Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1928


Das Amt der Maurer und Steinhauer zu Ratzeburg.

[G.]

Die Baugewerkschaft zu Ratzeburg hat, wie auch an anderer Stelle unserer Zeitschrift berichtet wird, dem Lauenburgischen Heimatmuseum eine wertvolle Leihgabe überwiesen. Sie hat sich entschlossen, die beiden alten Laden des Maureramtes, den Schafferstock und das alte bändergeschmückte Innungszeichen in dem Museum aufzustellen, damit alle Mitglieder der Gewerkschaft und alle, die Interesse für das Zunftwesen vergangener Jahrhunderte haben, die alten ehrwürdigen Gegenstände betrachten und sich von ihnen erzählen lassen können.

Und die alten Stücke wissen etwas zu erzählen. Vor der geöffneten Lade, welche die Jahreszahl 1707 schmückt, hat einst das Maureramt die Lehrlinge zu Gesellenn und die Gesellen zu Meistern gemacht. Vor ihr wurden fremde Zuwanderer feierlich in das Amt aufgenommen. Aus dem in ihr verwahrten Schatze wurden Kranke und Bedürftige unterstützt. Und in ihr wurden die Urkunden verwahrt, in denen die Rechte und Pflichten des Amtes verzeichnet sind, ebenso wie die Bücher, die von den feierlichen Morgensprachen und den dort gefaßten Beschlüssen berichten.

Das älteste Dokument, das die Hauptlade enthält, ist das "EINNAHM- UND AUSZGABE-BUCH". Die ersten Eintragungen darin stammen aus dem April des Jahres 1708. Es ist also bald nach Gründung des Amtes angeschafft worden, die nach der Jahreszahl auf der Lade und nach einer im Stadt-Archiv zu Ratzeburg befindlichen Aufzeichnung gegen Ende des Jahres 1707 erfolgt sein muß. Die Meister und Gesellen des Maurergewerbes hatten allerdings wohl schon vorher eine Art Vereinigung. Denn sie wehrten sich in den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts gemeinsam gegen die angeblichen Übergriffe der auf der Freiheit und auf dem Dom (also außerhalb des eigentlichen Stadtbezirks) wohnenden Maurer, die nach ihrer Meinung kein Recht darauf hatten, in der Stadt Arbeit anzunehmen. Aber erst im Jahre 1707, als die schlimmsten Folgen des großen Brandes von 1693 überwunden waren,

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dachte man an die Errichtung eines Amtes, dessen festumrissene Bestimmungen man bei den soeben erwähnten Streitigkeiten oft schmerzlich vermißt hatte. Die Maurer ließen damals - vermutlich durch einen Notarius - die Satzungen eines Gildebriefes aufsetzen und reichten diesen bei der Regierung in Ratzeburg ein. Diese aber legte ihn vor der Genehmigung dem Bürgermeister und Rat der Stadt Ratzeburg zur Stellungnahme vor, und diese ehrwürdigen Herren machten eine Reihe sehr beachtenswerter Abänderungsvorschläge. Sie forderten mildere Bestimmungen über die Aufnahme zuwandernder Meister. Sie verlangten, daß Streitigkeiten unter den Mitgliedern des Amtes nicht nur
 



[Abbildung ohne Titel: Die zur Verfügung gestellten Exponate]
Phot. A. Hannig, Ratzeburg.


vor ihrer Lade, sondern auch vor dem Stadtgerichte ausgetragen werden könnten; daß die Innungsgerechtigkeit auf das ganze Herzogtum auszudehnen sei und daß dem neuen Maureramte Beisitzer aus dem Rate zugeordnet würden, "damit alles desto ordentlicher und stiller bei ihren Zusammenkünften zugehe".

Wir wissen nicht, ob die Regierung diese Vorschläge angenommen hat. Denn das damals eingereichte "Exemplar Articulorum" ist in den Lauenburgischen Archiven nicht mehr vorhanden. über die ersten Jahrzehnte des Amtes erhalten wir nur aus dem schon oben erwähnten Einnahme- und Ausgabe-Buche nähere Nachricht. Aus ihm ersehen wir, daß das Amt bei jeder Morgensprache einen "Notarius" zur Führung des Protokolls heranzog, daß es 1708 ein Amtssiegel für zwei und ein Schild für drei Taler anschaffte und daß es bei den Zusammenkünften in der Regel eine Tonne Bier auflegte und etwa für einen halben Taler Tabak spendierte. Wir sehen auch, daß man gelegentlich ein paar Bouteillen spanischen Wein trank und die Musikanten lustig aufspielen ließ. Das Geld für all diese Dinge wurde durch regelmäßige Mitgliederbeiträge, sowie durch Ein-, Ausschreibe- und Strafgelder hereingebracht.

