Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1931



Die "merkwürdige Reise" des Herrn von Uffenbach
durch das Herzogtum Lauenburg im Jahre 1710.

Von HANNA DEICKE.
 

Im Jahre 1710 besuchte Herr Zacharias Conrad von Uffenbach (1683 bis 1734) mit seinem Bruder Johann Friedrich auf einer seiner Reisen auch das Herzogtum Lauenburg. Er stammte aus einem angesehenen Frankfurter Geschlecht und wurde später selbst Schöffe und Ratsherr in Frankfurt a. M. Durch tüchtige Lehrer und eifriges Studium in Straßburg und Halle vielseitig ausgebildet, fing er schon während seiner Studienzeit an Bücher zu sammeln, und es heißt, daß seine Bibliothek schon damals "eines Professors nicht unwürdig war". Später wuchs sie so an, daß sie zu den größten Privatsammlungen ihrer Zeit gerechnet werden kann. Auf seinen sehr umfangreichen Reisen hat er sich, damit ihm keine Sehenswürdigkeit entginge, vorher sehr genau vorbereitet. So hat er Zeilers "TOPOGRAPHIA SAXONIAE INFERIORIS" eingehend studiert, und er verbessert den Verfasser in seinen Reiseberichten öfter.

Im Jahre 1710 führte ihn die Reise von Frankfurt über Braunschweig, Hannover, Lüneburg, Lauenburg, Mölln, Ratzeburg, Lübeck und Hamburg nach Holland und England. In seinen "Merkwürdigen Reisen durch Niedersachsen, Holland und Engelland. Mit Kupfern ... I. Teil: Frankfurt und Leipzig 1753, II. Teil: Ulm 1753 und 1754, berichtet er uns über seine Reise durch das Herzogtum Lauenburg:

Nachdem wir in Lüneburg alles Merkwürdige in Augenschein genommen hatten: so fuhren wir den dritten Februar des Jahres 1710 von dar ab, und kamen nach zwey Meilen in ADELBURG 1) an. Es ist ein Dorf und liegt an der Elbe, da man sonst mit großen offenen Schiffen oder Nachen überfährt, weil aber leider selbige zugefroren war, so mußten wir es wagen, mit dem Wagen auf dem Eis hinüber zu fahren, welches auch, GOTT seye Danck! glücklich abgieng. Die Elbe war nun den zweyten Tag vorher Abends zugegangen, und das Eis noch kaum an sich zwey Finger dick. Allein so bald die Elbe zugehet, nehmen sich die Leute, so sonst überfahren, gleich die Mühe, und machen eine Bahne, wie sie es heißen, das ist, sie machen oder hauen auf beyden Seiten Löcher, und schöpfen Wasser, und schütten es auf das Eis, so breit sie eine Bahne machen wollen. Dieses thun sie sonderlich Abends und Morgens gar frühe, wenn die Kälte am größten ist. Dieses Wasser frieret, und macht das Eis, wo es hingeschüttet worden, gar dick, so daß es in vier und zwanzig Stunden so viel trägt, das man mit Schlitten darüber fahren kan, wenn man Stroh streuet, und das Wasser darauf gießet, wird es noch vester, auch eher dick und hart. Wenn sie so eine Bahne gemacht, so bringen sie Kutschen und Lastwägen auf die Art hinüber, das sie nemlich die Räder abmachen, und jedes besonders auf Schlitten mit einem Pferde herüber und hinüber ziehen lassen; sind es Frachtwägen, werden die Ballen nach und nach auch herüber gebracht, bis das Eis so dick ist, das man gänzlich darüber kommen kan. Wir sahen der Kurzweile, wie man alles auf Schlitten herüber brachte, eine Weile zu, bis es denen Leuten gefiele, uns auch überzuhelfen. Wir vermeynten nicht anders, als man würde unsere Coffres und Räder auch von unseren Chaisen abmachen, und eins nach dem andern hinüber bringen; allein die Leute nahmen ohne unser Wissen die Kühnheit, und fuhren mit unsern Wagen selbst hinüber. Und zwar war dieses das erste, das es die Leute, wie sie nachmalen selbst sagten, gewaget, dabey mir dann wegen unserer Coffres, und sonderlich der darinnen befindlichen Schreibereyen sehr bange war. Wir giengen von weitem hinten nach. Sie hatten nur ein Pferd, und zwar ganz vorne an die Deichsel gespannt, damit die Last des Pferdes und der Chaisen nicht auf einen Raum zusammen käme, und rennten damit, so stark sie konnten, damit es geschwinde darüber hingienge. Es ist die Elbe allhier so breit, wo nicht breiter als der Rhein bey Maynz. Vorne war das Eis so glatt, das wir kaum gehen konnten, in der Mitte aber noch so dünne, das wir sehen konnten, wie es sich von der Last unserer Chaise, sonderlich wann etwa ein Schlitten mit Waren nebenher

