Altersschwach, in Todesahnung machte Herzog Franz I.
im Jahre 1578 ein Testament für die unehelichen Kinder, die er mit
der Ilsabe Rautenstein gezeugt hatte. Es wäre noch aufzuklären, warum er mit
seiner Ehefrau unglücklich lebte. Um dieses dunklen Punktes willen hatte er seit
der Übernahme der Regierung (1543) niemals das heilige
Abendmahl genießen dürfen. Ebenso war er mit seinen Söhnen in Streit, sicherlich
auch wegen des Spaltes, der durch die Familie ging. Schließlich mußte er wie ein
Verbannter ins Exil nach Buxtehude gehen. Aber diese stille Zeit über kam er
endlich zu sich selbst. Nach einer ergreifenden Beichte nahm er das heilige Mahl
und verschied im Jahre 1581 in Frieden. Es ehrt ihn, daß er seine
unehelichen Kinder nicht leer ausgehen ließ. Ob ihm auch seine Söhne samt der
verärgerten Mutter ernsteste Vorwürfe deshalb machten, er rechtfertigte sich
damit, daß er als Vater der Kinder Verpflichtungen habe. So kam es, daß er
1578 für sie ein Testament machte, damit ihre Aussteuer
sichergestellt sei. Bar Geld besaß der über und über verschuldete alte Herzog
nicht, aber einige Höfe z. B. in Aumühle, die er ihnen vermachte, und einen
kostbaren Schatz, den er glücklicherweise aus dem Schloß in Lauenburg gerettet
hatte. In einer mit Leder überzogenen, schwarzen Lade verwahrte er folgende
Kleinodien von Silber und Gold:
3 goldene Ketten,
2 goldene Armbänder von Demanten,
2 goldene Armbänder,
gegossene, große Goldstücke mit fürstlichem Wappen
"und sonst allerlei darauf" wie kleine Teller groß,
kleine Pferde "von purem Golde gegossen",
wahrscheinlich besondere Liebhaberei des
Pferdeliebhabers, der im Harnisch auf einem Pferde
abgebildet ist,
Diamantenketten, gülden,
1 Pfund der allergrößten Perlen, jede
wie die größte Gartenerbse groß, je 10
Rtlr. wert,
viel Gold- und Silbergeschirr. |
Der Wert des Schatzes wurde auf 60 000 Reichstaler
festgestellt.
Diesen kostbaren Schatz vermachte der Herzog in seinem Testament den Kindern der
Ilsabe Rautenstein, von denen in den uns zugänglichen Archivakten Katharina
genannt wird. Da er bei der mit dem herzoglichen Beamten Tschammer vermählten,
übel berüchtigten Gisle von Sachsen in Buxtehude lebte, dem er 12 000
Rtlr. schuldete, so versteht man, weshalb der Herzog auch diese testamentarisch
bedachte. Am 3. Mai 1578 ließ er durch seine Räte
Jürgen Ehlers und Christoffer Maas die Lade, mit herzoglichem Petschaft
versiegelt, dem Rat der Stadt zu treuen Händen übergeben, worüber dieser ein
urkundliches Zeugnis ausstellte.
Jahre lang stand die schwarze Lade mit dem kostbaren Schatz im Rathause zu
Burtehude. Längst hatte der alte Herzog die Augen geschlossen. Die Kinder der
Rautenstein waren verheiratet: Gisle in Buxtehude, Catharina im Krug zu
Bargteheide, mit Johann Grotjan seit 1579 vermählt, erhielt
1000 Taler als Brautschatz laut Herzog
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licher Ehestiftung, datiert Schwarzenbek Mittwoch nach den Heiligen drei Königen
1579. Während Gisle, verehelichte Tschammer kinderlos war, war die
Ehe der Catharina mit mehreren Kindern gesegnet.
