CASUS. Des Fischers Sohn, Johann Wehder zu
Lankow, gibt zu vernehmen, daß Er sich mit des Fischers Tochter
zu Spanohrt, im Sachsen-Lauenburgischen belegen 1),
seiter 2 Jahren hero, etwas befreyet und sich Einander endlich
beschenket hätten. Wie Er aber
1. Ihren Vater darümb angesprochen, Er keine
gewisse RESOLUTION 2) erhalten können, auch
nachgehends erfahren, daß er seine Tochter in Einen Jahr noch
nicht bekommen würde.
2. Obwohl Er (Johann Wehder) nun solchen
unerachtet, wieder dahin gewesen, und zwar im Verwichenen
Früling beh 3 mahl, habe er die Vermeinte Künftige
Schwieger-Mutter allemahl saur und überquer sehend, angetroffen
und als von beyderseits Eltern Keine AFFECTION 3)
Verspüret.
Wie Er nun
1935/1 - 21
1935/1 - 22
per RUMOREN 4) Vernommen, daß
der Vater hin und wieder, ja zum Küster zu Mustihn, sich Verlauten lassen, der
Fischer von Lankow würde seine Tochter wohl nicht bekommen, und
4. die Verlobung weder von den Eltern, noch von Pastore, der
Kirchen-Visitation nach, geschehen, so habe Er
5. Ihr vor etzlichen Wochen das geschenkte Hembde wieder
hingesand, HOC FACTO 5), soll
6. der Vater zu dem, der das Hembde gebracht, gesaget haben, es
were schon gut, worauf Er
7. Sich mit einer andern, in Hamburg dienenden und aus Mustihn
gebürtige Dirne Verlobet, der Meinung, Sich mit Selbige nach Michaelis zu
Mustihn abkündigen zu laßen. Weil Er aber
8. SPARGIREND 6) Vernommen, daß die erste Braut
alsdan wolle Einrede thun laßen und von Ihm etwas, wegen des Abtrits,
PRÄTENDIREN 7), so wollt Er
9. Unterdienstlich gebehten haben, Im bey der andern Braut zu
MAINTENIREN 8) und deßfalls in keine Strafe fallen zu laßen, maßen
10. nicht Er, sondern Sie daran, allen Vorgedachten ümbständen
nach, schüldig, daß solche Heyraht nicht Vollenzogen würde. Billig könnte Er
11. Seine Ihr gegebene 2 Mk. auch wieder fordern,
aber die möchte Sie endlich behalten, sollte nur
12. der Pastor zu Mustihn Ihm mit der andern Braut nicht
abkündigen wollen, möchte Er gerne wissen, ob er sich dann nicht zu Zieten, alß
wohin das Dorf Lankow vor 100 und mehr Jahren soll eingepfarret
gewesen sein, könne und möge PROCLAMIREN 9) und folgig COPULIREN
10) lassen.
13. Möchte der Bräutigam gerne wissen, ob ratsame, daß Er 2
tüchtige Männer zu der Braut schickte und die 2 Mk., so Er Ihr
gegeben, auch wieder abfordern ließe, bloß zu EXPISCIREN 11), was
er zur Antwort würde erhalten.
Ratzeburg, aufm Thumbhofe,
den 2. Oktober 1699. H. Rieke.
DER ADVOKAT: Hierinnen kan gerichtlich verfahren werden, auch der Unterthan,
wenn sich's berichtetermaßen verhält, wohl frey werden, die Abschickung der
2 Männer kann auch geschehen, und wenn der Pastor DIFFICULTIRET
12), so erst abzuwarten, erfolgt alsdann weitere Verordnung, was
rechtens ist.
Sw., d. 4. Okt. 1699. DR. Löwe.
DAS PROTOKOLL: Wie nun hiermit den 7. dieses (Monats) der
Bräutigam 2 Männer aus Mustin, nemblich Asmus Lindowen und Johann
Vaklendorf, zum Fischer nach Spanohrt abgefertiget, ümb die der Tochter
gegebenen 2 Mk. wieder abzufordern, soll er ihnen mit höhnischen
Worten geantwortet haben, daß es wohl Einer tragen könnte und desfalls 2
Personen an ihn zu schicken, nicht nötig gewesen. Er sollte das Geld nicht
wieder haben, sondern ihm noch wohl 5 Mk. dazu geben, dann er
seinen Willen nicht haben sollte. Zwar hätte er ihm seine Tochter nicht zu-,
jedoch auch nicht abgesaget, und könnte versichert seyn, wenn er zum 1.
mal sich würde abkündigen lassen, es gewißlich zum andernmal nicht eher
geschehen sollte, bis er sich mit ihm erstl. abgefunden und gegeben, was er
wollte.
PROTOCOLLIRET.
Ratzeburg, aufm Thumbhofe,
den 9. Okt. Anno 1699. H. Rieke.
DAS KIRCHENBUCH: Das Kirchenbuch versagt, weil von 1699 bis
1715 sämtliche Eintragungen fehlen, also nicht nur die Eheschließungen,
sondern auch Geburten und Taufen. Da der Name aber auch später nicht erscheint,
mag dem Johann Wehder das Heiraten überhaupt leid geworden sein. Man könnte es
ihm nicht verdenken.
_______________
1) Kleiner Ort bei Dutzow am Schaalsee; jetzt verschwunden.
2) keinen Bescheid. 3) Zuneigung. 4)
gerüchtweise. 5) nachdem dies geschehen. 6) hier und
da, von spargere, zerstreuen. 7) fordern. 8)
entbinden. 9) abkündigen. 10) trauen. 11)
erkunden. 12) Schwierigkeiten macht.
|