Otto Bötticher,
Lauenburgisch-Preußisches Vereinigungsrecht. *)
"Seit Jahren mehren sich die Streitigkeiten zwischen
der Preußischen Regierung und dem Lauenburgischen
Landeskommunalverbande wegen seiner Rechte, die er
gelegentlich der Einverleibung des Herzogtums
Lauenburg in Preußen als preußischer Kreis erhalten
hatte. Die Lasten, die ihm damals, als ihm das große
Domanium als Landeigentum übereignet wurde,
auferlegt worden sind, die Aufgaben, die er als
Kreis-Kommunalverband einerseits und als ein den
Provinzial-Kommunalverbänden gleichender
Landes-Kommunalverband andrerseits übernommen hat
..., all das ist eine Quelle unaufhörlicher
Streitigkeiten geworden. - Die Haltung des
lauenburgischen Kreistages und des Kreisausschusses,
die Art, in der auch von Mitgliedern dieser
Körperschaften der Streitfall in der Öffentlichkeit
behandelt wurde, zeigten, wie notwendig es sei, über
die Geschichte der Einverleibung ... in weiteren
Kreisen Klarheit zu schaffen.
- Es handelt sich nur um die eine Aufgabe, die ...
Streitigkeiten ... des politischen,
parteipolitischen und persönlichen Einschlages zu
entkleiden und damit die Möglichkeit sachlicher
Auseinandersetzung zu schaffen. - Auf Grund der
geschichtlichen Darstellung soll die
staatsrechtliche Lage an der Hand des
Einverleibungsgesetzes selbst geprüft werden."
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*) Die Schriftleitung sieht es als ihre Pflicht an,
ihren Lesern von der eingehenden Arbeit Dr.
Böttichers durch die Feder eines berufenen
Fachhistorikers Kenntnis zu geben. Sie betont aber,
daß sie sich das Urteil des Herrn Krititers nicht in
allen Punkten zu eigen macht.
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Vortrefflich! Gerade das ist. was die Lage der Dinge
zwischen Lauenburg und Preußen gebieterisch
verlangt, und was vom einen wie vom andern Lager
bisher noch keiner unternommen, geschweige denn
geleistet hat. Dr. Bötticher hat sich durch das
Dornige dieser Aufgabe nicht zurückschrecken lassen;
er ist ihr mit großem Fleiß und Scharfsinn zu Leibe
gegangen, und wenn es dem Rezensenten gestattet ist,
über seine Abhandlung sein Schlußurteil schon hier
vorwegzunehmen, so lautet dieses folgendermaßen: Bis
auf unwesentliche und Nebenpunkte ist dem Verfasser
die eine und Haupthälfte seiner Aufgabe durchaus
geglückt; es ist nach seiner staatsrechtlichen
Untersuchung und Darlegung nunmehr jedermann über
das "WESEN lauenburgischen Sonderrechts eine klare
Vorstellung sich zu verschaffen in der Lage".
Allerdings über die andre Hälfte, das WERDEN dieses
Rechtes, nicht ganz in gleichem Maße. Denn der erste
Abschnitt der Abhandlung, die GESCHICHTLICHE
ENTWICKLUNG DER VEREINIGUNG DES HERZOGTUM LAUENBURGS
MIT DEM KÖNIGREICH PREUSZEN, läßt die Eigenart des
Verfassers, seine parteipolitische (und
propagandistische) Einstellung an so vielen Stellen
durchschimmern, daß er da selbst wohl nicht wird
behaupten können, seiner eigenen Forderung,
Hintanhaltung "des politischen, parteipolitischen
und persönlichen Einschlages", überall gerecht
geworden zu sein. Ein Mangel, der um so
bedauerlicher ist, als sich infolgedessen des
Verfassers Hoffnungen auch nicht restlos erfüllen
können, sondern sicherlich die "beteiligten
Faktoren, vor allem die im öffentlichen Leben
stehenden Persönlichkeiten ..., aber auch ein weiter
Kreis der Bevölkerung", zum Teil sich werden
abgehalten fühlen, die hier aufgeschlossenen Quellen
der Belehrung so auszuschöpfen, wie sie nach andrer
Richtung es voll verdienen.
Für diesen Mangel an geschichtlicher Objektivität
ein paar Belege.