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1) Artlenburg.

 

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vorbey käme, sich beugte, es krachte dabey so gewaltig, das wir nicht wenig erschraken. Jedoch wir kamen, GOTT sey Dank! glücklich hinüber, wir mußten aber viel Geld bezahlen, erstlich sechs gute Groschen Zoll oder Weggeld, und dann zwölf gute Groschen überzufahren. Wir waren aber froh, das wir herüber waren. Denn wenn das Eis nicht vest genug gewesen, oder aufgegangen wäre, hätten wir wegen des Eises hier etliche Tage auf diesem Dorfe müssen liegen bleiben, da wir uns ohnedem in Nieder-Sachsen lang genug aufhalten müssen. Wir kamen endlich Abends um fünf Uhr nach LAUENBURG, nachdem wir eine halbe Stunde umgefahren, denn wenn die Elbe offen gewesen wäre, hätten wir von Lüneburg gerade auf Lauenburg fahren, und uns allda können übersetzen lassen. Allein weil dorten keine Land-Straße ist, so verlohnt es sich der Mühe nicht, das sie eine Bahne machen.

Lauenburg ist unten an einem Berge, und auf der anderen Seite an die Elbe hart angebauet, und ein viel schlechterer und geringerer Ort, als wir uns selbigen eingebildet hatten. Wir konnten in dem Wirtshause in der Stadt nicht einmal eine eigene Stuben haben, deswegen fuhren wir den Berg wieder hinauf, und logirten bey dem sogenannten Schloß in dem guldenen Adler. Ich sage mit Bedacht, dem sogenannten Schloß, dann es ist nunmehro nichts als ein Amthaus, welches man von denen Ruderibus des Schlosses, so schon im Schwedischen Kriege zerstöret worden, erbauet hat. Dabey sind noch einige Höfe und Häuser, darunter auch unser Wirtshaus war. Wenn der vorige und letzte Herzog von Lauenburg hier im Lande war, hat er sich zu Neuhaus, drey Meilen von hier, allwo ein artiges Schloß, fast wie das Zellische, aber kleiner seyn soll, aufgehalten. Nunmehro hat es allhier einen Amtmann, und einen Drost, welches letztere der Herr von Pleß ist. Die Stadt aber unten hat ihren eigenen Magistrat, und stehet nicht unter demselben, sondern allein unter dem Churfürsten von Hannover.

