Am 25. Februar 1931
starb zu Preetz, seinem Ruhesitz nach erfolgreicher Laufbahn,
der frühere Professor der Botanik an der Universität Kiel,
Johannes Reinke. Er war am 3. Februar 1849
als Sohn des Pastors Theodor Reinke in Ziethen bei Ratzeburg
geboren. Den Anfangsunterricht erhielt er durch seinen Vater im
Elternhause. Der Hang zur Botanik begann schon in diesen
Kinderjahren; der Knabe legte sich nach dem Beispiele seines
Vaters ein Herbarium der Pflanzen, die um Ziethen wuchsen, an.
So entdeckte er als zehnjähriger Junge im Gardensee, der
zum Pastorat Ziethen gehört, eine botanische Seltenheit, das
Brachsenkraut ISOETES LACUSTRIS.
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Ostern 1859 trat er in die
Lauenburgische Gelehrtenschule, das Gymnasium zu Ratzeburg, ein. Die Anstalt
hatte damals fünf Klassen. In den vier oberen davon saß man aber mindestens je
zwei Jahre. Die Schule hatte damals 81 Schüler und 7
Lehrer, vgl. Lauenburgische Heimat V (1929) S.
123. Reinke durchlief sie ohne Aufenthalt. Er wurde bereits nach ein
und einem halben Jahre aus der Sekunda in die Prima versetzt. Daher gelangte er
schon Michaelis 1867 statt Ostern 1868 zur
Reifeprüfung. Bis 1864 war er alltäglich von Ziethen zur Schule
gewandert, oft von dem treuen Hofhunde Prinz bis vor die Stadt begleitet. In
diesem Jahre wurde sein Vater nach Kaebelich bei Neubrandenburg versetzt, ließ
aber seinen Sohn auf der ihm lieb gewordenen Schule. Er wohnte nunmehr im Hause
seines Onkels von Weyhe in der Stadt. Als Schüler bildete sich Reinke weiter in
seiner Lieblingswissenschaft, der Botanik, aus. Die Schule konnte ihn hierbei
nicht weiter fördern. Nötigenfalls holte sich der kleine Gelehrte bei
auswärtigen Spezialisten Rat. Seine gute Kenntnis der Ratzeburger Flora
befähigte ihn, in seiner Studentenzeit eine "Vegetationsskizze von Ratzeburg"
herauszugeben.
Daneben haben es ihm die schöne Natur der Umgebung und das Schlittschuhlaufen
mit dem Vater nach Rothenhusen und andererseits die geschichtlichen
Erinnerungen, vor allem der alte Dom Heinrichs des Löwen, angetan. Reinkes
Selbstbiographie "Mein Tagewerk", die 1925 erschien und die er
damals auch seiner alten Schule zusandte,
bietet einige fesselnde Schilderungen der Verhältnisse der sechziger Jahre. Bis
1864 lagen noch teilweise dänische Truppen in Ratzeburg, und man
durfte das verbotene Lied "Schleswig-Holstein, meerumschlungen" erst jenseits
der Landesgrenzen anstimmen, wollte man nicht alsbald von einer Patrouille
eingesperrt werden. Dabei rechneten die Dänen durchaus den mecklenburgischen
Domhof mit unter ihre Botmäßigkeit. Bis dann die Dänen eiligst abmarschierten,
wobei sich bei Plön die Lauenburger von ihnen lossagten, und nun preußische
Pioniere mit Brückentrain und Feldartillerie an der Schule vorbeizogen. Dann kam
1866 Lauenburg zu Preußen, das zunächst den Grafen
Kielmannsegge als Gouverneur einsetzte. Gerade damals hielt Reinke eine Rede am
Geburtstag des Königs, dem 22. März 1867, in der er
die Einheitsbestrebungen Deutschlands mit denen Italiens verglich. Graf
Kielmannsegge, der an der Feier nicht hatte teilnehmen können, bat sich die Rede
zum Lesen aus.
Die eindruckvollste Gestalt unter seinen Lehrern war der Direktor Zander,*) der
alte Lützower, der, wie Reinke zu berichten weiß, am liebsten von seinen
Erlebnissen in den Freiheitskriegen erzählte. Ein lebhafter geselliger Verkehr
verband die Lehrer des Gymnasiums mit den Geistlichen der Stadt und der
Umgebung. Aber die Einladung
zum Mittagessen nach Ziethen vermied Zander, seit ihm der Kalbsbraten dort nicht
geschmeckt hatte: "De Pastor is ganz god, äwer wat hett he förn Fraß!" Wir
wissen ja aus den Lebenserinnerungen des
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*) Ueber ihn siehe die Heimatbeilage der Lauenburgischen Zeitung
Nr. 19 1929) S. 5/6.
