In Deutschland werden 7
verschiedene Spitzmäuse gefunden, die sich auf 3
Gattungen verteilen: NEOMYS mit einer, SOREX und CROCIDURA mit
je 3 Arten. Bei den ersten beiden Gattungen haben
alle Zähne kastanienbraune Schneiden und Spitzen, bei der
Gattung CROCIDURA sind alle Zähne reinweiß.
In der Nordmark einschließlich dem Herzogtum Lauenburg kommen
nur 3 Arten vor: die Wasserspitzmaus, NEOMYS
FODIENS SCHREB., die Waldspitzmaus, SOREX ARANEUS L., und die
Zwergspitzmaus, SOREX MINUTUS L., also alles braunzähnige Arten.
Die WASSERSPITZMAUS fehlt fast nirgends, wo es Süßwasser gibt.
In Wiesen- und Chausseegräben ist sie genau so gut zu finden wie
in Bächen und nicht zu schmutzigen Tümpeln und Teichen. Sie wird
zwar oft übersehen und ihr Vorkommen geradezu in Abrede
gestellt. Aber wer Glück, Zeit und Gemütsruhe - für alle
Säugetierbeobachtungen die unerläßlichen Vorbedingungen - hat,
kommt doch zum Ziel. Spitzmäuse sind zänkisch, und da sie nicht
selten zu zweien unterwegs sind oder sich in von ihnen dichter
besiedelten Gebieten auf der Jagd treffen, hat man leicht
Gelegenheit, Augen- und Ohrenzeuge ihrer Fehden zu werden. Die
Tierchen richten sich oft auf und zetern sich an, oft einander
näher rückend, auch wohl zuschnappend. Alles ist von scharfem
Zirpen oder Zwitschern begleitet; die Stimme erinnert an manche
Lautäußerungen einiger Fledermäuse. Wasserspitzmäuse gehen ohne
weiteres ins Wasser, doch sieht man sie nur selten schwimmen.
Meistens huschen sie am Grunde des Gewässers dahin. Der dichte
Pelz hält die Luft fest, so daß in ähnlicher Weise wie bei der
Wasserspinne der Körper von einer Luftschicht umgeben ist und
das Tierchen wie eine Silberkugel dahin "rollt".
Wasserspitzmäuse sind eifrige Räuber und Fischjäger, die aber
ihrer Kleinheit wegen höchstens in Streckteichen lästig werden,
oder - wie das aus einer schleswigschen Brutanstalt bekannt
wurde -, wenn sie in den Bruttrögen zwischen den Forelleneiern
aufräumen. Was sie sich sonst an Libellen- und Käferlarven
greifen, kann man ihnen schon gönnen. Trotzdem versagt das
Hamburgische Naturschutzgesetz ihnen die Befriedung, die es den
beiden andern heimischen Spitzmausarten gewährt.
Die Schwanzunterseite und die Außenkanten der Hinterfüße tragen
straffe, längere Borsten. Diese Schwimmsäume werden beim
Haarwechsel mit erneuert; man kann also zu Zeiten auch eine
NEOMYS finden, der an einer der sonst üblichen Stellen der
Schwimmsaum fehlt. Weitere Beobachtungen hierüber, besonders
über die genaue Zeit des Borstenwechsels, sind sehr erwünscht.
Die Färbung variiert bei der Wasserspitzmaus sehr, und manche
Systematiker geben sich viele Mühe, danach Unterarten
aufzustellen und zu beschreiben. Die Oberseite ist von
blauschwarz bis braungrau, die Unterseite von schwarzgrau bis
reinweiß; dazwischen sind alle Kombinationen möglich. Ist die
Unterseite heller als der Rücken, dann sind meistens auch
Schwanzober- und -Unterseite verschieden1934/2 -
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farbig. Daß ein "abgeflogener" Schmetterling
nur noch wenig von der Farbenpracht des frischgeschlüpften Tieres zeigt, ist
ebenso bekannt, wie die Abnutzung der Vogelfedern von einer Mauser bis zur
andern. Bei den Säugetierhaaren dürfte es sehr ähnlich zugehen; die Haare sind
meistens in sich geringelt, und je nach dem Grad der Abnutzung wechselt auch die
Farbe der jeweiligen Haarspitzen. Vollends wenn die Grannen schon sehr kurz
gescheuert sind, kommt z. T. die Färbung der bei unsern kleinen Wildtieren oft
grauschwarzen Unterwolle zur Geltung. Ich bekam eine Wasserspitzmaus von der
"Unterart" mit hellerer Unterseite. Es war ein säugendes Weibchen. Um die Zitzen
waren die Grannen abgenutzt und die dunkle Unterwolle stand hervor, ebenso um
den After und in der Bauchmitte. Dies Tier war also dabei, sich zu der
einheitlich dunklen "Unterart" zu "mausern". Für manche Gegenden, wie auch für
die unsere, sind nähere Beobachtungen und Materialien unbedingt erforderlich,
und zwar unter Berücksichtigung des Fangdatums. Erst dann kann sich
zeigen, ob die Färbung der Unterseite als systematisches Merkmal zu brauchen
oder nur als Eigenart des Saisonkleides zu werten ist.