Am 4. Juni 1864 richtete
die Ritter- und Landschaft an die Könige von Preußen
und Hannover und an die Bundesvertretung eine
Adresse, in der Dr. Bötticher die erste offizielle
Äußerung des Landeswillens sieht, "zugunsten eines
EINIGEN DEUTSCHEN REICHS auf Selbständigkeitsrechte
zu verzichten". Nun hatten aber ein solches Reich
mit preußischer Spitze bis dazumal nur einzelne
auserwählte Geister gepredigt, und lauenburgischer
Landeswillen war das weder noch konnte es das schon
sein, vielmehr rief die Adresse gerade zur Wahrung
der Selbständigkeit und verfassungsmäßigen Rechte
des Landes auf, bedeutete also viel eher einen
partikularistischen Notschrei an den Bund und an den
Welfen, dem ländergierigen Preußen in den Arm zu
fallen, - gab es ja doch nirgendwo erklärtere Feinde
jeglicher deutschen Einheitsbestrebung als zu
Frankfurt und Herrenhausen, und hatten ja eben erst,
am 14. und 15. Juni, im
lauenburgischen Landtage die Vertreter der
landtagsfähigen Güter die Rechte der dänischen Krone
als noch zu Recht bestehend anerkannt! -
Nun, mit solchen Regungen wußte man von Berlin aus
fertig zu werden: Bismarck gab es durch den Minister
Grafen Bernstorff dem Landsyndikus Wittrock unter
den Fuß, die Landesvertretung möge doch "FREIWILLIG"
den Wunsch äußern, an Preußen angeschlossen zu
werden, - ein Wink mit dem Zaunpfahl, der ganz daran
erinnert, wie nachmals, vom Bundeskanzler geschoben,
Ludwig II. von Bayern dem Könige
Wilhelm die Kaiserkrone antrug! Die Ritter- und
Landschaft verstand den Wink auch schnell und nahm
den vom Vetter jenes Ministers, dem Grafen
Bernstorff zu Wotersen, eingebrachten Antrag auf
Anschluß an Preußen (Personal-Union) an, verwahrte
sich darin
zugleich aber gegen Antastung der Landesverfassung
sowie gegen Aufbürdung von Schulden und
Kriegssteuern. - Wo bleibt da die von Dr. Bötticher
gepriesene Bereitschaft, Opfer zu bringen zugunsten
des Zukunststraumes eines einigen Deutschen Reiches?
Vielmehr ist es in so ziemlich allen Phasen der
langwierigen Anschlußverhandlungen das zähe Streben
des einen ganz ohnmächtigen Partners gewesen, dem
andern, übermächtigen. möglichst viele und
gewichtige, hauptsächlich finanzelle Zugeständnisse
und Sicherstellungen abzuringen, und wer sollte
deswegen ihm einen Tadel aussprechen wollen?
Patriotische Gesichtspunkte tauchten da ebensowenig
auf wie bei irgendwelchen andern rein geschäftsmäßig
geführten Verhandlungen; die preußischen
Unterhändler haben dergleichen bei den
lauenburgischen auch weder vorausgesetzt noch
vermißt oder gefordert. Es war schon viel, daß zwei
Abgeordnete der Ritter- und Landschaft, ein
ländlicher, Thölcke aus Kuddewörde, und ein
stadtischer, Basedow, Bürgermeister der
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Lauenburg, in ihrem Antrage auf vollständige
REAL-UNION mit der preußischen Monarchie, in den
beigegebenen Motiven sehr einsichtig "die längst
gefühlte Hohlheit und Verderblichkeit der deutschen
Kleinstaaterei" betonten. Aber dieser Antrag war vom
24. Juli 1867, - also
nach der den ganzen Weltteil durchhallenden
Abrechnung Bismarcks mit Österreich und den
einheitsfeindlichen deutschen Mittel- und
Kleinstaaten, sowie nach der geschehenen Einziehung
"von Königreichen, Churfürstenthümern und
Herzogthümern"; immerhin zeugt es von der
erstaunlichen politischen und wirtschaftlichen
Urteilsreife dieser zwei Antragsteller, daß sie
schon damals die heute erst aktuell gewordene Frage
aufwarfen und verneinten, ob denn Zwergstaaten wie
Koburg und Gotha, Waldeck, Lippe den durch die neue
norddeutsche Verfassung ihnen aufgedrungenen Lasten
gewachsen sein würden. Im übrigen haben aber auch
sie durchaus nicht die deutsche Einigung im Auge,
sondern praktische, wirtschaftliche Ziele, wie
Abwehr neuer Lasten, Regelung der Domanial- oder
Provinzialfondsfrage, Abschaffung des Meier-Nexus,
der Patrimonialgerichtsbarkeit etc. - Der Landtag
lehnte diesen Antrag ab, und das Merkwürdige dabei
ist, daß zu den ablehnenden Abgeordneten, den
Feudalen, den Rittern, sich auch ein städtischer,
Senator Thormann, und zwei bäuerliche, Grote und
Hardekopf, gesellt hatten. Damit jedoch verliert Dr.
