Auf Heinrichs des Löwen Geheiß nach 1130
erbaut, hält der Ratzeburger Dom, wie andere Gotteshäuser, mit
seinem Längsschiff, die Apsis im Osten, die Ost-West-Richtung
ein. Doch des westlichen Hügelabfalles wegen konnte nicht dort,
sondern mußte seitlich nach Süden die Eingangsballe vorgebaut
werden.
Im Giebelfelde dieses südlichen, dem mächtigen Turme
vorgelagerten Portalbaues findet sich unter einem Kreuze ein
großer Kreis und in ihm ein gleichschenkliges Fünfkugelkreuz,
eine Kugel in der Mitte und vier an den Enden. Dazwischen sieht
man, vom Kreisumfange her gestielt, vier weitere Kugeln in die
vier Zwischenfelder, also zu einander in der Stellung des
algebraischen x - Zeichens hineinragen. Neun senkrechte
Rippen teilen das Giebelfeld in zehn Unterfelder ab. Die drei
Mittelrippen stützen den NeunKugelkreis. Die mittelste
verbreitert sich an der Ansatzstelle, rechts und links von ihr
sind zwei kleine Sechssterne zu vermuten.
Es erhebt sich nun die Frage, ob dieser Schmuck nur die Fläche
gefällig teilen sollte oder eine tiefere sinnbildliche Bedeutung
hat.
Letzteres ist deshalb anzunehmen, weil man von anderen
romanischen und gotischen Bauten her weiß, daß die Bauhütten, zu
denen sich die Bauhandwerker zusammenschlossen, nicht nur die
Träger technischen Könnens waren, sondern zugleich eine
eigenartige Sinnbildsprache ausgebildet haben, die auch die
Grundlage des 1710 in England umgegründeten
Geheimbundes der Freimaurer gewesen zu sein
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scheint. Man muß aber schon auf eine sehr
viel ältere Überlieferungsschicht zurückgreifen, nämlich bis in die germanische
Urzeit hinein, um diese Sinnbildsprache zu verstehen, von der auch Hofmarken und
Wappen nur Ableger gewesen sind.
Niemals hätten die Sachsen ihrer Bekehrung durch den Frankenkönig Karl, der erst
nach ihrer Unterwerfung in Rom zum Kaiser gekrönt ward, so zähen Widerstand
entgegengesetzt, wenn sie nicht selber im Besitze einer hohen arteignen
Überlieferung gewesen wären, die zu verteidigen sich lohnte. Als sic nun endlich
notgedrungen der
Übermacht nachgebend und wohl nur zum Teile aus innerer Überzeugung das
Christentum annahmen, suchten sie wenigstens einen Teil ihrer Überlieferung, auf
deren Bekennen die Todesstrafe stand, in verhehlter (getarnter) Form zu retten.
Schriftliche Aufzeichnungen zu hinterlassen, wäre zu gefährlich gewesen. Da
blieb ihnen nur das
Sinnbild übrig. Die Sinnbildsprache war schon Jahrtausende vorher zu hoher
Vollendung ausgebildet worden und hatte seinen Niederschlag in den germanischen
Runen gefunden, die lange, ehe sie als Schriftzeichen profaniert (verweltlicht)
wurden, als Heilszeichen religiöse Verehrung genossen. Namentlich benutzte man
sie, nach dem Berichte des Römers Tacitus, zu Orakelzwecken in öffentlichen und
privaten Angelegenheiten. Die Zeichen wurden in Buchenstäbe eingeschnitten
(davon rührt unser Ausdruck Buchstaben her) und auf ein weißes Laken wahllos
geworfen, dann unter Gebet und Aufblick nach oben aufgehoben. Die Reihenfolge
ergab dann die Antwort auf die gestellte Schicksalsfrage. Dieser Brauch ist
gewiß kein minderes Zeichen frommen Sinnes, als die Beachtung der Losungen der
Brüdergemeinde, was selbst Bismarck nicht verschmäht hat. Diesen Orakeldienst
versahen in dem einen Falle die Priester, in dem anderen tat dies jeder
Hausvater. Jeder Freibauer mußte daher den Sinn dieser Zeichen beherrschen, und
so ist es verständlich, daß sich ein solches Wissen auch in christlicher Zeit,
als längst die neue Lehre auch innerlich angenommen war, noch Jahrhunderte lang
erhalten hat, um eigentlich erst im Zeitalter des Humanismus, der die heimische
Überlieferung immer mehr zurückdrängte, dahinzuschwinden. Damals kam die Unsitte
auf, seinen guten deutschen Namen ins Lateinische oder Griechische zu
übersetzen. So wurde etwa aus einem Schwarzert ein Melanchthon. Friedrich der
Große hat derartige lateinisierte oder vergriechte Namen aus richtigem Empfinden
heraus genug verspottet.