Beide Erbberechtigten wagten indessen beim Tode Franz I. nicht,
ihre Rechte geltend zu machen, da sie den Streit mit den Söhnen des Herzogs
fürchteten, besonders des Herzogs Moritz, der sich wegen seines Zwistes mit dem
regierenden Herzog Franz II. in Buxtehude aufhielt. Moritz
versuchte, ohne indessen die erforderlichen urkundlichen
Unterlagen zu besitzen, den Schatz zu heben, jedoch ohne Erfolg, bis er sich
gegen eine Erkenntlichkeit von der erbberechtigten Catharina die Dokumente
verschaffte. Man schrieb das Jahr 1606, als der Herzog Moritz den
Rat zu Buxtehude nötigte, über den Verbleib des Schatzes Auskunft zu erteilen.
Die Aufregung des Bürgermeisters und der Senatoren war groß. Man mußte
eingestehen, daß die Senatoren 1604 die Lade erbrochen und das
ganze Gold und Silber unter sich geteilt hatten. Die Armbänder, Ketten und
großen Goldstücke stachen sonderlich den Weibern der "Raptores" (Räuber) in die
Augen. Es fiel allgemein in Buxtehude auf, daß die eitlen Damen plötzlich in
Gold und Diamanten strahlten. Als aber der Klatsch der Neider sich dieser
Sensation bemächtigte, zogen sie es vor, die Kleinodien zu versilbern. So wurden
sie und ihre Nachkommen reiche Leute. Der Herzog Moritz hätte nun einen
öffentlichen Skandal aus diesem Schatzraub machen können. In seiner ersten
Empörung darüber wollte er es auch. Da erschien der Pastor Hintzelmann im
Aufträge des Rats und bat flehentlich, die Bürgerschaft nicht in Schande und
Spott vor aller Welt zu bringen, sondern die Sache auf sich beruhen zu lassen.
Der Herzog muß wohl dem Rat der Stadt zum Dank verpflichtet gewesen sein. Nur so
erklärt es sich, daß er nachgab und den skandalösen Rechtsbruch totschwieg.
Der 30jährige Krieg war zu Ende. Es ward allmählich wieder Recht
und Ordnung im Lande. Der Rechtlose konnte hoffen, sein Recht zu finden. So
unternahm nun, fast 50 Jahre nach dem Raub, die Familie von
Sundershausen, die als nahe Verwandten *) des Tschammer, der
unbeerbt verstorben war, von diesem zu Erben eingesetzt waren, mit Hilfe
Augustus, des Herzogs von Lauenburg, den Versuch, "die Senatores oder vielmehr
Raptores und deren Erben" zur Erstattung des inzwischen zu einer
Millionenerbschaft erwachsenen Schatzes zu nötigen (1653). In der
Tat wurden diese vier Jahre später dazu verurteilt, aber begreiflicherweise
protestierten und prozessierten die Gegner weiter. Da die Herzöge Julius
Heinrich und Franz Carl, die der Familie von Sundershausen ihre Unterstützung
hatten zuteil werden lassen, bald hernach starben, so kam der Prozeß resultatlos
zur Ruhe. Doch nur vorläufig! Als die eine Familie, durch den Prozeß verarmt,
diesen nicht zum Ende durchführen konnte, trat die andere, von der Katharina
abstammende Nachkommenschaft auf den Plan. Johann Grotjan, der 1579
Catharina von Sachsen geheiratet hatte, Krugwirt zu Bargteheide, hatte eine
Tochter Ilsabe (wohl nach der Großmutter benannt), Jochim Loddes, Amtsschreibers
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*) Cordt von Sundershausen, Bruder des Stallmeisters Franz I.,
war mit einer Schwester der Gisle Tschammer vermählt.
