Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1933


Tertiärfunde bei Mölln und ihre erdgeschichtliche Bedeutung. *)

Von DANIEL WIRTZ.

In ganz Ostholstein finden wir neben dem vorherrschenden Geschiebemergel, der von dem Inlandeis als Grundmoräne abgesetzt wurde, an den verschiedensten Stellen Sand- - und Kiesschichten. Diese Sande wurden von den reißenden Schmelzwässern abgesetzt, die ständig, aber

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*) Nach einem Aufsatz d. Verf. in der "Zeitschr. für Geschiebeforschung", Bd. IX, Heft I, 1933.


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mit wechselnder Stärke UNTER dem Eise dahinflossen. Hinsichtlich ihrer Gesteinszusammensetzung enthalten sie also dieselben Bestandteile wie die Grundmoräne, nur daß die feinen tonigen Bestandteile fortgespült, die größeren Blöcke dagegen an Ort und Stelle gelassen wurden. Diese sogenannten Schmelzwassersande stellen also das ausgeschwemmte sandige und kiesige Material der Grundmoräne dar.

Bei seinem Vorrücken über das Ostseegebiet und das heutige Ostholstein hatte das Inlandeis gewaltige Massen des damaligen Untergrundes aufgenommen und mit sich geführt. Im nördlichen und östlichen Ostseegebiet waren hieran die alten Formationen der Erdgeschichte, im mittleren und westlichen die mittleren und neueren Formationen beteiligt. So fanden die Eismassen, die von Südschweden her unsere Heimat überzogen, Gesteine der Tertiär- und Kreideformation vor. Diese Gesteine wurden je nach ihrer Widerstandsfähigkeit entweder aufgearbeitet oder in verschiedener Größe mitgeführt. Größere, zusammenhängende Massen eines solchen Gesteines in der Grundmoräne nennen wir SCHOLLEN, kleinere Blöcke und Steine nennen wir GESCHIEBE. Schollen sind im gesamten schleswig-holsteinischen Diluvialgebiet häufig: allein in der Umgegend von Mölln und Ratzeburg sind etwa 14 Schollen gefunden worden. In Anbetracht dieses Schollenreichtums des Mölln-Ratzeburger Gebietes ist es verständlich, daß die Schmelzwassersande dieser Gegend besonders reich an Versteinerungen sein müssen, die das Schmelzwasser aus den zahlreichen, in der Grundmoräne steckenden Tertiärschollen herausspülte. Tatsächlich zeigt sich in den Kiesgruben um Ratzeburg und Mölln ein derartiger Reichtum an Tertiärfossilien, daß er schon vor etwa 80 Jahren dem Altmeister der schleswig-holsteinischen Geologie, Ludwig MEYN, auffiel. MEYN teilte in der Zeitschrift der Deutschen Geol. Gesellschaft im Jahre 1836 folgendes mit: "Bei dem Städtchen Mölln im Lauenburgischen finden sich verschlissene Exemplare von Conchylien des zerstörten ... Tertiärgebirges in so großer Menge, daß dieser Punkt dem Zentrum der zerstörten Masse nicht so fern sein kann. Die großen Grandgruben, welche jenseits des Sees im Nordwesten liegen ..., führen einen eisenoxydreichen Korallengrand, welcher von den Tertiärpetrefakten auf braunem Grunde ganz weiß gesprenkelt ist. Der Heimweg überzeugte mich, daß auch das Ufer des Sees und die benachbarten Hügel reich an denselben Objekten sind." Seit dieser Mitteilung MEYNS ist eine Untersuchung der losen Tertiärfossilien nicht vorgenommen worden. Verfasser hat die lauenburgischen Funde in Verbindung mit anderen ostholsteinischen untersucht. Hier sollen kurz die Ergebnisse der Untersuchung, soweit sie die Mölln-Ratzeburger Funde betreffen, mitgeteilt werden.

Die reichhaltigsten Fundorte loser Tertiärfossilien sind Mölln bei dem von MEYN genannten Aufschluß und Schmilau. Beide Fundorte liegen in einem Schmelzwassertal, das die Fortsetzung des Ratzeburger Sees bildet und Ratzeburg mit Mölln verbindet.

