Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1932


Die erste Generalkirchenvisitation in Lauenburg (1564).

Von Pastor FISCHER-HÜBNER, Ratzeburg.
 

In Niedersachsen war Herzog Magnus der erste regierende Fürst, der dem gereinigten Glauben, dem Lutherwort und den evangelischen Predigern in seinem "Fürstentum Niedersachsen" die Tore öffnete; denn schon im Frühjahr 1523 bemühte er sich um die lutherische Predigt und Bibel, zu einer Zeit, als weder in Hamburg, Lübeck, Lüneburg, noch in Mecklenburg und Holstein eine ähnliche Kundgebung der Obrigkeit bemerkbar war. Die Lauenburgische Kirchenordnung (1585) hebt sodann das Jahr 1531 als das entscheidende Reformationsjahr für Lauenburg heraus, wie auch Pastor Colerus in Ratzeburg dasselbe als das Jahr der Reformation bezeichnet. Damals trat Magnus I. zur Augsburgischen Konfession über, und sein Sohn Franz I. folgte darin dem Vater. Beide waren "in Gottes Wort gelehrt".

Als indessen Franz I. nach seines Vaters Tode (1543) zur Regierung kam, verfolgte er keineswegs die zielsichere, evangelische Linie. Ein schwacher Fürst, suchte er Anlehnung bei seinem Oheim Heinrich dem Jüngeren in Wolfenbüttel, dem Schützer des römischen Glaubens, während er es andererseits auch mit dem evangelischen Kurfürsten Moritz von Sachsen und dem marodierenden Mansfelder hielt, der u. a. den Ratzeburger Dom demolierte (1552).

Der Herzog war vornehmlich politisch interessiert, während das

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Land nach einer Ordnung der kirchlichen Verhältnisse drängte. Wohl war das Augsburgische Bekenntnis die Grundlage der Lehre in den einzelnen Kirchspielen, aber der Herzog berief ebensowenig einen Superintendenten wie eine Kommission, eine Generalkirchenvisitation zu halten und die erforderliche Kirchenordnung auszuarbeiten. Schließlich kostete das alles Geld, aber dies fehlte von Beginn der Regierung an, ja die Schuldenlast wurde von Jahr zu Jahr größer. Desto mehr erstarkte die Ritter- und Landschaft.

Freilich ist es bisher infolge des Versagens der archivalischen Quellen nicht möglich gewesen, das Rätsel zu lösen, weshalb nicht schon der Vater Magnus I. seit 1531 eine Generalkirchenvisitation halten ließ, einen Superintendenten berief und wie Hamburg und Lübeck durch Bugenhagen eine Kirchenordnung feststellte. Jedenfalls war es vor dem Augsburger Religionsfrieden 1555 ein Wagnis, der Kirche des Landes eine rechtliche, kirchenordnungsmäßige Grundlage im Sinne der Augsburgischen Konfession zu geben. Praktisch freilich hatte diese von 1531 an in Lauenburg Geltung. Die Diplomatie aber konnte sich jederzeit in ihren Schreiben an die katholischen Fürsten und den Papst den Anschein geben, als sei man noch dem alten Glauben treu. So entwarf noch 1555 der Lauenburgische Rat Lorenz Kirckhoff ein heuchlerisches Schreiben an den Papst wegen der Besetzung des Ratzeburger Bischofsstuhls, worin Franz I. beteuert, "daß er gerne der katholischen Religion gemäß, auch den Häuptern anhängig, als ein treuer gehorsamer Fürst und Untertan sich gehalten" und alles daran setzen wolle, daß die katholische Religion erhalten werden möge. Gegen "die uffrorischen und abtrennigeren Gelitter (Glieder) der gemelten Religion und Katholischen Kirchen" wolle er sich "mit hohem Fleiß befleißigen". Sein Sohn Magnus solle statt des Mecklenburgers zum Bischof deklariert werden, "daß die wahrhaftige Religion mughte erhalten werden und die Katholische Kirche" bleibe. Sein Oheim Heinrich der Jüngere möge inzwischen als "DEFENSOR (Verteidiger) und Beschützer der Katholischen lar und kirchen" das Bistum verwalten. Christof von der Schulenburg, der letzte Bischof, habe Simonie getrieben und das Bistnm an Christof von Mecklenburg verschachert, der doch ein "HERETICUS" und "afftrenniger gelitter" sei. Denn offenbar sei der junge Christof samt seinen Brüdern Anhänger der "Leutterschen lar und Religion", da er lutherisch erzogen, die Mecklenburgischen Klöster und die Geistlichkeit "verstört" und "die Kirchenordnung im Druck öffentlich ausgegangen". Dieses Schreiben, das Heinrich dem Jüngeren in Wolfenbüttel vorgelegt wurde, hätte eigentlich die helle Freude des Beschützers der katholischen Religion erregen sollen; aber dieser bemerkte vielsagend, "diese Sache sei uff beden seitten ettwas Baufellig".

