Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1931



Fromme Stiftungen für die Mustiner Kirche.

VON P. FISCHER-HÜBNER, Ratzeburg.
 

Im Mittelalter pflegten die Frommen in reichem Maße die Kirchen zu beschenken. In unserm Lande ist damals die Nikolaikirche in Mölln am meisten mit milden Gaben geschmückt worden. Aber auch in den Dorfkirchen fehlen derartige Stiftungen nicht. Leider sind solche Geschenke aus dem Mittelalter in der mehr als 700 Jahre alten Marien-Magdalenenkirche zu MUSTIN nicht auf uns gekommen. Als Herzog Franz I. 1557 ein Verzeichnis der goldenen und silbernen Kirchengeräte anfertigen ließ, waren vorhanden: 1 silberner Kelch, vergoldet, samt der Patene und 1 kleiner silbern-vergoldeter Kelch samt der Patene, ferner 2 Monstranzen. Ein weiterer silberner Kelch, vergoldet, samt Patene gehörte in die Kapelle "tom Elende". In den Bau- und Kunstdenkmälern von Haupt liest man statt "Elende" das mit einem Fragezeichen versehene, völlig unverständliche Wort "Elvende". Wir haben bei der Durchsicht der im Staatsarchiv zu Kiel D I 1 Nr. 1597 aufbewahrten Akte feststellen können, daß das "v" überhaupt nickt existiert. Wer kennt auch die Elendsbrüderschaften nicht, deren Name noch in dem Dorfe Elend im Harz fortlebt? Mustin lag schon damals an der Straße Schwerin-Ratzeburg. Viele, viele Elende, d. h. Ausländer, also

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Wanderer, Flüchtlinge, Bettler, Studenten, Invaliden sprachen im Dorfe Mustin vor und begehrten Herberge. Da bildete sich eine Elendsbruderschaft, für die
"Brüder von der Landstraße" zu sorgen. Man baute ein Haus und eine Kapelle "tom Elende genannt". Heute würde man sagen: Herberge zur Heimat. So betätigte sich der kirchlich-fromme Sinn der Mustiner in dem sozialen Werk der Wandererfürsorge bereits in mittelalterlichen Zeiten. Leider hören wir später nichts mehr von dieser Stiftung, und die Stätte derselben kennt man nicht mehr.

Indessen auch nach der Reformation hat es im Kirchspiel Mustin stets Menschen der Liebe gegeben, die freiwillige Spenden auf den Altar Gottes legten. Voran steht als Stifter Hartwich von Bütow, der wahrscheinlich 1560 gemeinschaftlich mit seiner Gattin Anna von Perkentin den noch vorhandenen, spätgotischen silbernen ABENDMAHLSKELCH schenkte. Auf den 6 Knäufen des Schaftes zeigt sich abwechselnd das Bülowsche und Perkentinsche Wappen. Die dazu gehörige Patene ist wie der Fuß des Kelches mit einem Weihekreuz versehen.



 


1611 verzeichnet Pastor David Tausendschön im Kirchenbuche: "4 neue zinnerne LEUCHTER, so von unterschiedlich des Kirchspiels Personen bei meiner Zeit in Gottes eher (Ehre) gutwilliglich gegeben worden. 1 zinnerne quartier WEIN-KANNE, welche Hans Hugo in die Kirche gegeben hat." Letztere wurde leider, vermutlich im 30jährigen Kriege, gestohlen.

Nächst Pastor Tausendschön hatte einer seiner Nachfolger Abraham MÜLLER aus Lübeck (1679-1689) Kunstsinn und Eifer für seiner Pfarrkirche Ausschmückung. Eine Tafel an der KANZEL meldet: "Gott allein die Ehre, so haben Gott liebende Herzen auf fleißiges Ersuchen H. (Herrn) Abraham Müller, Pastoris, diese Kanzel verehrt. Anno 1682." Im gleichen Jahre ist wahrscheinlich DER GROSZE ALTARAUFSATZ mit Bildern vom Abendmahl, der Kreuzigung und Himmelfahrt von Dehtleff [nicht Dietrich, wie Haupt liest!] Friedrich Fromm von den Gutspächtern von Mustin und Kittlitz, den Brüdern Joachim Christopher und Johann Heinrich POBERTZ geschenkt worden. Dieser alte Altaraufsatz, bei Seite gehängt und durch Staub und Schmutz fast unkenntlich geworden, ist kürzlich von sachverständiger Hand gereinigt und würdig aufgehängt worden - nun wieder ein schöner Schmuck der alten Kirche. Ein Kupferstreifen an dem Konsolbrett meldet: "Erneuert 1930 - Elisabeth Schellbach zum Gedächtnis." Zwei Jahre nach der Errichtung der neuen Kanzel (1684) schenkte Marie von der Decken, Witwe v. Mindesheim eine in Silber getriebene HOSTIENDOSE mit den Buchstaben M. V. D. D. W. V. W.

