Hans Ferdinand Gerhard †.
Phot. A. Hannig Ratzeburg.
1930/4 - (121)
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Hans Ferdinand Gerhard zum Andenken.
Es dürfte schwer sein, für einen ehrenden Nachruf schönere,
einfachere und knappere Worte zu finden, als die, welche der Landrat des
Kreises, Herr DR. Voigt, in der jüngsten Kreistagssitzung vor Eintritt in die
Tagesordnung dem nach schwerem Leiden verschiedenen Landesarchivar DR. H. F.
Gerhard widmete: Dessen Verdienste im einzelnen aufzuzählen, hervorzuheben und
zu würdigen, würde der Eigenart dieses schlichten, bescheidenen Mannes wenig
entsprechen; zudem seien sie bekannt und
anerkannt im ganzen Lauenburger Lande und weit darüber hinaus, und der beste
Dank für all das Große und Schöne, das er dem Kreise geleistet und geschaffen,
könne dadurch ihm abgestattet werden, daß wir seinem Werke die Treue bewahren.
Dann werde dieses Werk noch späten Geschlechtern künden von dem Lauenburgischen
Landesarchivar Hans Ferdinand Gerhard!
Die Kreistagsabgeordneten - es waren sämtliche 25 anwesend -
hatten sich von ihren Sitzen erhoben und dadurch die Mitbürgschaft übernommen
für dies Treuegelöbnis; so, wie es sicher auch sämtliche Mitglieder des
Lauenburgischen Heimatbundes es sich zu eigen machen und bewahren werden. Geht
es doch jetzt um Sein oder Nichtsein des
Hauptteils von H. F. Gerhards Lebenswerke, um die Gefahr, daß nach seinem
vorzeitigen Hingange der ganze dem Heimatgedanken entspringende, daher innerlich
zusammengehörige Bereich, der von dem Verstorbenen gegründete und so rasch zur
Blüte gebrachte Heimatbund selbst, die ebenfalls von ihm so glänzend geleitete
Zeitschrift, desgleichen das von ihm geschaffene Heimatmuseum, auseinanderfalle
und nun jedes dieser Teile vereinzelt anfange hinzusiechen, zu verdorren und
einzugehen. An dem Bunde ist es nunmehr, zu zeigen, daß er kein zufällig
zusammengerufener, bloß eine kurze Weile von starker Hand zusammengehaltener
Haufe ist: Keins seiner Mitglieder ziehe vom Pflugholze die Hand zurück, ein
jeder ackere weiter mit Hingebung den erst halb umgebrochenen Boden, wie der
Heimgegangene es uns angewiesen, und beweise, daß H. F. Gerhard Schule gemacht
hat im Lauenburgischen Lande, und daß der Same, den er ausgestreut, nicht unter
die Dornen gefallen ist oder auf dürres und steiniges Land! Einigkeit macht
stark, und wo kein einzelner sich findet, das Gesamterbe anzutreten, da mögen
die Vielen sich aneinanderschließen und guten Willens mithelfen zum Ziel, ein
jeder an dem, was ihm liegt und was er kennt und versteht, denn es wächst der
Mensch mit seinen größern Zwecken, und erst wo wir alle sagen dürfen, unser
Scherflein haben wir beigetragen, haben wir auch das Recht, des
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von uns Gegangenen uns zu rühmen und von ihm
zu sprechen: Er war unser!
Freilich, Dankbarkeit der Vielen ist allerorts ein seltenes Gewächs, noch
seltener vielleicht bei uns lässigen Deutschen als bei den übrigen Völkern, die
länger und besser als wir in völkischer Zucht gestanden haben. So mögen denn
wenigstens wir Lauenburger uns solch lässiger Gleichgültigkeit und
Vergeßlichkeit nicht schuldig machen. Wandeln wir weiter in des Verstorbenen
Fußstapfen. Bleiben wir treu dem Heimatgedanken, wie vornehmlich er ihn wieder
unter uns lebendig gemacht hat, - dem Heimatgedanken, der heutzutage das einzige
ist, das von dem alten, morschgewordenen deutschen Partikularismus und
Kirchturmspatriotismus noch Wert hat und es verdient fortzudauern bei uns und
unsern Kindern! Vergessen wir nie, daß er es war, der uns das wundervolle
lauenburgische Heimatmuseum geschenkt hat; daß sein Werk auch die reichhaltige
Volksbücherei ist, deren Bände in geregeltem Turnus durch hundert Dörfer und
Schulen, in tausend Häuser laufen; sein Werk die Neuordnung und
wissenschaftliche Nutzbarmachung des Landesarchivs mit seinen vergilbten
Urkundenschätzen; sein Werk, daß überall, auf der Ertheneburg Heinrichs des
Löwen, auf jedem neuentdeckten
Urnenfelde sachkundig ausgegraben ward und wird; sein Werk, daß wie die
kulturelle auch die politische Geschichte unseres Ländchens, vergraben wie sie
war unter dem Schutte der Jahrhunderte, heute uns wieder gegenständlich geworden
ist, dank seinen "Federzeichnungen" aus Lauenburgs Urzeit und Mittelalter, von
den Tagen der Eindeutschung und Christianisierung des wendischen Polabenlandes
bis gegen den Beginn der Neuzeit! Ja, wäre es ihm vergönnt gewesen, länger und
in alter Arbeits- und Forscherfrische unter uns zu weilen und zu wirken, um wie
viel länger würde dann auch das Verzeichnis dessen, was wir ihm zu danken haben,
geworden sein. Da ist vor allem an das geplante lauenburgische Heimatsbuch
[sic!] zu denken: Er selbst hatte sich die
Bearbeitung des geschichtlichen Teiles Vorbehalten; für die übrigen, den
erdkundlichen und geologischen, den klimatischen und wetterkundlichen, den
botanischen, den zoologischen, den mundartlichen und sagenkundlichen, den
siedlungs- und baugeschichtlichen, hätte er die Wahl der Bearbeiter maßgebend
beeinflußt, - alles das ist jetzt einer ungewissen Zukunft anheimgegeben, und
unser aller heißester Wunsch möge sein, daß es aus dieser Ungewißheit so bald
wie möglich wieder auftauche, seinen Lebenswillen dartue und im Sinne und Geiste
des alten Meisters, der die Hand davon nehmen mußte, seiner Vollendung
entgegenreife!
TRAUGOTT TAMM.
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