Sie sind groß, diese Bezirke, und
umfangreicher als wir ahnen. Sie liegen im Schaffensbereich der
Regierungen, der Länder und Gemeinden so gut, wie im Schaffens-
und Lebensbereich des Einzelnen. Die grünen Bezirke sind überall
um uns herum, - wir leben und wirken in ihnen, wir atmen,
denken, sinnen, lieben und sehnen in ihnen, - ja, wir sind eins
mit ihnen, ein unverbrüchlich Teil ihrer selbst, denn den
gleichen Voraussetzungen für ihr Sein verdanken wir unser Sein.
- Sind wir ohne diese Heimat möglich und wert? Wir alle, die wir
miteinander oder nebeneinander hergehen?! Und was machen wir aus
dieser unserer Heimat mit unserer Wissenschaft und unserer
Technik, unserer Gelehrsamkeit und Bürokratie, unserer
Überheblichkeit und Kleinlichkeit, unserm Besserwissenwollen und
unserer Philisterei, unserer Kurzsichtigkeit und unserer
lächerlichen Wichtigtuerei? Wir sitzen in stundenlangen Konferenzen beisammen, um über einen
seit Jahrzehnten seiner natürlichen Altersschwäche verfallenen
Baum zu verhandeln, und halten uns etwas zugute, wenn wir dann
endlich mehrere Zentner Zement und Steinbrocken in seinen hohlen
Leib gegossen haben. Wir schützen zerfallende Baumwelt, anstatt
junges Leben in Form jungen, dem künftigen Sein, seiner
Schönheit, seiner Ursprünglichkeit entgegenwachsenden
Baum-Materials in zehn- bis hundertfacher Zahl an ihre Stelle zu
setzen. Haben wir nicht Raum in Fülle zur Verfügung? Auf
Plätzen, auf denen kläglich eingegitterte Pelargonienbeete
nichts zu suchen haben? An Straßenkreuzungen und Platzdreiecken,
auf denen für Thuja, Cypressen- und Blautannengruppen kein Platz
ist? An Landstraßen, die kahl sind, in den Straßen, Bauwichen
*), auf Straßenerweiterungen mit
all dem Pflanzungsunfug, den wir mit Gartensträuchern treiben?
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*) Bauwiche: Abstandsfläche zwischen
mehreren Liegenschaften, die nicht bebaut werden darf.
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Weit verbreitet waren in vergangenen Zeiten
die Baumpflanzungstage gelegentlich einer Hochzeit, an denen die Vermählten zur
Erinnerung Bäume auf Anger und Wallanlagen pflanzten. Oder die Konfirmanden,
Schulentlassenen pflanzten Erinnerungsbäume, und zu Ehren eines Neugeborenen
wurden Eichen oder Linden gesetzt.
So gab es manch Ereignis im Leben einer Gemeinschaft, welches Anlaß gab, die
Baumwelt zu bereichern zum Wohl kommender Geschlechter. -
Wir fällen und zersägen!! Gut, aus wirtschaftlichen Gründen mag das verantwortet
werden. Aber zum Kuckuck, kostet denn der kleine Baum soviel, daß jedem
Einzelnen oder einer Gemeinde ein Ersatz so unmöglich wäre? Und hat nicht der
Landmann überall Gelegenheit, um diesem Baumschwund, der in erschreckender Weise
seinen
Fortgang nimmt, durch systematisches Aufpflanzen zu begegnen? Jungpflanzen
kosten Pfennige, oder können auf irgendeinem Fleck selbst herangezogen werden.
Man stellt solcher Tat mancherlei fade Einwände entgegen. Es sei kein Platz
dafür, der Acker müßte ausgenutzt werden. Verkehr und Überblick verböten das.
Der Traktor verlange seinen Raum im Interesse eines ungehinderten Arbeitsganges.
Ja, mein Gott, sind denn Traktor und Auto, Lichtleitung und Hochspannungsmast,
ein wenig Korn mehr, ein wenig Milchertrag reicher, und was weiß ich - - - .
Ist denn aller Vorteil, den diese Dinge gewiß bringen sollen, stärker als wir
Menschen mit unserm Willen, unserm Geist und unserer Seele?! Muß denn dieses
Volkselend, vor dem wir trotz alles wissenschaftlichen und technischen
Fortschrittes wie vor einem unlösbaren Rätsel stehen, auch die Wurzeln unserer
Kraft in Fäulnis setzen?
DIE HEIMATSCHUTZBEWEGUNG HAT NIE SEIT IHREM BESTEHEN VOR GEWALTIGEREN AUFGABEN
IM DIENST AN DER MENSCHHEIT GESTANDEN ALS EBEN JETZT. MÖGE SIE SICH IHRER
MISSION RECHTZEITIG BEWUSZT WERDEN! UND SIE WIRD SICH RÜHREN MÜSSEN, UM DER
TECHNIK DAS GRÜNE BETT ZU BEREITEN, SONST KOMMT ES, DASZ DIE FÜR DAS GLÜCK DER
MENSCHHEIT ERSONNENE MASCHINE EIN MENSCHENVOLK JAMMERVOLL IN KETTEN SCHLÄGT.