Den 4. Februar Morgens giengen wir erstlich hinunter in die Stadt, die einzige Kirche, so allhier ist, zu besehen. Sie liegt fast am Ende der Stadt, der [sic!] Elbe hinunter, ist nicht gar groß, niedrig und schlecht 2) mit einem hölzernen Gewölbe. Es ist darinnen nichts Merkwürdiges, als der hohe Chor, darauf der Altar. Man gehet etliche Treppen hinauf, da in der Mitte die Canzel sehr hoch stehet. Auf beyden Seiten der Canzel ist eine Thüre, da man in das hohe Chor hinein gehet. Selbiges ist nicht gar groß, aber artig. Auf einer Seite, nemlich der linken, wenn man hinauf kommt, ist ein sehr hoher, aber schlechter 2) steinerner Sarg, darauf ein alter Herzog, in Stein gehauen, nebst seiner Gemahlin kniet. 3) Es ist nirgends keine Inscription, außer die Jahreszahl 1599. Das Mädgen, so uns die Kirche zeigte, sagte, daß es der Herzog Franz wäre, welches in der Chronologie oder Historie nachzuschlagen, ob um dieses Jahr gedachter Herzog gestorben. Rechter Hand ist wie ein Stamm- oder Sippschafts-Baum in Stein gehauen, der aus lauter Schild oder Wappen von Herzoginnen von Lauenburg bestehet, allein mit ihren Namen, fast von allen Häusern aus Teutschland, an der Zahl dreyßig. In der Mitte ist ein geharnischter Mann, unten in der Gruft sollen zwanzig bis dreyßig Särge stehen. Wir giengen noch bis ans Ende der Stadt, die eigentlich aus zwo Straßen bestehet, einer langen, längst der Elbe, und einer kleineren, die an den Markt, und gegen den Berg zugehet.

Auf dem Markte ist ein Pranger oder Hals Eisen gar besonders. Es ist eine sehr hohe hölzerne Säule, auf welcher oben der Scharfrichter mit einem breiten Hut, einem großen Schwerdt an der Seite, und einer Ruthe in der rechten Hand stehet.

Nachmittags giengen wir, das verfallene Schloß, Amthaus und Vorwerke zu besehen. Das Schloß ist, wie schon gedacht, ganz verfallen, und wenig mehr davon zu sehen, weil das Amthaus so gar groß und schön davon gebauet worden. Doch stehet noch ein alter, großer, dicker Thurm da, darauf man sich sehr weit muß umschauen können, wie dann der Berg, darauf er stehet, sehr hoch ist. Hart an dem Berge, wie auch unten hart an den Häusern, fließt die Elbe hin.

Wir besuchten noch diesen Mittag den Herrn Pastor Schlöpke, welcher von dem Rectorat in Bardevic hieher berufen worden. Selbiger ist ein leut-

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2) = schlicht.
3) Herzog Franz II. und seine Gemahlin Maria.
 

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seliger guter ehrlicher Mann, etlich und vierzig Jahr alt. Er scheinet nicht gar gesund, und verziehet, vermutlich durch eine Krankheit, den Mund im Reden gar sehr. Wir redeten von allerhand, sonderlich von seinem Chronico von Bardevic, da er uns des Eliae van der Hude Chronicon Verdense, das er in selbigem öfters anführt, zeigete. Es ist eine Abschrift desselben, etwa über ein Buch Papier stark, aber compreß geschrieben, lateinisch, und weil der Autor noch zu Zeiten der Reformation gelebet, nicht gar alt. Wir kamen auch von Möllen zu reden, da er uns erzehlte, daß die Leute noch viele Eulenspiegels-Possen und Gewohnheiten unter sich hätten, davon er folgende zwey meldete. Das erste, daß der Rector an der Schule allezeit vorher müsse Cantor gewesen seyn, und sollte es auch nur eine kurze Zeit seyn, oder es müßte zum wenigsten so heißen, wenn er gleich nicht das geringste von der Music verstünde; da es denn offt geschehe, daß, wenn einer gerne Rector werden wolle, er erstlich Cantor werden müsse, der Rector aber vor ihn singen, und im Singen informiren müsse. Das andere, so er uns erzehlte, ist noch wunderlicher, nemlich, wie man an anderen Orten um die Privat-Copulation außer der Kirche anhalten, und davor den Armen etwas geben müsse, so wäre es allhier umgekehrt, und müßten diejenige, so gern in der Kirche sich wollen trauen lassen, darum anhalten, sonsten aber müßten durchgehends die Copulationen privatim in denen Häusern geschehen. So hätten auch noch fast alle Leute des Eulenspiegels Portrait oder Bildniß in ihren Häusern.

