Im Mittelalter pflegten die Frommen in
reichem Maße die Kirchen zu beschenken. In unserm Lande ist
damals die Nikolaikirche in Mölln am meisten mit milden Gaben
geschmückt worden. Aber auch in den Dorfkirchen fehlen derartige
Stiftungen nicht. Leider sind solche Geschenke aus dem
Mittelalter in der mehr als 700 Jahre alten
Marien-Magdalenenkirche zu MUSTIN nicht auf uns gekommen. Als
Herzog Franz I. 1557 ein Verzeichnis
der goldenen und silbernen Kirchengeräte anfertigen ließ, waren
vorhanden: 1 silberner Kelch, vergoldet, samt der
Patene und 1 kleiner silbern-vergoldeter Kelch
samt der Patene, ferner 2 Monstranzen. Ein
weiterer silberner Kelch, vergoldet, samt Patene gehörte in die
Kapelle "tom Elende". In den Bau- und Kunstdenkmälern von Haupt
liest man statt "Elende" das mit einem Fragezeichen versehene,
völlig unverständliche Wort "Elvende". Wir haben bei der
Durchsicht der im Staatsarchiv zu Kiel D I 1 Nr.
1597 aufbewahrten Akte feststellen können, daß das
"v" überhaupt nickt existiert. Wer kennt auch die
Elendsbrüderschaften nicht, deren Name noch in dem Dorfe Elend
im Harz fortlebt? Mustin lag schon damals an der Straße
Schwerin-Ratzeburg. Viele, viele Elende, d. h. Ausländer, also
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Wanderer, Flüchtlinge, Bettler, Studenten, Invaliden sprachen im
Dorfe Mustin vor und begehrten Herberge. Da bildete sich eine
Elendsbruderschaft, für die
"Brüder von der Landstraße" zu sorgen. Man baute ein Haus und eine Kapelle "tom
Elende genannt". Heute würde man sagen: Herberge zur Heimat. So betätigte sich
der kirchlich-fromme Sinn der Mustiner in dem sozialen Werk der Wandererfürsorge
bereits in mittelalterlichen Zeiten. Leider hören wir später nichts mehr von
dieser Stiftung, und die Stätte derselben kennt man nicht mehr.
Indessen auch nach der Reformation hat es im Kirchspiel Mustin stets Menschen
der Liebe gegeben, die freiwillige Spenden auf den Altar Gottes legten. Voran
steht als Stifter Hartwich von Bütow, der wahrscheinlich 1560
gemeinschaftlich mit seiner Gattin Anna von Perkentin den noch vorhandenen,
spätgotischen silbernen ABENDMAHLSKELCH schenkte. Auf den 6
Knäufen des Schaftes zeigt sich abwechselnd das Bülowsche und Perkentinsche
Wappen. Die dazu gehörige Patene ist wie der Fuß des Kelches mit einem
Weihekreuz versehen.
1611 verzeichnet Pastor David Tausendschön im Kirchenbuche: "4
neue zinnerne LEUCHTER, so von unterschiedlich des Kirchspiels Personen bei
meiner Zeit in Gottes eher (Ehre) gutwilliglich gegeben worden. 1
zinnerne quartier WEIN-KANNE, welche Hans Hugo in die Kirche gegeben hat."
Letztere wurde leider, vermutlich im 30jährigen Kriege, gestohlen.
Nächst Pastor Tausendschön hatte einer seiner Nachfolger Abraham MÜLLER
aus Lübeck (1679-1689) Kunstsinn und Eifer für
seiner Pfarrkirche Ausschmückung. Eine Tafel an der KANZEL meldet: "Gott allein
die Ehre, so haben Gott liebende Herzen auf fleißiges Ersuchen H. (Herrn)
Abraham Müller, Pastoris, diese Kanzel verehrt. Anno 1682." Im
gleichen Jahre ist wahrscheinlich DER GROSZE ALTARAUFSATZ mit Bildern vom
Abendmahl, der Kreuzigung und Himmelfahrt von Dehtleff [nicht Dietrich, wie
Haupt liest!] Friedrich Fromm von den Gutspächtern von Mustin und Kittlitz, den
Brüdern Joachim Christopher und Johann Heinrich POBERTZ geschenkt worden. Dieser
alte Altaraufsatz, bei Seite gehängt und durch Staub und Schmutz fast
unkenntlich geworden, ist kürzlich von sachverständiger Hand gereinigt und
würdig aufgehängt worden - nun wieder ein schöner Schmuck der alten Kirche. Ein
Kupferstreifen an dem Konsolbrett meldet: "Erneuert 1930 -
Elisabeth Schellbach zum Gedächtnis." Zwei Jahre nach der Errichtung der neuen
Kanzel (1684) schenkte Marie von der Decken, Witwe v. Mindesheim
eine in Silber getriebene HOSTIENDOSE mit den Buchstaben M. V. D. D. W. V.