Man darf die germanische Überlieferung nicht mit den Worten "Heidentum" oder
"Götzendienst" verächtlich zu machen suchen, sondern sollte erst mal zu
verstehen suchen, was diese Sinnbilder, in deren tieferen Sinn man erst
neuerdings einzudringen beginnt, eigentlich besagen wollen. Daß hier und da
Übertreibungen mit unterlaufen, liegt in der Natur der Sache und kommt ja auch
sonst vor.
Vor allem muß man sich klarmachen, daß ursprünglich die germanische
Überlieferung gar keine Götter, sondern nur den Begriff der Gottheit kannte.
Tacitus, der zum Teil an diesem Mißverständnisse Schuld ist, hebt selber hervor,
daß bei den Germanen von einem Bilderdienste nicht die Rede war. Die in der Edda
nicdcrgelegte
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nordgermanische Überlieferung gehört schon einer Verfallzeit
an. Götternamen kamen zwar vor, bezeichnten aber entweder ahnenkultische
Vorstellungen, also gleichsam den Ahnherrn des Geschlechtes, oder bestimmte
Waltungsfunktionen, die zugleich in Naturerscheinungen ihren Ausdruck fanden.
Erst die Kirche hat diese ursprünglich hochgeistig gemeinten Vorstellungen - von
falschen Voraussetzungen ausgehend - dämonisiert.
Immerhin gelang es den alten Wissenden, einen wesentlichen Teil der alten
Sinnbildsprache auch in die christliche Zeit hinüberzuretten. Wissende nannten
sich selber die Mitglieder der Fehme, die das heimische Recht gegenüber dem
eindringenden Fremdrecht, das die Machthaber begünstigten, zu wahren suchten.
Man wundere sich also nicht, wenn an christlichen Bauwerken vielfach noch Spuren
altgermanischer Symbolik zu finden sind. Mitgliedern von Familien, die selber
noch Träger alter Überlieferungen waren, gelang es, selbst in die Domkapitel
einzudringen.
Etwa hundert Jahre nach dem Beginn des Baues des Ratzeburger Domes ward aus
einem thüringer gräflichen Geschlechts der größte deutsche Mystiker Meister
Eckehart geboren und 1183 Albert von Bollstedt (Scholastiker und
Naturforscher), dessen Schriften (auf Aristoteles Philosophie aufbauend) die
gotische Kathedralbaukunst nachhaltig beeinflußt haben. Beide waren Dominikaner.
Bei beiden ist ein Einschlag germanischer Anschauungen unverkennbar.
Diese geschichtliche Einleitung war nötig, um glaubhaft zu machen, daß an einer
christlichen romanischen Kirche, die der Bekehrung der heidnischen Wenden dienen
sollte, germanische Sinnbilder zu finden sind, die aus der heidnischen Vorzeit
stammen.
Wenn wir nun zur Ausdeutung des eingangs beschriebenen Sinnbildes ein wenig
beizutragen suchen, so dürfen wir nicht außer acht lassen, daß es an der
Südseite, der Sonnenseite, angebracht worden ist. Diese Himmelsrichtung
versinnbildlicht aber die Seele. Wir werden daher vermuten dürfen, daß unser
Sinnbild etwas über die
menschliche Seele aussagen will.