Den 5. Morgens fuhren wir, weil in Lauenburg nichts mehr zu thun war, auf diese berühmte Geburts-Stadt des Eulenspiegels MOELLEN, vier starke Meilen. Daselbst wir erst um halb zwey Uhr ankamen. Das Städtgen liegt in einem tieffen Grunde an einem See, der drei Viertel-Stunden lang ist, und siehet nicht gar besonders aus, hat aber doch eine breite, lange und mit ziemlichen Häusern besetzte Straße. Wir traten in der Lüneburger-Herberge ab, da der Wirth ein rechter Eulenspiegel war. Indem man uns etwas Essen zubereitete, giengen wir aus, und fanden unten fast am Ende der Stadt das Rathhaus und die Kirche bey einander liegen. Wir besahen erstlich an der Kirche, welche auf einer kleinen Höhe stehet, gleich wenn man die Treppen auf den Kirchhof hinauf gehet, ohnfern der Thüre das Häusgen, worinnen der Grabstein des Eulenspiegels aufgerichtet, und wider die Mauer der Kirche gelehnet, stehet. Er hat sonst bey der Kirche auf dem Kirchhofe selbst unter der daselbst noch wirklich befindlichen Linde gelegen, weil er aber öfters von bösen Buben verletzet und von Regen und Wetter verderbt werden wollen, als hat ein Hochlöbl. und Wohlweiser Magistrat allerhier selbigen schon vor langem an die Kirche lehnen, und ein Häusgen, so rings herum zugeschlagen ist, und vorne nur ein offen Fenster oder Loch hat, setzen lassen. Der Stein ist über vier Ellen hoch, und nur etwa eine breit. Es ist nicht nur auf des Steins beyden Ecken eine Eule und ein Spiegel gehauen, wie Merian oder Zeiller in TOPOGR. SAX. INFER. P. 184 sagt, sondern Eulenspiegels vornehmes Bildniß ist in Lebens-Größe, ob gleich nicht völliger Statur und Länge nach, darauf, und hat obbemeldte Stücke selbst in seinen Händen. Daß er Schellen anhat, mag nicht so wohl daher kommen, daß er einen klugen Narren oder Schalksknecht agirt, sondern daß die Schellen zu der Zeit groß Mode waren, selbst von großen Herren zu tragen. Die unten auf dem Steine stehende Schrift ist durch Regen und Muthwillen zimlich verletzt, so daß sie denen, welchen sie nicht bekandt, schwer zu lesen ist. Marperger in Europäischen Reisen führet selbige an. In das Holz am Häusgen haben sehr viele Eulenspiegel ihre Namen eingeschnitten.

Nachdem ließen wir uns die Kirche aufschließen, die noch zimlich aussiehet, daran aber nichts zu sehen ist, als in der Sacristey viele an Pulten angeschlossene uralte Bücher, darinnen aber, solang Eulenspiegel tot ist, wenig gelesen worden, weil sie erschrecklich voller Staub sind. Ich machte mir viele Mühe damit, konnte aber nichts als etliche lateinische Bibeln, den Thomas Aquinas, und dergleichen finden. Die gute Glocknerin, so uns solche wiese, zeigte uns auch den Kirchenornat, der in einigen schlichten Meßgewandten bestunde. Doch war ein sonderbarer Klingelbeutel dabey, der an sich spannenlang ist, ganz steif wie ein Töpfen, er hatte eine drey Spannen lange Röhre, daran der Stiel mit vest gemacht ist. Am Ende dieser Stange waren zwey Glöcklein gemacht, an statt daß man sonst nur eines hat, vermuthlich weil der Eulenspiegel, wie

 

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oben gemeldet, ein großer Liebhaber von Schellen gewesen. Ich fragte die Frau, die viel vom Eulenspiegel erzehlte, ob sie mir nicht sein Buch in plattteutscher Sprache schaffen könne. Sie vermeynte auch solches bey dem Buchbinder zu finden, allein vergebens.