Inzwischen waren die Würfel gefallen. Auf dem Augsburger Reichstage 1555 war der Grundsatz festgestellt worden: "CUIUS REGIO, EIUS RELIGIO". Fortan bestimnmte der Landesherr über den Religionsstand der Untertanen. Das bedeutete für Lauenburg, daß es jetzt reichsrechtlich mit Fug und Recht evangelisch-lutherisch war, weil der Fürst dieser Lehre anhing.
 

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Indessen zögerte sich die notwendige Generalkirchenvisitation noch 9 Jahre hinaus. Der Hauptgrund dieses Mangels muß doch wohl in der Lauheit und dem ehebrecherischen Leben des Fürsten gesucht werden. Seit seinem Regierungsantritt war er nicht ein einziges Mal zum heiligen Abendmahl gegangen, weil er es wegen seines unmoralischen Wandels innerlich nicht konnte. Versagte der Herzog, dann mußte die Nebenregierung, die Ritter- und Landschaft, ihren Einfluß geltend machen. Glücklicherweise sind die Protokolle der Landtagsverhandlungen noch erhalten, so daß wir die Frage nach der kirchlichen Lage vor der ersten Generalkirchenvisitation zu klären imstande sind. Unter dem Adel ragen die Schacken (Hartig und Valentin) zu Basthorst hervor, strenge Lutheraner, die einen tüchtigen, evangelischen Prädikanten haben. Mit den Kirchgeschworenen und dem Pastor in Kuddewörde leben sie im Streit, da sie ihre in Kuddewörde eingepfarrten Hamfelder Untertanen nötigen, die Kirche zu Basthorst zu besuchen und statt des Pastors in Kuddewörde dem Basthorster Pfarrer die kirchlichen Gebühren zu zahlen. Als Grund ihrer Abneigung gegen den Pastor im Nachbardorf geben sie an, daß er ein "gotloser papistischser Heuchler were, der Ihre Leutte mit dem reinen gottes wort unnd den heiligen Sacramenten nach Cristi einssetzung nicht thette [sic!] versehen". Ein scharfes Urteil, denn die Kirchgeschworenen von Kuddewörde widersprechen: ihr Pastor sei kein papistischer Heuchler, man möge ihn seiner Lehre halben eraminieren.

Der auf dem Landtage 1556 ergangene Bescheid besagt, den Schacken gebühre es nicht, den Kirchherrn zu "Cuteworde" zu richten und der Kirche und dem Kirchlehen des Herzogs Einhalt zu tun. Der Fürst befehle, daß der Kirche und Pfarre "pacht und porunge" zu verabfolgen seien. Dagegen sei der Kuddewörder Kirchherr vor den Herzog zu bescheiden, um examiniert zu werden. "Da dann befunden wurde, das derselbig zum predigerstuell vnnd zur Selensorge nicht tüchtig, vnnd seiner Lere nicht rechtschaffen were, sollte derselbe abgesetzt vnndt so baldt wegkgeschafft, vnnd ein ander cristlicher vnd gelerter predicant dahin verordnet werden." Wir sehen, wie tatkräftig der Adel für die reine Lehre eintritt. Aber auch das ist völlig klar, daß der als "papistischer Heuchler" titulierte Pastor keineswegs ein römischer Priester war. Wie hätten sonst die Kirchgeschworenen so freimütig seine Prüfung fordern können? Jedenfalls wiesen sie diese Verunglimpfung ihres Seelsorgers ganz entschieden zurück. 4 Jahre später erfahren wir aus den Protokollen, daß sich in Kuddewörde noch römischer Sauerteig erhalten hatte. Auf dem Ratzeburger Landtag vom 4. September 1560 stand der Aberglaube zu Büchen, Pötrau, Seedorf, Zecher und Kuddewörde zur Debatte. Man beklagte sich darüber, daß "jüngst zu Zecher im Beisein etlicher dieser Dörfer Predicanten solche greuliche Mißbreuche gehalten, daß nicht zu verwundern, daß um solcher Gotteslästerung willen wol ein ganz Land gestraft und verdammt werde". Welcher Aberglaube war gemeint? Offenbar das Wallfahren zu den Wundern von Büchen, Zecher und Basthorst. In Büchen trieb man noch den Marienkult, in Zecher trank man von dem Wunderquell und in Basthorst hatte