Außerdem aber wurden aus der Lade fremde Gesellen, Abgebrannte und Kranke unterstützt. Der Beisitzer aus dem Ratskollegium erhielt bei jeder Morgensprache eine Geldspende, und ebenso der Notar für die Führung des Protokolls. Ferner unterhielt das Amt aus seinen Mitteln einen eigenen Kirchenstuhl Und einmal stiftete es sogar für die Kirche einen Messingleuchter von 6 1/4 Pfund Gewicht, samt Schild, Amtssiegel und einem grossen Wachslicht darauf.

Aber die Bestimmungen des alten "Articuli-Briefes" von 1707 veralteten bald. Der Reichstag zu Regensburg hatte für das Innungswesen gewisse Richt-

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linien aufgestellt, die im ganzen deutschen Reiche Geltung haben sollten. Und so verlangte denn auch die Lauenburgische Regierung im Jahre 1732 durch die Ratzeburger Behörden die Rückgabe sämtlicher Gildebriefe, um sie einer genauen Prüfung zu unterziehen. Dieser Aufforderung kamen die meisten Ämter ohne Murren nach. Einige aber weigerten sich und konnten erst nach längerer Zeit zum Gehorsam gebracht werden. Auch Gottfried Lehmann vom Maurer-Amte machte Weitläufigkeiten. Er erklärte der Ratskommission: "er könnte bei der Lade nicht kommen, indem er nur einen Schlüssel hätte; der andere sei bei dem auswärtigen Meister verwahrlich, jedoch sei er erbötig, dasselbe nach diesen von sich zu stellen, wenn es die andern Ämter dieser Stadt auch täten." Nun, auch die Maurer haben damals schließlich ihren Gildebrief eingereicht und am 18. Mai 1735 einen neuen dafür ausgestellt erhalten.

Dieser GILDEBRIEF VON 1735 ist wohl der wertvollste Schatz. der sich in der Maureramtslade befindet. Der innen und außen beschriebene Umschlag der starken Folio-Urkunde ist aus Pergament. Ein mächtiges Siegel Georgs II. von Hannover und England hängt in verzierter Blechkapsel daran. Das Ganze ist mit großer Sorgfalt geschrieben und ausgefertigt.

Auf die einzelnen Bestimmungen des alten Gildebriefes können wir hier nicht näher eingehen. Das gehört in eine umfassende Beschreibung des alten Lauenburgischen Zunftwesens hinein. Aber Einzelnes sei doch hervorgehoben. Die wichtigste Bestimmung enthielten wohl die Artikel 35 und 40, die - zum Schutze des städtischen Baugewerbes - verordneten, daß nur Mitglieder des Amtes zur Maurerarbeit zugelassen würden und daß es streng verboten sei, Maurer, die sich unerlaubter Weise in den Vorstädten und Dörfern niedergelassen hätten, in das Amt aufzunehmen.

Gearbeitet wurde damals, wie wir aus Artikel 43 ersehen, mehr als heute. Der Gildebrief bestimmte, daß die Arbeitszeit im Winterhalbjahr vom hellen Morgen bis zum Abend mit einer Stunde Unterbrechung zur Mittagszeit, und zwar von 10-11 Uhr, dauern sollte. Im Sommer aber begann die Arbeit bereits Morgens um 4 Uhr und dauerte mit zwei Unterbrechungen von je einer Stunde bis 7 Uhr abends.

Die Wanderburschen dagegen hatten es damals zweifellos besser als heute. Jeder "reisende Gesell" erhielt auf Kosten des Amtes freies Nachtquartier und eine Mahlzeit oder aber, wenn er darauf verzichtete, ein Geldgeschenk von 8 Schilling.

Bemerkenswert ist, wie ängstlich die Regierung damals alle Streiks und alle heimlichen Verabredungen der Meister zu verhüten suchte. Sie verbot nicht nur den Gesellen bei Strafe der Festungsbau-Arbeit, "einen universalen Aufstand zu erregen" und ihren Meistern aus der Arbeit zu gehen, sondern sie verbot sogar den Meistern selbst, unter sich oder mit andern Gilden ohne Vorwissen der Obrigkeit eine Zusammenkunft abzuhalten. Ja, sie verlangte, daß das Amt keinen Brief von einem andern annehme, erbreche oder beantworte, ohne daß die Obrigkeit vorher verständigt war.

Besonders lehrreich für uns sind aber die Bestimmungen, die sich gegen frühere Mißstände im Amte wenden. Aus ihnen ersehen wir, daß es ehemals gang und gäbe war, die Lehrlinge bei ihrer Lossprechung durch "unehrbare, ärgerliche, ja teils gottlose Formalitäten, Actiones und Reden" zu quälen. Wir erfahren, daß man Mitglieder, die sich dem Spruch des Amtes nicht fügen wollten, durch allerlei "Arten von Austreibung, als Einschreibung in das schwarze Buch, an der schwarzen Tafel, das Nachschreiben bei Schelmschelten, das Unredlichmachen, die Versagung des Grußes und des ehrlichen Willkommens" kirre zu machen suchte. Wir hören, daß man zuziehende Meister durch allerlei Praktiken jahrelang hinhielt, ehe man ihnen das Recht zur selbständigen Ausübung ihres Handwerks gab; daß man vielfach bei der Arbeit ein "unordentlich Bier- und Branntweinsaufen" trieb; und daß man im Amt jede Gelegenheit ausnutzte, um Schmausereien und Zechereien zu veranstalten, und daß man die Mittel dazu durch erzwungene Beiträge der Aufnahmeheischenden und durch hohe Strafgelder herbeizuschaffen suchte. In diesem letzteren Punkte geht der neue Gildebrief besonders scharf gegen das alte Herkommen vor. "Es soll so wenig denen Meistern als Gesellen" heißt es darin - "die Potestät, sich untereinander zu bestrafen und gleichsam eine Juris-