Daß es geht, sehen wir an den resultatvollen Bestrebungen der Reichsbahn. Ihr an
dieser Stelle ein Preislied zu singen für alle die Bemühungen, ihre Werkstätten,
Bahnwärterhäuschen, Stellwerke und Bahndämme in den Dienst der schönen
Landschaft, des schönen Gartens zu stellen, ist mehr als eine freudevolle
Aufgabe. Was sie an zielbewußten Anpflanzungen durch Baum und Busch, Blume und
Wildflora vollbrachte, möge auch den künftigen Autostraßen zugute kommen, die
des schattenden Baumwerks der Sicherheit halber nicht entbehren brauchten, jener
Baumreihen, die unserm Heimatbild neben Wald und Forst Rückgrat seiner Schönheit
bedeutet. Und -
geht es nicht, wie viele meinen, des Tropfenfalls, des Schlagschattens wegen,
der Gefahren des Anfahrens wegen, dann sollte doch menschlicher Geist,
Heimatwille und Schönheitswille sich anderer Mittel bewußt werden als nur der
des Kahlschlags. -
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Harry Maaß, Seelust am Ratzeburger See.
Phot. Harry Maaß.
(Diesen und den folgenden Druckstock stellte uns der Verlag
Franz Westphal-Lübeck freundlichst zur Verfügung.)
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Wege des geringsten Nachdenkens sind wie die des geringsten
Widerstandes zwar bequem, aber alle führen in die Wüsten verzweiflungsvollen,
resultatlosen Bemühens um die Befreiung.
Soll ich an dieser Stelle der Trostlosigkeit vieler unserer Friedhöfe Erwähnung
tun? Dieser Stätten würdevollen Kultes, in denen alles, was an Nächstenliebe, an
Hoffnung und unverbrüchlichem Glauben der Menschheit innewohnt, zusammenfließen
sollte? Erschaudern wir nicht da vor soviel Kulturlosigkeit. wo wir Kultur, wo
wir Schönheit und Frieden im höchsten Ausdruck zu finden glaubten? Warum werden
wir nicht einfacher, wenn wir den Lasten der Ausgaben für Pflege und Unterhalt
nicht gewachsen sind. Warum ahmen wir die kalte, herzlose Pracht der Großstädte
nach, wo ein Schneeglöckchen auf schlichtem Rasenhügel tausendmal mehr sagt, als
der polierte Granit hinter einem Beet nichtssagenden Schmuckes? Können wir es
denn nicht lassen, auch mit dem Grabstein zu sagen: "seht, ich kann es besser
als der Nachbar, seht, ich weiß, was ich meinem Verstorbenen schuldig bin"?! Ist
nicht diese Selbstgefälligkeit, diese Äußerlichkeit zum Erbarmen, wenn wir
plötzlich die ganze Geschäftigkeit aus den Steinen und Hügeln erkennen müssen,
die verständlicherweise vor den Hintergründen einer durch Trauer und Leid
zermürbten Menschenseele so hemmungslos sich auszubreiten vermag.
Macht der Silberkiesweg zur Eingangspforte von Kirche und Kapelle den Schaden
gut, den eine kurzsichtige Kirchengemeinde durch das Entfernen des
Lindenkranzes, dieses grünen Kranzes frommen Gemeinschaftssinns, im "Interesse
des Grabschmuckes" fällen ließ? Sieht man nicht, daß eine der prächtigsten Güter
im Bild des Ortes
unwiederbringlich auf einen wichtigtuerischen Beschluß des Rates verloren ging?
Man entfernt wertvolles Gut und setzt wertlosen Kram an seine Stelle. Man
wurschtelt mit Wegen und Pflanzungen umher, sucht nach Effekten, verbirgt die
Grabreihen hinter kläglichem Boskett, anstatt vom Grab aus, dem heiligen
Baustein im Gesamtorganismus des Friedhofes, die Organisation der Fläche
vorzunehmen. - Gräber sind immer noch der Ausgangspunkt für die Gliederung eines
Friedhofes gewesen. Seit der Mensch das vergaß, sieht es erbärmlich auf den
Stätten unserer Toten aus.
