Auf einer kleinen
dreieckigen, mit hohen Kiefern bestandenen Waldparzelle an der
Börnsenerstraße ist die Kirche als Rundbau so errichtet, daß sie
in der verlängerten Achse des unmittelbar daneben liegenden
schönen Waldfriedhofs steht. Der Gedanke, eine Rundkirche zu
errichten, wurde von Prof. Elsaesser angeregt. Neben anderen
Gründen war dafür bestimmend die Tatsache, daß der Kreis
diejenige Figur darstellt, die sich am besten dem Dreieck
einordnen läßt. Jede andere Grundrißform würde mit den
Umgrenzungslinien des dreieckigen Bauplatzes unschön
divergieren. - Die Kirche ist nicht orientiert, d. h. die durch
den Altar führende Mittelachse hat nicht Ostwestrichtung; der
Altar steht nicht genau im Osten, wie es die Überlieferung
bisher forderte. Diese Abweichung war bedingt durch den Wunsch,
die Kirche in Verbindung und Beziehung zum Friedhof zu bringen.
Der Kirche ist ein kreisförmiger Platz von etwa 40
m Durchmesser vorgelagert, der für kirchliche Feiern Benutzung
finden kann. Die Form des Platzes ist so gewählt, daß die
Wandungen aus hohen Kiefern an die den Rundbau flankierenden
Treppenvorbauten anschließen. Der Freiplatz und die Kirche sind
dadurch in feste Beziehung zueinander gebracht, und es ist
ein Außenraum von geschlossener Wirkung entstanden. Um die
geschlossene Wirkung des Außenraumes nicht zu stören, sind die
Zugangswege zur Kirche den beiden Haupteingängen entsprechend
tangential an dem Platz vorübergeführt. Einstweilen ist nur der
eine Zugangsweg von dem Waldweg aus angelegt, der andere, von
der Börnsenerstraße, soll später geschaffen werden und damit
auch von dieser Straße aus einen reizvollen Blick auf die Kirche
freimachen.
Eine zwischen den Treppenvorbauten angeordnete, durch drei Bögen
gegen den Platz geöffnete Vorhalle stellt die Verbindung
zwischen Außenraum und Kirche her. Ein Altan über der offenen
Vorhalle kann bei gottesdienstlichen Feiern im Freien als Kanzel
dienen.
Die Kirche hat eine lichte Weite von 18 m bei
einer Höhe von 8 in. Die horizontale Decke wird in
der Mitte von einer starken Säule getragen. Der Wunsch der
Gemeinde, den hohen Dachraum der Kirche für Gemeinderäume
nutzbar zu machen (es sollen ein Gemeindesaal und zwei
Vereinszimmer eingebaut werden) machten die Anordnung der Säule,
die die Decke und die Last des Glockenturmes trägt,
erforderlich. Außerdem war die Säule aus akkustischen
[sic!] Gründen erwünscht. Mit
Rücksicht auf die in der Mitte des Kirchenraumes stehende Säule
mußte auf einen Mitteleingang verzichtet werden. Zwei
gleichwertige Haupteingänge an den Kopfenden der schon genannten
offenen Vorhalle führen zunächst in die als Windfänge dienenden
Treppenvorbauten, dann in gebrochener Linie in den Kirchenraum
und weiter zum Altar. Das Gesicht des Eintretenden ist also
zwangsläufig dem Altarraum mit dem als kirchlichen Mittelpunkt
gedachten mächtigen Altar zugewandt.
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Die radiale Anordnung der Sitzreihen bedingt, daß auch die Blicke
aller Besucher auf den Standort des Geistlichen vor dem Altar oder auf der
Kanzel gerichtet sind. Die Durchführung dieses Gedankens hat der Kanzel eine von
der Überlieferung abweichende Stellung zugewiesen; sie steht nicht mehr höher
als der Altar oder seitlich im Raum, sondern in der Mitte vor dem Altar auf den
zum Altarraum führenden Stufen um 2 Stufen tiefer als dieser. Der
Geistliche steht also in der Mitte vor der Gemeinde und diese schart sich im
Bogen um ihn herum.
Eine Empore, dem Altarraum gegenüber, im Rücken der Gemeinde, nimmt Spieltisch
der Orgel und den Sängerchor auf. Die Orgel ist in zwei Hälften geteilt über den
Treppen zur Empore untergebracht und im Kirchenraum nur durch das hohe
Holzmaßwerk gezeigt.
Die Bismarck-Gedächtniskirche im Sachsenwald.