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der heilige Leichnamsbrunnen den Aberglauben genährt. Waren nun auch die Basthorster Schacken dem Wunderglauben abhold, so doch keineswegs alle Leute dort und in Kuddewörde, die konservativ am Alten festhielten. Ja, auch etliche der in Frage kommenden Prädikanten der 3 Kirchspiele Seedorf, Büchen und Kuddewörde machten den Wallfahrtsschwindel mit. Es ist wohl nicht von der Hand zu weisen, daß der 1556 gerügte Prädikant in Kuddewörde deshalb als papistischer Heuchler gebrandmarkt wird, weil er an dem alten Aberglauben mit seinen Kirchgeschworenen festhielt. Es handelt sich also um LETZTE PAPISTISCHE RESTE, die sich in der evangelischen Kirche erhalten hatten.

Da der Herzog nicht energisch genug diesem Aberglauben zu Leibe ging, so faßte die Ritter- und Landschaft einen einhelligen Beschluß, daß solcher "Irrtum" abgeschafft und endlich "ein gelehrter Mann vor ein SUPERINTENDENT gehalten und verordent würde, welcher (wie dan in allen andern Fürstentumen vblich und bebrauchlich) alle Quartal Ire Lehre, Lebens und Wandels halben examen halten mochten". Mit aller Klarheit kommt in diesem Beschlusse zum Ausdruck, wie wenig der Fürst seine landesherrliche Pflicht getan. Während ringsum in allen Nachbarländern Superintendenten bestellt worden waren, hatte es Franz I. immer noch versäumt. Die Folge dieser Unterlassung war, daß Lehre, Leben und Wandel der Geistlichkeit zu wünschen übrig ließen und eine VIERTELJÄHRLICHE (!) Prüfung für nötig gehalten wurde; freilich eine Unmöglichkeit für EINEN Superintendenten. Immerhin kommt hier der Protest der Ritter- und Landschaft wider das schwache Regiment des Herzogs ebenso zum Ausdruck wie der Wille des ganzen Landes, daß nun endlich Ordnung in das Kirchenwesen gebracht werde. Der Gerechtigkeit wegen muß freilich erwähnt werden, daß der Herzog Franz I. zum mindesten in der Vogtei Ratzeburg eine Inventaraufnahme der Kirchengüter 1557 veranstaltete (siehe "Die Reformation in Lauenburg", S. 77). Aber daß er darauf nicht zur Generalkirchenvisitation schritt, war schwerste Unterlassung. Und daß der Fürst nach dem Landtag 1560 noch 4 Jahre gebraucht hat, um endlich einen Superintendenten zu berufen, war verantwortungslos.

Endlich 1564 schlug die Stunde der ersten Generalkirchenvisitation. Freilich der erste Versuch im Frühjahr 1564 mißlang. Man hat bisher nirgends davon gewußt, bis Baring ("Die Reformation in Lauenburg", S. 106) jüngst darauf aufmerksam machte. Wir haben in den Staatsarchiven Kiel und Haunover die wenigen Akten darüber durchforscht und können nunmehr davon erwünschte Nachricht geben:

Der Herzog ernannte im Frühjahr 1564 zu geistlichen Visitatoren zwei erfahrene Männer der Kirche: Bruns und Stöver. Tilemann Stöver hatte seit 1552 in Rostock studiert und war 1554 Magister geworden. In demselben Jahre hatten die Kirchenvorsteher von Lüdingworth im lauenburgischen Hadeln Melanchthon um einen Geistlichen gebeten, worauf Stöver die Pfarre erhielt. Später wurde er Superintendent von Hadeln. So war es eigentlich selbstverständlich, daß


