Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1933


Die Endmoränen Lauenburgs.

Von CARL VOSZ-Hamburg.

I.

Das Gebiet zwischen Lauenburg und Ratzeburg wird durchzogen von Endmoränen, die einen Teil der sich von Nordschleswig bis ins Baltikum erstreckenden Endmoränenlandschaft darstellen.

Im Süden Lauenburgs ist es ein Endmoränenzug, der sich von Greven-Camin über Gresse, Boizenburg, Lauenburg, Tesperhude, Geesthacht bis in die Gegend von Friedrichsruh erstreckt (s. Karte 1). Zwischen Lauenburg und Geesthacht erreicht dieser Höhenzug eine beträchtliche Höhe von über 80 m und bildet hier das Steilufer der Elbe.

Im Norden läßt sich ein gewaltiger Zug von Zarrentin über Gudow (Segrahner Berg mit Blockpackung), Grambeker Bauertannen, Grambeker Holz (Blockbestreuung), Lehmrader Tannen (Blöcke), Auf dem Steinfelde (ö. Mölln ), Brunsmarker Tannen, Auf der Heide, Schmilauer Zuschlag (Hirschberg), Höhe 48,6 südl. Schmilau bis zum Dänenberg am Küchensee verfolgen.

Nordöstlich von Fredeburg (Großer Dänenberg) setzt ein neuer Moränenzug an, der zunächst in nordsüdlicher Richtung verläuft. Zu ihm gehören der Pragger Berg, die Höhen im Ankerschen Ziegelbruch,

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die Höhen westlich Marienwohlde und Alt-Mölln, bei Niendorf und Woltersdorf. Hier biegt der Zug in die westliche Richtung um, in der er über Talkau, Gr. Schretstaken, Basthorst (Klinkenberg) bis Dahmker verläuft. Er biegt dann wieder um in die Nordrichtung und läßt sich bis Sirksfelde (Blatt Nusse) verfolgen. In der Hahnheide
erreicht er seine gewaltigste Höhe (Hahnheider Berg: 97,8 m). Diesem Endmoränenzug ist ein Sandur (Schmelzwassersandebene) vorgelagert, der sich zwischen Pötrau, Lauenburg und Greven, Boizenburg, nach Süden fallend, bis an die Elbe vorschiebt. Dieser Sandur, der einen großen Teil des Gebietes zwischen dem nördlichen und südlichen Endmoränenzug einnimmt, überdeckt teilweise die Grundmoräne der älteren, südlichen Moränenstaffel.

 


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Zwischen den Oberflächenformen der beiden Endmoränengebiete des nördlichen und südlichen Lauenburgs bestehen nun grundlegende Unterschiede. Diese Unterschiede sind solcher Art, wie sie K. Gripp in seiner Arbeit: "Über die äußerste Grenze der letzten Vereisung in Nordwest-Deutschland" (2) 1) beschrieben hat. K. Gripp unterscheidet
dort Akkumulationsformen und Erosionsformen. Er schreibt auf Seite 188: " In der ersten Gruppe überwiegen in hohen und höchsten Anteilen die Formen (Oberflächenformen), die das Inlandeis bei seinem Abschmelzen zurückließ. In der zweiten Gruppe jedoch sind nahezu ausschließlich jene Formen vorhanden, die entstehen, wenn ein Diluvialgebiet sehr lange Zeit oder in sehr starkem Maße der Abtragung ausgesetzt blieb.".

Im Gebiet zwischen Ratzeburg und Lauenburg sind diese beiden Landschaftsformen vertreten. Im Norden finden wir unruhige Formen, abflußlose Wannen und zahlreiche Seen, im Süden dagegen ruhige, zerflossene Formen; abflußlose Wannen und Seen fehlen.

In einem Gebiet, das um eine Vereisungsperiode älter ist, haben die nivellierenden (abtragenden) Kräfte länger und vor allen Dingen unter anderen, für ihre Tätigkeit günstigeren Bedingungen gewirkt, als in einem Gebiet der letzten Eiszeit. 2) Die Gebiete der letzten Eiszeit waren, da die Nacheiszeit erosionsarm ist, weniger den einebnenden Kräften ausgesetzt, als die Gebiete der vorletzten Eiszeit. So ist es zu erklären, daß zwischen den Landschaften der vorletzten und der letzten Eiszeit erkennbare Oberflächenunterschiede bestehen. Die Grenze zwischen den beiden Landschaften, Jungmoränen- und Altmoränenlandschaft, ist die morphologische Grenze.

