Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1934


Der Heimatgedanke und wir.

Von FRITZ R. BASSAUER, Laudenbach a. d. Bergstraße.
 

In der äußeren Not des Tages - und wir kranken alle irgendwie an ihren Erscheinungen, Hand aufs Herz, keiner ist ausgenommen! - in all der Unbill und Widerwärtigkeit und heißen Sorge, die uns umstrickt und umfangen hält und jedes reinere Gefühl zu ersticken droht, ist es ein Akt ausgleichender Gerechtigkeit, ja Dankbarkeit, wenn wir der INNEREN Werte gedenken, die uns in dem Wust der Meinungen geblieben sind und die gerade heute in einer Zeit fühlbarster Wandlungen ihre Stetigkeit und Treue erwiesen haben und deshalb um so tiefer und schöner in unser Leben ausstrahlen, je unverlierbarer sie sich unserem Auge zeigen.

Ich meine in erster Linie Heimatgedanke und Heimatbewußtsein und die Liebe zur heimischen Art.

Wir alle wissen, was uns die Heimat bedeutet. In der Liebe zu ihr hat der heutige Mensch die uneigennützigste Freude insofern, als sie ihm nicht genommen werden kann. Neben dem, was ihm teuer ist, gilt ihr allein noch jene tiefinnige und sinnige Zuneigung, die das Wort HEIMAT im vollsten und wahrsten Sinne umfaßt.

Die Formen des Lebens verengern sich. Und unbewußt zieht auch der heimatliche Mensch seinen Kreis enger. Er wird besinnlicher. Er bleibt nicht am bloß Sichtbaren, am Äußeren hängen. Er schöpft nicht an den lauten Quellen der Schlagworte und Begriffe, die das öffentliche Leben auf allen seinen Gebieten ätzend durchsetzen. Das Soziale, Wirtschaftliche, Politische hat darum gewiß nicht weniger sein Interesse, aber er sieht es von einer anderen Warte als von der Partei. Er schürft tiefer. Sein Auge, sein Gefühl ist geschärft durch den Ernst der Sache, der er dient, den Heimatschutz.

Der Geist ist es, der die Dinge lebendig macht.

Der Mensch, der etwas auf seine Heimat hält, fühlt das. Er weiß, daß es andere, köstlichere Dinge gibt, durchblutete, durchgeistigte Dinge, die den wechselnden Erscheinungen dieses Lebens Sinn und Inhalt geben. Und dieses Wissen macht ihn froh.

Nicht das Materielle, das KULTURELLE, das Geistige ist es, was uns der Heimat verbindet. Denn schließlich fühlen wir es ja alle, die durch das gemeinsame Band der Tat und der Heimatverbundenheit in ihr vereinigt sind, daß nur vom Geistigen her ein Aufbruch, eine Erneuerung kommen kann und kommen wird.

Was auf dem Gebiet des Heimatlichen bisher geleistet worden ist, das zeugt nicht nur von dem Verantwortungsgefühl, das uns ALLE beseelt, mitzuhelfen an den Aufgaben, die an uns herantreten, sondern auch von der tiefen Liebe, die wir zu den heimatlichen Dingen hegen und pflegen.

Nicht so sehr das Bewußtsein des Geleisteten, die Arbeit selber ehrt uns. Und sie befeuert immer wieder zu neuer Tat und neuem Wirken. Sie schließt den Ring der Kette. Und sie spornt und steigert die Kräfte in edlem Wettstreit, erfaßt die Zagen und die Lauen und reißt sie mit sich fort zu dem einen hohen Ziel, das in dem Scheffelschen Lebensspruch gipfelt: Nicht rasten und nicht rosten.

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Das Wort ist für uns symbolisch. Es kennzeichnet den Weg, den wir weiter gehen sollen und weiter zu gehen gewillt sind mit dem Einsatz aller Kräfte, die am Werk sind, der Veräußerlichung und Verarmung seelischen Gutes entgegenzuwirken.

Was kann uns innerlich mehr bereichern, was uns Schöneres, Besseres geben als die Heimat?

Sehen wir uns doch einmal um!

Die Schönheit ihrer Landschaft, ihre Natur, ihre Dichtung, ihre alte und neue Kunst, ihre Geschichte, ihr Volkstum, die Trachten. Sitten und Gebräuche, ihre sprachlichen Mundarten, und nicht zuletzt die warmen, lebendigen Äußerungen in Sage und Volkslied, sie alle wirken zusammen, eine vertiefte Kenntnis für alle heimatliebenden Kreise zu vermitteln.

Die Kräfte, die so aus der Heimat kommen und drinnen und draußen weiterwirken, sie kehren doch letzten Endes wieder zu ihr als dem Ausgangspunkt zurück. Denn sie ist uns ja allen die Mutter, aus deren Herzen wir unser Bestes, die Liebe zu ihr, zur heimatlichen Schönheit, zur heimatlichen Scholle und zur heimatlichen Kunst gesogen haben. Nicht erst seit gestern oder seit heute, von Kind auf.

Nichts kann uns so bereichern, als die Wissensschätze, die wir von Jugend her gleichsam in unserem Blut herumtragen. Die frühesten Eindrücke und heimatlichen Erlebnisse, die wir den ersten Lebensjahren verdanken, sind wichtiger für unser inneres Werden, als alle später erworbenen Kenntnisse. Ohne sie ist ein wertvoller Bildungszuwachs überhaupt nicht möglich. Die sinnvollen Spiele unserer Jugend, genährt von den Erzählungen Erwachsener, den Märchen, Sagen und Gestalten der Heimatwelt und lebendig waltender Phantasie bilden die Grundlage, aus der wir unsere geistige Nahrung holen. In der Heimat beseelt sich uns die Natur und verwebt unsere innersten Stimmungen zu gegenseitiger Wechselwirkung. So werden die feinen Fäden zwischen Mensch und Heimat allmählich zu einem unzerreißbaren Band.

Heimatgedanke und Heimatgefühl nähren und bilden in uns die Liebe zur volklichen Art, zu Staatswesen und Volkstum, das unsere Heimat nach ihrer besonderen Art schützend und fördernd umfaßt. Und aus der Heimatliebe und Heimatfreude erwächst erst das Gemeinschaftsgefühl tiefer und lebendiger und kräftigt das Volksbewußtsein, die Liebe zum Volksganzen.

Die Bedeutung, die der Heimat im Leben der Gegenwart zukommt, ist wichtig genug, daß sie von allen erkannt wird, die zu ihrem Wohle mitarbeiten wollen.

Das Politische steht heute im Vordergrund. Die beste Politik, die wir treiben können, ist Heimatpolitik. Und auch der Sozialpolitiker wird aus wirtschaftlichen und ethischen Gründen nur eine solche gutheißen können. Denn der Boden, der uns nährt in jedem Sinne des Wortes, im leiblichen wie im geistigen, die heimatliche Scholle, muß in unserem Volk wieder zu Ehren kommen, wenn es aufwärts und lichtwärts gehen soll.

Die Heimat ist die Quelle aller Güter.
Laßt uns Heimatmenschen sein!



 

 

 

 

 

 

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