Da die Bilche oder Schlafmäuse viel
heimlicher leben als andere Nager, auch vorwiegend nachts
unterwegs sind, bekommt man sie nur selten zu Gesicht.
Verbreitungsangaben sind ohne Beleg sehr mit Vorsicht zu
behandeln, und auf Einlieferung von Material darf man nicht
drängen, da die Tiere unter Naturschutz stehen. Von den vier
deutschen Bilchen fehlt bei uns im Nordwesten der Baumschläfer,
DYROMYS NITEDULA SCHREB. Die andern drei sind jetzt - 1935
- sämtlich bei uns anzutreffen, doch war das keineswegs von
jeher so. Offenbar sind die Tiere langsam aber sicher auf dem
Vormarsch die Cimbrische Halbinsel hinauf nach Norden; der
Haselmaus mögen dabei vielleicht eines Tages vom Norden her
anrückende Artgenossen begegnen.
Als 1916 W. Herold seine Zusammenstellung "Die
Verbreitung der Schlafmäuse (MYOXIDAE) in Deutschland" (Helios,
Naturw. Verein, Frankfurt a. O., Bd. 28, Berlin
1916, S. 69-106, 6
Verbreitungskarten) schrieb, war über die Cimbrische Halbinsel
und auch über deren Südost-Ausläufer, den Kreis Herzogtum
Lauenburg, nichts Positives bekannt. Über den Siebenschläfer,
GLIS GLIS L. sagt Herold: "Aus Schleswig-Holstein ist mir keine
Notiz bekannt. Richters (in Hamburg in naturhistor. und mediz.
Beziehung 1876), Krohn 1900 und
Kraepelin 1901 kennen ihn aus der Umgebung
Hamburgs nicht, ebensowenig Bielefeld 1906 aus
Ostfriesland und Dahl 1894 in seiner kleinen
Schilderung der Tierwelt Schleswig-Holsteins."
Für die Haselmaus, MUSCARDINUS AVELLANARIUS L., sagt er: "Auch
für Holstein bezeichnet Boll 1848 die Haselmaus
als sehr selten. Thießen 1897 fand "in seiner
Jugend" in Dithmarschen Nester, die er der Haselmaus zuspricht.
Weder Richters 1876, noch Krohn 1900
kennen sie aus der Umgebung Hamburgs. Dagegen kann Kraepelin
1901 wieder melden, daß sie "ganz neuerdings" von
Itzerodt zwischen Farmsen und Volksdorf erbeutet worden sei." -
Auf Karte 3, "Verbreitung der Haselmaus vor
1890", setzt Herold zwei Fundortpunkte in die Nordmark,
von denen der westliche offenbar die Thießensche Angabe decken
soll; der andere steht in der Plöner Gegend, erfährt aber im
Text keine Erwähnung.
Dem letzten unserer holsteinischen Bilche, dem
Gartenschläfer, ELIOMYS QUERCINUS L., widmet Herold den Absatz:
"Auch in Holstein ist der Schläfer nach Boll 1848
sehr selten. Richters 1876 nennt QUERCINUS nicht,
ebensowenig kennen ihn Krohn 1900 und Kraepelin
1901 aus der Umgebung Hamburgs." - Auf Karte 5,
"Verbreitung des Gartenschläfers vor 1890", ist
bei Rendsburg eine Eintragung, die auch nicht weiter erklärt
wird.
Ich würde diese veralteten Angaben nicht mit allen Einzelheiten
wiederholt haben, wenn sie nicht historischen Wert hätten und
die
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Grundlage böten für die Beurteilung der
seitdem zu beobachtenden Gebietserweiterungen für alle drei Arten.
Der nächste Zoologe, der sich eingehend mit den heimischen Bilchen befaßte, war
L. Benick 1923 in seiner Arbeit "Über die Verbreitungsgrenze
unserer Schläfer (MYOXIDAE) in Norddeutschland" (Pallasia, Bd. I,
S . 120-124), die auch für meine Ausführungen in
"Die Säugetiere Schleswig-Holsteins", Altona 1931, die Grundlage
abgab. Seither ist noch eine Anzahl weiterer Einzelfunde und Fundorte zu melden,
von denen einer jedoch bereits wieder "historisch" ist.
Gartenschläfer.
Phot. Karl Stoffel. - Aus "Brehms Tierleben", 4. Aufl.