Von dar giengen wir auf das Rathaus, des Eulenspiegels Kleider, die, wie man uns sagte, allda aufbehalten würden, zu sehen. Allein wir mußten lachen, als man uns bey der Raths-Stube in einem kleinen Schrank einen ganz alten Panzer von Eisen-Drat, wie man sie vor diesem im Krieg geführet, zeigte, und solchen in allem Ernst vor des Eulenspiegels Kleidung ausgabe. Das Weib, so uns dieses zeigte, erinnerte uns, das wir doch auch des Eulenspiegels Bildnis oder Portrait mitnehmen möchten, wiese uns auch zu einem Maler, der sie unvergleichlich machte. Wir giengen auch wirklich zu ihm, und fanden, wie leicht zu denken, das es ein elender Albrecht Schmierer seye. Er entschuldigte sich, daß er anjetzo eben keine Eulenspiegel fertig hätte, jedoch wolte er uns diese Woche zwey schöne machen, und nach Lübeck, das Stück vor einen Reichsthaler, nachschicken. Er versicherte anbei, das er ihn ganz ähnlich machen wollte, es gäbe Eulenspiegels noch genug allhier, und hienge er fast in allen Stuben hinter dem Ofen, welches auch ohne Scherz wahr seyn soll, wie man uns dann auch in das Wirtshaus einige, auf Papier mit Farben schlecht gemalet, zu kauffen brachte. Als wir ein wenig gespeiset hatten, fuhren wir um drey Uhr von hier auf RATZEBURG, eine starke Meile. Allda wir etwas vor fünf Uhr ankamen, als man eben die Thore dieser Vestung schließen wollte. Man ließ uns, bis unsere Post-Pässe erstlich auf der Hauptwache, und dann von dem Commendanten gesehen worden, wohl eine Stunde warten, worüber wir uns, weil es kalt war, zimlich ärgerten. Wir logirten auf dem Markte bey Herrn Amtmann Clasen.

Den 6. Morgens besahen wir erstlich den Dom, der wohl das Allermerkwürdigste allhier ist. Er liegt am Ende der Stadt auf einer kleinen Höhe, und gehöret dem Herzog von Mecklenburg-Strelitz, wie dann der Herzog gegen über auf dem Dom-Platz ein zimliches Haus hat, darinnen ein geheimder Rath wohnet. Vor dem Hause her gehet eine Mauer, an welcher mit großen Buchstaben stehet: Von Gottes Gnaden Adolph Friedrich, Herzog zu Mecklenburg usw., der es wohl wird haben erbauen oder renovieren lassen. Wieder auf den Dom zu kommen, so ist es ein zimlich hoch und groß Gebäude, von gebackenen Steinen aufgeführet. Der Küster zeigte uns erstlich bey dem Eingange den Ort, da eine Stuck-Kugel einem Soldaten das Bein in der Dänischen Belagerung vor etlich und zwanzig Jahren 4) hinweg genommen. Man hatte auf die Höhe um den Dom zwey Batterien gemacht, davon aber nur die eine gebraucht worden. Die Häuser sind alle durch Bomben in die Asche gelegt worden, ausgenommen der Dom, und einige wenige Gebäude. Jedoch ist auch dem Dom großer Schade geschehen, der zu repariren über tausend Reichsthaler gekostet haben soll. Eine Bombe hat oben durch das Gewölbe nieder=, und einem Soldaten, der sich an diesem Pfeiler in einem Stuhl niedergesetzt, den Kopf abgeschlagen, da uns der Küster noch die Merkmahle auf der Erde und unten an dem Pfeiler zeigte. Fast in der Mitte der Kirche gegen das Chor zu ist ein großer Balken oder Durchzug von Holz, 5) darauf mit goldenen Buchstaben die Worte aus der 2. Petr. 2,24, stehen: "Welcher (nemlich Christus) unsere Sünde selbst geopfert hat an seinem Leibe auf dem Holze, auf das wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben." Ein Ungewitter und Donnerstrahl hat aber alles ausgelöscht, das nichts davon als die Worte: Christus ... hat ... leben, alleine stehen geblieben. Der Herr Präpositus hat es etliche Male wieder wollen repariren lassen, es hat aber kein Gold annehmen wollen. Das ist sonder Zweifel der Eigenschaft und Natur dieses Donnerstrales und Schwefels zuzuschreiben, wiewohl der Küster ein rechtes Miracul davon machte. Auf der Erde liegen hin und wieder viele Grab-Steine von Bischöfen und Canonicis, unter andern ein sehr großer von Wiperto Blicher, 6) von welchem uns der Küster, welcher sehr gelehrt thate, und ein alter Studiosus Theologiä gewesen seyn mußte, als etwas besonders erzehlte, daß, als er erwählet worden, er nur achtzehen Jahre alt gewesen, deßwegen er Dispensation zu Rom holen müssen, als ihm aber der Pabst, weil er gar zu jung war, solche nicht geben wollen, seye er in einer Nacht vor Betrübnis ganz grau worden,

