Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1935


Aus dem Streit um die "Lauenburgische Succession".

Von UDO V. RUNDSTEDT.
 

Im 16. Jahrhundert war es unter den deutschen Fürsten Brauch, durch Erbverbrüderungen sich Aussicht auf Gebietszuwachs zu verschaffen. So hatten auch die lauenburgischen Askanier sowohl mit ihren anhaltischen Vettern als mit dem sächsischen Kurhaus Erbverträge geschlossen. Herzog Julius Franz' Tod am 19. September 1689 verursachte also zunächst einen Wettlauf zwischen Anhalt und Kursachsen, wer die Possession nehmen, d. h. in den vorgeschriebenen Formen die Regierungsgewalt in dem herrenlos gewordenen Lande ergreifen würde. Kursachsen gewann mit knappem Vorsprung. Der Hofrat DR. Zapff sicherte am 26. September durch Verpflichtung von Garnison, Beamten und Bürgerschaft den Besitz des Herzogtums Lauenburg und reiste stracks nach dem Lande Hadeln weiter, um dort

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ein Gleiches zu tun. Wie aller Besitz des askanischen Hauses, war auch dieses ein Trümmerstück einstiger Größe. Von dem Gebiet zwischen Weser und Elbe hatten sich zunächst die Wurstfriesen (eigentlich Wurt-Saten, die auf Wurten - aufgeschütteten Hügeln Angesessenen) losgerissen, dann hatte der Erzbischof von Bremen das Land um Stade erobert. Zuletzt bemächtigte sich Hamburg des Schlosses Ritzebüttel unweit Cuxhaven unter dem Vorwand, die Inhaber, das Adelsgeschlecht der Lappen, treibe Seeräuberei. Schließlich war das Land Hadeln alles, was den Lauenburgern noch gehörte, nachdem sie auch das Schloß Bederkesa an Bremen abgetreten und die dort gesessene Familie v. d. Lieth mit Kuddewörde entschädigt hatten. Hauptort war die kleine Stadt Otterndorf mit festem Schloß und Stadtmauer. Gegenüber Ritzebüttel hatte Franz I. das Schloß Franzensburg gebaut. An der Unterelbe lagen die kleinen Häfen von Altenbruch und Marienthal. Umschlossen wurde das Ländchen, außer von dem Hamburgischen Gebiet des Amtes Ritzebüttel, von dem seit 1648 schwedischen Erzstift Bremen. Die Einwohner lebten in der Furcht, daß letztere Macht auch sie übcrschlucken möchte, und waren bereit, das gute Recht der sächsischen Kurfürsten anzuerkennen. Inzwischen hatte aber Herzog Georg-Wilhelm von Celle im Lauenburgischen eine vollendete Tatsache geschaffen, indem er mit gewaffneter Hand Ratzeburg, Mölln, Lauenburg, Schwarzenbek und Neuhaus den Sachsen entriß. Der Regierungspräsident Peter Clasen floh nach Lübeck und nahm dort als chursächsischer Resident die Interessen seines neuen Herrn wahr. In Otterndorf hatte als Vertreter der sächsischen Staatsgewalt Oberst v. Krosigk, Kommandant von Leipzig, die dort vorgefundenen wenigen Soldaten vereidigt und durch Anwerbung eines Dutzend weiterer verstärkt. In diesen Zeitabschnitt fällt der Inhalt eines Aktenstücks, das Herr Schellbach im Dresdener Staatsarchiv aufgestöbert hat. Am 19. November 1689 berichtet Krosigk - die "weechen" Sachsen schreiben ihn Grosigk - an den Geheimen Kriegsrat, daß die Lüneburgischen Truppen, die bisher in dem schwedischen Hafen Neuhaus a. d. Oste lagen, demnächst abrücken würden. Der in Otterndorf sitzende Gesandte würde ihnen bald folgen. Ebenso sollen die schwedischen Dragoner binnen 8 Tagen das Land räumen. Anlaß hierzu war das Eingreifen des Kaisers, der angesichts des Erbstreits die Lande in vorläufige Verwaltung nehmen wollte. Während aber das Land Hadeln sich fügte und die 50 Mann kaiserlicher Musketiere samt ihrem Leutnant aufnahm und verpflegte, ließ Georg­Wilhelm ins Lauenburgische keine Reichstruppen hinein, ungeachtet der kaiserlichen Monitorien und Inhibitorien (d. h. Mahnschreiben und Schreiben zur Verhinderung weiterer Rechtswidrigkeiten). "Ich muß gestehen", meldet Krosigk, "daß ich Zeit meines Lebens in keiner solchen Angst gewest, als hier geschehen." Wenn die feindlichen Truppen weg wären, wolle er, auf kurfürstlichen Befehl, mit dem Landvolk die kaiserliche Besatzung "mit der Hand aus dem Lande führen". Seine Forderungen sind, verglichen an dem militärischen Aufwand Georg-Wilhelms, sehr bescheiden. 12 "exercierte" Musketiere möchte er aus Sachsen haben nebst 3 tüchtigen Unteroffizieren. 8 Rekruten

