Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1928


[Miszelle]

Bücher- und Zeitschriftenschau

 

Otto Bötticher, Lauenburgisch-Preußisches Vereinigungsrecht. *)

"Seit Jahren mehren sich die Streitigkeiten zwischen der Preußischen Regierung und dem Lauenburgischen Landeskommunalverbande wegen seiner Rechte, die er gelegentlich der Einverleibung des Herzogtums Lauenburg in Preußen als preußischer Kreis erhalten hatte. Die Lasten, die ihm damals, als ihm das große Domanium als Landeigentum übereignet wurde, auferlegt worden sind, die Aufgaben, die er als Kreis-Kommunalverband einerseits und als ein den Provinzial-Kommunalverbänden gleichender Landes-Kommunalverband andrerseits übernommen hat ..., all das ist eine Quelle unaufhörlicher Streitigkeiten geworden. - Die Haltung des lauenburgischen Kreistages und des Kreisausschusses, die Art, in der auch von Mitgliedern dieser Körperschaften der Streitfall in der Öffentlichkeit behandelt wurde, zeigten, wie notwendig es sei, über die Geschichte der Einverleibung ... in weiteren Kreisen Klarheit zu schaffen.

- Es handelt sich nur um die eine Aufgabe, die ... Streitigkeiten ... des politischen, parteipolitischen und persönlichen Einschlages zu entkleiden und damit die Möglichkeit sachlicher Auseinandersetzung zu schaffen. - Auf Grund der geschichtlichen Darstellung soll die staatsrechtliche Lage an der Hand des Einverleibungsgesetzes selbst geprüft werden."
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*) Die Schriftleitung sieht es als ihre Pflicht an, ihren Lesern von der eingehenden Arbeit Dr. Böttichers durch die Feder eines berufenen Fachhistorikers Kenntnis zu geben. Sie betont aber, daß sie sich das Urteil des Herrn Krititers nicht in allen Punkten zu eigen macht.


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Vortrefflich! Gerade das ist. was die Lage der Dinge zwischen Lauenburg und Preußen gebieterisch verlangt, und was vom einen wie vom andern Lager bisher noch keiner unternommen, geschweige denn geleistet hat. Dr. Bötticher hat sich durch das Dornige dieser Aufgabe nicht zurückschrecken lassen; er ist ihr mit großem Fleiß und Scharfsinn zu Leibe gegangen, und wenn es dem Rezensenten gestattet ist, über seine Abhandlung sein Schlußurteil schon hier vorwegzunehmen, so lautet dieses folgendermaßen: Bis auf unwesentliche und Nebenpunkte ist dem Verfasser die eine und Haupthälfte seiner Aufgabe durchaus geglückt; es ist nach seiner staatsrechtlichen Untersuchung und Darlegung nunmehr jedermann über das "WESEN lauenburgischen Sonderrechts eine klare Vorstellung sich zu verschaffen in der Lage". Allerdings über die andre Hälfte, das WERDEN dieses Rechtes, nicht ganz in gleichem Maße. Denn der erste Abschnitt der Abhandlung, die GESCHICHTLICHE ENTWICKLUNG DER VEREINIGUNG DES HERZOGTUM LAUENBURGS MIT DEM KÖNIGREICH PREUSZEN, läßt die Eigenart des Verfassers, seine parteipolitische (und propagandistische) Einstellung an so vielen Stellen durchschimmern, daß er da selbst wohl nicht wird behaupten können, seiner eigenen Forderung, Hintanhaltung "des politischen, parteipolitischen und persönlichen Einschlages", überall gerecht geworden zu sein. Ein Mangel, der um so bedauerlicher ist, als sich infolgedessen des Verfassers Hoffnungen auch nicht restlos erfüllen können, sondern sicherlich die "beteiligten Faktoren, vor allem die im öffentlichen Leben stehenden Persönlichkeiten ..., aber auch ein weiter Kreis der Bevölkerung", zum Teil sich werden abgehalten fühlen, die hier aufgeschlossenen Quellen der Belehrung so auszuschöpfen, wie sie nach andrer Richtung es voll verdienen.

Für diesen Mangel an geschichtlicher Objektivität ein paar Belege.