Bötticher jegliche Berechtigung, diesen Antrag
Thölckes-Basedow als Ausfluß von "tiefen Strömungen
unter Bürgern und Bauern" hinzustellen; und förmlich
bei den Haaren herbeigezogen scheint es, weun er
bedauernd klagt, daß auch hier wiederum Deutschlands
großer Außenpolitiker "nicht den Zusammenhang zu
finden vermochte mit dem Drängen des deutschen
Liberalismus nach einem einigen deutschen
Vaterlande!"
Überall hat es den Anschein, als ob Dr. Böttichers
Geschichtsauffassung durchaus die der unbelehrbaren
Mehrheit des preußischen Konflikts-Landtages sei. Er
scheint ungern anerkennen zu wollen, daß die
deutsche Einigung, die in der Tat eine liberale
Forderung gewesen ist, ihre Verwirklichung doch dem
Manne des Blutes und Eisens zu danken hat, und daß
die altliberale Konfliktsmehrheit dazu noch weniger
beigetragen hat als die warmherzigen Illusionisten
der Paulskirche. Wie die Konfliktsleute damals der
Innenpolitik, gegenüber der äußeren, den unbedingten
Vorrang zuerkannt haben, so heute auch wohl Dr.
Bötticher. In Bismarcks notgedrungen oft verhüllter
Förderung der Einheitsidee sieht er
"verfassungsrechtlich bedenkliche Zustände«, so auch
mit dem preußischen Landtagsabgeordneten Bähr in der
lediglich auf dem Verordungswege geschaffenen
Ausdehnung der preußischen Gerichtsbarkeit über
Lauenburg "eine Belastung des preußischen Staates,
welche nicht ohne Zustimmung der Landesvertretung
erfolgen dar". Daher ist ihm auch die Personal-Union
eigentlich etwas Verfassungswidriges; er spricht in
diesem Zusammenhange "gegen Bismarcks
Verfassungsbruch" und macht sich die Auffassung der
Konfliktsmehrheit zu eigen, daß der König nach Art.
55 der preußischen Verfassung "ohne
Einwilligung beider Kammern nicht Herrscher fremder
Reiche", also Herzog von Lauenburg werden könne. Als
ob der angezogene Artikel nicht zweifellos nur auf
völkerrechtliche Undinge wie die Bindung
Schleswig-Holsteins an die dänische, oder Limburgs
und Luxemburgs an die niederländische Krone, also an
volksfremde Länder und Herrscher, gemünzt gewesen
wäre! Als ob auch ohne Albernheit das deutsche
Bundesländchen Lauenburg ein "fremdes Reich" hätte
genannt werden dürfen!
Im übrigen ist hier nicht außer acht zu lassen, daß
nirgends in Lauenburg von Begeisterung für das
Aufgehen in Preußen etwas zu spüren gewesen ist,
auch oder erst recht nicht bei Bauern und Bürgern.
Zu lange hatte das Ländchen in Enge und Dumpfheit
dahingelebt, hatte ja seinerzeit auch an
Schleswig-Holsteins Erhebung nicht teilnehmen mögen.
Schon 1865, bei der Besitzergreifung,
war das Mißtrauen gegen Preußen vorwiegend; bald
zeigte sich deutliche Mißstimmung, - ein Symptom
davon ist, daß, als der preußische Kronprinz aus
Privatbesitz den Sessel käuflich zu erwerben
wünschte, von dem aus der König-Herzog die Huldigung
der Stände entgegengenomnien hatte, den Boten die
Antwort zuteil ward: "Einem Preußen verkaufe man
nichts!" Dr. Bötticher hebt die "herzhafte Grobheit"
dieser Abfertigung hervor; Rezensent meint, es ließe
sich dafür wohl eine noch treffendere Bezeichnung
finden, freilich eine nicht ganz parlamentarische.
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Wie schon eingangs bemerkt, ist es im Interesse der
Bötticher'schen Abhandlung selber zu bedauern, daß
ihr erster, der geschichtliche, Abschnitt reichlich
oft die Un- und Uberparteilichkeit vermissen läßt.
