De Köstenbidder. Früher sah man oft eine lustige Gestalt
auf dem Lande einherwandern, es war der Hochzeitsbitter. In
jetziger Zeit nimmt der Bauer immer mehr städtische Sitten an;
so lädt er jetzt seine Gäste brieflich ein und läßt den alten
lustigen Köstenbidder in Vergessenheit geraten. Wie aus dem
Bilde auf Seite 155 ersichtlich, schritt der
Hochzeitsbitter sehr gravitätisch einher. Er trug einen mit
vielen bunten seidenen Bändern und einer Krone geschmückten Stab
und ging unter vielem Juchzen von Ort zu Ort, um die Leute zur
Hochzeit zu laden. Vor ihnen hielt er mit großer Würde folgende
Anrede, wobei er bei allen ihm wichtig erscheinenden Worten mit
dem Stab sehr nachdrücklich auf den Fußboden stampfte:
"Hier kam ick anschräden,
Pierd hew ick nich heut, sunst harr ick räden,
Tau Kost tau birren, is mein Begähr,
Dat dau ick dei Brut und den Brügam tau Ehr'.
Hier bün ick kamen, ji Manns und Fruns, Dirns und
Gesellen,
Dat ji juch mögt recht flietig instelln.
Schnüret Eure Beutel und schmücket Euren Hut
Und habt einen unverzagten Mut!
Wetzet Euer Schwert,
Sattelt Euer Pferd,
Schmieret Eure Stiefel, die Füße und Schuh,
Reiset fröhlich der Braut und dem Bräutigam zu! |
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Auch Ihr, Madammen, seid tapfer
und stellet Euch ein!
Denn ohn' Euch kann keine Lustbarkeit sein.
Auch Ihr, Männer, bleibt nicht hinter dem Ofen,
sondern helft verzehren
Was der Hochzeitsgeber durch Gott wird Gutes
bescheren!
En Laß Roggen- und Weitenbrod,
En Glas Bier dürftig und god,
Twintig fette Hamel, twintig fette Swin,
Twintig fette Ossen, de sölen dor sin.
De Gäus sitt in'n Stall mit hunnert Pund Talg, dat
is Fröd,
De Hahn siit bi dei Hän ganz hoch up den Wimen, hett
Sporn an de Föt,
Dat sall ock an nix fählen, an Kräus und an Kannen,
an Toller, an Bricken,
An Musik, an Schaffer und Schenk, dor ward de
Köstenvadder sick woll
up schicken.
Dor is noch ein Diek mit Fisch, de is von baben vull
bet an de Grund.
Dor wiggt dat Stück woll hunnert Pund,
Sei sünd noch alle unversehrt,
Sei röhrt den Kopp und wackelt mit den Stert.
Eins habe ich noch zu bedenken,
Daß Sie mögen meinen Stab beschenken
Mit einem schönen bunten Band,
Heut' zur Ehr' für meinen Stand.
Halleluja!!" |
Der Hochzeitsbitter von Sandesneben.
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Mitunter wurden diesem Spruch
noch folgende Verse angefügt, die auch im Sandesnebener
Ringreiterspruch wiederkehren:
"Nun kommt und helfet fröhlich
verzehren,
Was Gott durch den Köstengeber wird Gutes bescheren!
Ich wünsch' auch dem Herrn noch einen goldenen
Tisch,
Auf allen vier Ecken einen gebratenen Fisch;
In der Mitte eine Flasche Wein,
Die soll dem Herrn und der Madame zur Gesundheit
sein!" |
Nachdem die Eingeladenen dann ein seidenes Band an dem Stab
befestigt und einen tiefen Griff ins Portemonnaie getan hatten,
verließ der Hochzeitsbitter mit einem schallenden "Juch" das
Haus. - Zuweilen jedoch, wenn der Hochzeitsgeber (besonders die
größeren Gutsbesitzer) die Sache recht glänzend gestalten
wollte, ließ er den Hochzeitsbitter eines seiner Pferde
besteigen, und unter großem Jubel ritt dieser dann bei jedem
Einzelnen durch die Blangendöhr (die Seitentür, also nicht die
"Groddöhr") auf die Vordiele, auch wohl in die Stube hinein, um
seine Einladung vorzubringen.
A DIECKMANN - Sandesneben.
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