In dem Choralbuch, das soeben zusammen mit dem
neuen Gesangbuch in einem Teil Norddeutschlands eingeführt wird,
findet sich eine spezifisch lauenburgische Melodie. Es ist die
Melodie zu dem Weihnachtsgesang Paul Gerhardts "Wir singen dir
Immanuel" von August Catenhusen. Diese wahrhaft jubelnde
Weihnachtsmelodie wird schon seit vielen Jahren wohl in allen
Kirchen Lauenburgs mit Freuden gesungen; aber sie ist bis dahin
wohl kaum über die Grenzen unseres Ländchens gedrungen. Jetzt
wird das anders werden, und daher ist es wohl an der Zeit etwas
über sie und ihren Komponisten zu sagen. August Catenhusen war
der dritte Sohn des bekannten lauenburgischen
Superintendenten Catenhusen. Er ist am 13. Februar
1823 zu Lauenburg a. E. geboren, wo sein Vater zu
der Zeit Diakonus war. Schon als Kind trat bei ihm eine starke
musikalische Begabung hervor, und schon in früher Jugendzeit
wandte er seine ganze Liebe der kirchlichen Musik zu. Wenn er
Gelegenheit fand, Orgel zu spielen, so war er glücklich, und
bald meisterte er, ohne besondere Anweisung, die Register und
Pedale dieses Instruments, so daß alle, die ihm zuhörten, sich
verwunderten. Als er 11 Jahre alt war, wurde sein
Vater als Superintendent nach Ratzeburg berufen, und August
konnte nun dort zusammen mit seinen Brüdern das Gymnasium
besuchen, das sich damals noch auf dem Domhof befand. Als er mit
der Schule fertig war, durfte er sich ganz seiner geliebten
Musik widmen. Er ging auf das Konservatorium zu Kassel, das
damals von dem noch heute rühmlich bekannten Musiker und
Komponisten Ludwig Spohr geleitet wurde, der sich lebhaft für
August und sein Studium interessierte und sich selbst seiner
annahm. Als er seine Studien beendet hatte, galt sein erstes
Werk seiner engeren Heimat. Im Jahre 1841 war für
Lauenburg eine neue, vielfach geänderte Auflage des Gesangbuchs
herausgegeben; für dieses Gesangbuch arbeitete er ein Choralbuch
aus, das im Jahre 1852 unter dem Titel:
"Lauenburgisches, Vierstimmiges Choralbuch von
A. Catenhusen" erschien. Es ist eine feine, sorgfältige und auch
originelle Arbeit, die ihrem Verfasser alle Ehre macht. Leider
sind die Choräle, wie in fast allen älteren Choralbüchern,
reichlich hoch gesetzt, so daß sie nicht ganz bequem zu singen
sind. Vielleicht kommt das, weil die alten Klaviere tiefer
standen als die jetzigen. Vielleicht aber war auch die Lage der
menschlichen Stimme früher eine durchweg höhere als heute;
wenigstens hat in alten Zeiten nie jemand über eine zu hohe Lage
der Choräle geklagt. - Man darf dies Choralbuch originell
nennen, weil in demselben Melodien sind, die man sonst nirgends
findet; manche davon sind wieder spezifisch lauenburgische
Melodien. Da ist vor allem der Organist Schmügel, von dem nicht
weniger als 29 Weisen in Catenhusens Choralbuch
aufgenommen sind. Diese Melodien sind nicht alle
gleichwertig, wie auch nicht die Gesänge, zu denen sie gemacht
sind; aber manche unter ihnen sind doch wertvolles Gut und wohl
wert, der Nachwelt erhalten zu werden; wie denn überhaupt Joh.
Chr. Schmügel, der lange Jahre an der
1930/2 - 71
1930/2 - 72
St. Nikolaikirche in Mölln als Organist
wirkte und im Jahre 1798 in Mölln starb, eine Persönlichkeit ist,
die in Lauenburg eigentlich nicht vergessen werden dürfte.
Auch von August Catenhusen selbst finden sich außer der bekannten
Weihnachtsmelodie noch verschiedene andere Weisen in seinem Choralbuch, von
denen allerdings das erwähnte Weihnachtslied unstreitig am sangbarsten und
volkstümlichsten ist. Mindestens gleichwertig diesem Lied an die Seite zu
stellen ist aber die tief ergreifende Tonweise zu "O Welt, sieh hier dein
Leben". Auch eine Melodie von ihm zu "Fröhlich soll mein Herze springen" ist
sangbar und sehr ansprechend. Bei allen Chorälen, die er in sein Buch
aufgenommen hat, ist er bestrebt gewesen, die schönsten und wertvollsten
Tonsätze zu finden, so daß jedem, der ein Ohr dafür hat, ein reiner und reicher
Genuß geboten wird.
So hat denn Catenhusens Choralbuch lange Jahre den Kirchen und Häusern
Lauenburgs dienen dürfen, bis auch da Neues kam und das Alte in den Hintergrund
drängte.
Leider fand August Catenhusen für die Dauer in Deutschland kein befriedigendes
Feld für seine Tätigkeit. Er wandte sich deshalb nach England, wo bekanntlich
deutsche Musiker zu allen Zeiten sehr geschätzt waren und es auch noch heute
sind. Zunächst war er in Liverpool tätig als Organist und Leiter eines
Konservatoriums, später wurde er zu einer gleichen Stellung nach London berufen.
In sein deutsches Vaterland ist er nie wieder zurückgekehrt; aber er ist auch in
der Fremde Deutscher geblieben, und auch seine Frau war eine Deutsche. Er starb
in London hochbetagt im Juni 1907.
|