Ein fünf Kugeln verbindendes Kreuz, von einem Kreise umgeben, von dem aus vier
weitere Kugeln in die Kreisausschnitte (Segmente) hineinwachsen, die zwischen
den vier Kreuzschenkeln entstehen - sollte ein solches Zeichen nicht eine
bestimmte Form mathematischen Denkens veranschaulichen - gleichsam eine
SEELENMATHEMATIK, wie sie unseren Ahnen geläufig war?
Alle Mathematik deckt im Dreieck (etwa im pythagoreischen Lehrsatz), im Viereck,
im Kreise (in der unendlichen Reihe der Zahl PI), im goldnen Schnitt, in
Pyramide, Würfel und Kugel Beziehungen der Linien und Flächen zu einander im
Raume auf. Raum ist (nach Kant) die Anschauungsform unserer Außenwelt, wie die
Zeit die unserer Innenwelt. Erst Raum und Zeit zusammen bilden ein Wirkungsfeld
der Kraft. Kraft ist die Ursache äußerer Bewegung als eine innere Bewegung, die
nach außen hin STRAHLT, wenn sie in einen KREISLAUF eingeschlossen das nötige
Maß innerer Spannung, der pendelnden WELLENBEWEGUNG erreicht hat.
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In Lautzeichen drückten unsere Vorfahren diese drei
Bewegungsformen aus: den STRAHL im S-Laut, den sie eckig als Blitz, als
Lichtrune Sun
schrieben, den KREISLAUF im O-Laut, den sie eckig als Viereck, Othil
schrieben.
Die das Kreisen verursachende Kraft nannten sie Tyr und schrieben sie als Pfeil
mit aufwärts gerichteter Spitze
,
der zugleich einen drei Punkte verbindenden Winkel bildet, der von einer
senkrechten Achse getragen wird. Sie erfaßten sprachlich die DREI als Ursache
der Drehung.
Die PENDELSCHWINGUNG drückten sie in verschiedenen Lauten aus. Den RHYTMUS des
in sich zurückrollenden Rades erfaßten sie durch einen schrägrechts gestützten
Dorn
und erhielten so den uns heute geläufigen Buchstaben R, den sie eckig
schrieben und Ryt nannten, als Zeichen des Rhytmus.
Die WELLENBEWEGUNG drückten sie durch ein Doppel-U gleich W aus:
.
Nun sagten sie: Der Strahl
ist die Ausdrucksform des Geistes, der Kreislauf Othil der zu Stoff verdichteten
Kraft
,
das Doppel-U
der inneren seelischen Schwingung (R).
Mit diesen drei Bewegungszeichen, die sie zueinander in einen Dreiecksverband
setzten, veranschaulichten sie, die Mathematik selbst durchkraftend
(dynamisierend), Schöpfungsverhältnisse, indem sie so Äußeres und Inneres auf
eine gemeinsame, verborgene göttliche Ursache zurückführten. Denn alle drei
Funktionen bildeten für sie eine untrennbare Einheit in der Drei:
So
ist der Ausdruck Seelenmathematik zu verstehen. Ihr Überlieferungsträger ward
FIMBUL-TULR oder Mysteriensprecher genannt, der die in jeder Erscheinung
verborgene Gotteskraft FIMBUL-TYR nannte. Der Name Tyr, der auch dem Tyrkreis,
den man fälschlich Tierkreis nennt, den Namen gegeben hat,
setzt sich nun wieder aus drei Runenstäben zusammen, aus T
,
Y
und
R
.
Den Pfeil des
und den Rhytmus des
haben wir soeben erklärt. Das Y nannten sie Yr, als Zeichen des
Irrtums, der Wandlung, der Spiegelung, des Scheines, und schrieben es als
Spiegelbild der Tyrrune
,
nämlich
zugleich als gestürzte Man oder Menschenrune
.
