Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1931



Das Geschlecht der Lappen im Lande Hadeln unter Herzog Erich I. von Sachsen-Lauenburg.

VON KONRAD HAASE.
 

An der Spitze des Landes Hadeln, nicht weit vom Festlande, liegt die Insel O oder Nige O (Neuwerk). Von hier aus ließ sich früher leicht der Seeraub betreiben, und zu schonungsloser Übung des Strandrechtes gaben die der Insel vorgelagerten Sandbänke, welche die Einfahrt in die Elbe so gefahrvoll  machten, gewiß immer von neuem Gelegenheit. Deshalb kam 1286 ein Vertrag zwischen Hamburg und den Herzogen von Lauenburg zustande, demzufolge zur Sicherung der Schiffahrt den Hamburgern die Errichtung und Unterhaltung einer Feuerbaake auf der Insel gestattet wurde. Dreizehn Jahre später ließen dann die Herzöge von Sachsen die Aufführung eines Befestigungswerkes, eines starken Turmes, auf der Insel zu, welche davon den Namen NEUWERK erhielt. Dieser Turm bildete den ersten festen Stützpunkt für die Überwachung und Regelung der Schiffahrt an der Elbmündung durch Hamburg. -

Am Ausgange des Elbstromes lag die Burg Ritzebüttel, der Sitz und mit den umliegenden Dörfern das Stammgut eines alteingesessenen freien Geschlechtes des Landes Hadeln, des GESCHLECHTES DER LAPPEN. Sie besaßen dieses Stammgut als ein ihm "von den Herzöqen von Sachsen koncediertes Lehn". - Von ihrer Burg aus konnten sie der Schiffahrt leicht Schwierigkeiten bereiten und machten sich auch vielfacher Räubereien schuldig. So überfielen sie Anfang des Jahres 1393 mit Wissen, vielleicht auch auf Anstiften Alberichs Lappe, sengend und brennend die Insel Neuwerk und kehrten mit reicher Beute nach Ritzebüttel zurück. Das aber sollte, wie wir später sehen werden, zu ihrem Verderben ausschlagen.

Schon im Jahre 1324 hatte Herzog Erich von Sachsen-Lauenburg Walderich Lappe und dessen Söhnen Johann und Heinrich für 200 Mark die beiden Kirchspiele Groden und Wolde verpfändet. Jedenfalls war es damals der Rat von Hamburg, der das Geld hergab und sich der Lappen nur bediente und sie vorschob, weil die Übernahme der Pfandschaft durch die Stadt Hamburg selbst zunächst noch auf Schwierigkeiten stieß. Erst im Jahre 1372 hat dann Hamburg den pfandweisen Besitz der beiden Kirchspiele erlangt, denn sie wurden von den Gebrüdern Lappe für 240 Mark an den Rat verpfändet. Die Wiedereinlösung sollte 1374 erfolgen und bis dahin das Schloß Ritzebüttel den Hamburgern offen stehen. Zur Wiedereinlösung ist es jedoch nicht gekommen, vielmehr war 1379 die Geldverlegenheit der Lappen wieder so groß, daß sie sich von neuem an Hamburg wenden mußten. Und der Rat war wieder hilfsbereit und streckte ihnen gemeinsam mit Lübeck 200 Mark vor, wogegen die Lappen sich verpflichten mußten, eine jährliche Rente von 20 Mark zu zahlen und das Schloß, welches nebst den dazu gehörigen Gütern als Sicherheit für Kapital und Rente dienen sollte, den beiden Städten jederzeit offen zu halten. -

Die Lappen wurden auch verpflichtet, zur Verteidigung des Turmes auf Neuwerk mitzuwirken, wofür ihnen der dortige Hauptmann jährlich 10 Mark zahlte. In den Schuldverträgen hatten sie ausdrücklich versprechen müssen, sie wollten, soviel an ihnen liege, verhüten, daß der Kaufmann von ihrem Gebiete aus irgendwie verunrechtet oder geschädigt würde. Aber sie hielten nicht Wort, sondern machten sich vielfacher Räubereien schuldig. Der oben erzählte Überfall war nur die letzte Untat, war der Tropfen, der das Maß zum Überlaufen brachte. Deshalb verstärkte der Rat sofort die Besatzung auf der Insel Neuwerk, beschritt jedoch, bevor er zu den Waffen griff, den Weg der Verhandlung. Abgeordnete des Rates, an ihrer Spitze der Bürgermeister Herr Kersten Miles, begaben sich zu Herzog Erich von Sachsen-Lauenburg und verhandelten mit diesem und den Lappen, um für den Friedensbruch Genugtuung zu erlangen, aber ohne Erfolg. Deshalb schloß der Rat 1393 auf Neuwerk mit den Wurstfriesen einen Vertrag, demzufolge alle Zwistigkeiten zwischen diesen und der Stadt Hamburg beigelegt sein sollten und Ratgeber und Gemeinde des Landes Wursten für drei Jahre die Verpflichtung übernahmen, etwaigen Feinden der Stadt wissentlich in keiner Weise Unterstützung und Förderung zuteil werden zu lassen. Zum Kampf aber