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in Lauenburg, Ehefrau, zuletzt in Bargteheide wohnhaft, wo sie in der Kirche
begraben wurde. Deren Tochter Ilsabe Lodde wurde von Jeronymus Bahr 1648
gefreit, nachdem ihr erster Mann Johann Koche nach einjähriger Ehe zwei Jahre
zuvor gestorben war. Unter ihren Kindern waren es Franz Jochim Bahr, Handelsmann
in Hamburg, und Christian, Gottorpscher Landschreiber, die von den
Sundershausens die Erbunterlagen mit vielen Kosten erwarben und den Prozeß von
neuem begannen wider die Nachkommen der räuberischen Senatoren, "die durch
diesen geraubten Schatz sich in große und sehr vermögsame Familien, absonderlich
in Hamburg, erigiert, und ist ohne
Bekümmernis nicht anzusehen, daß diese Leute, welche vielen Reichtum besitzen,
so impune [ungestraft] mit dem Raub fortkommen sollten." So lautet wörtlich ihr
am 26. Oktober 1698 gegebenes Urteil über die
skrupellosen Nachkömmlinge der Rechtsbrecher. Zwanzig Jahre zuvor hatten die
Bahrschen Erben berechnet, daß das Kapital mit Zinsen in den fast 100
Jahren von 60 000 Rtlrn., sage und schreibe, auf 20
Millionen 354 tausend 729 Reichstaler angewachsen
war. Es war nicht leicht noch billig, die Erbberechtigung der Ilsabe Bahr
amtlich festzustellen. Am 18. Februar 1688 schrieb
Pastor Christian Grotes zu Bargteheide auf Grund der Kirchenbücher und
mündlicher Aussagen der im vorigen Jahrhundert Geborenen oder über 80
Jahre Alten ein pfarramtliches Zeugnis für die noch lebende Witwe Ilsabe Bahr
über ihre Erbberechtigung, wonach sie als Enkelin der unehelichen Tochter des
Herzogs von Sachsen ausgewiesen wurde. Damit nicht genug, wurde am 11.
April 1688 ein Protokoll im Amtshaus zu Tremsbüttel zu demselben
Zweck aufgenommen. Als Zeugen hatte man die ältesten Leute des Kirchspiels
geladen, von denen sich Christopher Bruen in der Vorburg, Hans Deringer in
Bargteheide, Heinrich Deringer in Fischbeck wegen Altersschwachheit, letzterer
noch dazu wegen eines Beinschadens entschuldigten. Nur Tim Schacht und Hinrich
Chron in Bargteheide, beide etwa 80 Jahre alt, erschienen
persönlich und sagten zugunsten der Erben aus. Auch dieser Prozeß verlief im
Sande.
Den dritten Anlauf zur Gewinnung des Schatzes, der inzwischen einen sagenhaften
Wert erreicht hatte, unternahm in den Tagen des Großen Friedrich P. von Evens in
Hamburg, der eine Tochter des verstorbenen Franz Joachim Bahr geehelicht und
sechs Kinder hatte, der letzte Erbe der Millionenerbschaft. Im Jahre 1744
übersandte er
das gesamte Material an den König von Preußen, hoffend, daß dessen Interzession
bei dem König von Hannover vorteilhaft sein und ihm wenigstens "ein kleiner
Gnadenbrocken" von der Millionenerbschaft zufallen möchte. Aber auch der größte
König des 18. Jahrhunderts konnte dem armen Mann nicht helfen, der
täglich mit ansehen mußte, wie die reichen Hamburger, die Nachkommen der
Buxtehuder Senatoren, sich ihres Glückes freuten, ohne ihm einen Gnadenbrocken
von ihrem prangenden Tisch zu gönnen.
So endete fruchtlos der Prozeß um die Millionenerbschaft. Ein schweres Anrecht
blieb ohne Sühne wie so oft in der Geschichte. Es wartet auf den Spruch des
jüngsten Gerichts.*) - -
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*) Nach Akten des Pr. St. A. Berlin-Dahlem REP. XI 148,
Schuldensachen von Sachsen-Lauenburg, FASC. 9.
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