Den Namen Tierkreis rechtfertigte man durch den Hinweis, daß die zwölf Stationen
der Sonnenbahn gekennzeichnet werden durch Sternbilder, die miteinander
verbunden, die Umrisse eines Tieres ergeben. Diese Tiernamen wählte man, um
durch sie die in jedem Monat wirksamen feineren Naturkräfte, etwa Steinbock
(Härte, Anstieg),
Widder (Wachstum), zu kennzeichnen. Doch war die Drehung für den Tyr-Begriff der
Ausgangspunkt. Mit ihm verbinden wir in FIMBUL-TYR den FÜNF-KUGEL- ODER
FÜNF-POLBEGRIFF und erhalten so ein senkrechtes Kreuz mit einem Pol in der Mitte
und vier an den Enden, wie das Domportal deutlich in der Mitte eines großen
Kreises (Tyr) zeigt. Der wichtigste von ihnen, allen anderen überlegen, am Dome
dem christlichen Kreuze unterstellt, ist der oberste, der den GEIST, den
Got-Gcist, der sich (die senkrechte Kreuzachse entlang als Strahl aus dem
Urlicht, dem Urich) in die Schöpfung senkt und in ihr alle Verwandlungen
hervorruft, darzustellen hat. Der Gegenpol unten ist der Pol der VERWANDLUNG,
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durch die das durch den Geistlichtstrahl zum Bewußtsein erweckte
Leben zum Urquell, in den großen Gotteskreis zurückkehrt. Der rechte Pol (vom
Beschauer aus gesehen) stellt die KRAFT dar, die wir, auch im physikalischen
Geschehen, niemals unmittelbar wahrnehmen können, sondern nur aus den Wirkungen
erschließen, die sich uns äußerlich als Bewegung darstellen, sichtbare, wie
unsichtbare. Unsichtbar bleibt uns etwa der Elektronenumlauf im Atom. Aber IN
UNS nehmen wir als Ausgangspunkt der Bewegung, die wir selber Hervorrufen,
unseren Willen wahr, der unsere SEELENKRAFT ausmacht. Wir können also folgern:
"Hinter jeder wirkenden Kraft steht ein Wille, in dem sich immer zugleich etwas
Seelisches bewußt oder unbewußt ausspricht." Aber die Seelenkraft bewegt nicht
nur, sondern sie gestaltet auch, nach Art eines schaffenden Künstlers, der das
innere Spiel seiner Gesichte im Kunstwerk gestaltet wirken läßt. Ähnlich ruft
auch die Natur in Stein, Pflanze und Tier und schließlich im Menschen eine fast
unübersehbare Formenfülle hervor.
Zu dieser Gestaltung bedarf es eines Stoffes, gröberen und feineren. Und den
STOFFPOL bezeichnet die linke Kugel. An der Stelle, an der der Geiststrahl die
wagerechte Kraft-Stoffachse durchdringt - und auch Stoff ist ja nur geformte
Kraft -, entsteht das von einer Verwandlung zu anderen drängende BEWUSZTSEIN.
Als Bewußtseinspol dürfen wir daher die mittelste Kugel ansehen.
Diese fünf Pole stützen einander und bilden zusammen das statische Stützkreuz
unseres Daseins, unseres seelischen Vermögens innerhalb des großen
Gotteskrcises. Damit diese Statik in Dynamik verwandelt werden kann, d. h.
unsere Seele und ihr Bewußtsein in Tätigkeit tritt, müssen vier weitere
Zwischenpole wirken, die in unserem
Bilde von dem großen Gotteskreisc abhängen.
Durch diese vier Zwischenpole führt (lenkt) der große Kreis die fünfpolige
Anlage, also Tyr, das Fimbul. So entsteht Fimbul-Tyr. Ihre Bedeutung werden wir
besser verstehen, wenn wir zunächst den Sinn der vier Felder erfassen, die
zwischen den zwei Kreuzachsen liegen. Der Strahl des Geistes durchdringt nicht
nur senkrecht die Kraftstoffebene, sondern kreist auch unaufhörlich im All. So
wandelt sich das Urlicht in Formkräfte um. die zunächst im feineren, dann im
gröberen Stoffe wirksam werden. Wir nennen daher das Feld oben links das der
geist-stofflichen FORMUNG. Darunter liegt das Feld unten links der STOFFWANDLUNG
oder der ARBEITSENERGIEN. Rechts davon, unten rechts zwischen Kraft und
Wandlung, liegt demnach das Feld der inneren seelischen Kraftwandlung oder der
EMPFINDUNG. Darüber, also oben rechts, wird dann wohl das Feld der Geisteskraft
oder des DENKENS liegen.