WENN IRGENDWO EINE ERNSTE TÄTIGKEIT DER HEIMATSCHUTZVEREINE EINSETZEN MUSZ, SO
IST ES AUF DEN FRIEDHÖFEN. Man könnte ein ganzes Heft darüber schreiben, aber
hier ist nicht Platz, sich eingehend darüber zu äußern. - Nichts kann gerade
vonseiten einer Gemeinde mit geringeren Mitteln zu einer kulturvollen Stätte
entwickelt werden als ein Friedhof. Wer heute unter der Last der Ausgaben
seufzt, hat die Anlage in ihrem Kern und ihrem eigentlichen Wesen nach am
verkehrten Ende begonnen. - Die Seelsorger des Landes sollten es als ihre
vornehmste Aufgabe mit ansehen, am Wiedererstehen würdiger Friedhöfe
mitzuwirken. Mit den Leidtragenden Hand in Hand. Und die Heimatschutzvereine
sollten hinter ihnen stehen, wenn nicht alles vergeblich bleiben soll. - Was aus
unsern Gedächtnisstätten für die im Weltkriege Gefallenen größtenteils wurde,
das ist uns allen bekannt. - Selten
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einmal ragt ein Mal über den Durchschnitt, selten ist der
Geist der Ehrung, ihre Bedeutung für das Landschafts- und Ortsbild erfaßt. Denn
darauf allein kommt es an. Lage zur Umgebung und Anpassung an die Landschaft
sind jene nicht fortzudenkenden Grundfragen, die erst einer Gedächtnisstätte
ihren eigentlichen Wert geben. Wenn nun schon einmal die unvermeidlichen
Findlinge gesetzt werden sollten, die einzelstehenden, die auf Steinschichtungen
und Sockeln, - macht nicht aber dies Geschäftel mit Gartenblumen, Tännchen,
Buchsbäumchen, mit Gittern und Ketten drumherum einen erbarmungswürdigen
Eindruck? Im Ortsbild, dessen Wege und Dächer, dessen
Baumwelt und Findlingsmauern, dessen Hecken und Bauerngärten eine so
unverfälschte plattdeutsche Sprache sprechen?
Harry Maaß, Garten an der See.
Phot. Harry Maaß.
Warum fand man nicht den Mut zur Einfachheit, die das vornehmste
Gut unseres Stammes war, warum pflanzte man nicht Linden, Eichen oder andere
Bäume in Engstellung um den Stein? In fünfzig Jahren dann ein Mal aus Bäumen, in
dessen Mitte der heute so zu Unrecht sich aufdrängende Stein - ob Findling oder
Werkstein -
dann eine nebengeordnete Rolle spielt. -
Wir müssen einfacher werden, ehrlicher in unserer ganzen Arbeit, unserm Sinnen
und Tun, wir alle, wenn wir uns mit Erfolg in den Dienst der Heimat stellen
wollen. Nicht mit den stereotypen Phrasen über den Wert des Steildaches, den
Unwert des Flachdaches, nicht mit dem Abwehren neuen Geistes ist es getan. Er
kommt, dieser neue Geist, auch über unser Land, über Dorf und Stadt, als Geist
der Zeit und ihrer Technik. - Sollten wir wirklich so geist-
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los sein, jener wegen, die allzeit den Kopf
nach hinten richten, das Segensreiche einer neuen, kommenden Lebenskultur zu
verleugnen, und den Halbheiten, der billigen Konzessionsmacherei Tor und Tür
öffnen? Sehen wir nicht dieses verzweiflungsvolle Getue, dessen Ursprung im
bürokratischen, kleingeistigen Beieinandersitzen in Sitzungen und Kommissionen
zu suchen ist?
Gewiß, dem Bauerngarten, dem ursprünglichen Garten der Wirtschaft und Freude,
dem Garten mit seinem Obst, seinem Gemüse, seinen unsagbar schönen und
leuchtenden Blumen hinter Buchsbaumbändern, wünschen wir, daß er am Leben
bleibt. In ihm feiern die Stauden, Einjahrsblüher, die Blumenzwiebeln, die
Blütensträucher Jahr für Jahr die gleichen Feste der Auferstehung, die
nämlichen, uns Menschen trotz Not und Sorge immer wieder erfreuenden
Blütenfeste. -
Aber der Zug der Städte aufs Land vollzieht sich in immer heftiger werdender
Bewegung. So bilden Wochenend-Kolonien, Ferien-Häuser, Landsitze usw. neue Werte
im Bild der Heimat. - Werte aber auch nur dann, wenn ihre Gärten, ihre Räume,
ihre Blumen ein Stück der Heimat sind. Das heißt, wenn ihre Ordnung, ihre
Verwendung im Geist der Einfachheit geschieht, in jenem Geist, der nichts
anderes will, als diese gequälte Menschheit der Heimat zurückzugewinnen.
Was dadurch geschieht, wenn all das Neue bisher der Landschaft unbekannte, als
Teil ihrer selbst eingegliedert wird, als untergeordnet, als respektvoll dieser
Landschaft angepaßt. Das kann selbst der Sonnengarten mit Steinanlagen,
Gartenbad und Glaswand, das kann auch der kleinste Heidegarten, wie der größte
Park.
Wir sitzen vielzuviel beieinander und halten Reden über dies und das, über den
Wert und Unwert eines Etwas, welches uns überrascht. Und in dieser Enge kreisen
unsere Gedanken um unsere eignen kleinlichen Interessen. Sie müssen das, weil
wir selbst nicht den Mut finden uns zu öffnen, sie brauchten das aber nicht,
wenn wir einfacher und ehrlicher gegen uns und unsere Mitmenschen wären, um
deren Lebenswohl es jetzt und für alle Zukunft geht. -
In diesem Sinne müssen in Zukunft die Heimatschutzvereine die Vorhut übernehmen.
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