Gegen die mit Raubrittern gemeinsame Sache
machenden Herzoge von Sachsen-Lauenburg gingen die Hansestädte
Hamburg und Lübeck im Jahre 1420 kriegerisch vor.
Die notorische Geldklemme zwang den Fürsten vielleicht wider
Willen in die Gesellschaft der Schnapphähne, aber andererseits
galt es ja keineswegs als unehrenhaft, den seine Straße
ziehenden Kaufmann, den Bärenhäuter und Pfeffersack, zu
überfallen und zu schröpfen. So wurden die von Hamburg und
Lübeck ausstrahlenden Handelsstraßen immer unsicherer. Allen
Geleitsbriefen, die die Fürsten für schweres Geld erteilten, zum
Trotz überfiel man die Warenzüge bei hellichtem Tage, nahm die
Waren weg, führte die Kaufherren
1930/3 - 101
1930/3 -102
und ihre Leute in finstere Burgverließe, um möglichst hohes
Lösegeld von ihnen zu erpressen.
Als alle Abmahnungen fruchtlos blieben, griffen die Bürger an Elbe und Trave zur
Selbsthilfe. Reisige Mannen nahmen mit stürmender Hand die festen herzoglichen
Schlösser zu Bergedorf und Riepenburg, und im Perleberger Frieden mußte der
Lauenburger den Städtern zähneknirschend das Bergedorfer Gebiet, ferner die
Vierlande nebst Geesthacht, sowie endlich den halben Herzogen- oder Sachsenwald
abtreten. Im Sachsenwalde bildete die Grenze die bei Aumühle in die Bille
mündende Aue; das Gebiet nördlich der Aue und östlich der Bille gehörte also
seit 1420 den verbündeten beiden Hansestädten, es war
"beiderstädtisch". Mit einem Vorbehalt jedoch! Die fürstliche Jagd nämlich
behielt sich der Lauendurger nicht nur für seine Lebenszeit, sondern auch für
seine Nachfahren bis in die fernsten Zeiten ausdrücklich vor, und zwar im GANZEN
Sachsenwalde, also auch im beiderstädtischen Teile.
Übrigens ist ihr Anteil am Sachsenwalde den Städten beharrlich vom früheren
Besitzer streitig gemacht worden. Die Lauenburger behaupteten, daß ihnen mit dem
Jagdrecht auch die Territorialhoheit verblieben sei, und was ähnlicher
Spitzfindigkeiten mehr waren. Dadurch entstand viel Zank und Streit, und manches
Ries Papier wurde wegen des halben Sachsenwaldes vollgeschrieben; und wenn auch
seinetwegen glücklicherweise keine Ströme Blutes geflossen sind, so doch Ströme
von Tinte. Beinahe allerdings hätte es auch Blutvergießen deswegen gegeben; aber
das wollen wir gleich erzählen!
1549, 1561 und 1648 entschied das
Reichskammergericht, bei dem der Fall mehr als anderthalb Jahrhunderte hing, zu
Hamburgs und Lübecks Gunsten. Bekanntlich vergebens, denn der fragliche halbe
Sachsenwald gehört noch heute zu Lauenburg, wenn auch die Hansestädte bezw. das
(nach dem 1868 erfolgten Verzicht Lübecks auf seinen Anteil) die
Vierlande und Bergedorf allein besitzende Hamburg bis heute nicht rechtsgültig
verzichtet hat. Aber das ist eine arg verwickelte Sache, und wir wollen lieber
vom Schweinekrieg erzählen!
In Hamburg, der Stadt der Ochsenbraten, der Aalsuppe und des Rotspons, hat man
von jeher auch das Schweinefleisch gebührend geschätzt. Die Bürger hielten sich
bis ins 18. Jahrhundert hinein vielfach selber zahlreiche
Borstentiere, die in den neben dem Wohnhause befindlichen Swinkowen
untergebracht waren, meistens aber die Straßen der Stadt ungeniert bevölkerten
und verunreinigten. Zum Herbste aber verließen Tausende von hamburgischen
"Bürgerschweinen", so hießen sie gewissermaßen amtlich, unter der sanften Obhut
zahlreicher Schweinehirten und -jungen, die Stadt zu einem längeren
Erholungsaufenthalt, ehe es ihnen in der winterlichen Eisbein- und Pökelzeit ans
Leben ging. Ihr Ziel war der beiderstädtische nördliche Sachsenwald, da gab es
eine gar leckere Eichel- und Bucheckernmast, die zu benutzen jedem ehrsamen
Hamburger und Lübecker Bürger freistand. Galt doch gerade das Fleisch von
"Bucheckernschweinen" als besonders zart und süß, "nußartig zu schmecken".