Wie schon bemerkt ist die Landschaft um Ratzeburg mit ihrer unruhigen Form eine Jungmoränenlandschaft. Sie verdankt ihre Entstehung der letzten Eiszeit. Das Gebiet um Lauenburg ist während der vorletzten Eiszeit entstanden, ist also, wie K. Gripp gezeigt hat, in starkem Maße den nivellierenden Kräften ausgesetzt gewesen. Die unruhigen Oberflächenformen sind durch Bodenfließen während der letzten Eiszeit eingeebnet worden.

Für das engere und weitere Gebiet, mit dem sich diese Arbeit beschäftigt, verläuft die Grenze zwischen Altmoränenlandschaft (südl. d. Gr.) und Jungmoränenlandschaft (nördl. d. Gr.) folgendermaßen: Zarrentin, Segrahner Berg, Besenthal, Bergholz (a. d. Bl. Zarrentin und Gudow), Roseburg, Wotersen, Kankelau (Bl. Siebeneichen), Basthorst [Klinkenberg und Kuckucksberg], Kasseburg, Grande, Granderheide, Gut Heinrichshof (Bl. Schwarzenbek).

Die von C. Gagel (1, S. X) als jungdiluvial bezeichnete "Südliche Außenmoräne" (Greven-Camin, Lauenburg, Friedrichsruh) ist also nach den Untersuchungen von Gripp altdiluvial. Nach der Auffassung C. Gagels war das Eis der letzten Eiszeit mindestens bis zur heutigen Elbe vorgerückt.

Wir können somit für das Gebiet zwischen Lauenburg und Ratzeburg folgendes Schema aufstellen:

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1) S. Verz. der angeführten Arbeiten.
2) S. K. Gripp 4.

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I. VORLETZTE EISZEIT.
a) Bildung der "Südlichen Außenmoräne" als letzte Staffel der vorletzten Eiszeit.
Hinter der Moräne (eiswärts): Grundmoränenlandschaft (Geschiebemergel).
b) Bodenfließen (Einebnung der Formen).

II. ZWISCHENEISZEIT.
Neubelebung der Oberfläche durch Tieftauen vergrabenen Eises (s. K. Gripp 4).

III. LETZTE EISZEIT.
a) Nochmaliges Vorrücken des Eises (bis Roseburg gegen Süden):
1. Aufbau der jungdiluvialen Landschaft nördlich der morphologischen Grenze.
2. Bodenfließen.
b) Im Gebiet der voraufgegangenen Vereisung: Fortsetzen des Bodenfließens.

 

II.

Als der Eisrand bis Gudow und Roseburg vorgerückt war, bildete sich, wie P. Woldstedt (7) gezeigt hat, die "Mölln-Gudower Rinne" als subglazialer Schmelzwasserkanal. In dieser Rinne befinden sich heute der Gudower See, der Sarnekower See, der Drüsensee und der Möllner See. Von Gudow, wo sich wahrscheinlich das Gletschertor befand, flossen die Schmelzwässer nach Süden und übersandeten die Grundmoräne, die sich hinter der "Südlichen Außenmoräne" ausbreitete. Der Segrahner Berg und die Moränen westl. Zarrentin mögen zu dieser Zeit entstanden sein. Jedoch glaube ich nicht, wie Range (6) annimmt, daß sie wesentlich älter sind, als die Moränen um Ratzeburg. Dann erfolgte die Bildung eines tiefen Einschnittes in den Eisrand, der von Gudow einerseits und von Woltersdorf andererseits bis zum Küchensee gereicht hat. Das Gudower Tor ist also nach Norden verlagert worden und hat zwischen Schmilau und Fredeburg am Ausgang des Küchensees gelegen. Zu dieser Zeit entstanden als subglazialer Schmelzwasserkanal der Ratzeburger See und der Küchensee. Durch die Bildung der tiefen Einschnitte in den Eisrand hatte sich die ± einheitliche Eismasse in dieser Gegend in mehrere Eisloben aufgeteilt. Es sind dies die Loben O 1 (Zarrentin, Gudow, Schmilau ), O (Fredeburg, Woltersdorf, Basthorst, Hahnheide, Sirksfelde) und W (Sirksfelde, Grönwohld, Trittau, Granderheide, Stellau) [vgl. H. Halske, 5].

In der Trittauer Gegend haben die Verhältnisse ähnlich gelegen. Das Eis ist bis Grande gegen Süden vorgerückt. Auch hier bildete sich später ein tiefer Einschnitt in das Eis, der bis Sirksfelde reichte. Halske (5) nimmt dort ein Gletschertor an.