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Geheimrats Wiese,*) daß unser Zander
keineswegs nur im Familienkreise, sondern auch im Unterrichte plattdeutsch
sprach, nämlich bei Platons Symposion. Auch seiner anderen Lehrer, des Rektors
Bobertag, des Konrektors Burmester und des Subrektors Hornbostel gedenkt Reinke
in seinen Erinnerungen in knappen Charakteristiken, dazu des Dompropstes
Rußwurm, dem er die Befestigung seiner vom Elternhause empfangenen religiösen
Grundstimmung verdankt. Daneben erfährt der Leser Einzelheiten vom Leben und
Treiben der damaligen Ratzeburger Schüler.
Nach der Anfertigung der schriftlichen Arbeiten am 16., 17.,
19. und 20. August bestand Reinke die mündliche
Reifeprüfung am 20. September 1867. Trotz seiner
starken Ablenkung durch sein botanisches Studium, die in einem nur
"befriedigend" der Fleißzensur zum Ausdruck kam, erzielte er "gut" iu Deutsch,
Latein, Griechisch und Geschichte, "recht befriedigend" iu Religion, "sehr gut"
in Mathematik und Naturwissenschaften, "nicht genügend" im Hebräischen.
Noch unentschlossen, welchem Studium er sich zuwenden wollte, hatte er in der
Meldung zum Examen Philosophie angegeben, und so steht es auch in den Akten des
Gymnasiums bei seinem Abgang verzeichnet. Aber nicht lange, und er widmete sich
in Rostock ganz dem Gebiete, auf das Neigung und Begabung ihn hinwies, der
Botanik.
Er studierte später noch in Bonn, Berlin, Würzburg und nahm dann am Kriege von
1870/71 teil. Heimgekehrt, wurde er Assistent in
Göttingen und Privatdozent in Bonn. Erst vierundzwanzig Jahre alt, erhielt er
1873 eine außerordentliche Professur in Göttingen. Sechs Jahre später
rückte er hier zum ordentlichen Professor auf. 1885 ging er dann
nach Kiel, wo er bis 1921 gelehrt hat. Von 1894-1918
vertrat er die Universität Kiel im Preußischen Herrenhause.
Als Professor Reinke sich 1921 in den Ruhestand nach Preetz
zurückzog, konnte er auf ein an wissenschaftlichen Erfolgen reiches Leben
zurückblicken. And auch die ihm verbliebenen Jahre der Ruhe förderten noch
manche Arbeit. Als Gelehrter wurde er der weiteren Öffentlichkeit dadurch
bekannt, daß er sich als Naturforscher und mit den Ergebnissen seiner Forschung
niemals im Gegensatz zu seinem Christentum gefühlt hat. Er wurde durch diese
Stellungnahme in Reden und Schriften in einen heftigen gelehrten Streit mit
Haeckel verwickelt. In seinen Lebenserinnerungen kommt er immer wieder auf diese
Fragen zurück, ja er hat ihnen einen eigenen umfangreichen
Abschnitt "Weltanschauung" angefügt.
Ein starkes Interesse bewahrte er zeitlebens der Heimatgeschichte. Offenbar
nicht umsonst zählte er Männer wie David Frank, den Präpositus in Sternberg, der
von 1753-1757 das umfangreiche Werk "Altes und neues
Mecklenburg" herausgab, und Havemann, den Verfasser einer Geschichte der Lande
Braunschweig und Lüneburg, zu
seinen Ahnen. Neben seiner Berufsarbeit fand er die Zeit zu zwei
heimatgeschichtlichen Werken. In dem Roman "Die Apostelfürsten"
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*) L. Wiese, Lebenserinnerungen und Amtserfahrungen I (1886)
S. 285.
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schilderte er 1896 die
Germanisierung und Christianisierung des Ratzeburger Landes. Und in der
geschichtlichen Erzählung "Gardensee"*) zwei Jahre später gab er ein Bild
seiner Heimat in den Nöten des dreißigjährigen Krieges. So hat die Heimat auch
noch besonderen Anlaß, des hervorragenden Mannes zu gedenken.
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*) Im Lauenburgischen Heimatverlag, Ratzeburg, in zweiter Auflage
1926 erschienen.
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