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dieser Lauenburgische Geistliche der Enklave Hadeln mit der Generalvisitation der Kirchen des Stammlandes betraut wurde. Nächst Stöver war Simon Bruns aus Lüneburg zum Visitator ausersehen. Bruns war eine tüchtige Kraft. Aus Breslau gebürtig, war er als Student ein Schüler Luthers und Melanchthons, machte in Wittenberg seinen Magister und wurde von dort direkt von dem Abt Herbord von Holle zum Pastor an St. Michaelis in Lüneburg berufen. Bruns (Bruno) war einer der fähigsten Köpfe der mit Hamburg und Lübeck kirchlich verbundenen, bedeutenden Stadt. Deshalb wurde er in den seiner Zeit schwebenden theologischen Streitigkeiten als Vertreter der Lüneburger Geistlichkeit verwendet. Im Herzogtum Lüneburg leistete er in der Kirchenregierung treffliche Dienste. Aber auch in den Nachbarländern wurde er hirtenamtlich verwendet. Als sein Abt das Bistum Lübeck erlangte, versah er von Lüneburg aus die Superintendentur zu Eutin, desgleichen, als der Abt auch Administrator des Stiftes Verden wurde, half Bruns als Verdenscher Superintendent das Bistum reformieren. Man sieht, daß Herzog Franz I. einen guten Griff mit der Berufung des bedeutenden Theologen und Kirchenordners getan hat, als er diesen im April 1564 neben dem Superintendenten Stöver zum geistlichen Visitator Lauenburgs beries. Als weltliche Visitatoren werden genannt: Heinrich Daldorf, Lorenz Perkentin-Zecher, Verwalter des Hauses Neuhaus, und Bürgermeister Claus Lütken-Lauenburg, die Hauptvertreter der Ritter- und Landschaft, denen das endliche Zustandekommen der Visitation zu verdanken war. Indessen, als Franz I. zu Otterndorf am Sonntag Misericordias Domini die allgemeine Visitation der Kirchen ausschrieb, versagte einer nach dem andern. Zunächst entschuldigte sich Magister Bruns, daß er notwendig nach Rostock und in den Sprengel Eutin in Sachen des Bischofs v. Holle reisen müsse. Ferner war Heinrich Daldorf verhindert. Schließlich zog sich auch Lorenz Perkenthin mit der Begründung zurück, daß er, "ein Ungeschickter", mit dem Hause Neuhaus voll beschäftigt sei. Schließlich waren der Hadeler Superintendent und der Lauenburger Bürgermeister allein. Schon waren die Pastoren nach Lauenburg beschieden, wo sie Stöver erwartete. Da mußte der Herzog die Visitation vertagen, um sie im Herbst wieder einzuberufen.

Indessen machte nunmehr der Hadeler Superintendent Stöver Schwierigkeiten. Vielleicht daß er durch die bei dem ersten Visitationsversuch in Lauenburg gemachten Erfahrungen verschnupft war; kurz, er bat den Herzog durch die Schulzen, Schöffen, Kirchgeschworene und Leviten zu Lüdingworth um Erlaß der Aufgabe, indem er sich mit seiner Unwürdigkeit "tho solken hochwichtigen ampte", mit seiner Hausarbeit und des Kirchspiels Not entschuldigte, da sein Kollege Otto Erik alt und krank sei. So mußte sich der Herzog nach einem andern Theologen umsehen, da er offenbar weder in Ratzeburg, noch in Lauenburg einen befähigten Kirchenordner hatte.

So kam es, daß sich der Herzog an seinen Rat, den holsteinischen Kanzler Tratziger wandte, der offenbar mit dem Generalsuperinten-

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denten Eitzen über die Berufung eines Theologen nach Lauenburg alsbald verhandelte. Eitzen und gewiß auch Tratziger, beide zuvor in Hamburg, schätzten Franz Baring, der soeben wegen seines milden, melanchthonischen Luthertums hatte seine Stelle in Hamburg aufgeben müssen. Baring wurde nun von Tratziger dem Herzog als wissenschaftlich und praktisch tüchtiger Theologe empfohlen und als Ersatz für Stöver von diesem angenommen. So kam der Verbannte nach Lauenburg. Auf dem Landtage zu Büchen vom 23. September 1564 erklärte sich die Ritter- und Landschaft mit der auf den 9. 0ktober festgesetzten "gemeinen Visitation" einverstanden, ernannte Heinrich und Valentin Daldorf neben Hartwig Schacke zu Vertretern der Ritterschaft, was der Herzog genehmigte, und stellte fest, daß außerdem die herzoglichen Räte Johann Schinke und Andres Blome, sowie Claus Lütke, der Bürgermeister von Lauenburg, Mithelfer der beiden Theologen Bruns und Baring sein sollten. Mithin waren von der Kommission, die im Frühjahr hatte zusammentreten sollen, nur der Bürgermeister von Lauenburg und der Superintendent Bruns wieder der hohen Aufgabe gewürdigt worden. Das Fernbleiben der im Frühjahr erwählten Vertreter der Ritterschaft läßt doch wohl auf Differenzen bei dem damaligen Visitationsversuch schließen.