Am 4. Juni 1864 richtete die Ritter- und Landschaft an die Könige von Preußen und Hannover und an die Bundesvertretung eine Adresse, in der Dr. Bötticher die erste offizielle Äußerung des Landeswillens sieht, "zugunsten eines EINIGEN DEUTSCHEN REICHS auf Selbständigkeitsrechte zu verzichten". Nun hatten aber ein solches Reich mit preußischer Spitze bis dazumal nur einzelne auserwählte Geister gepredigt, und lauenburgischer Landeswillen war das weder noch konnte es das schon sein, vielmehr rief die Adresse gerade zur Wahrung der Selbständigkeit und verfassungsmäßigen Rechte des Landes auf, bedeutete also viel eher einen partikularistischen Notschrei an den Bund und an den Welfen, dem ländergierigen Preußen in den Arm zu fallen, - gab es ja doch nirgendwo erklärtere Feinde jeglicher deutschen Einheitsbestrebung als zu Frankfurt und Herrenhausen, und hatten ja eben erst, am 14. und 15. Juni, im lauenburgischen Landtage die Vertreter der landtagsfähigen Güter die Rechte der dänischen Krone als noch zu Recht bestehend anerkannt! -

Nun, mit solchen Regungen wußte man von Berlin aus fertig zu werden: Bismarck gab es durch den Minister Grafen Bernstorff dem Landsyndikus Wittrock unter den Fuß, die Landesvertretung möge doch "FREIWILLIG" den Wunsch äußern, an Preußen angeschlossen zu werden, - ein Wink mit dem Zaunpfahl, der ganz daran erinnert, wie nachmals, vom Bundeskanzler geschoben, Ludwig II. von Bayern dem Könige Wilhelm die Kaiserkrone antrug! Die Ritter- und Landschaft verstand den Wink auch schnell und nahm den vom Vetter jenes Ministers, dem Grafen Bernstorff zu Wotersen, eingebrachten Antrag auf Anschluß an Preußen (Personal-Union) an, verwahrte sich darin
zugleich aber gegen Antastung der Landesverfassung sowie gegen Aufbürdung von Schulden und Kriegssteuern. - Wo bleibt da die von Dr. Bötticher gepriesene Bereitschaft, Opfer zu bringen zugunsten des Zukunststraumes eines einigen Deutschen Reiches?

Vielmehr ist es in so ziemlich allen Phasen der langwierigen Anschlußverhandlungen das zähe Streben des einen ganz ohnmächtigen Partners gewesen, dem andern, übermächtigen. möglichst viele und gewichtige, hauptsächlich finanzelle Zugeständnisse und Sicherstellungen abzuringen, und wer sollte deswegen ihm einen Tadel aussprechen wollen? Patriotische Gesichtspunkte tauchten da ebensowenig auf wie bei irgendwelchen andern rein geschäftsmäßig geführten Verhandlungen; die preußischen Unterhändler haben dergleichen bei den lauenburgischen auch weder vorausgesetzt noch vermißt oder gefordert. Es war schon viel, daß zwei Abgeordnete der Ritter- und Landschaft, ein ländlicher, Thölcke aus Kuddewörde, und ein stadtischer, Basedow, Bürgermeister der
 

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Stadt Lauenburg, in ihrem Antrage auf vollständige REAL-UNION mit der preußischen Monarchie, in den beigegebenen Motiven sehr einsichtig "die längst gefühlte Hohlheit und Verderblichkeit der deutschen Kleinstaaterei" betonten. Aber dieser Antrag war vom 24. Juli 1867, - also nach der den ganzen Weltteil durchhallenden Abrechnung Bismarcks mit Österreich und den einheitsfeindlichen deutschen Mittel- und Kleinstaaten, sowie nach der geschehenen Einziehung "von Königreichen, Churfürstenthümern und Herzogthümern"; immerhin zeugt es von der erstaunlichen politischen und wirtschaftlichen Urteilsreife dieser zwei Antragsteller, daß sie schon damals die heute erst aktuell gewordene Frage aufwarfen und verneinten, ob denn Zwergstaaten wie Koburg und Gotha, Waldeck, Lippe den durch die neue norddeutsche Verfassung ihnen aufgedrungenen Lasten gewachsen sein würden. Im übrigen haben aber auch sie durchaus nicht die deutsche Einigung im Auge, sondern praktische, wirtschaftliche Ziele, wie Abwehr neuer Lasten, Regelung der Domanial- oder Provinzialfondsfrage, Abschaffung des Meier-Nexus, der Patrimonialgerichtsbarkeit etc. - Der Landtag lehnte diesen Antrag ab, und das Merkwürdige dabei ist, daß zu den ablehnenden Abgeordneten, den Feudalen, den Rittern, sich auch ein städtischer, Senator Thormann, und zwei bäuerliche, Grote und Hardekopf, gesellt hatten. Damit jedoch verliert Dr. Bötticher jegliche Berechtigung, diesen Antrag Thölckes-Basedow als Ausfluß von "tiefen Strömungen unter Bürgern und Bauern" hinzustellen; und förmlich bei den Haaren herbeigezogen scheint es, weun er bedauernd klagt, daß auch hier wiederum Deutschlands großer Außenpolitiker "nicht den Zusammenhang zu finden vermochte mit dem Drängen des deutschen Liberalismus nach einem einigen deutschen Vaterlande!"