Unter den Fossilien fanden sich 19 verschiedene Arten, die sich auf Muscheln, Schnecken und Korallen erstrecken. Die Altersbestimmung ergab, daß die Fossilien aus dem Beginn des JUNGTERTIÄRS, aus


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dem sogen. Untermiozän stammen (das Tertiär besteht aus Paläozän, Eozän, Oligozän, Miozän und Pliozän). Die überwiegende Mehrzahl der Arten lebt heute nicht mehr in unseren nordischen Meeren) es läßt sich dagegen eine weitgehende Verwandtschaft mit der Molluskenfauna des Mittelmeeres feststellen. Auch die seltenen Korallen, von denen sich immerhin 4 Exemplare fanden, weisen auf ein warmes, etwa dem heutigen Mittelmeer entsprechendes Meer hin.

Unter den Muscheln herrscht der dickschalige PECTUNCULUS vor; zwischen ihnen und den Schnecken stehen die Grab- oder Röhrenschnecken, die sogenannten Dentalien, deren röhrenartige Schalen außerordentlich häufig sind. Sie sind heutzutage unter dem Namen Elefantenzahn bekannt und dienen z. B. nordamerikanischen Indianerstämmen als Geld. Unter den Schnecken finden wir z. B. TURRITELLA, die Turmschnecke, sodann APORRHAIS mit dem eigenartigen flügelartigen Fortsatz. Eine ihrer rezenten Verwandten ist unter dem Namen Pelikansfuß bekannt. Ferner sind noch die Gattungen MUREX und TRITON häufig vertreten.

Alle Fossilien sind stark abgerollt, so daß die genaue Bestimmung nicht immer durchgeführt werden konnte. Dies erklärt sich durch die Wirkung der Schmelzwässer, man kommt jedoch nicht ohne die Annahme aus, daß die Fossilien sich in einer Scholle von WEICHEM Tertiärgestein, vermutlich in einem Ton befunden haben müssen. Diese Scholle wurde von den Schmelzwässern losgelöst und wegen ihrer geringen Widerstandsfähigkeit bald zerstört. Nur die Fossilien blieben erhalten und wurden weiter fortgespült.

Wo ist nun diese Scholle untermiozänen Gesteins aus dem Untergrunde losgelöst worden? Nach unseren Kenntnissen von der Transportweite weicher Gesteine im Eise müssen wir als Heimat etwa das heutige RATZEBURG annehmen. Doch diese Gegend ist nicht nur die Heimat unserer Funde, sondern auch aller der Schollen, die südlich
von Ratzeburg und Mölln noch unzerstört gefunden worden sind und von denen bis jetzt 14 bekannt sind. Wie erklärt es sich nun, daß gerade an dieser Stelle so viele Schollen vom Untergründe losgelöst wurden? Wir können diese Frage noch nicht präzise beantworten, wir können nur ganz roh annehmen, daß hier in der letzten Zwischeneiszeit eine Aufwölbung des Untergrundes tektonischer Art stattgefunden haben muß. Bei dieser Aufragung konnte das vorrückende Inlandeis besser angreifen, und es nahm die gesamten jungtertiären Schichten hinweg. Als Beweis für diese Annahme könnte man die Tatsache deuten, daß unweit von Ratzeburg (Behlendorf u. a.) jungtertiäre Schichten vollkommen fehlen und unter dem Diluvium sofort Alttertiär erbohrt wurde.

Wie gesagt lassen sich hierüber bis jetzt nur Annahmen äußern; es ist jedoch zu hoffen, daß durch weitere diluvialgeologische Untersuchungen diese Hypothesen ihre Bestätigung finden.

LITERATUR:

GAGEL C.: Über die geologischen Verhältnisse der Gegend von Ratzeburg und Mölln. Jb. d. Preuß. geol. Landesanst. 1903 24. Berlin 1903.


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GAGEL, C .: Erläuterungen zur geolog. Karte von Preußen, Lieferung 140, Blatt Mölln. Berlin 1907.

MEYN, L.: Briefliche Mitteilung an SEMPER. Z. d. D. Geol. Gesellsch. 8, S. 166. Berlin 1856.

PETERSEN, G.: Die Schollen der norddeutschen Moränen in ihrer Bedeutung für die diluvialen Krustenbewegungen. Fortschritte d. Geol. usw. Heft 9. 1924.

 


 

 
 

 

 

 

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