Vom Raden. In einem Tagebuche aus den Jahren 1813-1847,
das dem Heimatmuseum übergeben wurde, fanden sich folgende
Sprüche, von deren Wirksamkeit der Schreiber, ein Zimmergeselle
und Landmann, gewiß so überzeugt war wie von dem Kugelsegen, der
den Anfang macht.
"Ich Jacob Heinrich Dominicus Burmeister will
gesegnet sein
wie der Kelch und der Wein
und das werte Brodt,
welches Jesus seinen Jüngern bodt.
Solches sey in mir gut für hauen, stechen und
schießen."
"Beim Verfangen des Viehes:
Dit Schwin het sich verfangen
durch Wasser oder durch Wind,
durch Arren oder Schlangen.
Gott gef, dat dat im Ogenblick verschwinn!"
[Unter Arren sind Ottern (Kreuzottern) zu
verstehen.]
"In Gottes Namen!
Das beis het sich verfangen.
Uns Herr Christus ys gehangen.
Uns Herr Christus ys sin Hangen los.
Dis bys sin verfangen los! 1847."
"Hast du die verfangen durch water oder wint;
so will ick dad stillen
durch Gottes Gnad und Maria Kindt."
"Zum Blutstillen:
Uns Herr Christus dey stün vor dis flut.
Damit still ick dis ader und did blut."
"Für den brand:
Hoch ist dei Himmel,
Rodt ist dei Kreft,
und wit ist dei Dodenhand,
damit still ick den Brand.
Hoch ist dei häben und kohl is dei Dodenhand
und rot ist dey brand."
"Für das Mal zu stillen:
Da gingen 3 Junfern dey stradt, dey
ein pußt wind,
dey anner Sand, dey drür pußt dad Mall von dad og
af.
du saßt nicht quächen,
du saßt nicht stecken,
du saßt nicht schwillen,
du saßt nicht killen,
du saßt nicht weidaun!"
[Ein "Mall" wird jede Rötung und Anschwellung der
Augen genannt. Quächen ist quälen, killen ist
kitzeln.] |
1930/4 - 156
1930/4 - 157
"Für dei Icht [Gicht] tau
raden:
Ick radt dey rite nigt,
dey splite nigt,
dey rase nigt,
dey blase nigt,
dey stecke nigt,
dey schwille nigt,
dey kille nigt. Im Namen ...
Mit ein ris von einem fruchtbaum, damit muß es
3mahl
mit gerad werden und hernach dem baum zu
bringen,
wovon er genommen ist, Und an gewissen Tagen. Am
Sonntag, Dienstag und Freitag."
[Am Mittwoch und Sonnabend darf auch heute noch
nicht geraden werden.]
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"1822. Von
unglücklichen Tagen: Januar der 1. 2.
4. 6. 11.
20., Febr. 1. 17.
18., Mert. 14. 16.,
Aprill 10. 17. 18.,
May 7. 8., Juny 17.,
Jul. 17. 21., August
20. 21., September 10.
18., October 6., November
6. 10., December 6.
11. 15. An diesen Tagen soll
niemand zu einer Sache den Anfang machen. Es soll
niemand keine reise, keinen Handel, keine Verlobte oder
Heyrath anstellen, auch in kein ander Haus ziehen."
Alle diese Sprüche schließen mit 3 Kreuzen
und den Worten: Im Namen des Vaters und des Sohnes und
des heiligen Geistes. Amen.
Nach mündlicher Überlieferung wurde bei Heilung der
Starblindheit ("Stör") ein Roggenhalm, der nur 3
Knie hatte, mit einer Ähre, die aber keine Körner mehr
zu haben brauchte, gesucht, dieser Halm auf eine Länge
von etwa 10 cm zusammengelegt, das Auge
damit berührt und dazu gesprochen: "Hau ab - Mall ab -
Stahl ab - Stör ab - und alle bösen Tränen ab." Alsdann
wurde der Roggenhalm dorthin gelegt, wo weder Sonne noch
Regen ihn treffen konnten. Ein Messer wurde auf
der Schwelle der Stubentür gewetzt und mit ihm 3
Kreuze vorm Auge in die Luft geschlagen. (Vgl. Jahrgang
6, Heft 1 der „Lauenbg.
Heimat".)
SIEGFRIED SCHELLBACH-Mustin.
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