Dieses Mal war der Herzog erfolgreich. Dionysii 1564 begann wirklich das Werk der lauenburgischen Generalkirchenvisitation. Es war in guten Händen, weil der erfahrene Superintendent Bruns und ebenso Franz Baring, der in Dörfern und Städten Niedersachsens amtiert hatte, die geistliche Leitung hatten.

Während es uns glückte, diese Nachrichten erstmalig aus den Archiven zu veröffentlichen, waren doch die Protokolle der Kirchenvisitation, die noch vor 100 Jahren, allerdings nur in Bruchstücken, eingesehen werden konnten (siehe Burmester, Beiträge zur Kirchengeschichte S. 12), nicht mehr auffindbar. Wir danken es Burmester, daß er uns das Wichtigste daraus überliefert hat. Nur im Staatsarchiv Hannover ist noch eine Originalurkunde erhalten, die über die Visitation der Kirche und Pfarre Kuddewörde Aufschluß gibt· Aus diesen geringen Quellen fließen uns folgende Ergebnisse zu:

Die Visitatoren hatten Anweisung erhalten, hauptsächlich über vier Punkte Feststellungen zu machen:

1. Die reine Lehre, das Schriftstudium und die Tauglichkeit der Pastoren zum Predigtamt gemäß der Augsburgischen Konfession

2. Glaube und Erkenntnis der Kirchgeschworenen.

3. Einkünfte der Kirchen und Pforten, baulicher Zustand derselben und Verwendung der Kirchengüter·

4. Etwaige Abgötterei mit Wallfahrten, Heiligendienst und anderen unchristlichen Gebräuchen.

Die Visitation begann am 9. Oktober in der Stadt Lauenburg mit dem Beschluß. die Einsetzung eines Superintendenten zu verlangen, wie auch die Ausarbeitung einer Kirchenordnung zu fordern, von der jeder Patron und Pfarrer mindestens je ein Exemplar haben sollte. Am 12. Oktober war man in Kuddewörde, wo die Visitatoren
 

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nicht nur den Pastor nach seiner schriftgemäßen Lehre und seiner Verkündigung in der Gemeinde examinierten, sondern auch die Klage der Lucia von der Lyth, Witwe des Tönnies von der Lyth, entgegennehmen, daß ihr von ihrem vorstorbenen [sic!] Bruder ihr Brautschatz nicht ausgezahlt sei. Das notarielle Zeugnis des Bürgermeisters Claus Lütken, das im Herrenhause zu Kuddewörde aufgenommen wurde, sollte der Forderung der Witwe an die Erben des Bruders zugunsten ihres Sohnes Jürgen größeren Nachdruck verleihen. Auch über Bargteheide und Roggendorf erstreckte sich die Visitation.

Unter den Pastoren fiel Michael Funk-Mustin auf, weil er kein Akademiker war; ebenso Heinrich Fürstenau in Pötrau als ehemaliger Kreuzherr des Johanniterordens, doch wohl ebenfalls ohne Universitätsbildung. Meinard Warncke in Lütau war Mönch in Königslutter gewesen. Kersten Bleke (Blehr?) war aus dem Küsterstande (in Bargteheide) hervorgegangen. Johann Aderholt hatte "das meiste nicht studiert". Bernd Syhr in Hitbergen war ein zu Ratzeburg vom Bischof ordinierter, gewesener Priester. Verhältnismäßig viele Dorfgeistliche waren also noch ungelehrt. Trotzdem bestanden einige vor den Visitatoren ihre Prüfung. Dagegen versagten wiederum die vermutlichen Akademiker in Seedorf, Sahms und Basthorst. Johannes Schwartz in Basthorst war im Studium der lutherischen Lehre unfleißig. Würde er sich hierin nicht bessern, so müsse er abgesetzt werden. Jakob Lüders in Sahms war schwach von Gedächtnis, besaß keine gründlichen theologischen Kenntnisse und Predigte aus der Postille, indem er wahrscheinlich ablas. Johann Aderholt in Seedorf, ein alter Mann, fiel im Examen durch, weil er über die vornehmsten Glaubensartikel keine Antwort zu geben vermochte. Er solle, falls er sich nicht bessere, seiner Pfarre verlustig gehen. Dem gegenüber wird den Pastoren in Gudow und Siebenbäumen ein glänzendes Zeugnis ihrer theologischen Bildung ausgestellt. Arnt Kloch in Siebenbäumen hatte in rostock studiert, und Jürgen Gladow in Gudow besaß eine gründliche, theologische Erkenntnis, weswegen er im Protokoll "sehr rühmlich erwähnt" wird.

