"In de Heimatbewegung moet wi uns
darfor waren, dat wi immer up't meerste blot
achterrut kiekt: wo schön dat fröher wesen is, und
dat wi dat all good upschriewt un in't Museum
bringt. Wi moet darfor sorgen, dak ok use Tied er
egen Gesicht krigt, und dat de nedderdütsche Egenart
sik lebennig up de veraarwt, de na us kaamt."
DR. ALMA ROGGE |
Seit Urzeiten hat der Mensch die Umwelt verändert, hat Wälder
gerodet und Sümpfe entwässert, hat Häuser gebaut und Städte
gegründet. Aber rascher und einschneidender denn je wandelt
unser technisches Zeitalter das Antlitz der Erde. Wo noch vor
Jahresfrist frohe Menschen wohnten und wirkten, herrscht das
Schweigen gewaltiger Staubecken, und wo in Jahrtausenden keines
Menschen Fuß wandelte, wimmelt es jetzt von den Fahrgästen der
Gipfelbahn. Das Dengeln der Sense hat das Geklapper der
Erntemaschine, das Wanderlied der Ton der Autohupe abgelöst. Mag
sich auch in unsere Bewunderung der technischen Errungenschaften
ein leises Bedauern mischen, bekämpfen will und wird der
Heimatbund solche Fortschritte nie; was er bekämpft, das ist der
Geist, der sich in den Worten seiner Gegner ausspricht. Da
schreibt Le Corbusier: "Das Leben hat bloß Sinn in der
Gegenwart, die Erinnerung ist eine Prellerei." "Das Haus wird
nicht mehr schwerfällig im Boden verwurzelt sein und zum frommen
Kultus der Familie und der Rasse beitragen." "Die alten Stile
überfallen uns höchstens als Parasiten. Das Barock, die Gotik
usw. sind ein alter Haufen von Eingeweiden verfaulten,
ehrwürdigen Aases." "Das Haus ist eine Wohnmaschine."
Diplomingenieur Franz Kollmann schreibt in seinem Artikel: "Wenn
Hochspannungsleitungen gebaut werden, so werde ein
'verschlafener' Philister, der leider öfter eine Amtsvollmacht
besitze, dagegen zetern: "Eine Ritterburg, ein altes Kirchlein
oder sonstige Heimatschutzstellen dürfen nicht verschandelt
werden." Man werde noch verlangen, daß "Masten durch
Baumattrappen ersetzt und geschnitzte Vögel an die Kabel ge-
1931/1 - (1)
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hängt" werden. Und E. Cohn - bekannter unter
dem Namen Emil Ludwig - schreibt zu Ehren des Paneuropäerkongresses: "Aber ein
paar alte Weiber und andere Geheimräte, die Volkskunde, Schollenkunst und
Heimatgeruch pflegen, machen uns nicht irre." Im Kampf gegen die internationale
Gesinnung unserer Feinde werden wir stets einmütig zusammenstehen, aber auch vor
manchen unserer Freunde müssen wir unsere Arbeit schützen. Karl Wagenfeld hat
solche Mitläufer einmal trefflich charakterisiert: Die Romantiker, die rein
gefühlsmäßig am Alten hängen. Die Nur-Konservierenden, denen § 1
und 2 der alten Mecklenburgischen Verfassung oberstes Gesetz ist:
1) "Et blifft so, as't was" und 2) "Et wärd nix
änndert". Dann die Dilettanten, die in bester Absicht auf
heimatlich-wissenschaftlichem Gebiet ihre Federn arbeiten lassen. Und
schließlich noch die Unerfreulichsten, die Spekulanten, die mit der Heimatliebe
ihre Geschäfte, und die Parteipolitiker, die den Heimatgedanken ihren Zwecken
dienstbar machen möchten.
Die Romantiker, die Nur-Konservierenden, die eifrigen Dilettanten, bleiben trotz
alledem der Heimatschutzbewegung liebste Kinder, und wir wollen nicht vergessen,
daß sie der Bewegung den Anstoß gegeben und viel, unendlich viel geleistet haben
und noch leisten. Aber über dem Rückwärtsschauen dürfen wir das Vorwärtsstreben
nicht vergessen, denn letzten Endes sind nicht die Dinge, sondern die Menschen
der Heimat das Wichtigste. Gewiß wollen wir den sichtbaren Ausdruck, den
deutsches Wesen in der Vergangenheit fand, erhalten und bewahren, aber vor allem
wollen wir den Geist, der diese Erscheinungsformen schuf, stützen und pflegen.
Neben dem Schutz der Naturdenkmäler neue Wald- und Grünflächen, gesunde und
schöne Wohnräume schaffen helfen, neben der wissenschaftlichen Sammeltätigkeit
lebendige Aufklärungsarbeit und Volkserziehung treiben, das war die stille und
opferfreudige Tätigkeit unseres unvergeßlichen Dr. H. F. Gerhard. Wenn der
deutsche Mensch das hohe Ziel auch unseres Strebens sein wird, dann sind wir in
Wahrheit Kämpfer für die deutsche Heimat.
SIEGFRIED SCHELLBACH.
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