Überall hat es den Anschein, als ob Dr. Böttichers Geschichtsauffassung durchaus die der unbelehrbaren Mehrheit des preußischen Konflikts-Landtages sei. Er scheint ungern anerkennen zu wollen, daß die deutsche Einigung, die in der Tat eine liberale Forderung gewesen ist, ihre Verwirklichung doch dem Manne des Blutes und Eisens zu danken hat, und daß die altliberale Konfliktsmehrheit dazu noch weniger beigetragen hat als die warmherzigen Illusionisten der Paulskirche. Wie die Konfliktsleute damals der Innenpolitik, gegenüber der äußeren, den unbedingten Vorrang zuerkannt haben, so heute auch wohl Dr. Bötticher. In Bismarcks notgedrungen oft verhüllter Förderung der Einheitsidee sieht er "verfassungsrechtlich bedenkliche Zustände«, so auch mit dem preußischen Landtagsabgeordneten Bähr in der lediglich auf dem Verordungswege geschaffenen Ausdehnung der preußischen Gerichtsbarkeit über Lauenburg "eine Belastung des preußischen Staates, welche nicht ohne Zustimmung der Landesvertretung erfolgen dar". Daher ist ihm auch die Personal-Union eigentlich etwas Verfassungswidriges; er spricht in diesem Zusammenhange "gegen Bismarcks Verfassungsbruch" und macht sich die Auffassung der Konfliktsmehrheit zu eigen, daß der König nach Art. 55 der preußischen Verfassung "ohne Einwilligung beider Kammern nicht Herrscher fremder Reiche", also Herzog von Lauenburg werden könne. Als ob der angezogene Artikel nicht zweifellos nur auf völkerrechtliche Undinge wie die Bindung Schleswig-Holsteins an die dänische, oder Limburgs und Luxemburgs an die niederländische Krone, also an volksfremde Länder und Herrscher, gemünzt gewesen wäre! Als ob auch ohne Albernheit das deutsche Bundesländchen Lauenburg ein "fremdes Reich" hätte genannt werden dürfen!

Im übrigen ist hier nicht außer acht zu lassen, daß nirgends in Lauenburg von Begeisterung für das Aufgehen in Preußen etwas zu spüren gewesen ist, auch oder erst recht nicht bei Bauern und Bürgern. Zu lange hatte das Ländchen in Enge und Dumpfheit dahingelebt, hatte ja seinerzeit auch an Schleswig-Holsteins Erhebung nicht teilnehmen mögen. Schon 1865, bei der Besitzergreifung, war das Mißtrauen gegen Preußen vorwiegend; bald zeigte sich deutliche Mißstimmung, - ein Symptom davon ist, daß, als der preußische Kronprinz aus Privatbesitz den Sessel käuflich zu erwerben wünschte, von dem aus der König-Herzog die Huldigung der Stände entgegengenomnien hatte, den Boten die Antwort zuteil ward: "Einem Preußen verkaufe man nichts!" Dr. Bötticher hebt die "herzhafte Grobheit" dieser Abfertigung hervor; Rezensent meint, es ließe sich dafür wohl eine noch treffendere Bezeichnung finden, freilich eine nicht ganz parlamentarische.
 