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habe er schon mit 5 Thlr. Handgeld geworben und hoffe, noch 20 zu bekommen. Aus Hamburg will er 30 Musketen und Tegen (Degen) kaufen, auch "tringen" (dringen) die Leute auf Montierung; die damals noch nicht allgemein vom Kriegsherrn geliefert wurde. Tuch, Leder und Futterstoff seien aber in Hamburg teuer. Ob sie nicht von Leipzig geschickt werden könnten? Weiter möchte Krosigk das kaiserliche Wappen abreißen und das sächsische anschlagen, ebenso die kirchliche Fürbitte für den Kurfürsten durchsetzen. Der Kurfürst erklärt sich zwar in der Antwort mit dem Getanen zufrieden, lehnt aber die Tuchsendung ab, weil der Fuhrlohn den Preisunterschied übersteigen würde, und behält die Genehmigung von Krosigks Absichten gegen die Kaiserlichen dem Beschluß seines geheimen Kriegsrats vor. Drei Tage später heißt es: "Anitzo finden wir nötig, Euch anzudeuten, daß, weil sowohl die Schwedischen als Lüneburgischen im Lande Hadeln stehenden Truppen ihre subsistenc (Unterhalt) aus selbigem ziehen, billich sey, daß gedachtes Land denen Unsrigen theils dahin geschickten, teils von Euch angenommenen Leuten gleichfalls ihren Unterhalt fourniern." Ein beigelegter Soldzettel für eine Kompanie rechnet für den Hauptmann monatlich 40 Thlr., für den Leutnant 18, Fähnrich 15, drei Sergeanten je 6, einen gefreiten Korporal 5, Fourier 5, capitaine d'armes (Kammer- und Waffenunteroffizier) 5. Musterschreiber 5, Feldscherer 5. drei Korporale je 4, drei Tambours insgesamt 7 Thlr. 12 Gr., 20 Gefreite je 2 Thlr. 15 Gr., 105 Gemeine je 2 Thlr. 12 Gr. und ein Steckenknecht dasselbe. Im ganzen kostete sonach eine Kompanie an Sold 453 Thaler.

Der Anmarsch der gewaltigen Streitmacht von 12 Mann wurde durch die lüneburgischen Offiziere dem kaiserlichen Gesandten in Hamburg verraten, so daß Krosigk sie "mit höchster Gefahr zu Wasser und zu Lande bis Neuhaus a. Oste gebracht" Ehe nicht die Schweden aus Otterndorf abgezogen seien, wolle er sie dorthin nicht nehmen, um keinen Anlaß zum Verbleiben jener zu geben. Er klagt, daß die Lüneburger kein Geld sparten, das Land den Sachsen abspenstig zu machen, doch sei die Mannschaft treu. Auch die Geistlichkeit sei überwiegend sächsisch, von den Beamten ein Teil lüneburgisch gesinnt.