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ist es nicht sogleich gekommen. Der Rat hatte vielmehr noch eine Zusammenkunft mit Vertretern des Landes Hadeln und schloß dann mit den Wurstfriesen ein festes Bündnis gegen die Lappen und deren Helfer. Die Bundesgenossen gelobten einander, keiner wolle für sich allein eine Sühne mit den Gegnern eingehen. Die Wurstfriesen verpflichteten sich außerdem, falls die Hamburger das Schloß Ritzebüttel belagern wollten, ihnen mit 800 Mann Beistand zu leisten. Werde das Schloß genommen, so solle Hamburg damit verfahren, wie es in der von ihm ausgestellten Vertragsurkunde näher bestimmt sei. -

Über die Belagerung des Schlosses sind wir nicht näher unterrichtet. Kein Chronist hat uns eine so lebendige und anschauliche Schilderung derselben hinterlassen, wie die lübische Ratschronik von der Erstürmung des Schlosses Bergedorf durch die Lübecker und Hamburger im Jahre 1420 entwirft. Nur soviel steht fest, daß auch um Ritzebüttel blutig gestritten ist. denn die Kämmereirechnungen verzeichnen größere Ausgaben für die vor Ritzebüttel Verwundeten: dem Arnold von Achym wurden zur Entschädigung für seine Verwundung 8 Pfund gezahlt, und der Meister Johann mit dem Barte und der Barbier Woldewin erhielten für die Behandlung von zwölf Verwundeten 10 Pfund 4 Schilling.

Das Schloß Ritzebültel war jedenfalls am 4. April 1394 bereits erobert, denn von diesem Tage ist das Schreiben des Erzbischofs Albert von Bremen datiert, durch welches er den Bürgermeistern und Ratmannen von Hamburg, insbesondere denen, welche auf dem Schlosse Ritzebüttel weilten, auf ein Jahr die Befugnis verlieh, sich einen Priester zu wählen, der in dem Schlosse die Messe lesen könne.

So waren denn die Hamburger Herren der Feste geworden, von welcher aus die Schiffahrt auf dem freien Elbstrome so lange und so vielfach gehindert und beeinträchtigt war. Der Rat suchte aber auch zu einem friedlichen Vergleich mit den bisherigen Gegnern zu gelangen und dadurch einen besseren Besitztitel auf seine neue Erwerbung zu gewinnen, als das jederzeit anfechtbare Recht des Siegers gewährte. Das geschah dadurch, daß der Rat, an dessen Spitze damals der Herr Kersten Miles als worthaltender Bürgermeister stand, den gesamten Besitz der Lappen durch Kauf und Pfandschaft an sich brachte. Dadurch regelte sich auch die Abtretung des Stammgutes, des freien Eigentums der Lappenfamilie, welches diese von den Herzögen von Sachsen-Lauenburg erhalten hatten.

Im Jahre 1400 erlangte Hamburg von dem Herzog Erich von Sachsen­Lauenburg, der gerade mit dem Erzbischof von Bremen in einen Kampf verwickelt war und für diesen und die von ihm beabsichtigte Befestigung Otterndorfs die Unterstützung Hamburgs zu gewinnen suchte, unter anderm auch die Bestätigung des Kaufvertrages mit den Lappen über Ritzebüttel. Herzog Erich verzichtete auf alle ihm etwa zustehenden Ansprüche auf das Schloß und dessen Zubehör und behielt sich nur die Bede vor, welche er alle sieben Jahre im Lande Hadeln zu erheben hatte, ein Recht, welches Hamburg hernach im Jahre 1402 für sich erwarb. Die Verhandlungen mit Herzog Erich wurden wiederum von dem Bürgermeister Kersten Miles geführt. Bemerkenswert ist noch, daß auch Ratssendeboten von Lübeck, der Bürgermeister Westhof und der Ratsherr Hermann Dartzow, bei der Verhandlung mitwirkten, ein Beweis, welchen Wert Lübeck darauf legte, der Schwesterstadt den Besitz der Elbmündung endgültig gesichert zu sehen. -