Es ist interessant, daß die Visitatoren offenbar nach dem "Unterricht der Visitatoren" von Melanchthon, sowie nach dessen LOCI COMMUNES RERUM THEOLOGICARUM, d. h. der Zusammenstellung der reformatorischen Hauptbegriffe (1521) das Examen der Pfarrer anstellten. In diesen Schriften Melanchthons wird ausdrücklich auf die Notwendigkeit hingewiesen, das GANZE Evangelium zu predigen, d. h. Gesetz und Buße ebenso wie Glauben und Gnade, oder, wie man auch sagte: Gesetz und Evangelium. Gerade in den LOCI COMMUNES wird eingehend über die Bedeutung des Gesetzes und Evangeliums gehandelt. Wie aus den Bruchstücken der Protokolle von 1564 hervorgeht, war dies bei der Prüfung der Pfarrer die entscheidende Frage: "Was predigst du den Leuten deines Kirchspiels?" Sie erwarteten darauf die glatte Antwort: das Gesetz und Evangelium! Wer ALSO lehrte, wurde als evangelischer Pastor "genugsam erkannt". Jürgen Gladow in Gudow wurde wegen solcher Antwort besonders gerühmt. Der ungelehrte Pastor Michael Funk in Mustin

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erklärte, er predige das Evangelium aus den Postillen Luthers und Corvini, des Superintendenten von Göttingen. Das Gesetz zu nennen vergaß er. Ein theologisches Gespräch zu führen, war er außerstande. Ihm wurde aufgegeben, sich des theologischen Studiums zu befleißigen. Funk war durchaus ein Praktiker, der Gottes Wort "Edlen und Unedlen" recht und schlecht predigte. Man ließ ihn im Amt. Am klarsten konnte Arnt Kloch in Siebenbäumen die Bedeutung des Gesetzes und Evangeliums definieren: "Er lehre das göttliche und seligmachende Wort lauter und rein, als die Erklärung des Gesetzes, wodurch die Sünde erkannt, demnächst eine fröhliche Botschaft des heiligen Evangelii." Ähnlich lautet das Urteil über den Gülzower Pastor Johannes Rosenmeyer, "daß er seinen Schäflein das Gesetz und Evangelium rein und lauter predige". Jakob Lüders in Sahms vergaß auf die Frage nach dem Gegenstand seiner Predigt das Gesetz zu nennen. Er gab kurz zur Antwort, er predige das Evangelium, und zwar aus der Postille (vermutlich Luthers). Daß er nicht vom Gesetz sprach, wurde ihm als grober Fehler angerechnet. Dies hatte tieferen Grund, als es scheint. Denn unter den Theologen war nach Luthers Tode eine Spannung eingetreten. Die einen waren Gegner der Gesetzespredigt und lehrten nur das Evangelium, während die echten Lutheraner beides betonten: Gesetz und Evangelium. Da nun Magister Bruns letztere Auffassung mit dem Lüneburger Kirchenregiment teilte, so legte er als Visitator großen Wert darauf, daß die Lauenburger die reine lutherische Lehre vertraten. Da jedoch Baring zum milden Luthertum neigte und eben deswegen seine Pfarre in Hamburg hatte aufgeben müssen, ist nicht anzunehmen, daß die Pastoren auf die ganz strenge Richtung der sogenannten Flacianer festgelegt wurden. Bruns und Baring werden eine mittlere Linie eingehalten haben, zwar lutherisch, jedoch im Sinne Melanchthons versöhnlich. Baring jedenfalls folgte auf dieser gemäßigten Linie bewußt seinem Freunde Eitzen, dem einflußreichen Generalsuperintedenten in Schleswig-Holstein.