W.
Der mit Abraham Müller nicht verwandte Pastor Joachim Hartwig Müller hatte die
Freude, daß für Krankenabendmahle 1 kleiner, silberner KELCH mit
Patene (Niendorf 19. Dez. 1738) gestiftet wurde.
1735 schenkte Samuel Christoffer Hardenack den schweren, bronzenen
Renaissance-LEUCHTER, auf dessen Rand über den 3 Kugelfüßen
stilisierte Blumen eingraviert sind.
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Mehr als hundert Jahre verflossen, ohne daß man irgend
welchen Eifer für kirchliche Kunst im Kirchspiel bemerkte. Erst unter dem
Konsistorialassessor Pastor HANEWINCKEL aus Bremen regte sich die
Gebefreudigkeit, nachdem der Architekt Lohmeyer die Kirche, leider
verständnislos, restauriert hatte (1859-61). Der
Gutsbesitzer Müller-Dutzow schenkte damals die 3 farbigen
Glasfenster im Chor, Frau Landschaftsrat v. Walcke-Schuldt die beiden schönen,
großen Bronze-Kronenleuchter und "ein nicht genannt sein wollendes Ehepaar, von
welchem die Frau in der Mustiner Kirche konfirmiert ist", 1864 das
Bild des dornengekrönten, kreuztragenden Christus, das in neuster Zeit
gleichfalls gereinigt und besser aufgehängt worden ist. Zwölf Jahre zuvor
bedachte Cecilie Berckemeyer geb. Böhl auf Thurow die Kirche mit einer großen
silbernen Abendmahlskanne und dazu gehörigen Kelch (21. 11.
1852).
Schmerzliche Erinnerungen weckt die schöne Gedenktafel für die im Völkerringen
1914-18 gefallenen Söhne des Kirchspiels mit über
50 Namen, neben der die Erinnerungstafel an den Krieg 1870/71,
die einen einzigen Namen enthält, uns die Größe der Verluste im Weltkriege vor
Augen führt.
An dem Beispiel der Mustiner Kirche wollten wir zeigen, in welcher Weise sich
die Gebefreudigkeit und der Kunstsinn der Bewohner eines dörflichen Kirchspiels
anregen läßt. Gehört nun einmal die Heimatkirche zum Rückgrat des
Heimatbewußtseins, so bedarf das heilige Gebäude liebender Pflege und
kunstverständige Auszierung. Allzu nüchtern wirkt die Kahlheit des
Kircheninnern, wenn nicht die Liebe zur Heimatkirche bei Taufen, Trauungen,
Konfirmationen und Niederschrift des Testaments Gemälde, Altarbekleidungen,
Blumen, heilige Gefäße usw. schenkt. Niemals sollten die zur Ordnung des
Kirchenjahrs passenden Blumen auf dem Altare fehlen! Jede Gemeinde besitze die
5 liturgischen Farben für die Altar-, Kanzel- und
Taufsteinbekleidung! Grundsatz bei solchen Stiftungen sei: zur Ehre Gottes ist
das BESTE gerade gut genug! Vorhandenes ist treu zu bewahren, sachgemäß zu
reinigen und aufzustellen, wie es durch Herrn Bibliothekar Schellbach in Mustin
und Ratzeburg geschehen ist, dem wir die Unterlagen für diesen Aufsatz
verdanken.
Ein Stiefkind der Gemeinden ist meist der Friedhof, der oft nicht den Eindruck
des Friedens, sondern der Unruhe macht, und ein trübes Licht auf die
Denkweise einer Gemeinde wirft, die der Toten, IHRER Toten vergißt!
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