Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1930


Bismarck-Gedächtniskirche, Aumühle.

Architekten: HEINR. BOMHOFF / HERMANN SCHÖNE, Hamburg.

[Heinrich Bomhoff]
 

Auf einer kleinen dreieckigen, mit hohen Kiefern bestandenen Waldparzelle an der Börnsenerstraße ist die Kirche als Rundbau so errichtet, daß sie in der verlängerten Achse des unmittelbar daneben liegenden schönen Waldfriedhofs steht. Der Gedanke, eine Rundkirche zu errichten, wurde von Prof. Elsaesser angeregt. Neben anderen Gründen war dafür bestimmend die Tatsache, daß der Kreis diejenige Figur darstellt, die sich am besten dem Dreieck einordnen läßt. Jede andere Grundrißform würde mit den Umgrenzungslinien des dreieckigen Bauplatzes unschön divergieren. - Die Kirche ist nicht orientiert, d. h. die durch den Altar führende Mittelachse hat nicht Ostwestrichtung; der Altar steht nicht genau im Osten, wie es die Überlieferung bisher forderte. Diese Abweichung war bedingt durch den Wunsch, die Kirche in Verbindung und Beziehung zum Friedhof zu bringen.

Der Kirche ist ein kreisförmiger Platz von etwa 40 m Durchmesser vorgelagert, der für kirchliche Feiern Benutzung finden kann. Die Form des Platzes ist so gewählt, daß die Wandungen aus hohen Kiefern an die den Rundbau flankierenden Treppenvorbauten anschließen. Der Freiplatz und die Kirche sind dadurch in feste Beziehung  zueinander gebracht, und es ist ein Außenraum von geschlossener Wirkung entstanden. Um die geschlossene Wirkung des Außenraumes nicht zu stören, sind die Zugangswege zur Kirche den beiden Haupteingängen entsprechend tangential an dem Platz vorübergeführt. Einstweilen ist nur der eine Zugangsweg von dem Waldweg aus angelegt, der andere, von der Börnsenerstraße, soll später geschaffen werden und damit auch von dieser Straße aus einen reizvollen Blick auf die Kirche freimachen.

Eine zwischen den Treppenvorbauten angeordnete, durch drei Bögen gegen den Platz geöffnete Vorhalle stellt die Verbindung zwischen Außenraum und Kirche her. Ein Altan über der offenen Vorhalle kann bei gottesdienstlichen Feiern im Freien als Kanzel dienen.

Die Kirche hat eine lichte Weite von 18 m bei einer Höhe von 8 in. Die horizontale Decke wird in der Mitte von einer starken Säule getragen. Der Wunsch der Gemeinde, den hohen Dachraum der Kirche für Gemeinderäume nutzbar zu machen (es sollen ein Gemeindesaal und zwei Vereinszimmer eingebaut werden) machten die Anordnung der Säule, die die Decke und die Last des Glockenturmes trägt, erforderlich. Außerdem war die Säule aus akkustischen [sic!] Gründen erwünscht. Mit Rücksicht auf die in der Mitte des Kirchenraumes stehende Säule mußte auf einen Mitteleingang verzichtet werden. Zwei gleichwertige Haupteingänge an den Kopfenden der schon genannten offenen Vorhalle führen zunächst in die als Windfänge dienenden Treppenvorbauten, dann in gebrochener Linie in den Kirchenraum und weiter zum Altar. Das Gesicht des Eintretenden ist also zwangsläufig dem Altarraum mit dem als kirchlichen Mittelpunkt gedachten mächtigen Altar zugewandt.

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Die radiale Anordnung der Sitzreihen bedingt, daß auch die Blicke aller Besucher auf den Standort des Geistlichen vor dem Altar oder auf der Kanzel gerichtet sind. Die Durchführung dieses Gedankens hat der Kanzel eine von der Überlieferung abweichende Stellung zugewiesen; sie steht nicht mehr höher als der Altar oder seitlich im Raum, sondern in der Mitte vor dem Altar auf den zum Altarraum führenden Stufen um 2 Stufen tiefer als dieser. Der Geistliche steht also in der Mitte vor der Gemeinde und diese schart sich im Bogen um ihn herum.

Eine Empore, dem Altarraum gegenüber, im Rücken der Gemeinde, nimmt Spieltisch der Orgel und den Sängerchor auf. Die Orgel ist in zwei Hälften geteilt über den Treppen zur Empore untergebracht und im Kirchenraum nur durch das hohe Holzmaßwerk gezeigt.