Ende Dezember raffte sich die Regierung in Dresden zu dem Befehl auf, für Hadeln eine Kompanie zu errichten. Krosigk hält aber dem entgegen, daß die Schweden. Dänen und Lüneburger auch werben, letztere sogar 10 Thaler Handgeld zahlen. Sechs werde er also mindestens geben müssen. Aus der Aufstellung ist denn auch nichts geworden. - Man muß sich vergegenwärtigen, daß damals der Koalitionskrieg gegen Ludwig XIV. von England. Holland und dem Kaiser geführt wurde und die Truppen der kleinen Staaten in deren Sold standen. Der Kaiser begünstigte natürlich jene, die ihm Kontingente stellten, wie Schweden, Dänemark und Lüneburg, auch in der Reichspolitik. So ließ er Georg-Wilhelm in Lauenburg schalten und machte Schweden Hoffnung auf Hadeln.

Seinen Hauptmann Schönfeld hatte Krosigk um Weihnachten zum mündlichen Bericht nach Dresden geschickt. Unterm 5. Januar


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1690 entscheidet der Kurfürst: "Als können sich so Vielerlei unterschiedene Begebenheiten zutragen, daß man den event (Ausgang) nicht eben so genau zu vorhersehen noch zu desselben menagierung (Behandlung) so genaue Ordre stellen kann und also doch das Meiste auf Eure derterität (Geschicklichkeit) ankommen wird." Krosigk soll also die Possession festhalten und tun. was den kurfürstlichen Interessen dienlich ist.

Krosigk scheint aus diesem gewundenen Bescheid die gesunkene Lust seines Fürsten an dem Handel gewittert zu haben, denn er betont in seiner nächsten Meldung: "Dieses Land, ob es gleich nicht groß, ist nutzbahr und kann wegen der 2 Häfen, so es in der See hat, ein groß Werk daraus gemacht werden." Es war eben die Zeit, wo jeder Fürst, der einen Hafen besaß, versuchte, eine überseeische Handelsgesellschaft auf die Füße zu stellen.

Bald darauf ist Krosigk nach Sachsen zurückgegangen. Hauptmann Schönfeld ist nach seiner Rückkunft verstorben - "es hat kein Doktor noch Medizien für den Todt helfen können", meint Krosigk - und der Oberbefehl war an den Fähnrich Fritsche übergegangen. Unter einem Fähnrich darf man sich nicht den Jüngling vorstellen, der später für kurze Zeit zur Erlangung des Offiziergrades so genannt wurde. Damals rechnete der Fähnrich zu den Offizieren. Da es Beförderung nach dem Dienstalter noch nicht gab, waren die Inhaber oft schon Familienväter. Dieser Fritsche nun berichtet seinem Oberst nach Leipzig über den Stand der Dinge und allerhand Klatsch. So, daß "in Kopenhagen eine vornehme Generalswittwe verschwunden sei und dahero sonderliche böse Gedanken geschöpfet würden". Bald findet er heraus, daß es sich in Hamburg behaglicher lebt als in Otterndorf und weiß Krosigk klar zu machen, daß er - Fritsche - ja auch zugleich in Lauenburg ab und an den Stand der Dinge erkunden könne. Viel bringt er freilich nicht in Erfahrung. Das Kernstück ist ein Plan der künftigen Festung Ratzeburg, über dessen Erwerb er am 11. April 1691 meldet: "Übersende beigefügt den Grundriß von Razzeburg, wie es itzo gelegt und fortifiziert wird. Ich habe es von einem guten Freund nur verstohlen bekommen, daß ichs habe können aufs klahre Papier in Eil mit der Feder nachzeichnen, und weil ich nicht zeichnen kann, wird der Herr Obrist die Fehler excusieren. Herr Ankelmann will es lassen nach der Kunst nach diesem Abriß machen und mit seinem Sohn, der nach Ostern hinauf auf Dresden kommen und auf 1 Jahr zu Preßlau bleiben wird, Kurf. Durchlaucht auch dem Generalkriegszahlmeister präsentieren, welches zwar nicht anders (obgleich künstlicher) als dieses sein wird, denn es ist auf dem durchscheinenden Papier genau nachgerissen und habe es gemacht, so gut ich gekonnt. Herr Ankelmann weiß aber nicht, daß ich es nachgezeichnet und hat es nun in seinen Händen und sonst niemand mehr. Im Fürstentum Lauenburg wie auch im Land Hadeln stehets noch als vorgemeldet. Herr Gerichtsverwalter, Frau Bürgermeister Wührichs, der Herr Gouminski und seine Liebste gratulieren nebst mir meinem hochverehrten Herrn Obristen und dessen Gemahlin nochmals zu Ihrem Beilager und wünschen in specie einen jungen Sohn."


