Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1932


Lauenburgische Trachten.

Auf dem Schleswig-Holsteinischen Trachtenfest der Kieler Studentenhilfe am 2. Juli in Kiel fanden die Tanzvorführungen der vier Lauenburgerinnen in der alten, malerischen Landestracht und die stattliche Erscheinung des Bauern im Kirchenrock, der zweireihigen Weste und dem Plüsch-Zylinder, sowie des Burschen in der hirschledernen Hose, der bunten, dicht mit großen Silberknöpfen besetzten Weste und der mit Fuchspelz verbrämten Mütze ganz besondere Beachtung. Die Trachten, unserm Landesmuseum entnommen, stammten bis auf ein Kleid, zwei Schultertücher und eine Goldkappe alle aus Mustin. Während aber die übrigen, auf dem Fest gezeigten Trachten aus Schleswig-Holstein mehr oder weniger bekannt waren, war unsere Lauenburgische Tracht selbst geborenen Lauenburgern völlig unbekannt! Gewiß sind in der Kriegs- und Nachkriegszeit viele alte Kleidungsstücke aufgetragen und verbraucht worden, aber wie in Mustin, so müßten sich doch auch noch anderwärts Lauenburger Trachtenstücke und alter Silberschmuck finden, und das Landesmuseum bittet alle Mitglieder, fleißig nachzuforschen und ihm von etwaigen Funden Mitteilung zu machen.

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Im Sommer trug die Landbevölkerung die aus selbstgesponnenem Flachs oder aus Hede vom Dorfweber gewebten und vom Färber in der Stadt gefärbten Stoffe, einfarbig indigoblau für Männer und Knaben, bedruckt mit helleren Streifen und Blumen für Frauen und Mädchen. Solche Zeugdruckereien befanden sich in Ratzeburg, Lauenburg und Mölln, und unser Landesmuseum hat noch eine ganze Reihe der alten Druckstöcke. Die Mecklenburger, die schwarzgefärbtes Leinenzeug trugen, nannten die Lauenburger spottend "Blaubüxen". Spinnräder gab es in jedem Hause, Webstühle wurden berufsmäßig von Webern, deren es in fast jedem Dorfe einige gab, bedient. Aus Flachs wurde die bessere, aus Hede die geringere Ware, z. B. auch Säcke und dergl. hergestellt. Neben dem Leinenzeug hatte man Gewebe aus ungefärbter oder gefärbter Wolle. Brattenzeug nannte man ein aus Woll- und Leinenfäden gemischtes Erzeugnis. Die Männer trugen meist lange Brattenhosen, daneben auch die kurzen wildledernen Hosen, seitlich mit einem Schlitz, der unterm Knie mit einem Senkel verschnürt oder zugeknöpft wurde; dazu Sonntags weiße Strümpfe, alltags aus blau und weißen "dublierten" Wollfäden gestrickte, oft mit weißer Spitze und Ferse, weil diese Teile dann unauffälliger erneuert werden konnten. Zum Schoßrock aus dunklem Tuch, das der Tuchmacher von der ihm gelieferten Wolle hergestellt hatte, trug man die hochgeschlossene, zweireihige Weste, ebenfalls aus Tuch. Eine Mütze, oft mit Fuchsfell verbrämt, oder ein Zylinder aus Plüsch vervollständigten den Anzug. Die Frauen trugen ziemlich grob gewebte Hemden mit kurzen, den Oberarm zur Hälfte bedeckenden Ärmeln, zwei wollene Unterröcke, weiße, rote oder mehrfarbige und weiße, schwarze oder blaue Strümpfe, die handbreit überm Knie mit gestrickten oder gehäkelten Strumpfbändern gebunden wurden. Die bis über die Knöchel reichenden Schnürschuhe waren von Zeug oder Leder. Über das Hemd wurde ein ärmelloses Leibchen gezogen, an dem manchmal die Unterröcke befestigt waren. Der Kleidrock aus Wolle oder Beiderwand zeigte meist zwei- oder dreifarbige Streifen, wenn er nicht einfach schwarz oder sonst dunkelfarben war. Die Jacke mit langen Ärmeln reichte nur etwas über die Taille hinaus und war manchmal statt aus Tuch aus schwarzem Samt, entweder mit langen oder Puffärmeln. An Festtagen wurden lange Ärmel bevorzugt und über der Jacke ein farbiges "Umstecktuch" getragen. Mieder, d. h. Jäckchen ohne Ärmel, unter denen eine Bluse getragen wurde und in deren vorderen Ausschnitt das Umstecktuch hineingesteckt wurde, trug man in Mecklenburg, in Lauenburg selbst aber nicht. In Mecklenburg trug man kurze, bis zur halben Wade reichende, mit breiter, bunter Borde besetzte Röcke, während man in Lauenburg bis an die Knöchel reichende, unbesetzte Kleidröcke hatte. Als Kopfbedeckung wurden an Sonn- und Festtagen enganliegende Mützen von Gold- oder Silberstoff getragen, die über der Stirn und im Nacken eine getollte Spitzenrüsche von wenigstens 10 cm Breite hatten, die kräftig gestärkt das Gesicht einrahmten. Eine ähnliche Rüsche ohne Spitzen wurde in die aus schwarzer Seide gefertigte Abendmahlskappe und in die aus Samt gefertigte Witwenkappe eingenäht. Derartige Mützen für Hochzeiten und hohe Festtage, für Abendmahlsgänge, Trauer und Halbtrauer besaßen die wohlhabenden Bäuerinnen eine ganze Anzahl. An jeder Seite hingen bunte, seidene Mützenbänder herunter, die an der linken Seite zu einer Schleife geknüpft wurden. Im Hause wurden die Mützen in länglichen, bemalten Holzschachteln aufbewahrt, auf denen eine männliche oder weibliche Person oder ein Herz mit Blumen und einem Spruch zu sehen waren. Ging man über Land, so trug man die Mützen in einem flachen Korbe aus feinem Geflecht. Als Schmuck hatte man glatte mondsichelförmige Ohrringe aus Silber oder dünnem Goldblech und Broschen aus Silberfiligran. Ob die in der Stadt Lauenburg getragenen großen, reich verzierten Haarkämme auch sonst in Lauenburg getragen worden sind, ließ sich bisher nicht mit Sicherheit feststellen. Bei Trauungen setzten die Bräute eine mit Gold- und Silberflittern, Glaskugeln und künstlichen Blumen gezierte Brautkrone, die aus Draht gebogen war, auf. Diese Brautkronen wurden in der Pfarre aufbewahrt und ebenso wie Taufkleidchen und Taufmützchen, verliehen. Es gab von beiden 3 verschiedene Ausführungen, für die eine abgestufte Leihgebühr zu entrichten war. In reichen Bauernhäusern war eine eigene Brautkrone; wurde sie bei Hochzeiten getragen, so mußte auch für sie eine Gebühr, und zwar wie für die erste Klasse, gezahlt werden. Unser Landesmuseum hat 3 solcher Brautkronen und eine aus

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bäuerlichem Besitz, wie sie noch in den 40er Jahren z. B. in Mustin getragen wurden. Um diese Zeit wurden auch noch die im Museum befindlichen Gold- und Silberkappen, sowie die Abendmahls- und Witwenkappen getragen.

Nachrichten über unsere Lauenburgische Tracht sind nur durch Befragen sehr alter Leute zu erhalten, da schriftliche Nachrichten oder Bilder nicht vorliegen. So ergeht denn an alle die Bitte, jede Mitteilung über die alten Trachten an unser Landesmuseum gelangen zu lassen.

S. S.
 

 

 


 

 

 

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