübung ihres Handwerks gab; daß man vielfach
bei der Arbeit ein "unordentlich Bier- und Branntweinsaufen"
trieb; und daß man im Amt jede Gelegenheit ausnutzte, um
Schmausereien und Zechereien zu veranstalten, und daß man die
Mittel dazu durch erzwungene Beiträge der Aufnahmeheischenden
und durch hohe Strafgelder herbeizuschaffen suchte. In diesem
letzteren Punkte geht der neue Gildebrief besonders scharf gegen
das alte Herkommen vor. "Es soll so wenig denen Meistern als
Gesellen" heißt es darin - "die Potestät, sich untereinander zu
bestrafen und gleichsam eine Juris-
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diktion zu exercieren. ferner gestattet sein." Das Amt soll
fortan höchstens ein Strafgeld von 16 Schilling erheben dürfen.
Aber - das ist nun einmal so - Bestimmungen sind nur allzu oft
dazu da, daß sie umgangen werden. Und so war es auch im
löblichen Maureramt. Wie uns die drei PROTOKOLLBÜCHER berichten,
die die Zeiträume von 1736-71, von 1771-1851
und von 1851-91 umfassen, gehorchte man scheinbar
der Regierung, indem man kein hohes Strafgeld mehr in bar erhob.
Dafür aber verdonnerte man die Schuldigen um so häufiger zum
Auflegen einer Tonne Bier; und es kam mehr als einmal zu
heftigen Streitigkeiten. wenn der Betroffene sich weigerte zu
zahlen. Aus welch’ drolligen Anlässen diese Strafe aber mitunter
vom Amte verhängt wurde, ersehen wir aus einer Eintragung vom
3.
Dezember 1764, in der es heißt: "Weilen der
Geselle Adam Matthias Rederssen sogleich nach geendeten
Lehrjahren eine Frau genommen, so ward
er nach dem Herkommen von der Gesellschaft mit 1
Tonne Bier Strafe beleget, zu deren Erlegung er sich verstand."
Aber auch die Milderuug von Amtsbestimmungen ließ man sich auf
diese Weise ohne viel Skrupel abkaufen. So wurde gelegentlich
den Gesellen, die zum Militär ausgehoben waren, die Wanderzeit
gegen Erlegung einer Tonne Bier erlassen.
Im übrigen enthalten die Protokolle in der Regel nicht viel
mehr, als auch in dem genannten Einnahme- und Ausgabe-Buch, in
dem EIN- UND AUSSCHREIBE-BUCH DER LEHRBURSCHEN VON 1771 und in
dem EINSCHREIB-BUCH FÜR FREMDE GESELLEN VOM JAHRE
1772 enthalten
ist. Mitgliederbeitråge und Strafgelder werden verzeichnet. Über
die Lossprechung von Lehrlingen wird Bericht erstattet, wobei
nie vergessen wird zu bemerken, daß die Lehrburschen eine Gebühr
von 6 Talern und für Wachs 24
Schilling gezahlt und dem Amte außerdem ein silbernes Schild
verehrt haben. Verhältnismäßig selten wird Grundsätzliches
erörtert oder werden Streitigkeiten geschlichtet. Bemerkenswert
ist die Beschreibung des silbernen Willkommens vom Jahre
1767 und die Aufzählung der 52 silbernen
Schilder, die dem Amte von 1767 bis 1787
verehrt wurden.
Das 19. Jahrhundert brachte dem Maureramte dadurch
eine wichtige Neuerung, daß es im Jahre 1834 eine
eigene Krankenkasse ins Leben rief. Die Rechnungsbücher dieser
Kasse werden noch heute in der LADE VON 1834 aufbewahrt. Das
obige Bild läßt erkennen, daß die kleine gut erhaltene Truhe mit
den Wahrzeichen des Maurerhandwerkes geschmückt ist.
Im Jahre 1901 läutete dem Maureramte das
Totenglöcklein. Am 2. Dezember kamen die
Mitglieder zum letzten Male zusammen. Nach der kurzen
Rechnungsablage, die in Einnahme und Ausgabe mit der gleichen
Summa balanzierte, wurde folgende letzte Eintragung in das
Protokollbuch gemacht:
"Da mit dem diesjährigen Quartal das Amt der Maurer und
Steinhauer aufhört, so wird beschlossen, einen neuen Verein zu
gründen unter dem Namen "Verein der Maurer zu Ratzeburg und
Umgegend". Die alten Trinkgefäße (1 Willkomm,
2
große Kannen, 8 kleine Kannen, 1
Gießkanne, 4 Schilder) werden in Übereinstimmung
der Gesellschaft von den Meistern für Mark 100.-
übernommen. Die Fahne, das Schild, die Lade und sonstige
Gegenstände werden von dem Verein der Maurer ohne Vergütung
übernommen.
Ratzeburg, den 2. Dezember 1901.
CHR.VOLLMAR.
TH. WESTPHAL.
A. BARTELS."
Fast zweihundert Jahre hatte das löbliche Maureramt bestanden.
Es ist freudig zu begrüßen, daß das Heimatmuseum sein Andenken
in der Bevölkerung Lauenburgs in Ehren halten wird.
G.
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