"Jedes neue kulturelle Beginnen symbolisiert
sich zuerst im Raum. Und bisher zeigt die Geschichte, das; die
Auseinandersetzung mit dem Raumproblem sich vornehmlich im
Kultbau manifestiert.
Unsere Hoffnungen würden zu weit gespannt sein, wollten wir in
dem heute vorhandenen Material, das uns die Baukünstler aus den
letzten zwei Jahrzehnten bieten, schon Ideen und Entwürfe in
Vollendung des Geistes der neu sich gestaltenden Auffassung und
ihres Ausdrucks erkennen.
Die Wandlungen des Wesens kirchlichen Kultes, besonders der
Liturgie, bedingen die sich fortwährend entwickelnde Raumform
des Kultbaues. So wird es verständlich, daß innerhalb
christlicher Kunst der katholische Kirchenbau aus frühester Form
einen sich dauernd und fortlaufend verändernden Ausdruck fand,
und daß die aus der katholischen Kirche geborenen andersartigen
Bekenntnisse des Protestantismus zu wieder anders gearteter
Raumform drängten. So ewig auch die alten Grundgedanken der
Kirchenbaukunst sind, in allen Bekenntnissen spüren wir den
schöpferischen Willen lebendig, aus neuer Art des Erkennens und
Fühlens der unveränderlichen
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*) Am Sonntag, 30. März, wnrdc die
neuerbantc Kirche in Wohltorf feierlich eingeweiht. Ein
schlichtcr und doch stolzer Bau, hoch über der Straße
Wohltorf-Aumühle gelegen. Das Äußere erscheint nur als die
einfach gegliederte Hülle des wunderooll harmonisch gestalteten
Innenraums. Dieser aber führt geraden Wegs auf den
lichtüberfluteten Altar mit dem darüber hängenden, das Ganze
beherrschenden Kruzifix zu. "Kommt her zu mir alle, die Ihr
mühselig und beladen seid!" spricht dort der friedvolle
Gekreuzigte, dessen Hände sich öffnen, als wolle er die zu ihm
Kommenden empfangen.
Wir freuen uns, in dem vorliegenden Aufsatz die Gedanken
wiedergeben zu können, die den Schöpfer des Baues, Herrn
Regierungsbaumeister C. G. Bensel, bei seiner Arbeit beseelten.
Die Schriftleitung.
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christlichen Wahrheit immer wieder
künstlerisch neu zu gestalten. Wir spüren heute die Wandlungen unserer Zeit,
neues Wollen und Müssen zu neuem Sinn und neuer Form."
Wenn ich diese Eingangsworte meines Aufsatzes "Neuer Kirchenbau" ("Der Kreis"
November 1927) anwende auf ein neu vollendetes Werk, die Kirche zu
Wohltorf, so stelle ich bewußt auch in diesem Kultbau die Raumform als das
Wesentliche voran.
Im inneren Raum, der auch die äußere Form bedingt, wird der Gedanke lebendig, an
Stelle des in dem letzten Jahrhundert allein im Vordergrund stehenden
Predigtwortes eine vielseitige Wortverkündung, eine Leben gewinnende Liturgie,
und die Sakramente als Wortverkünder zu setzen. Und da im evangelischen
Bekenntnis nur Hinweise auf die göttliche Wirklichkeit gegeben werden, da im
Sakrament nur Symbol erkannt wird, da die Wortverkündung sammelt und aufschließt
zu dem Zentralgedanken der Gnade, so geht uns die Symbolkraft des evangelischen
Gottesdienstes auf - und hell erscheint uns ein Symbol, das Zeichen des Kreuzes,
im Mittelpunkt des Kultraumes stehend. Um dies Symbol sammeln sich der
Abendmahltisch, der Platz für liturgische Lesung und Predigt und der Platz für
das Taufsakrament.
Das waren die Gedanken, die den Langraum und Kultraum zu einer Einheit
gestalteten und das Symbolum, das große Kreuz, als raumbeherrschend erstehen
ließen.
Einfachheit und dennoch Größe des Innenraums unterstützten den Hauptgedanken.
Die Lichtführung durch Seitenfenster des Altarraums und durch ein Kreuzfenster
der dem Kultranm gegenüber liegenden Eingangsseite kann heute nach Vollendung
als wirksam zum gleichen Ziel erkannt werden. Das Langschiff, nur mit
tiefliegenden runden
Lesefenstern versehen, bleibt mit seinen einfachen geschlossenen, fensterlosen
Wänden der Ruhe und Stille gebende und Sammlung zum Kultraum ermöglichende
Raumgcstaltungsfaktor. Eine Dynamik zum Zentralpunkt, dem Symbolum, wird stark
fühlbar.
Aus dem Zusammenklingen des Raums und des schwebenden Symbolums wird erst das
letzte Erlebnis des sakralen Raums. Hier konnte eine Einheit nur aus dem
gleichen Wollen von Architekten und Bildhauer, die sich voll gleicher
gegenseitiger Resonanz verstanden, entstehen.
Daß die äußere Form den einfachen Langbau mit Altarranm in gleich einfacher
Gestaltung zeigen mußte, ist selbstverständlich. Mit dieser einfachsten
Grundform wäre auf dem Hügel, dieser bevorzugten landschaftlichen Lage, genug
geschehen. Aber Glocken verlangen einen höheren Bau oder gar Turm noch hinzu.
Eingangsbau mit seitlichem
Glockenturm legen sich vor den Langbau. Bewußt wurde der Turm seitwärts
gestellt, um eine Symetrie [sic!] auf dieser von
Natur gegebenen bewegten Hügellage zu vermeiden.
Die ästhetische Formgebung des gesamten Äußern hält sich an das heutige
Kunstwollen der neuzeitigen Architektur, klare einfache
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Die neue Wohltorfer Kirche.
Mit gütiger Genehmigung des Verlages aus
"Die Baugilde", Organ des BDA. (Heft 23/1929).
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Raumformen als das zuerst Gegebene. Reichere Betonungen sind nur
an 2 Stellen zu finden, die Kreuzgruppe, dem Tal und der weiten
Ebene zugewendet, und der plastisch umrahmte Eingang.
Als wertvolle künstlerische Mitarbeiter seien vor allem der Bildhauer W. v.
Ruckteschell, Dachau b. München, als Schöpfer des Symbolums und der
Altarleuchter und der Glasmaler Christel Kuball, Hamburg, als Schöpfer der
Glasfenster genannt.
Der Altarraum der Wohltorfer Kirche.
Phot.: Gebrüder Dransfeld-Lamburg.
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