Jedoch nicht nur die Bedeutung des Gesetzes und des Evangeliums war Gegenstand des Examens, sondern die Hauptlehren der Reformation überhaupt. Da die LOCI COMMUNES Melanchthons ausdrücklich erwähnt werden, sind sicherlich die dort behandelten Lehrpunkte bei der Prüfung der Pfarrer zugrunde gelegt worden; z. B. die Lehre von der Sünde, von der Bibel, den Sakramenten usw. Da der Katechistnus zum ernsten Studium empfohlen wird, so wird auch dessen Kenntnis vorausgesetzt worden sein, wie ebenfalls die Augsburgische Konfession in der Instruktion der Visitatoren ausdrücklich genannt wird.

Wieweit die Kirchgeschworenen das Glaubensexamen bestanden haben, wird nicht überliefert. Desgleichen findet man in den Fragmenten über die Einkünfte und Gebäude nichts mehr. Dagegen wurde mancherlei Aberglaube aufgedeckt, besonders in Büchen die Anbetung der blutigen Hostie, wohin man noch immer Wallfahrten unternahm. Burmester berichtet endlich, daß "die Sitten und die religiöse Erkenntnis im tiefsten Verfall" und "überall eine traurige Unordnung in allen kirchlichen Verhältnissen" angetroffen wurde. Da wir

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die Protokolle nicht mehr einsehen können, läßt sich dieses vernichtende Urteil über die Innerlichkeit, Sitte und Sittlichkeit, sowie das äußere Kirchentum nicht nachprüfen. Sicherlich aber ist es stark übertrieben, da jedenfalls, wie wir gesehen haben, die Erkenntnis der Pastoren nicht allgemein dürftig war und über ihre Sitten nirgends etwas Nachteiliges erwähnt wird.

Die Fragmente der Generalkirchenvisitation geben einen, freilich lückenhaften Einblick in die PATRONATSverhältnisse. Der Pastor zu Lauenburg wurde vom Herzog und Rat der Stadt, der zu Ratzeburg vom Rat mit Wissen des Herzogs, der zu Sterley von dem Herrn von Wackerbarth auf Kogel, der in Brunstorf durch die Schacken in Basthorst berufen. Die einzige Pfarre im Amte Neuhaus, nämlich das frühere Archidiakonat Stapel, besetzte der Herzog, indem er den Magister Georg Usler dorthin berief, der 1566 zum ersten lutherischen Prediger am Dom zu Ratzeburg bestellt wurde.

ORDINIERT waren sämtliche Geistliche außer Christian Blecke in Brunstorf, der zuvor Pastor in Allermöhe, im Hamburgischen Landgebiet, gewesen war. Zwei waren Von Bischöfen ordiniert, der eine vom Bischof in Cambrai, der andere von dem zu Ratzeburg. Die meisten waren außerhalb Lauenburgs zum geistlichen Amt verpflichtet, nämlich in Hamburg, Pokrent, Celle, Lübeck, Wolfenbüttel. Einer war in Mölln ordiniert. Da ein Superintendent in Lauenburg nicht vorhanden, so ordinierten die Pastoren der Städte Lauenburg und Ratzeburg die Kandidaten. Pastor Mantzoll-Ratzeburg vollzog die Ordination an dem zum Pastor in Sterley berufenen Deterding unter Assistenz des Mustiner Geistlichen, während Magister Usler von Konrad Huswal-Lauenburg und Magister Th. Sorbach-Artlenburg die Weihe zum Amte in Stapel empfing.

Es fällt auf, daß, soweit die Nachrichten reichen, unter den Pastoren kein einziger Lauenburger ist, was damit begründet werden kann, daß infolge der Reformation das Schulwesen in den Jahren 1530-60 daniederlag, so daß lauenburgische Studenten in dieser Zeit eine Seltenheit waren. Vor allem begegnen wir auf den lutherischen Universitäten nirgends einem Lauenburger, soweit wenigstens die Matrikeln die Nationalität der Studierenden angeben. Man kann noch einen weiteren Schluß machen. Wenn das Fürstentum Niedersachsen für die Pfarren in der Zeit der ersten Generalkirchenvisitation keine Bewerber stellte, so ist dies ein Beweis für die geschichtliche Wahrheit der in der Kirchenorduung berichteten Tatsache, daß die 1531 begonnene Reformation des ganzen Landes "mit großer Schwachheit" fortgesetzt worden ist. So war die Reformation in Lauenburg nicht was sie in Hamburg und Lübeck, auch Mölln gewesen ist: eine Volksbewegung.