Die Bismarck-Gedächtniskirche im Sachsenwald.
(Phot. Gebr. Dransfeld, Hamburg.)

 

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Drei Gruppen von je 5 hohen schmalen Fenstern geben dem Raum Licht. Die Fenstergruppe über der Empore, also im Rücken der Gemeinde, ist als Hauptlichtquelle gedacht und deshalb mit nur leicht getöntem Glas in Bleisprossen verglast. Die seitlichen Fenstergruppen sind mit Glasmalereien versehen, und zwar von den Eingängen zum Altarraum hin immer reicher werdend, um so allmählich vom Kirchenraum zum Altar, dem Allerheiligsten, überzuleiten. Diese Steigerung in Form und Farbe verfolgte noch den praktischen Zweck, durch Verwendung immer dunklerer Gläser eine Blendung der Gemeinde durch Helles Sonnenlicht zu verhüten. Die hochsitzenden Fenster des Altarraumes sind wieder in lichten, goldigen Tönen verglast und lassen von oben volles warmes Licht auf den Altar hereinfluten.

Der Altar mit seiner fast 4 in breiten und 6 m hohen Rückwand aus schweren kiefernen Bohlen gefügt trägt ein großes Kreuz. Die vier Felder zwischen den Kreuzarmen sind mit Bibelworten, in ca. 20 ein großen Buchstaben stark plastisch ausgehauen, geschmückt. Das vom Tischler fertig gearbeitete Holzwerk ist mit Sandstrahlgebläse
überarbeitet, um die Struktur des Holzes stark in Erscheinung zu bringen. Schließlich ist das ganze Holzwerk der Rückwand mit Schlaggold überzogen und farbig getönt. Gold war, wie in der Heraldik so auch in der christlichen Symbolik, immer die vornehmste Farbe und wurde zur Darstellung des Göttlichen, Heiligen verwandt  (Heiligenschein). Seine Verwendung an dieser Stelle ist deshalb, um den blicklichen Mittelpunkt zu schaffen, durchaus gerechtfertigt.

Die Wirkung des Altars und der farbigen Fenster, die beide von hohem künstlerischen Wert sind, wird durch die schlicht getönten Wandflächen wesentlich gesteigert.

Die äußere Form des Gotteshauses ist durch das Programm und durch das verwandte Material bedingt. Der Klinker ist mit sehr breiter Lagerfuge vermauert, um in jeder Schicht das Lagerhafte und die Rundung zu betonen. Wenn das hohe Kupferdach seine Patina erhalten hat, wird erst die gewollte farbige Wirkung des Äußeren erzielt sein.

Ich erachte es als Pflicht, die Namen unserer künstlerischen Mitarbeiter zu nennen, die sich mit viel Geschick dem Gesamtgedanken einordneten und durch ihr reifes Können viel zum Gelingen des Werkes beigetragen haben.

Als Berater für die Farbgebung wirkte der Maler Eberhard Flugger in Hamburg.

Der Altar ist ein Werk des bekannten Bildhauers und Malers Walther v. Ruckteschell in Dachau in Gemeinschaft mit dem Kunsttischler Hellmuth v. Ruckteschell in Bremen. Letzterer fertigte auch Kanzel, Taufstein und Lesepult.

Die Glasmalereien entstammen der Werkstatt von John Nickelsen in Hamburg.

Der Silberschmied Otto Stüber, Hamburg, fertigte die Altargeräte und die Taufschale aus Silber.
 

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Der Gedanke des evangelischen Kirchenbaues ist in einer Wandlung begriffen; er sucht sich endlich von den Überlieferungen des Katholizismus freizumachen. Der evangelische Gottesdienst wird beherrscht von dem gesprochenen Wort und dem Gemeindegesang; das Liturgische tritt im Verhältnis zum katholischen Gottesdienst stark zurück. Es kommt deshalb darauf an, Predigtkirchen zu schaffen, Kirchen, welche gut hörsam sind und welche gestatten, von allen Plätzen aus den möglichst inmitten der Gemeinde stehenden Geistlichen zu sehen. Wir glauben, daß unsere Rundkirche mit den radial so angeordneten Sitzreihen, daß die Blickrichtung aller Besucher sich zwangsläufig in einem Punkt, dem Standpunkt des Geistlichen vor dem Altar schneidet, und hinsichtlich Stellung der Kanzel als ein Versuch, dem evangelischen Kirchenbau einer Lösung entgegenzuführen, gewertet werden muß.

HEINRICH BOMHOFF.


 


 

 

 

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