Am seltensten ist bei uns der Gartenschläfer, ELIOMYS QUERCINUS
L., auch wohl Eichelmaus, Tagschläfer oder große Haselmaus genannt. Er ist eines
unserer farbenfreudigsten heimischen Säugetiere, im Wesen aber fast ebenso
mürrisch und bissig wie der Siebenschläfer meistens. Das von Peters (Heimat
1891) von Krummendieck nach der Erinnerung als Gartenschläfer
beschriebene Tier möchte ich eher für eine Gelbhalsmaus halten. Die ersten
besser brauchbaren Angaben über den Gartenschläfer macht Benick: "Im Februar
1922 fand der hiesige Ornithologe W. Hagen in dem östlich von Lübeck
gelegenen Forstort Schwerin, einem mit alten Eichen bestandenen Waldteil, in der
Astgabel einer mittelgroßen Eiche ein etwa 20 em im Durchmesser
haltendes Nest, das im Naturhistorischen Museum Lübeck aufbewahrt wird. Es
besteht fast vollständig aus Heu, nur mit wenig Buchenblättern untermischt, und
enthält auch im Innern kein Moos. Da das Nest am Waldrand freistehend gefunden
wurde, Eichhörnchen und Vögel als Besitzer nicht in Frage kommen, so bleibt
vorläufig nur der Schluß auf den Gartenschläfer als einzige Möglichkeit übrig.
Im April 1923 hat W. Hagen ein zweites, gleichgebautes
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Nest gefunden, das als Unterlage wenige Reiser zeigte, sonst aber
mit dem vorjährigen übereinstimmte." - Eine eindeutige Beschreibung schickte mir
Förster Schurbohm, Timbrook bei Dobersdorf: "Der im Holzvogtgarten Mörken
erschlagene Siebenschläfer war braungrau mit weißer Unterseite, aber ohne
buschigen Schwanz." Er fügt hinzu: "Einen mehr grauen Bilch mit buschiger Rute
habe ich hier auch gesehen, eine Haselmaus aber noch nicht beobachtet." - In
Tellingstedt, Dithmarschen, hatte DR. MED. L. Fulda unbeschriftete farbige
Bilder unserer drei Schlafmäuse in seinem Wartezimmer ausgehängt mit den
darunter stehenden Fragen: "Gibt es diese Tiere hier? Wie heißen sie?" DR. Fulda
selbst gibt an, daß er den Gartenschläfer bestimmt in seinem Garten und seinem
Obstkeller gesehen hat. Auch einem seiner älteren Patienten war das Tier aus
Tellingstedt bekannt.
- Ich selbst sah 1918 in Ahrensburg zwei erwachsene Gartenschläfer
am späteren Nachmittag im Knick herumklettern.
Wenn man zunächst von Tellingstedt absieht und diesen Ort als vorgeschobenen
Posten ansieht, hat man als 1933 bekannte Nordgrenze für den
Gartenschläfer eine Linie von Hamburg über Ahrensburg nach Timbrook. Aus
Lauenburg wurden bisher noch keine Funde und Beobachtungen gemeldet, doch dürfte
er dort bisher nur übersehen sein.
Siebenschläfer.
Phot. Dr. Martin Schlott. - Druckstock: Naturw. Verein, Altona.
Erheblich besser sind wir über das Vorkommen
unseres größten Bilchs orientiert, das des Siebenschläfers, GLIS
GLIS L., von dem außer einer Anzahl guter Beschreibungen zwei
Belege vorhanden sind. Das eine ist ein noch blindes Nestjunges,
das im Sommer 1926 die Katze von DR. L. Fulda in
Tellingstedt nach Haus brachte und das in meiner Sammlung
aufbewahrt wird. Das andere ist ein erwachsenes Tier, das
ebenfalls von einer Katze ans Haus gebracht wurde, und
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zwar am 19.9.1934
in Wellingdorf an der Schwentine-Mündung; es wurde dem Zoologischen Museum Kiel
überwiesen. Die Siebenschläfer-Meldungen verteilen sich folgendermaßen auf die
einzelnen Kreise:
Lauenburg: Salem, im Langenmoor bei Mölln, Kankelau, Lütau, Groß-Zecher am
Schaalsee, Glüsing, Grünhof.
Stormarn: Ratzbeck, Sprenge, Delingsdorf, Dahmsdorf, Lemsahl-Mellingstedt.
Pinneberg: Schenefeld, Barmstedt, Brande-Hörnerkirchen, Bönningstedt.
Haselmaus.
Phot. Rudolf Zimmermann.
Segeberg: Geschendorf, Rodenbek,
Struckdorf, Voßhöhlen, Reinsbeck. Schmalfeld.
Plön: Panker, Helmstorf, Timbrook.
Oldenburg: Eutin, Siggen, Weißenhaus.
Kiel: Hohenhude-Russee, Wellingdorf (Beleg).
Rendsburg: Sehestedt (vielleicht Haselmaus).
Norder-Dithmarschen: Tellingstedt (Beleg).
Daraus ergib sich als ungefähre Nordwestgrenze eine Linie:
Tellingstedt - Sehestedt - Hohenhude - Wellingdorf. Doch
bedürfen einige der angegebenen Daten der Nachprüfung.
