Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1934


Spitzmäuse im Herzogtum Lauenburg.

Von ERNA MOHR, Zoologisches Museum Hamburg.
 

 In Deutschland werden 7 verschiedene Spitzmäuse gefunden, die sich auf 3 Gattungen verteilen: NEOMYS mit einer, SOREX und CROCIDURA mit je 3 Arten. Bei den ersten beiden Gattungen haben alle Zähne kastanienbraune Schneiden und Spitzen, bei der Gattung CROCIDURA sind alle Zähne reinweiß.

In der Nordmark einschließlich dem Herzogtum Lauenburg kommen nur 3 Arten vor: die Wasserspitzmaus, NEOMYS FODIENS SCHREB., die Waldspitzmaus, SOREX ARANEUS L., und die Zwergspitzmaus, SOREX MINUTUS L., also alles braunzähnige Arten.

Die WASSERSPITZMAUS fehlt fast nirgends, wo es Süßwasser gibt. In Wiesen- und Chausseegräben ist sie genau so gut zu finden wie in Bächen und nicht zu schmutzigen Tümpeln und Teichen. Sie wird zwar oft übersehen und ihr Vorkommen geradezu in Abrede gestellt. Aber wer Glück, Zeit und Gemütsruhe - für alle Säugetierbeobachtungen die unerläßlichen Vorbedingungen - hat, kommt doch zum Ziel. Spitzmäuse sind zänkisch, und da sie nicht selten zu zweien unterwegs sind oder sich in von ihnen dichter besiedelten Gebieten auf der Jagd treffen, hat man leicht Gelegenheit, Augen- und Ohrenzeuge ihrer Fehden zu werden. Die Tierchen richten sich oft auf und zetern sich an, oft einander näher rückend, auch wohl zuschnappend. Alles ist von scharfem Zirpen oder Zwitschern begleitet; die Stimme erinnert an manche Lautäußerungen einiger Fledermäuse. Wasserspitzmäuse gehen ohne weiteres ins Wasser, doch sieht man sie nur selten schwimmen. Meistens huschen sie am Grunde des Gewässers dahin. Der dichte Pelz hält die Luft fest, so daß in ähnlicher Weise wie bei der Wasserspinne der Körper von einer Luftschicht umgeben ist und das Tierchen wie eine Silberkugel dahin "rollt". Wasserspitzmäuse sind eifrige Räuber und Fischjäger, die aber ihrer Kleinheit wegen höchstens in Streckteichen lästig werden, oder - wie das aus einer schleswigschen Brutanstalt bekannt wurde -, wenn sie in den Bruttrögen zwischen den Forelleneiern aufräumen. Was sie sich sonst an Libellen- und Käferlarven greifen, kann man ihnen schon gönnen. Trotzdem versagt das Hamburgische Naturschutzgesetz ihnen die Befriedung, die es den beiden andern heimischen Spitzmausarten gewährt.

Die Schwanzunterseite und die Außenkanten der Hinterfüße tragen straffe, längere Borsten. Diese Schwimmsäume werden beim Haarwechsel mit erneuert; man kann also zu Zeiten auch eine NEOMYS finden, der an einer der sonst üblichen Stellen der Schwimmsaum fehlt. Weitere Beobachtungen hierüber, besonders über die genaue Zeit des Borstenwechsels, sind sehr erwünscht.

Die Färbung variiert bei der Wasserspitzmaus sehr, und manche Systematiker geben sich viele Mühe, danach Unterarten aufzustellen und zu beschreiben. Die Oberseite ist von blauschwarz bis braungrau, die Unterseite von schwarzgrau bis reinweiß; dazwischen sind alle Kombinationen möglich. Ist die Unterseite heller als der Rücken, dann sind meistens auch Schwanzober- und -Unterseite verschieden­

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farbig. Daß ein "abgeflogener" Schmetterling nur noch wenig von der Farbenpracht des frischgeschlüpften Tieres zeigt, ist ebenso bekannt, wie die Abnutzung der Vogelfedern von einer Mauser bis zur andern. Bei den Säugetierhaaren dürfte es sehr ähnlich zugehen; die Haare sind meistens in sich geringelt, und je nach dem Grad der Abnutzung wechselt auch die Farbe der jeweiligen Haarspitzen. Vollends wenn die Grannen schon sehr kurz gescheuert sind, kommt z. T. die Färbung der bei unsern kleinen Wildtieren oft grauschwarzen Unterwolle zur Geltung. Ich bekam eine Wasserspitzmaus von der "Unterart" mit hellerer Unterseite. Es war ein säugendes Weibchen. Um die Zitzen waren die Grannen abgenutzt und die dunkle Unterwolle stand hervor, ebenso um den After und in der Bauchmitte. Dies Tier war also dabei, sich zu der einheitlich dunklen "Unterart" zu "mausern". Für manche Gegenden, wie auch für die unsere, sind nähere Beobachtungen und Materialien unbedingt erforderlich, und zwar unter  Berücksichtigung des Fangdatums. Erst dann kann sich zeigen, ob die Färbung der Unterseite als systematisches Merkmal zu brauchen oder nur als Eigenart des Saisonkleides zu werten ist.