Von den Lappen wird noch berichtet, daß Alberich nach England gezogen und Wolder Unterkunft in Hamburg gefunden hat. Die Übergabe der Burg an die Hamburger geschah in feierlichster Weise. Vor dem Burgtore nahmen hamburgische Truppen und eine Schar der mit ihnen verbündet gewesenen Wurstfriesen mit ihrer Fahne und in ihrer eigentümlichen Kriegstracht Aufstellung, um die Abgesandten Hamburgs zu erwarten, die ihren Truppen folgten. Auch ein Zug von Hadeler Mannen war gekommen, die Zeugen des wichtigen Vorgangs sein wollten, mit dem eines ihrer mächtigsten Geschlechter den festen Platz des Landes an Hamburg abtreten wollte. Sie machten sich auf den Eisenhut aufmerksam, der auf einer langen Stange aus dem Turm der Burg herausgesteckt wurde, - das Zeichen der Ergebung. - Von den Lappen zeigte sich noch niemand; von ihrer Anwesenheit in der Burg gab nur dieses stumme und rührende Zeichen Kunde. Nun kamen auch die hamburgischen Ratsherren näher, angetan mit schwarzen, samtverbrämten Talaren, in ihrer Mitte der stattliche

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Bürgermeister, Herr Kersten Miles, der seine Umgebung um eines Hauptes Länge überragte. Hinter ihnen schritten die Notare und viele vornehme Bürger Hamburgs mit ihren Damen. Aber noch immer blieb das Tor der Burg geschlossen. Erst als die vornehmen Hamburger die Plattform betraten und, an ihren Truppen vorüberschreitend, sich der Burg näherten, sprangen die Flügel des Tores auf und hervor traten langsam die Häupter der Familie Lappe: Wolder und Alberich, ihre Frauen, Kinder und Verwandtinnen, darunter Gheseke, Wolders Gemahlin, mit dem kleinen Wolder an der Hand, und die greise Ältermutter des Geschlechts, gefolgt von ihren Freunden aus der bremischen Stiftsritterschaft, dem Cord von Qumunde, dem Gebhard Schulte und dem Friedrich Schrammcke - alle, dem wichtigen Alte entsprechend, in glänzender Festtracht. Wie schlicht erschienen ihnen gegenüber die dunkel gekleideten hamburgischen Bürger! Aber trotz ihrer glänzenden Tracht sah man den Lappen an, daß Kummer und Sorge sie bedrückten, und die demütige Gebärde, mit der sie die Sieger begrüßten, wirkte mitleiderregend. Sie zogen ihre Schwerter und boten sie den Siegern dar, doch der Bürgermeister gab ihnen zu erkennen, daß Hamburg ihnen die Schmach einer Entziehung ihrer Waffen nicht antun wolle, worauf die Ritter ihre Schwerter wieder einsteckten und ihre Freude über diese edle Handlungsweise Hamburgs ausdrückten. Alsdann warf sich ein Knappe vor Herrn Miles in die Knie, um ihm auf einem Sammetkissen den Schlüssel der Burg zu überreichen, den dieser in seinen Besitz nahm. Ein anderer Knappe, ebenfalls knieend, hielt eine Tafel, an welche die beiderseitigen Notare mit wichtigen Mienen herantraten, um die Urkunden zu siegeln und auszutauschen. Darauf stieg an der Stelle der Lappeschen Fahne mit ihren drei Sternen die hamburgische mit ihren drei Türmen auf der Burg empor und hamburgische Krieger besetzten das Tor.

Nun führten Knappen reichaufgeschirrte Rosse vor das Tor; die Ritter halfen den Damen voll höfischen Anstandes in den Sattel und bestiegen dann selbst ihre Pferde. Einen letzten Blick auf den Sitz ihrer Väter werfend und ihre Besieger zum letzten Male grüßend, ritten dann die Lappen in glänzendem Zuge den gleichen Weg hinab, den vorher die Hamburger gekommen waren. Die Hadeler und eine große Anzahl ihrer früheren Untertanen gaben ihnen das Geleite.

Noch heute lebt und blüht das Geschlecht der Lappen. Herr Dr. med. Georg Bonne in Klein-Flottbek hat eine Geschichte des Geschlechtes geschrieben. Seine Mutter war eine geborene Lappe. Ihr Bruder lebte als allseitig hochgeschätzter Arzt in Stade. Von seinen Söhnen stand der ältere als Offizier im deutschen Heere, während der jüngere das Gymnasium in Hannover besuchte. Es waren die letzten ihres Geschlechtes.



 

 

 

 

 

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