Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1930


[Miszelle]

Bücher- und Zeitschriftenschau

 

Aus vier Generationen der Familie Matthias Claudius. Nach Aufzeichnungen von Andreas Claudius. Verlag von Martin Warneck, Berlin. 1929. - In Ratzeburg schrieb der Enkel des Wandsbecker Boten schon im Januar 1911 das Vorwort zu seinem Buch. 1915 starb er. Erst 14 Jahre später konnten die anspruchslosen Erzählungen die Presse verlassen. Der Titel ist nicht glücklich

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gewählt, besser hätte man sagen sollen: Johannes Claudius, ein Sohn des Wandsbecker Boten. Denn dieser ist eigentlich der Held des 219 Seiten umfassenden Buches. Es beginnt: "Am 3. September 1776 schrieb Matthias Claudius an Herder: "Ich hätte gern einen Knaben, wenn mir Gott einen geben wollte." Es schließt mit einem Danklied des alten Mannes, des Pastors zu Sahms, nach schwerer Krankheit. Und zwischen Anfang und Ende ersteht vor dem Leser EIN LAUENBURGER PREDIGERORIGINAL aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Nach sonniger Kindheit im Elternhause zu Wandsbeck, der Lehrzeit in Hamburg, dem Studium der Theologie in Kiel, wozu ihn dies Neigung seines Herzens drängte, und der Hauslehrerjahre bei dem Bruder des "Marschall Vorwärts" in Altona berief ihn Graf Bernstorff-Wotersen zum PFARRER VON SAHMS bei Schwarzenbek. In der St. Petrikirche zu Ratzeburg hielt Johannes Claudius seine Aufstellungspredigt vor dem Landessuperintendenten (Wyneken, NICHT Catenhusen, wie S. 51 unrichtig bemerkt!) und fuhr durch feindliche Posten - es war das Jahr 1813 -, im Ornat als Feldprediger erscheinend, sicher nach Wandsbek zurück. Mitten im Kriege begann er Ehestand und Pfarramt in dem damals noch ",weltentlegenen Erdenwinkel". Mit Spannung liest man vom Pfarrer und seiner Gemeinde in der eisernen, leidvollen Zeit, in der der junge Pastor aufs engste mit seinen Pfarrkindern durch das gemeinsame Kreuz zusammengeschweißt wird. Johannes Claudius war ein ganzer Mann. Ob ihm auch der Kosak die Pistole aus die Brust setzt, er herrscht ihn an: "Schieß zu, Hund, wenn du recht tust!" Wie eine Mauer stand er vor seinen Gemeindegliedern und schützte ihnen Hof und Herd, Acker und Vieh. HOCHINTERESSANTE EINZELHEITEN werden in diesem Abschnitt ÜBER DIE LEIDEN UND BEWAHRUNGEN WÄHREND DES BEFREIUNGSKRIEGES berichtet. Aus all dem Jammer aber reckt sich die Gestalt des Pastors von Sahms hervor, der würdige Sohn des kindlich gläubigen Wandsbecker Boten, voll Gottvertrauen, Zuversicht und Dankbarkeit, ein Mann der Tat und Vollmacht. Dann gewinnen wir ein farbenreiches Bild der Parochie Sahms, über Kirche und Schule, Wirtschaft und Handel, Arbeit und Lohn, Mißernte und Cholera, Wilddieberei und Aberglaube. Neben und mit dem Pfarrer Johannes wirkte seine an Herzensgaben reiche Frau, die man in der Gemeinde gern "Uns' Mama" nannte. Den Wandsbecker Boten sehen wir leider nur einmal im Pastorate einkehren. Aber wir lesen den berühmten Brief, den er an seinen Sohn Johannes geschrieben hat. Es war eine kirchengeschichtlich bewegte Zeit, als Johannes Claudius Pfarrer von Sahms wurde. Nationalismus und Moralismus beherrschten die Kanzeln noch, aber schon brach Morgenlicht durch das Dunkel. Zu den Herolden des Herzensglaubens gehörte neben Catenhusen in Lauenburg, später in Ratzeburg und Zurhelle in Hohenhorn der Sohn des Wandsbecker Boten. Er war ein Freund Fliedners des Diakonissenvaters, Spittas, des hannoverschen Sängers inniger Glaubenslieder, und Wicherns, des Vaters der Inneren Mission. Durch Johannes Claudius wurde Sahms der Mittelpunkt einer theologischen Konferenz, die den Kreis bibelgläubiger Theologsen vereinigte. Über die Wichernschen Missionspläne wurde im stillen Pastorat zu Sahms verhandelt, ehe das Rauhe Haus erworben wurde. Der "abgelegene Erdenwinkel" war zugleich der Mittelpunkt einer Lesegesellschaft, zu der neben den Geistlichen des Landes auch der Direktor Arndt von der Ratzeburger Gelehrtenschule gehörte. Ferner erhob der von Hause aus musikgewohnte Pastor sein Pfarrhaus zu einem  musikalischen Brennpunkt. Er begründete eine Liedertafel, beherbergte Künstler und pflegte die Kammermusik. In Hamburg und Lübeck war er als Baßsolist bei der Aufführung von Oratorien bekannt. Den Heimatforscher interessiert, daß Johannes Claudius von Jugend auf eine Passion für ALTE URNEN besaß. Auf dem "Böllmer" zwischen Sahms und Müssen hat der Sammler einst Urne neben Urne gefunden. Nach seinem Tode wanderte die wertvolle Sammlung nach dem Museum in Kopenhagen. Man kann sich vorstellen, daß seine so vielseitige, starke Persönlichkeit als Landessuperintendent eine noch reichere Tätigkeit hätte entfalten können. Doch als er solchen Ruf erhielt, lehnte er ab. Was uns das Lesen des Buches zu besonderer Freude macht, ist DER SONNIGE HUMOR, der uns daraus entgegenlacht. Der frohe neckische Geist des Wandsbecker Boten strahlt auch aus dem Pfarrhause zu Sahms und aus dem schlichten Plaudern des Enkels. Ein fröhliches Buch voll Heimatduft. Menschen, die neue Freude suchen und die Heimat lieben, MÜSSEN es lesen!

 F.-H.


 


 

 

 

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