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Wie schon eingangs bemerkt, ist es im Interesse der Bötticher'schen Abhandlung selber zu bedauern, daß ihr erster, der geschichtliche, Abschnitt reichlich oft die Un- und Uberparteilichkeit vermissen läßt. Das gilt aber nicht von Abschnitt II, dem STAATSRECHTLICHEN TEILE. Will man hier etwa noch eine Ausstellung machen, so wäre es die, daß es sich würde empfohlen haben, das Vereinigungsgesetz mit dem angehängten Vertrage nicht auszugsweise und in Anmerkung, sondern dem vollen Wortlaute nach und im Texte selbst abzudrucken. Im übrigen ist Rezensent durchgehends derselben staatsrechtlichen Auffassung wie der Verfasser, und war er es früher nicht, so ist er durch ihn bekehrt worden. Wer sich über die lauenburgischen Sonderrechte unterrichten will, findet hier alles Nötige ausgeführt, geprüft und lichtvoll auseinandergesetzt: Die lauenburgischen Sonderrechte sind vertragliche und gesetzliche Zugeständnisse uicht wesentlich politischer, sondern wirtschaftlicher Art; sollte dennoch der Staat nach diesen wirtschaftlichen Rechten die Hand ausstrecken, so würde der Landeskommunalverband vor den ordentlichen Gerichten mit einer Privatklage gegen den Staat jederzeit sein recht zurückzugewinnen in der Lage sein. Anders steht es um die rein-politischen Streitfragen: Rezensent sieht mit Dr. Bötticher z. B. in dem preußischen Gesetz vom Oktober 1925, betreffend die Provinziallandtagswahlen, keine Beeinträchtigung der Sonderrechte; zu letzteren sind die alten Wahlbestimmungen aus der Provinzialordnung von 1888 überhaupt nicht zu zählen, denn was für die ganze Monarchie Geltung hatte, setzte "für Lauenburg nur Rechte, die mit den Rechten der anderen preußischen Kreise Schleswig-Holsteins vollständig übereinstmmten". Und sehr glücklich ist da Dr. Böttichers Formulierung: Das Wahlgesetz vom Oktober 1925, weit davon entfernt, die Sonderrechte Lauenburgs anzutasten, "hat vielmehr neues Sonderrecht geschaffen«, indem ihm zufolge Lauenburg einen abgeschlossenen Wahlbezirk bildet, an der Stimmenaufrechnung über die ganze Provinz nicht teil hat und, unabhängig von seiner Einwohnerzahl, drei Abgeordnete hat. Schon Bismarck selber hat mehrmals über Lauenburgs Sonderstellung sich dahin ausgesprochen: Im wesentlichen beschränkt letztere sich auf vermögensrechtliche Punkte, und jede Abänderung dieser macht die Zustimmung der Kreisvertretung nötig. Im übrigen jedoch ist die preußische Gesetzgebung souverän und behält, unter Voraussetzung der Berücksichtigung des Vertrags, die Hände frei!

Zustimmen möchte der Rezensent auch der Stellungnahme Dr. Böttichers zu den Hauptleitsätzen des Perelschen Gutachtens. Der hamburgiscche Staatsrechtler bemüht sich um den Nachweis, daß jener lauenburgisch-preußische Staatsvertrag auf die Gesetzgebung der ganzen Folgezeit fortwirke, nicht nur auf das Vereinigungsgesetz, sondern auf alle Lauenburg etwa künftig betreffenden Gesetze, und so auch auf die Bestimmungen der Provinzialordnung. Bei konsequenter Durchführung dieser Forderung hätte Prof. Perels logischerweise den Kreis Herzogtum Lauenburg auch von sämtlichen Folgen des Umsturzes von 1918 eximieren müssen: zweifellos wird ja der preußisch-lauenburgische Staatsvertrag durch die Einführung der republikanischen Staatsform verletzt, denn nicht in den Freistaat, sondern in die Monarchie Preußen wurde damals das Herzogtum Lauenburg einverleibt; ebenso kann die Weimarer Verfassung, da sie dem Kreise sein vertragliches Sonderrecht nimmt, einen eigenen Landtagswahlkreis zu bilden, für letzteren keine Gültigkeit besitzen! Man sieht, in dieser schroffen Formulierung ist die Forderung von Professor Perels nicht durchzuführen. Wenn sich dieser aber für seine Auffassung auf so ungreifbare Dinge beruft wie "geläutertes juristisches Empfinden", ja, auf die "bindende Kraft des politischen Sittengesetzes" (was ist das und wo gibt es das?), so kann ihm Rezensent, und werden ihm auch wohl seine Fachgenossen, auf diesen schwankenden Boden nicht folgen.