Gemeinsame Gletschertore hatten die Loben W und O bei Sirksfelde und die Loben O und O 1 bei Schmilau.

Zwischen den zu den Loben gehörenden Endmoränen floß das Schmelzwasser nach Süden. Es baute einen langen Schmelzwassersand­


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kegel auf, der vom Küchensee bis an die Elbe reicht. In seiner ursprünglichen Form ist er nicht erhalten geblieben, da später, als das Eis in der "Lübecker Mulde" lag, von dort kommende Schmelzwässer ein breites Tal hineinschnitten. Im Osten und Westen schließen sich an diesen Kegelsandur flächenhafte Sandr an.

Nun liegt vor der Endmoräne des Lobus O - südlich von Woltersdorf - zwischen Roseburg und Hornbek ein Gebiet, das sich durch seine Oberflächengestaltung deutlich aus der Umgebung heraushebt. Das Gebiet trägt, wie schon C. Gagel bei der Kartierung feststellte, endmoränenartigen Charakter. Es wurde deshalb von Gagel in den Endmoränenzug, der das nördliche Lauenburg durchzieht, einbezogen. Leider ist dieses Gebiet auf der 1931 von Range herausgegebenen Karte (zu 6) nicht besonders hervorgehoben worden. Entgegen der geologischen Kartierung wird es dort als Sandur bezeichnet. Wie dem auch sei, das Gebiet ist kuppig, hat zahlreiche abflußlose Wannen und teilweise eine erhebliche Blockbestreuung. Ein Gebiet ähnlicher Struktur finden wir weiter westlich zwischen Grande und Trittau. Auf der geologischen Karte hat Gagel es als Endmoräne bezeichnet und in den großen Zug I einbezogen. Halske (4) nimmt dieses Gebiet aus dem Endmoränenzug heraus, da dieser ja östlich (bei Basthorst) und westlich (bei Granderheide) aus der Ost-Westrichtung in die Nordrichtung umbiegt. Er sucht für die Entstehung dieses Gebietes (kuppig, Blöcke, abflußlose Wannen) zwischen Grande und Trittau nach einer anderen Erklärungsweise und glaubt, es sei vielleicht ein vorübergehender Eisvorstoß bis Grande erfolgt. Mit der Annahme mag Halske Recht haben. Das Eis ist während der letzten Eiszeit bis Grande gekommen. Es hat das Gebiet zwischen Grande, Granderheide und dem Helkenteich als Endmoräne entstehen lassen. Sodann ist jedoch die Bildung der Loben erfolgt. Das Gletschertor, das bei Grande gelegen haben mag (Billetal zwischen Grande und Vorburg als subglazialer Kanal) wurde vermutlich nach Trittau und später erst nach Sirksfelde verlegt. Auch wir müssen das Gebiet zwischen Hornbek und Roseburg aus dem großen Endmoränenzug herausnehmen, da der Zug bei Talkau und Niendorf nach Norden umbiegt. Wie schon früher bemerkt, hat der Eisrand zu Beginn der letzten Vereisung seine südlichste Lage bei Roseburg gehabt. Das Gebiet zwischen Roseburg und Hornbek ist damals als Endmoräne entstanden. Beim Zurückweichen des Eisrandes von Roseburg nach Niendorf, bei der Bildung der Eisloben mag nun eine nicht unbeträchtliche Menge Resteises zurückgeblieben sein (Gripp 2, S. 234), auch mag eine Aufeisdecke auf der Moräne gelegen haben. Als nun die Schmelzwässer aus der Gegend von Tramm und Woltersdorf sowie von Schmilau kamen, übersandeten sie einmal die im Grunde eisbedeckte "Mölln-Gudower Rinne" (7), zum anderen die Resteis- und Aufeismassen bei Roseburg und Hornbek. Nachdem sich nun später das Inlandeis aus unserer Gegend zurückgezogen hatte, und das Klima sich erwärmte, taute das unter der Sanddecke vergrabene Eis. Die sonst ± ebene Sandurfläche belebte sich. Die alten Formen traten wieder hervor, wenn auch infolge der erfolgten Sandbedeckung 

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weniger plastisch. Ohne Rest- und Aufeis wären die Kuppen um Grand und Roseburg, sowie das Tal zwischen Mölln und Gudow unter einer Sanddecke vergraben.




 

Wir setzen unser Schema nunmehr fort.

III. LETZTE EISZEIT.

Aufbau der jungdiluvialen Landschaft Lauenburgs.