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4) 1693.
5) Trägt jetzt das Triumphkreuz.
6) Bischof Wipert v. Blücher 1356-1367.
 

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worauf der Papst gesagt: Gott hat dich alt genug gemacht, und gezeiget, daß du Bischoff seyn solltest, worauf er auch Bischoff worden, allein nur vier Jahr regirt. Der Küster versichert uns, daß solches Cranzius umständlich erzehle, und sagte, daß er aus selbigen und andern Scribenten die Historie hiesiger Bischöffe zusammen getragen, und drucken lassen wolle. Wir konnten die Jahrzahl und Umschrift von ermeldtem Leichenstein nicht lesen, dieweil die Hälfte desselben mit den Kirchenstühlen bedeckt war, welche gewiß in den meisten Kirchen viele verdecken, und den Liebhabern verdrießlich sind. Nach dem wiese uns der Küster auf der Seite in einem kleinen Gewölbe oder Capelle einen kleinen viereckigten Stein, darunter Herzog Ericus IV. von Lauenburg begraben seyn soll, weil er im Bann gestorben, und deßwegen nicht zu den andern Herzogen, deren allhier sonsten vierzehn begraben liegen sollen, in die Gruft gesetzet worden, davon auch Cranzius Meldung thun soll. 7)

Fast gegen über dieser Capelle an der Mauer des Chors ist eine gemalte Tafel, auf welcher in etlichen kleinen Feldern die Historie des Heil. Ansveri, so zuerst Bischoff allhier gewesen, abgebildet ist. 8) Oben drüber war mit neuer (Schrift und güldenen Buchstaben obermeldte Historie kurz beschrieben, die aber die Kälte nicht zuließ, auch eben der Mühe nicht wert war, abzuschreiben.

Gleich gegen über der Wand, nicht weit vom Creuzgang, ist ein steinern Epitaphium, eines von Strahlendorff, an welchem unten ein Todten-Kopf abgebildet ist, aus welchem drey Waizen-Ahren [sic!] wachsen, so verguldet sind, und weil sie sehr natürlich und wohl gemacht, das Wahrzeichen des Domes seyn sollen. Nachdem sahen wir oben auf dem hohen Chor erstlich die schöne in Stein gehauene Tafel, so vor diesem Altar gewesen sehn soll. Sie ist etwa drey Ellen hoch, und vier breit, und hat zwey Thüren von Kupfer. Es ist die ganze Passion so künstlich, als ich jemalen etwas gesehen, in Stein gehauen und gemalt. In der Ecke ist das Richthaus abgebildet, daran nicht allein ein künstlich Fenster oder Gegitter ist, sondern man siehet noch hinter demselben ein Männgen, als wenn es oben die Stiegen herunter käme. Das steinerne Grab, da Christus hineingeleget wird, ist wohl bald einen Schuh tief ausgehöhlet, wie wir mit unsren Stöcken gemessen. Das Volk, so der Creuzigung zusiehet, stehet doppelt hinter einander, und man kann doch die Gesichter alle Wohl sehen. Die drey Marien sind erstlich bey dem Ausführen nach der Schedelstätt, zweytens bey dem Creuz und drittens bey dem Grab sehr wohl gemacht, und gleichen einander alle dreye Male sehr wohl. Es ist gewißlich ein vortreffliches Kunststück. Unter der Tafel stehet: "Diese kunstreiche schöne Passion-Tafel ist aus einem Stein gehauen." Ganz unten lieset man einen großen Fluch angeschrieben gegen diejenige, so diesen Stein versehren oder verderben würden, den aber die Kälte nicht zuließe, abzuschreiben. Ueber dieser Tafel stehet Christus mit der Sieges-Fahne etwa 5/4 Ellen, und neben ihm über einander die zwölf Apostel, jeder 3/4 Ellen hoch von Silber, diese hat Hartwig von Bülow, Canonicus, hierher verehrt, und sollen vierhundert und funfzig Reichsthaler gekostet haben.