Die weidenden städtischen Schweineherden waren aber dem Lauenburger Herzog und
seinen Mannen ein erhebliches Hindernis bei ihrer Jagd. Die Borstentiere
vergrämten das Wild, hielten das herzogliche Jagdgeschwader auf und zwangen es
zu erheblichen Umwegen, und was ähnlicher ärgerlicher Sachen mehr sein mochten.
Wiederholten Males ersuchten die Herzöge, bald höflich, bald grob, die Hamburger
um Entfernung der Schweine zur Zeit der herbstlichen Hofjagden, oder doch darum,
sie wenigstens an bestimmten Stellen zusammenzutreiben. Die Hansestädter haben
das jedoch stets, auf ihr Besitz- und Weiderecht pochend, abgelehnt.
Da ist im Jahre 1671 dem Lauenburger Herzog die hochfürstliche
Geduld gerissen. Fürstliche Gäste sollten sich mit ihm im Sachsenwalde am edlen
Weidwerk ergötzen, aber nördlich der Aue machten die hamburgischen
Bürgerschweine einen Strich durch diese Lustbarkeit; unverrichteter Dinge
kehrten der Herzog und seine Gäste ins südliche Revier Zurück, wütend über den
ihnen angetanen "blutigen Affront". Nun hatten vor einigen Wochen erst die
Hamburger angesichts der friedfertigen Zeitläufte fünfhundert Mann ihrer teuren
Stadtmiliz, die Hälfte beinahe ihrer bewaffneten Macht, abgedankt. Das wußte man
zu Lauenburg sehr wohl und glaubte deshalb, leichtes Spiel zu haben.
Kurzerhand ließ der Herzog alle Bürgerschweine, deren er im beiderstädtischen
1930/3 - 102
1930/3 -103
Sachsenwald habhaft werden konnte, zusammen- und in Richtung
Lauenburg wegtreiben, insgesamt mehrere tausend Stück! - Nun waren die
Jagdgründe frei, und lustig ertönte das lauenburgische Hifthorn!
Kaum aber drang die Kunde von diesem herzoglichen Gewaltstreich nach Hamburg als
Zorn und Trauer sich der gesamten Bürgerschaft bemächtigten. Saftige Braten und
herrliche Schinken sah man ent- und in herzoglich lauenburgische Mägen
verschwinden! Das konnte man nie und nimmer ungesühnt lassen. Der Senat wurde um
nachdrückliche Vergeltung angegangen, vor allem die Knochenhauer, die um ihre
Beschäftigung und den klingenden Schlachtlohn kamen, remonstrierten gar heftig.
Der Senat hielt es für unter seiner Würde, mit dem räuberischen Herzog noch
lange zu verhandeln; flugs entsandte er fast ein halbes Tausend mit Spießen und
Büchsen wohlbewaffnete Reiter und Kriegsknechte. Sie zogen stracks vor
Lauenburg, dem Herzog blutige Fehde und erbarmungslose Erstürmung seiner
Residenz androhend, wenn die geraubten Borstentiere nicht "flugs restituieret"
würden.
Der Herzog war arg betreten, solchen Ungestüm hatte er den Hamburgern nicht
zugetraut. Aber über Truppen verfügte er gerade nicht, hatte auch weder Geld
noch Zeit, solche anzuwerben. So mußte er denn wohl oder übel zu Kreuze
kriechen. Er lieferte die noch lebenden Schweine wieder aus, leistete Ersatz für
die bereits verendeten und meist verspeisten Tiere. Vor allem aber gelobte er
feierlich, wenn auch innerlich tobend, die Hamburger Schweine "hinfüro
unturbieret und unangetastet" zu lassen. Es nützte ihm nichts, daß er sich über
die schweinslüsternen Hamburger lustig machte, ihre korpulenten Ratsherren
boshaft-witzig als porkulent Gezeichnete, er hatte den Schaden und
brauchte für den Spott nicht zu sorgen. Die Hamburger hatten in diesem
Schweinekrieg keinerlei Verluste an Menschenleben zu beklagen, kein Blut war
geflossen; nur ein Reiter geriet mit seinem Pferde in die auf dem Heimwege nach
Hamburg begriffenen Schweineherden, er stürzte dabei, "und ward sein Beinwerk
arg beschädigt".
Das war der hamburgisch-lauenburgische Schweinekrieg anno 1671!
|