Der Vollständigkeit halber möchte ich noch erwähnen, daß vor
einigen Jahren im "Kosmos" eine von Floericke besorgte
"Bearbeitung" von Antworten aus dem Leserkreis auf Fragen nach
dem Vorkommen des Siebenschläfers in Deutschland erschien, in
welcher Fund-
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orte an der Flensburger Förde angeführt
wurden. Nun sind gerade dort seit Jahren ein paar sehr zuverlässige Tierkenner
zu Hause, denen auch der Siebenschläfer sicher auf die Dauer nicht entgangen
wäre, ebenso wenig wie den Eulen und Tagraubvögeln, deren Gewölle aus jener
Gegend auch fleißig untersucht werden. So bat ich gleich nach Erscheinen des
betreffenden Kosmos-Heftes Floericke um Überlassung der Unterlagen für die
Nordmark oder doch um Nennung der Gewährsleute; aber mir wurde der Bescheid, man
könne nicht alles aufbewahren, was man an Materialien gesammelt habe in seinem
Leben; und so seien auch die Unterlagen zu der gerade eben erst erschienenen
Haselmaus auf ihrem Nest.
Phot. Rudolf Zimmermann.
Druckstock: Naturw. Verein, Altona.
Schläferverbreitung bereits
"wegen Platzmangels" vernichtet. Jedenfalls können wir bei
solcher Arbeitspraxis des Autors getrost auch seine andern
Angaben beiseite lassen. Der Siebenschläfer mag in 20
bis 30 Jahren bis zur Flensburger Förde
vorgedrungen sein, 1935 ist er jedoch noch recht
weit davon entfernt.
Am meisten weiß man - besonders auch in Lauenburg - über die
kleine Haselmaus, MUSCARDINUS AVELLANARIUS L., ein Tierchen in
der Größe einer starken Hausmaus, aber gedrungener und mit einem
wie beim Siebenschläfer zweizeilig gehaarten Schwanz. Sie kommt
in Skandinavien von Vestmanland und Öland an nach
Süden vor, wurde auf Seeland und Fünen selten gefunden und fehlt
in Jütland. Ob nach der Fertigstellung der Brücke über den
Kleinen Belt ein Überwandern nach Jütland stattfinden kann und
wird, muß man für die Haselmaus ebenso abwarten, wie auch für
andere bisher
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lokal beschränkte Tiere. 1923 war die
Verbreitungsgrenze etwa die Linie Hamburg-Ahrensburg-Segeberg-Schwentinetal.
1935 kann man sie über die Orte Eidelstedt-Kaltenkirchen-Kellinghusen
Timmaspe (Kr. Rendsburg)-Hüsbygaard (Kr. Schleswig) legen.
Neumeldungen gegenüber meiner Zusammenstellung in 1931 sind:
Eidelstedt 1928, 1932, 1933, Niendorf
bei Hamburg 1914-1924 (jetzt als Fundort zu
streichen, da das damalige Beobachtungsgebiet nun von Schrebergärten besetzt
ist), Westerrade bei Lübeck (Beleg in meiner Sammlung). Ferner ist aus der
"Lauenburgischen Heimat", Jahrgang III, S. 106-107,
Nusse nachzutragen, von woher W. Blohm das Tierchen bekam und mit 2
Photos abbildet. Herr Archivar S . Schellbach bekam Nachricht von Tieren aus
Lütau. Bei Mustin sollen sie auch vorkommen; wenn aber beigefügt wurde,
"besonders am Seeufer im Schilf", muß man Herrn Schellbach beipflichten, der bis
zur weiteren Nachprüfung skeptisch gegen die Angabe Mustin ist. Zwergmäuse
pflegen am Seeufer im Schilf, auch im Getreide zu bauen; Haselmausnester habe
ich bisher nur im Knick und Buschholz, viel in Buchenheistern gefunden, auch im
Brombeerdickicht, manchmal in Nachbarschaft mit Zwergmäusen, nie aber in Schilf
und Reth.
Nirgends in Schleswig-Holstein ist die Haselmaus so häufig wie in Lauenburg. Die
mir bisher dorther bekannten Stellen sind: Behlendorf, Duvensee, Utecht,
Schretstaken, Tramm, Steinhorster Forst, Havekost, Brunstorf, Kankelau, Nüsse,
Lütau und (?) Mustin. Damit dürfte jedoch das Vorkommen der Art in Lauenburg
keineswegs erschöpfend bezeichnet sein, denn wenn auch der Siebenschläfer
zusammenhängende, nicht zu junge Waldgebiete vorzieht, ist die Haselmaus schon
mit Knicks und Strauchwerk zufrieden, was sie gerade in den "Parklandschaften"
im Lauenburgischen fast überall finden kann.
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