Das gilt aber nicht von Abschnitt II,
dem STAATSRECHTLICHEN TEILE. Will man hier etwa noch
eine Ausstellung machen, so wäre es die, daß es sich
würde empfohlen haben, das Vereinigungsgesetz mit
dem angehängten Vertrage nicht auszugsweise und in
Anmerkung, sondern dem vollen Wortlaute nach und im
Texte selbst abzudrucken. Im übrigen ist Rezensent
durchgehends derselben staatsrechtlichen Auffassung
wie der Verfasser, und war er es früher nicht, so
ist er durch ihn bekehrt worden. Wer sich über die
lauenburgischen Sonderrechte unterrichten will,
findet hier alles Nötige ausgeführt, geprüft und
lichtvoll auseinandergesetzt: Die lauenburgischen
Sonderrechte sind vertragliche und gesetzliche
Zugeständnisse uicht wesentlich politischer, sondern
wirtschaftlicher Art; sollte dennoch der Staat nach
diesen wirtschaftlichen Rechten die Hand
ausstrecken, so würde der Landeskommunalverband vor
den ordentlichen Gerichten mit einer Privatklage
gegen den Staat jederzeit sein recht
zurückzugewinnen in der Lage sein. Anders steht es
um die rein-politischen Streitfragen: Rezensent
sieht mit Dr. Bötticher z. B. in dem preußischen
Gesetz vom Oktober 1925, betreffend
die Provinziallandtagswahlen, keine Beeinträchtigung
der Sonderrechte; zu letzteren sind die alten
Wahlbestimmungen aus der Provinzialordnung von
1888 überhaupt nicht zu zählen, denn was für
die ganze Monarchie Geltung hatte, setzte "für
Lauenburg nur Rechte, die mit den Rechten der
anderen preußischen Kreise Schleswig-Holsteins
vollständig übereinstmmten". Und sehr glücklich ist
da Dr. Böttichers Formulierung: Das Wahlgesetz vom
Oktober 1925, weit davon entfernt, die
Sonderrechte Lauenburgs anzutasten, "hat vielmehr
neues Sonderrecht geschaffen«, indem ihm zufolge
Lauenburg einen abgeschlossenen Wahlbezirk bildet,
an der Stimmenaufrechnung über die ganze Provinz
nicht teil hat und, unabhängig von seiner
Einwohnerzahl, drei Abgeordnete hat. Schon Bismarck
selber hat mehrmals über Lauenburgs Sonderstellung
sich dahin ausgesprochen: Im wesentlichen beschränkt
letztere sich auf vermögensrechtliche Punkte, und
jede Abänderung dieser macht die Zustimmung der
Kreisvertretung nötig. Im übrigen jedoch ist die
preußische Gesetzgebung souverän und behält, unter
Voraussetzung der Berücksichtigung des Vertrags, die
Hände frei!
Zustimmen möchte der Rezensent auch der
Stellungnahme Dr. Böttichers zu den Hauptleitsätzen
des Perelschen Gutachtens. Der hamburgiscche
Staatsrechtler bemüht sich um den Nachweis, daß
jener lauenburgisch-preußische Staatsvertrag auf die
Gesetzgebung der ganzen Folgezeit fortwirke, nicht
nur auf das Vereinigungsgesetz, sondern auf alle
Lauenburg etwa künftig betreffenden Gesetze, und so
auch auf die Bestimmungen der Provinzialordnung. Bei
konsequenter Durchführung dieser Forderung hätte
Prof. Perels logischerweise den Kreis Herzogtum
Lauenburg auch von sämtlichen Folgen des Umsturzes
von 1918 eximieren müssen: zweifellos
wird ja der preußisch-lauenburgische Staatsvertrag
durch die Einführung der republikanischen Staatsform
verletzt, denn nicht in den Freistaat, sondern in
die Monarchie Preußen wurde damals das Herzogtum
Lauenburg einverleibt; ebenso kann die Weimarer
Verfassung, da sie dem Kreise sein vertragliches
Sonderrecht nimmt, einen eigenen Landtagswahlkreis
zu bilden, für letzteren keine Gültigkeit besitzen!
Man sieht, in dieser schroffen Formulierung ist die
Forderung von Professor Perels nicht durchzuführen.
Wenn sich dieser aber für seine Auffassung auf so
ungreifbare Dinge beruft wie "geläutertes
juristisches Empfinden", ja, auf die "bindende Kraft
des politischen Sittengesetzes" (was ist das und wo
gibt es das?), so kann ihm Rezensent, und werden ihm
auch wohl seine Fachgenossen, auf diesen
schwankenden Boden nicht folgen.