Der mit Abraham Müller nicht verwandte Pastor Joachim Hartwig Müller hatte die Freude, daß für Krankenabendmahle 1 kleiner, silberner KELCH mit Patene (Niendorf 19. Dez. 1738) gestiftet wurde. 1735 schenkte Samuel Christoffer Hardenack den schweren, bronzenen Renaissance-LEUCHTER, auf dessen Rand über den 3 Kugelfüßen stilisierte Blumen eingraviert sind.



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Mehr als hundert Jahre verflossen, ohne daß man irgend welchen Eifer für kirchliche Kunst im Kirchspiel bemerkte. Erst unter dem Konsistorialassessor Pastor HANEWINCKEL aus Bremen regte sich die Gebefreudigkeit, nachdem der Architekt Lohmeyer die Kirche, leider verständnislos, restauriert hatte (1859-61). Der Gutsbesitzer Müller-Dutzow schenkte damals die 3 farbigen Glasfenster im Chor, Frau Landschaftsrat v. Walcke-Schuldt die beiden schönen, großen Bronze-Kronenleuchter und "ein nicht genannt sein wollendes Ehepaar, von welchem die Frau in der Mustiner Kirche konfirmiert ist", 1864 das Bild des dornengekrönten, kreuztragenden Christus, das in neuster Zeit gleichfalls gereinigt und besser aufgehängt worden ist. Zwölf Jahre zuvor bedachte Cecilie Berckemeyer geb. Böhl auf Thurow die Kirche mit einer großen silbernen Abendmahlskanne und dazu gehörigen Kelch (21. 11. 1852).
 



 


Schmerzliche Erinnerungen weckt die schöne Gedenktafel für die im Völkerringen 1914-18 gefallenen Söhne des Kirchspiels mit über 50 Namen, neben der die Erinnerungstafel an den Krieg 1870/71, die einen einzigen Namen enthält, uns die Größe der Verluste im Weltkriege vor Augen führt.

An dem Beispiel der Mustiner Kirche wollten wir zeigen, in welcher Weise sich die Gebefreudigkeit und der Kunstsinn der Bewohner eines dörflichen Kirchspiels anregen läßt. Gehört nun einmal die Heimatkirche zum Rückgrat des Heimatbewußtseins, so bedarf das heilige Gebäude liebender Pflege und kunstverständige Auszierung. Allzu nüchtern wirkt die Kahlheit des Kircheninnern, wenn nicht die Liebe zur Heimatkirche bei Taufen, Trauungen, Konfirmationen und Niederschrift des Testaments Gemälde, Altarbekleidungen, Blumen, heilige Gefäße usw. schenkt. Niemals sollten die zur Ordnung des Kirchenjahrs passenden Blumen auf dem Altare fehlen! Jede Gemeinde besitze die 5 liturgischen Farben für die Altar-, Kanzel- und Taufsteinbekleidung! Grundsatz bei solchen Stiftungen sei: zur Ehre Gottes ist das BESTE gerade gut genug! Vorhandenes ist treu zu bewahren, sachgemäß zu reinigen und aufzustellen, wie es durch Herrn Bibliothekar Schellbach in Mustin und Ratzeburg geschehen ist, dem wir die Unterlagen für diesen Aufsatz verdanken.

Ein Stiefkind der Gemeinden ist meist der Friedhof, der oft nicht den Eindruck des Friedens, sondern der Unruhe macht, und ein trübes Licht auf die
Denkweise einer Gemeinde wirft, die der Toten, IHRER Toten vergißt!

 

 




 

 

 

 

 

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