(Phot. Gebr. Dransfeld, Hamburg.)
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Drei Gruppen von je 5 hohen
schmalen Fenstern geben dem Raum Licht. Die Fenstergruppe über der Empore, also
im Rücken der Gemeinde, ist als Hauptlichtquelle gedacht und deshalb mit nur
leicht getöntem Glas in Bleisprossen verglast. Die seitlichen Fenstergruppen
sind mit Glasmalereien versehen, und zwar von den Eingängen zum Altarraum hin
immer reicher werdend, um so allmählich vom Kirchenraum zum Altar, dem
Allerheiligsten, überzuleiten. Diese Steigerung in Form und Farbe verfolgte noch
den praktischen Zweck, durch Verwendung immer dunklerer Gläser eine Blendung der
Gemeinde durch Helles Sonnenlicht zu verhüten. Die hochsitzenden Fenster des
Altarraumes sind wieder in lichten, goldigen Tönen verglast und lassen von oben
volles warmes Licht auf den Altar hereinfluten.
Der Altar mit seiner fast 4 in breiten und 6 m hohen
Rückwand aus schweren kiefernen Bohlen gefügt trägt ein großes Kreuz. Die vier
Felder zwischen den Kreuzarmen sind mit Bibelworten, in ca. 20 ein
großen Buchstaben stark plastisch ausgehauen, geschmückt. Das vom Tischler
fertig gearbeitete Holzwerk ist mit Sandstrahlgebläse
überarbeitet, um die Struktur des Holzes stark in Erscheinung zu bringen.
Schließlich ist das ganze Holzwerk der Rückwand mit Schlaggold überzogen und
farbig getönt. Gold war, wie in der Heraldik so auch in der christlichen
Symbolik, immer die vornehmste Farbe und wurde zur Darstellung des Göttlichen,
Heiligen verwandt (Heiligenschein). Seine Verwendung an dieser Stelle ist
deshalb, um den blicklichen Mittelpunkt zu schaffen, durchaus gerechtfertigt.
Die Wirkung des Altars und der farbigen Fenster, die beide von hohem
künstlerischen Wert sind, wird durch die schlicht getönten Wandflächen
wesentlich gesteigert.
Die äußere Form des Gotteshauses ist durch das Programm und durch das verwandte
Material bedingt. Der Klinker ist mit sehr breiter Lagerfuge vermauert, um in
jeder Schicht das Lagerhafte und die Rundung zu betonen. Wenn das hohe
Kupferdach seine Patina erhalten hat, wird erst die gewollte farbige Wirkung des
Äußeren erzielt sein.
Ich erachte es als Pflicht, die Namen unserer künstlerischen Mitarbeiter zu
nennen, die sich mit viel Geschick dem Gesamtgedanken einordneten und durch ihr
reifes Können viel zum Gelingen des Werkes beigetragen haben.
Als Berater für die Farbgebung wirkte der Maler Eberhard Flugger in Hamburg.
Der Altar ist ein Werk des bekannten Bildhauers und Malers Walther v.
Ruckteschell in Dachau in Gemeinschaft mit dem Kunsttischler Hellmuth v.
Ruckteschell in Bremen. Letzterer fertigte auch Kanzel, Taufstein und Lesepult.
Die Glasmalereien entstammen der Werkstatt von John Nickelsen in Hamburg.
Der Silberschmied Otto Stüber, Hamburg, fertigte die Altargeräte und die
Taufschale aus Silber.
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Der Gedanke des evangelischen Kirchenbaues
ist in einer Wandlung begriffen; er sucht sich endlich von den Überlieferungen
des Katholizismus freizumachen. Der evangelische Gottesdienst wird beherrscht
von dem gesprochenen Wort und dem Gemeindegesang; das Liturgische tritt im
Verhältnis zum katholischen Gottesdienst stark
zurück. Es kommt deshalb darauf an, Predigtkirchen zu schaffen, Kirchen, welche
gut hörsam sind und welche gestatten, von allen Plätzen aus den möglichst
inmitten der Gemeinde stehenden Geistlichen zu sehen. Wir glauben, daß unsere
Rundkirche mit den radial so angeordneten Sitzreihen, daß die Blickrichtung
aller Besucher sich zwangsläufig in einem Punkt, dem Standpunkt des Geistlichen
vor dem Altar schneidet, und hinsichtlich Stellung der Kanzel als ein Versuch,
dem evangelischen Kirchenbau einer Lösung entgegenzuführen, gewertet werden muß.
HEINRICH BOMHOFF.
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