Zu den Bestimmungen des Einigungsgesetzes, die
Perels für unabänderbar erklärt, zählt auch §
8: "Der lauenburgische Landeskommunalverband
bildet IN SEINER GEGENWÄRTIGEN BEGRENZUNG einen
besonderen kreisstädtischen Verband mit den Rechten
einer Korporation." Auf diese Formiuierung hat
seiner Zeit der lauenburgische Vertragspartner
besonderen Wert gelegt, weil er befürchtete, es
würden sonst, etwa im Falle der administrativen
Vergrößerung des Kreises Herzogtum Lauenburg, auch
Nicht-Lauenburger den Anspriich erheben können,
teilzunehmen an den Erträgen des
Landesdomanial-Vermögens. Selt-
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steht hier Dr. Bötticher einmal auf Prof. Perels
Seite. Rezensent indessen möchte zu bedenken geben,
daß gerade diese Festlegung auf die "gegenwärtige
Begrenzung" vielleicht am ehesten bestimmt sein mag,
zu fallen und abgeändert zu werden, da gerade von
ihr gelten könnte, was das Kgl. Preuß. Herzogl.
Lauenburgische Staatsministerium am 29.
Januar 1871 den lauenburgischen
Ständen geschrieben hat: "Haben sie (die jetzt neu
zu gründenden Verhältnisse) sich in der Tat
überlebt, dann leisten, wie die Erfahrung lehrt,
auch die größten Kautelen keine Hülfe. Die Änderung
vollzieht sich mit oder wider Willen der Beteiligten
und in letzterem Falle in der Regel zu deren
Schaden". Rezensent nimmt dieses Zitat aus dem
Perel'schen Gutachten hier auf im Hinblick auf die
Möglichkeit, wenn nicht sogar Wahrscheinlichkeit,
daß in nicht allzu ferner Zukunft über das ganze
Reich hin von den Einzelstaaten die Enklaven
gegenseitig ausgetauscht werden; da könnten die
Enklaven, die heute den Kreis Herzogtum Lauenburg
durchsetzen, durchlöchern und so dessen Verwaltung
nicht wenig erschweren, natürlich keine Ausnahme
bilden. Und auch schon bei Regelung der
großhamburgischen Gebietsaustauschforderungen würde
derselbe Fall eintreten; desgleichen, wenn es, was
durchaus im Bereiche des Möglichen liegt, auf dem
Wege der Volksabstimmung zum Wiederanschluß des
(ursprünglich lauenburgischen) Landes Ratzeburg an
sein Mutterland Lauenburg käme: eine Eventualität,
wovon, gelegentlich der Einweihung des
Schaalseekanals, bereits öffentlich, wenn auch nur
scherzenden Tones, geredet wordeu ist ... Wie würde
es in diesen Fällen mit dem Mitgenuß der
lauenburgischen Domänen von seiten der
Neueinverleibten, aber auch mit der Schadloshaltung
der durch Austausch dem Lande Verlorengehenden zu
halten sein?
Nun, das wären Zukunftfragen, und die würde die
Zukunft schon zu beantworten wissen. Aus dem
Lauenburgisch-Preußischen Vereinigungsrechte aber,
wie es durch die verdienstvolle Arbeit Dr.
Böttichers nunmehr jedermann vor Augen hat, scheint
vor allem das eine zweifellos hervorzugehen: Für die
Gegenwart wie schon zu Bismarcks Zeiten ist es die
erste Forderung, daß sowohl der preußische Staat wie
der Kreis Herzogtum Lauenburg jedesmal vorm
Auftauchen einer abermaligen Streitfrage sich
friedlich-schiedlich über eine Ausgleichsformel
verständigen und einigen. Sollte sich das einmal
nicht ermöglichen lassen, so würde sofort, trotz
Vereinigungsgesetz und Vertrag, aus dem normalen
Verhältnis der zwei so ungleichen Größen eine
SOCIETAS LEONINA werden. "Denn das übergeordnete -
nicht nur das mächtigere - ist der preußische
Staat".
Zum Schlusse möge noch ausgesprochen sein, daß
Rezensent es begrüßt haben würde, wenn Dr. Bötticher
auch die Rechtsstellung des lauenburgischen
Domaniums in einem höchstwichtigen Punkte
ausführlich behandelt hätte: Seit dem Übergange in
den Besitz des Landes-Kommunalverbandes hat dieses,
wie es in den Motiven des Vereinigungsgesetzes
heißt, "die Eigenschaft als Staatsgut verloren"; was
ist es aber alsdann geworden? - Der Anspruch des
Kulturamtes zu Oldesloe, daß es für Siedlungszwecke
Land abzutreten habe, ruht zwar jetzt, könnte aber
jeden Augenblick wieder aufwachen.
Traugott Tamm.
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