1. Vorrücken des Eises bis Roseburg und Grande.

2. Bildung der Moränen zwischen Roseburg und Hornbek; Grande, Granderheide und Trittau.

3. Bildung der "Mölln-Gudower Rinne" und des Billetals zwischen Grande und Vorburg als subglazialer Schmelzwasserkanal.
Gletschertor bei Gudow und Grande (Lage O).

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4. Bildung der Eisloben O 1, O und W.

5. Bildung der Endmoränen (Lage I):
I O 1: Zarrentin, Gudow, Schmilau.
1 O : Fredeburg, Alt-Mölln, Breitenfelde, Niendorf, Basthorst, Hahnheide, Sirksfelde.
I W: Sirksfelde, Grönwohld, Trittau, Granderheide, Stellau.
Gemeinsames Tor O 1 und O bei Schmilau.
Gemeinsames Tor O und W bei Sirksfelde.

6. Bildung des Ratzeburger Sees und des Küchensees als subglaziale Rinnen.

7. Übersandung des vor und zwischen den Moränen I O 1, I O und I W gelegenen Gebietes und damit der Mölln-Gudower Rinne, der Gebiete um Grande und Roseburg. (Schmelzwassersandebenen vor den Moränen, Kegelsandur zwischen den Moränen.)

8. Bildung des Abflusses der Lübecker Mulde.

9. Rückzug des Eises.

IV. NACHEISZEIT.
Erwärmung des Klimas.
Tieftauen des vergrabenen Eises, Einsinken der Sanddecke, Hervortreten der alten Formen: Mölln-Gudower Rinne, Moränen um Grande und Hornbek.

ZUSAMMENFASSUNG.

1. Der nördliche Teil Lauenburgs ist jungdiluvial, der südliche Teil dagegen altdiluvial (letzte und vorletzte Eiszeit). Die letzte Eiszeit hat die Elbe nicht mehr erreicht.

2. Die den Norden Lauenburgs durchziehenden Endmoränen sind nicht - wie Gagel annahm - von einer einheitlichen Eismasse gebildet worden, sondern drei Eisloben sind daran beteiligt gewesen. Diese Tatsache kommt auf der von Range 1931 (6) herausgegebenen Karte "Geologische Übersichtskarte der weiteren Umgebung Lübecks"
nicht zum Ausdruck. Die Gebiete um Grande und Roseburg finden dort keine Berücksichtigung. Außerdem ist es nicht recht verständlich, warum Range nördlich der Höhen von Talkau und Gr. Schretstaken (1. Staffel, Lobus O) jüngere Grundmoräne, nördlich von Gudow (1. Staffel, Lobus O 1) aber mittlere Grundmoräne kartiert. Die
Höhen zwischen Gudow und Zarrentin sind als Teile der 1. Staffel des Lobus O 1 zwar zuerst entstanden, aber ein Interstadial liegt nicht zwischen ihrer Entstehung und der Entstehung der weiter nördlich folgenden Teile von Gudow bis Schmilau. Die Moränen zwischen Zarrentin und Gudow sind vielleicht zur gleichen Zeit entstanden wie das Gebiet um Roseburg. Aber trotzdem sind die Moränen I O und I O 1 und mit ihnen die Grundmoränen gleichen Alters.

3. Die Gebiete um Grande und Roseburg sind als Moränen vor der Bildung der Loben entstanden, sind wie die Mölln-Gudower Rinne übersandet worden und traten nach Abtauen des vergrabenen Eises wieder hervor.

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VERZEICHNIS DER ANGEFÜHRTEN ARBEITEN:

1. C. GAGEL: Erläuterungen zur geologischen Karte von Preußen (Blatt Nusse).

2. K. GRIPP: Glaciologische und geologische Ergebnisse der Hamburgischen Spitzbergen-Expedition 1927. Abh. des Naturw. Vereins Hamburg 1929.

3. K. GRIPP: Über die äußerste Grenze der letzten Vereisung in Nordwest-Deutschland. Mitt. der Geogr. Ges. Hamburg. Bd. XXXVI, 1924.

4. K. GRIPP: Gletscher und Bodenfrost, rezent und diluvial. (Vorl. Mitt.) Geol. Rundschau, Bd. XXI (1930), Heft 5.

5. H. HALSKE: Über den Verlauf der Endmoränen auf Meßtischblatt Trittau. I.-Diss. Hamburg 1924.

6. P. RANGE: Übersicht der Geologie von Lübecks Umgebung. Mitt. d. Geogr. Ges. Lübeck, Heft 36 Lübeck 1932.

7. P. WOLDSTEDT: Probleme der Seenbildung in Norddeutschland. Ztschr. der Ges. f. Erdkunde. Berlin 1926 Nr. 2.


 

 

 

 

 

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