DIE GEGENÜBERLIEGENDEN POLE WIRKEN ZUSAMMEN. Unsere Empfindung wird durch Formen
bestimmt, ruft sie auch selber hervor. Solche Empfindungsformen - man
denke an die Erregung unserer Empfindung beim Hören guter Musik - zerfallen im
Augenblick der Entstehung wieder, sind also vergänglich. Die Verbindung zwischen
Empfindung und Form können wir daher die VERGÄNGLICHKEITSACHSE unserer
Seelendynamik nennen. Ebenso ergänzen
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sich Arbeitsenergie und Denken. Gedankenkraft muß die Arbeit
lenken, damit Brauchbares entsteht. Um denken zu können, müssen wir unserem Hirn
Nervennahrung zuführen, die dann im Kreislaufe des Blutes verbrannt wird. Durch
diesen Prozeß werden Energien frei, die als Wärme unseren Lebensprozeß
unterhalten. Diese Achse können wir daher auch unsere ENTSTEHUNGSACHSE nennen,
da sie zur praktischen Verwirklichung unentbehrlich ist. Der Lebensodem erzeugt
das Bewußtsein im Denken.
Durch diese Untersuchung haben wir den Sinn der vier Kugeln klargestellt, die
vom großen Gotteskreis her in das Feld des Bewußtseins hineinragen. Sie
bedeuten: FORMUNG; ENERGIE, EMPFINDUNG, DENKEN.
Die Begriffe statisch und dynamisch sind uns eigentlich erst durch die
Elektrizität geläufig geworden. Als dieser Portalschmuck geschaffen wurde, wußte
man davon noch nichts. Dafür kannte man um so besser die Formkräfte, die die
ganze Schöpfung beherrschen. Und so konnte man wohl - die moderne
wissenschaftliche Erkenntnis vorwegnehmend - ein Sinnbild schaffen, das auch für
uns noch tiefe Wahrheiten in sich birgt. Denn die hier entwickelten Anschauungen
sind von Urzeiten her auf unserem Heimatboden gewachsen und bildeten geradezu
die Grundlage der hohen und tiefschürfenden Geistigkeit unserer Ahnen. Was wir
zufügten, war nur eine unserem heutigen
technischen Zeitalter angemessene Darstellungsart.
Im Gegensatz zu den römischen auf Statik eingestellten Auffassungen (bedeutet
doch sogar unser Ausdruck Staat im Lateinischen nur Zustand) erfaßten die
Germanen von alters her das Leben als ein dynamisches Kräftespiel, das sie aber
nicht mechanisch, sondern als lebendig-organisch ansahen. Daher dachten sie sich
die Erscheinungswelt als einen Baum, die Weltenesche, die das Wasser des Lebens
spendet. Diesen heiligen Baum nannten sie auch den Maßbaum (MJÖTVIDR), weil er
auch alle Maßstäbe der Schöpfungstechnik, der göttlichen Mathematik enthält.
Schon sprachlich sind Math in Mathematik und MJÖT in MJÖTVIDR eines Stammes.
Nach Maß, Zahl und Form ist alles in der Schöpfung bestimmt. Daher dürfen wir
uns nicht wundern, wenn hier noch in verhältnismäßig später Zeit an einer
romanischen Kirche, vorzeitüberkommen, ein tiefsinniges Sinnbild auftaucht, das
zwei algebraische Zeichen plus + und mal x in sich vereinigt.
Beide Zeichen zusammen ergeben die germanische Hagalrune, als Bild des
Lebensbaumes, der unter die Erde (durch die wagerechte Achse dargestellt) drei
Wurzeln senkt und drei Aeste zum Himmel erhebt.
= 9-Kugelbild unseres Portals.
An diese hohen und heute uns wieder verstehbaren Vorstellungen heranzuführen in
einer der Heimatpflege im Lande Lauenburg dienenden Zeitschrift, war Zweck
dieser Ausführungen. Denn wie sollen wir unsre eigne Vergangenheit verstehen,
wenn uns der Seeleninhalt unserer Ahnen verschlossen bleibt?
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