WALD- und ZWERGSPITZMAUS bewohnen überall die gleichen Lebensräume, nicht
überall in derselben Dichte, aber fast stets so, daß auf 4 bis
5 Waldspitzmäuse eine Zwergspitzmaus kommt. Diese Tiere sind
keineswegs an Wald oder Gehölz gebunden und kommen ebensowohl im Hausgarten vor
wie auf den entlegensten Koppeln und Wiesen. Die Unterseite ist heller gefärbt,
als der Rücken, und bei der Waldspitzmaus gegen jenen meistens durch einen
braunen Streifen abgesetzt. Das Hamburger Museum hat eine Waldspitzmaus von
Trittau, die wie ein Meerschweinchen weiß gescheckt ist.
Von den Arten der weißzähnigen Gattung CROCIDURA konnte bisher keine in der
Nordmark nachgewiesen werden, obwohl C. LEUCODON und C. RUSSULA sowohl jenseits
der Elbe im Hannoverschen als auch in Mecklenburg vorkommen. Es ist mit
Bestimmtheit zu erwarten, daß mindestens eine davon im Herzogtum Lauenburg
gefunden wird, vielleicht sogar noch im Fürstentum Lübeck. Manchmal glaubte ich
schon, eine weißzähnige Spitzmaus in der Hand zu haben; aber bei
Lupenbetrachtung zeigte sich dann doch, daß es sich um alte Tiere mit abgekauten
Zähnen handelte.
Katzen fangen die Spitzmäuse und beißen sie tot, bringen sie auch ans Haus,
lassen sie dann aber liegen; der Moschusgeruch wird sie stören. Auch manche
Raubvögel und Eulen fangen sie, fressen sie auch, und die Kiefer und Zahnreihen
finden sich nachher in den Gewöllen. Nun ist zwar seltsamerweise auch in solchen
Gegenden, wo NEOMYS, SOREX und CROCIDURA nebeneinander vorkommen, CROCIDURA
stets verhältnismäßig selten in Gewöllen, in denen der Schleiereulen aber doch
in so beachtlicher Anzahl, daß sich eine Überprüfung von Schleiereulengewöllen
im Lauenburgischen bestimmt lohnen würde. Da die Schleiereulen ziemlich feste
Ruheplätze einhalten, zudem kein eigentliches Nest bauen, sondern höchstens in
Bodenecken etliche ihrer eigenen Gewölle als Unterlage anhäufen, ist die Aufgabe
nicht so aussichtslos, wie sie wohl scheinen könnte, zumal diese oft in oder
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bei dem von ihnen bewohnten Haus sind. Eine
Zusendung solcher unzerzupfter Gewölle würde umso verdienstlicher sein, als man
darin neben CROCIDURA-Zähnen möglichweise auch solche von Schlafmäusen finden
wird, deren Verbreitungsgebiet und Häufigkeit noch keineswegs befriedigend
bekannt sind.
Manchem Beobachter fiel schon auf, daß man im Spätsommer und Herbst häufig tote
Spitzmäuse auf Wegen und Landstraßen findet. Es ist viel darüber orakelt worden,
doch kann man durchaus behaupten, daß diese Erscheinung noch längst nicht
restlos geklärt ist. Immerhin hat der Engländer L. ADAMS einen beachtlichen
Anfang gemacht. Er sammelte alle toten Spitzmäuse, die er im Spätsommer und
Herbst draußen fand, und maß sie. Dann stellte er im Winter Fallen und maß seine
Beute. Die im Winter lebend gefangenen Tiere waren kleiner als die toten des
Herbstes. Daraus läßt sich zunächst der Schluß ableiten, daß die im Winter
gefangenen Tiere die im letzten Frühjahr geborenen Jungen sind, ferner, daß die
tot aufgefundenen zur Hauptsache Erwachsene waren. Beides zusammen deutet darauf
hin, daß die Spitzmäuse in ihrem zweiten Lebenssommer an der Fortpflanzung
teilnehmen und dann im Verlauf des gleichen Jahres noch absterben, das Alter
einer SOREX also i. A. anderthalb Jahre nicht übersteigt. Vielleicht sind
diejenigen Spitzmäuse, die man mit fast weißen Zähnen ganz gelegentlich einmal
bekommt, solche, die einen zweiten Winter überstanden haben.
Gänzlich unaufgeklärt ist noch die Frage, weswegen die Tiere so oft auf den
Wegen gefunden werden. Man kann nicht gut annehmen, daß ihre Feinde sie dort
"abgelegt" haben, ganz abgesehen davon, daß gefiederte Feinde, sowie Maulwurf
und Igel sie eher auffressen, als unverdeckt deponieren würden.
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