WALD- und ZWERGSPITZMAUS bewohnen überall die gleichen Lebensräume, nicht überall in derselben Dichte, aber fast stets so, daß auf 4 bis 5 Waldspitzmäuse eine Zwergspitzmaus kommt. Diese Tiere sind keineswegs an Wald oder Gehölz gebunden und kommen ebensowohl im Hausgarten vor wie auf den entlegensten Koppeln und Wiesen. Die Unterseite ist heller gefärbt, als der Rücken, und bei der Waldspitzmaus gegen jenen meistens durch einen braunen Streifen abgesetzt. Das Hamburger Museum hat eine Waldspitzmaus von Trittau, die wie ein Meerschweinchen weiß gescheckt ist.

Von den Arten der weißzähnigen Gattung CROCIDURA konnte bisher keine in der Nordmark nachgewiesen werden, obwohl C. LEUCODON und C. RUSSULA sowohl jenseits der Elbe im Hannoverschen als auch in Mecklenburg vorkommen. Es ist mit Bestimmtheit zu erwarten, daß mindestens eine davon im Herzogtum Lauenburg gefunden wird, vielleicht sogar noch im Fürstentum Lübeck. Manchmal glaubte ich schon, eine weißzähnige Spitzmaus in der Hand zu haben; aber bei Lupenbetrachtung zeigte sich dann doch, daß es sich um alte Tiere mit abgekauten Zähnen handelte.

Katzen fangen die Spitzmäuse und beißen sie tot, bringen sie auch ans Haus, lassen sie dann aber liegen; der Moschusgeruch wird sie stören. Auch manche Raubvögel und Eulen fangen sie, fressen sie auch, und die Kiefer und Zahnreihen finden sich nachher in den Gewöllen. Nun ist zwar seltsamerweise auch in solchen Gegenden, wo NEOMYS, SOREX und CROCIDURA nebeneinander vorkommen, CROCIDURA stets verhältnismäßig selten in Gewöllen, in denen der Schleiereulen aber doch in so beachtlicher Anzahl, daß sich eine Überprüfung von Schleiereulengewöllen im Lauenburgischen bestimmt lohnen würde. Da die Schleiereulen ziemlich feste Ruheplätze einhalten, zudem kein eigentliches Nest bauen, sondern höchstens in Bodenecken etliche ihrer eigenen Gewölle als Unterlage anhäufen, ist die Aufgabe nicht so aussichtslos, wie sie wohl scheinen könnte, zumal diese oft in oder


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bei dem von ihnen bewohnten Haus sind. Eine Zusendung solcher unzerzupfter Gewölle würde umso verdienstlicher sein, als man darin neben CROCIDURA-Zähnen möglichweise auch solche von Schlafmäusen finden wird, deren Verbreitungsgebiet und Häufigkeit noch keineswegs befriedigend bekannt sind.

Manchem Beobachter fiel schon auf, daß man im Spätsommer und Herbst häufig tote Spitzmäuse auf Wegen und Landstraßen findet. Es ist viel darüber orakelt worden, doch kann man durchaus behaupten, daß diese Erscheinung noch längst nicht restlos geklärt ist. Immerhin hat der Engländer L. ADAMS einen beachtlichen Anfang gemacht. Er sammelte alle toten Spitzmäuse, die er im Spätsommer und Herbst draußen fand, und maß sie. Dann stellte er im Winter Fallen und maß seine Beute. Die im Winter lebend gefangenen Tiere waren kleiner als die toten des Herbstes. Daraus läßt sich zunächst der Schluß ableiten, daß die im Winter gefangenen Tiere die im letzten Frühjahr geborenen Jungen sind, ferner, daß die tot aufgefundenen zur Hauptsache Erwachsene waren. Beides zusammen deutet darauf hin, daß die Spitzmäuse in ihrem zweiten Lebenssommer an der Fortpflanzung teilnehmen und dann im Verlauf des gleichen Jahres noch absterben, das Alter einer SOREX also i. A. anderthalb Jahre nicht übersteigt. Vielleicht sind diejenigen Spitzmäuse, die man mit fast weißen Zähnen ganz gelegentlich einmal bekommt, solche, die einen zweiten Winter überstanden haben.

Gänzlich unaufgeklärt ist noch die Frage, weswegen die Tiere so oft auf den Wegen gefunden werden. Man kann nicht gut annehmen, daß ihre Feinde sie dort "abgelegt" haben, ganz abgesehen davon, daß gefiederte Feinde, sowie Maulwurf und Igel sie eher auffressen, als unverdeckt deponieren würden.
 

 

 

 

 

 

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