Burmester berichtet, daß die Visitation 1564 UND 1566 stattgefunden habe. Eine Parallele zu der Zweizahl bietet die zweite Generalkirchenvisitation 1581/2. Im Herbst 1581 begann man mit dem Examen des Pastors über seine Lehre und Amt. Im Sommer 1582 stellte man die Einkünfte der Pfarren und Kirche fest. So wird man auch 1564 zunächst die Pastoren geprüft haben, um 1566 Eigentum und Einkünfte der Kirchen und Pfarren zu ermitteln.

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Man wird annehmen müssen, daß alsbald nach dem Examen der Pfarrer ein Visitationsbescheid erging. Die Mißbräuche der päpstlichen Zeit schaffte man ab, die wundertätige Hostie in Büchen beseitigte man, verboten war zu wallfahren und "sich nach der Büchen zu verloben", den meisten Pastoren wurde das Studium der LOCI COMMUNES und des Katechismus ans Herz gelegt. Vor allem aber wurde Baring auf Drängen der Ritterschaft wohl schon 1565 zum Superintendenten berufen. Hätte er sich nicht bewährt, so wäre er nicht zum ersten Geistlichen des Herzogtums ausersehen worden. Leider erfährt man aus den Fragtmenten über das Schulwesen nichts.

Baring nahm die Aufgabe aus der Kirchenvisitation mit, diese für seinen Sprengel fruchtbar zu machen. Daß ein Superintendent bestellt wurde, war die erste Frucht, an die sich die KIRCHENORDNUNG reihen sollte. Baring machte sich alsbald an die Arbeit und konnte bereits 1567 den ersten Entwurf einreichen, den der Herzog an seinen Rat Tratziger nach Schleswig zur Begutachtung schickte, von wo derselbe am 14. September zurückgelangte. Jedoch der Herzog kümmerte sich nicht um die Kirchenordnung, auch dann nicht, als Baring einen zweiten Entwurf vorlegte, der ebenfalls durch Tratzigers Hände ging. Mochte die Ritterschaft noch so sehr drängen, den Fürsten drückte die Sorge um die Religion nicht. Auch die zweite Kirchenordnung fand keine Annahme. Bitter beklagte sich Baring über die Unterschätzung und Mißachtung des kirchlichen Dienstes bei seinem Freunde Eitzen (1569). Unmöglich aber wurde die Herausgabe der Kirchenordnung dadurch, daß der Herzog völlig verschuldete und somit die größte Verwirrung im Regiment des Landes herrschte. Dadurch wurde Barings Lage stetig schwieriger. Die folgenden Jahre waren erfüllt von dem ärgerlichen Zank in der herzoglichen Familie. Wohl nötigte die Ritter- und Landschaft am 6. Oktober 1573 in dem Verträge zu Lauenburg den Herzog, die Kirchen visitieren zu lassen. Auch befaßten sich der Adel und die Städte wiederholt mit den kirchlichen Zuständen und sprachen auf einem späteren Landtage offen aus, daß die innere Zerrissenheit des Landes einzig und allein Schuld daran trage, daß die Kirchenordnung, von der man vor etlichen Jahren geredet habe, immer noch nicht beschlossen sei, wodurch viele Mißbräuche in den Kirchen, Untauglichkeit der Priester, Sünde und Mutwillen der Untertanen und Zuhörer täglich mehr und mehr zunähmen, so daß endlich hierum die Strafe Gottes über das arme Ländlein zu erwarten. Schließlich machte die Landschaft 1578 einen energischen Vorschlag, die im Lande vielfach als Ersatz gebrauchte MECKLENBURGISCHE KIRCHENORDNUNG "mit fürstlichem Vorgedruckten Befehl und Insigniis zu publizieren". Zwar kam in diesem Jahre die Hofgerichtsordnung heraus, nicht aber die Kirchenordnung. Inzwischen aber gewann der jüngere Sohn des Herzogs - Franz II. - das Übergewicht, der eine strengere kirchliche Linie verfolgte, so daß Baring keine Aussicht mehr hatte, seine Hauptaufgabe, die Herausbringung der Kirchenordnung, zu vollenden. Als Franz II. 1581 seinem Vater in der Regierung folgte, mußte Baring einem andern seinen Sprengel und die Ausarbeitung der Kirchenordnung überlassen.


 


 

 

 

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