Es hatte derselbe, wie auch Herr von Berkentin, ein Gelübde getan, der Kirche etwas vor 500 Reichsthaler machen zu lassen, davor er dann, wie gedacht, diese Apostel, dieser aber den jetzigen schönen Altar von Alabaster, und braun und weißem Marmor machen lassen. Weil nun die Apostel nicht das völlige Geld gekostet, hat Herr von Bülow der Kirche noch eine Schuld von 50 Reichsthalern verehrt, davon nach der Hand der jetzige Cron-Leuchter gekauft worden, so in der Kirche hänget. Obgemeldter Altar ist sehr schön, obwohlen nicht gar groß. Unten ist das Abendmahl, über diesem die Creuzigung, ganz oben die Sendung des H. Geistes. Linker Hand neben die Auferstehung, rechter Hand die Geburt Christi, unten aber auf der rechten Moses, und gegen ihm über Johannes der Täufer mit dem Lamm, beyde in Lebens Größe.

Linker Hand des Altars an der Wand in der Höhe ist ein schönes Epitaphium von Alabaster Herzogs Augusti von Sachsen-Lauenburg, davor er nebst seiner Gemahlin in Lebens-Größe kniet. Gleich darneben ist das Epitaphium Herzogs Berndt (oder Bernhardi), Churfürstens zu Sachsen, das nur ein bloßer Schild, mit dem Chur-Sächsischen Wappen ist oben mit einem Helm darauf, dabey die Jahreszahl 1342 stehet.

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7) S. Lauenburgische Heimat 1929, Heft 2 und 1930, Heft 6.
8) Folgt eine trockene Beschreibung des Bildes.
 

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Gleich unter diesem Schilde hänget das Gemälde von der Sünderin Maria Magdalena, mit dem Todten-Kopfe, und gegen über eben dasselbe mit der Verzweiflung an einem Tische, worauf das Cruzifix ist, weinend sitzend. Diese beyden Stücke hat Herzog Christian Ludwig von Mecklenburg vor 500 Reichsthaler in Italien erkauft, mitgebracht, und anhero verehret. Nachdem sahen wir außerhalb am Chor an der Mauer das Epitaphium des Herrn Hartwigs von Bülow, der, wie oben vermeldt, die Apostel verehrt, und A. 1639 verstorben ist. Es ist von Stein schlecht 9) gehauen, und die Historie von der Erhöhung der Schlangen in der Wüsten darauf. Oben stehet auf beyden Seiten sein Symbolum: "Mein Trauren hat Ursach", welches Symbolum er wegen einer Fräulein, mit der er sich versprochen, die aber mit einem andern davon gegangen, genommen haben soll. Hinten auf der Canzel stehet der erste hiesige Lutherische Prediger Uhlerus in Stein gehauen. Unter der Orgel siehet man etliche Wappen von einigen Domherren.