Zu den Bestimmungen des Einigungsgesetzes, die Perels für unabänderbar erklärt, zählt auch § 8: "Der lauenburgische Landeskommunalverband bildet IN SEINER GEGENWÄRTIGEN BEGRENZUNG einen besonderen kreisstädtischen Verband mit den Rechten einer Korporation." Auf diese Formiuierung hat seiner Zeit der lauenburgische Vertragspartner besonderen Wert gelegt, weil er befürchtete, es würden sonst, etwa im Falle der administrativen Vergrößerung des Kreises Herzogtum Lauenburg, auch Nicht-Lauenburger den Anspriich erheben können, teilzunehmen an den Erträgen des Landesdomanial-Vermögens. Selt-

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samerweise steht hier Dr. Bötticher einmal auf Prof. Perels Seite. Rezensent indessen möchte zu bedenken geben, daß gerade diese Festlegung auf die "gegenwärtige
Begrenzung" vielleicht am ehesten bestimmt sein mag, zu fallen und abgeändert zu werden, da gerade von ihr gelten könnte, was das Kgl. Preuß. Herzogl.
Lauenburgische Staatsministerium am 29. Januar 1871 den lauenburgischen Ständen geschrieben hat: "Haben sie (die jetzt neu zu gründenden Verhältnisse) sich in der Tat überlebt, dann leisten, wie die Erfahrung lehrt, auch die größten Kautelen keine Hülfe. Die Änderung vollzieht sich mit oder wider Willen der Beteiligten und in letzterem Falle in der Regel zu deren Schaden". Rezensent nimmt dieses Zitat aus dem Perel'schen Gutachten hier auf im Hinblick auf die Möglichkeit, wenn nicht sogar Wahrscheinlichkeit, daß in nicht allzu ferner Zukunft über das ganze Reich hin von den Einzelstaaten die Enklaven gegenseitig ausgetauscht werden; da könnten die Enklaven, die heute den Kreis Herzogtum Lauenburg durchsetzen, durchlöchern und so dessen Verwaltung nicht wenig erschweren, natürlich keine Ausnahme bilden. Und auch schon bei Regelung der großhamburgischen Gebietsaustauschforderungen würde derselbe Fall eintreten; desgleichen, wenn es, was durchaus im Bereiche des Möglichen liegt, auf dem Wege der Volksabstimmung zum Wiederanschluß des (ursprünglich lauenburgischen) Landes Ratzeburg an sein Mutterland Lauenburg käme: eine Eventualität, wovon, gelegentlich der Einweihung des Schaalseekanals, bereits öffentlich, wenn auch nur scherzenden Tones, geredet wordeu ist ... Wie würde es in diesen Fällen mit dem Mitgenuß der lauenburgischen Domänen von seiten der Neueinverleibten, aber auch mit der Schadloshaltung der durch Austausch dem Lande Verlorengehenden zu halten sein?

Nun, das wären Zukunftfragen, und die würde die Zukunft schon zu beantworten wissen. Aus dem Lauenburgisch-Preußischen Vereinigungsrechte aber, wie es durch die verdienstvolle Arbeit Dr. Böttichers nunmehr jedermann vor Augen hat, scheint vor allem das eine zweifellos hervorzugehen: Für die Gegenwart wie schon zu Bismarcks Zeiten ist es die erste Forderung, daß sowohl der preußische Staat wie der Kreis Herzogtum Lauenburg jedesmal vorm Auftauchen einer abermaligen Streitfrage sich friedlich-schiedlich über eine Ausgleichsformel verständigen und einigen. Sollte sich das einmal nicht ermöglichen lassen, so würde sofort, trotz Vereinigungsgesetz und Vertrag, aus dem normalen Verhältnis der zwei so ungleichen Größen eine SOCIETAS LEONINA werden. "Denn das übergeordnete - nicht nur das mächtigere - ist der preußische Staat".

Zum Schlusse möge noch ausgesprochen sein, daß Rezensent es begrüßt haben würde, wenn Dr. Bötticher auch die Rechtsstellung des lauenburgischen Domaniums in einem höchstwichtigen Punkte ausführlich behandelt hätte: Seit dem Übergange in den Besitz des Landes-Kommunalverbandes hat dieses, wie es in den Motiven des Vereinigungsgesetzes heißt, "die Eigenschaft als Staatsgut verloren"; was ist es aber alsdann geworden? - Der Anspruch des Kulturamtes zu Oldesloe, daß es für Siedlungszwecke Land abzutreten habe, ruht zwar jetzt, könnte aber jeden Augenblick wieder aufwachen.

Traugott Tamm.



 


 

 

 

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