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diktion zu exercieren. ferner gestattet sein." Das Amt soll fortan höchstens ein Strafgeld von 16 Schilling erheben dürfen.

Aber - das ist nun einmal so - Bestimmungen sind nur allzu oft dazu da, daß sie umgangen werden. Und so war es auch im löblichen Maureramt. Wie uns die drei PROTOKOLLBÜCHER berichten, die die Zeiträume von 1736-71, von 1771-1851 und von 1851-91 umfassen, gehorchte man scheinbar der Regierung, indem man kein hohes Strafgeld mehr in bar erhob. Dafür aber verdonnerte man die Schuldigen um so häufiger zum Auflegen einer Tonne Bier; und es kam mehr als einmal zu heftigen Streitigkeiten. wenn der Betroffene sich weigerte zu zahlen. Aus welch’ drolligen Anlässen diese Strafe aber mitunter vom Amte verhängt wurde, ersehen wir aus einer Eintragung vom 3. Dezember 1764, in der es heißt: "Weilen der Geselle Adam Matthias Rederssen sogleich nach geendeten Lehrjahren eine Frau genommen, so ward er nach dem Herkommen von der Gesellschaft mit 1 Tonne Bier Strafe beleget, zu deren Erlegung er sich verstand."

Aber auch die Milderuug von Amtsbestimmungen ließ man sich auf diese Weise ohne viel Skrupel abkaufen. So wurde gelegentlich den Gesellen, die zum Militär ausgehoben waren, die Wanderzeit gegen Erlegung einer Tonne Bier erlassen.

Im übrigen enthalten die Protokolle in der Regel nicht viel mehr, als auch in dem genannten Einnahme- und Ausgabe-Buch, in dem EIN- UND AUSSCHREIBE-BUCH DER LEHRBURSCHEN VON 1771 und in dem EINSCHREIB-BUCH FÜR FREMDE GESELLEN VOM JAHRE 1772 enthalten ist. Mitgliederbeitråge und Strafgelder werden verzeichnet. Über die Lossprechung von Lehrlingen wird Bericht erstattet, wobei nie vergessen wird zu bemerken, daß die Lehrburschen eine Gebühr von 6 Talern und für Wachs 24 Schilling gezahlt und dem Amte außerdem ein silbernes Schild verehrt haben. Verhältnismäßig selten wird Grundsätzliches erörtert oder werden Streitigkeiten geschlichtet. Bemerkenswert ist die Beschreibung des silbernen Willkommens vom Jahre 1767 und die Aufzählung der 52 silbernen Schilder, die dem Amte von 1767 bis 1787 verehrt wurden.

Das 19. Jahrhundert brachte dem Maureramte dadurch eine wichtige Neuerung, daß es im Jahre 1834 eine eigene Krankenkasse ins Leben rief. Die Rechnungsbücher dieser Kasse werden noch heute in der LADE VON 1834 aufbewahrt. Das obige Bild läßt erkennen, daß die kleine gut erhaltene Truhe mit den Wahrzeichen des Maurerhandwerkes geschmückt ist.

Im Jahre 1901 läutete dem Maureramte das Totenglöcklein. Am 2. Dezember kamen die Mitglieder zum letzten Male zusammen. Nach der kurzen Rechnungsablage, die in Einnahme und Ausgabe mit der gleichen Summa balanzierte, wurde folgende letzte Eintragung in das Protokollbuch gemacht:

"Da mit dem diesjährigen Quartal das Amt der Maurer und Steinhauer aufhört, so wird beschlossen, einen neuen Verein zu gründen unter dem Namen "Verein der Maurer zu Ratzeburg und Umgegend". Die alten Trinkgefäße (1 Willkomm, 2 große Kannen, 8 kleine Kannen, 1 Gießkanne, 4 Schilder) werden in Übereinstimmung der Gesellschaft von den Meistern für Mark 100.- übernommen. Die Fahne, das Schild, die Lade und sonstige Gegenstände werden von dem Verein der Maurer ohne Vergütung übernommen.

Ratzeburg, den 2. Dezember 1901.

CHR.VOLLMAR.                     TH. WESTPHAL.                    A. BARTELS."

Fast zweihundert Jahre hatte das löbliche Maureramt bestanden. Es ist freudig zu begrüßen, daß das Heimatmuseum sein Andenken in der Bevölkerung Lauenburgs in Ehren halten wird.


G. 


 

 

 

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