In dem Gewölbe bey dem Ausgang der Kirche stehet ein alter verguldeter Wagen, der zur Heimführung einer Herzogin von Lauenburg gemacht worden, selbiger siehet sehr alt und wunderlich von Form aus. An dieser Thüre oder Eingang in die Kirche ist auch eine kleine steinerne Tafel, darauf mit verguldeten alten Buchstaben folgendes von Fundation des Stiftes zu lesen ist: "ANNO MILLESIMO CENTESIMO 44. 3TIO IDUS AUG. FUNDATA EST ECCLESIA CATHEDRALIS RACEBURGICA AB ILLUSRISS. [sic!] PRINCIPE HENRICO LEONE, DUCE BAVAR. & SAX. INFER. ORATE PRO EO." Und dieses ist, was wir in der Kirche sehen können. Ich fragte zwar bey dem Küster, ob nicht bey derselben eine Bibliothec, oder doch zum wenigsten einige Bücher vorhanden wären, allein er betheuerte, daß gar nichts da seye, welches mich um so viel mehr verwunderte, weil ich in Herrn Schlöpkens Chronic der Stadt Bardevic, da er von der Zerstörung der Stadt Bardevic handelt, folgendes gelesen: Das Kirchen-Geräthe aber, als Rauchfässer, Kelche, Glocken, Schellen, Meßgewandte, ferner Bücher, ja gar die Fenster aus den Wänden wurden alle von hier nach Ratzeburg in den Dom, den Henricus neulich allda gestiftet, selbigen damit auszuzieren, tranferirt ...

Nachmittags besuchten wir Herrn Superintendenten Elers, einen Mann von etlichen und vierzig Jahren, der in Holl- und Engelland Wohl gereiset, auch eine Zeit lang unter denen Engelländern Feldprediger gewesen, und nachmalen als Superintendent nach Lauenburg gekommen. Weil aber die Churfürstliche Regierung allhier ist, und, wenn Consistorium gehalten worden, es gar zu beschwerlich fiele, von dorten anhero zu kommen, als ist, nachdem der Pastor Primarius allhier vor vier Jahren gestorben, an dessen Stelle hieher vociert, und die Superintendentur anhero verleget worden. Herr Elers war uns als ein gelehrter, und dann besonders artiger und politischer Mann gerühmet worden. Allein beydes gienge wohl hin, und was das letzte anbelangt, so ist er Zwar nicht unfreundlich, aber von Naturell etwas düstern. Er führte uns gleich in seine Studierstube, da er etwa tausend Stück allerhand, aber doch meist theologische Bücher hatte, worunter einige gute Englische waren. Er zeigte einige schöne Werke, die er von Lübeck aus Auktionen sehr wohlfeil bekommen, als "EUSTATHIUM IN HOMERUM AP. OPORINUM GRAECE", in zwei starken Voluminibus in Fol. Diese hatte er vor vier Mark, so etwa zween Gulden betragen, gekauft, wie er dann versicherte, das die Bücher in Auctionen noch einmal so wohlfeil abgiengen, als in Hamburg. Sonst haben wir bey Herrn Elers nichts merkwürdiges gehört noch gesehen. Von Manuscripten gar nichts.

Als wir nach Haus kamen, packten wir ein, den andern Tag von hier zu gehen, indem wir weiter nichts allhier zu thun fanden. Denn das Schloß, davon Zeiller in TOPOGR. SAX. INF. P. 198 viel Rühmens macht, auch von der Brücke dabey sagt, das sie dreyhundert Schritt lang seyn solle, muß in der Belagerung ganz ruinirt worden seyn. Die Vestung ist auch ganz demolirt, das nur noch niedrige geringe Wälle vorhanden sind. Jedoch ist hiesiger Ort wegen des großen Sees und Morastes, und daß alles sehr weit unter Wasser gesetzt werden kann, so vest, daß ihm ohne Hunger und Bombardirung nichts anzuhaben ist, ob gleich die viele herum liegende kleine Berge und Höhen schädlich sind. Die Stadt­Kirche ist nicht viel besonders. Der See ist so groß, das er fast bis Lübeck gehet, und wo er aufhört, ist ein kleiner Fluß, darauf man bis Lübeck fahren kan. Der

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9) schlicht.

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See sowohl als die Holzung machen hierherum die Gegend sehr lustig und angenehm, welches wir sehen konnten, als wir andern Tages, den 7. Februar, Morgens um halb acht Uhr hinweg fuhren. Wir ließen das Dorf, wobey das Begräbnis des Heil. Ansveri seyn soll, ein wenig rechter Hand liegen, es war auch zu kalt, es aufzusuchen. Wir kamen um eilf Uhr nachmittags nach Lübeck, drey kleine Meilen.
 

 

 

 

 

 

 

 

 




 

 

 

 

 

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