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Der Plan ist einer von den zwar erwogenen aber nicht ausgeführten. Er sieht eine Befestigung der ganzen Insel vor mit einem Werk auf dem Ratzenschwanz, zwei großen Bastionen beiderseits des Lüneburger Tors und einem Ravelin zum Schutz des letzteren. Die Geschützzahl ist viel zu gering. Es sind wohl nur die von Georg­Wilhelm für das alte Schloß gleich zuerst überwiesenen. Schließlich hatte die Festung über 100 Geschütze.
 



Nach dem Original im Staatsarchiv in Dresden.

Großen Dank scheint Fritsche nicht geerntet zu haben, denn der Kurfürst läßt ihn in einem Schreiben vom 4. August 1692 hart an. Johann-Georg III. war inzwischen gestorben und sein Nachfolger Johann-Georg IV. hatte wohl keine rechte Lust mehr zu dem Unternehmen. Zwar war die dänische Waffenhilfe ihm sicher, teils aus verwandtschaftlichen Rücksichten, teils aus altem Haß gegen die Weifen, auch wurde ihm nahegelegt, von Glückstadt aus einen Einfall ins Land Hadeln zu machen, so daß er kein schwedisches Gebiet betreten brauchte. Immerhin hatte man doch von vornherein die Hoffnung auf die kaiserliche Entscheidung gesetzt, und die war sehr zweifelhaft geworden. Der vom Kaiser zum Statthalter bestellte Baron von Reichenbach stand zugleich in holsteinischen Diensten und hatte einen v. Ranzau zum Vizestatthalter ernannt. Mit ihm und besonders dem

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"in Otterndorf liegenden widerwärtigen kaiserlichen Leutnant" kam es zu Streitigkeiten. Anfang 1692 wurde die Mannschaft in Hadeln bis auf 12 Mann abgedankt, wozu Krosigk noch einmal von Schönna "runder" reiste. Bald danach ist er anscheinend verabschiedet und zum Kommandeur eines Regiments Defensioner ernannt, einer Art Landwehr, die nur im Fall eines Angriffs auf die Heimat einberufen wurde. Als er sich trotzdem noch um die Hadelnschen Angelegenheiten bekümmerte, verbot ihm das der Kurfürst in einem ungnädigen Schreiben. Ebenso wurde Fritsche aufgefordert, von Hamburg nach Otterndorf zurückzugehen. "Wenn, wie er behauptet, die Schweden ihn dort nicht wieder einlassen, könnte man seine Dienste gar entbehren und er hiermit seine Dimission haben." Nach drei Wochen war Fritsche trotzdem wieder in Hamburg, vorgebend, der kaiserliche Leutnant habe ihn herausgedrängt und bei der scharfen Bewachung käme er schwerlich wieder herein. Mit dem wiederholten kurfürstlichen Befehl, auf alle Fälle nach Hadeln zurückzugehen, schließt die Akte.

Das Land Hadeln ist dann später doch an Lüneburg gekommen und Sachsen hat sich mit Geldabfindung begnügen müssen. Noch später mußte auch Schweden das Stift Bremen an das Welfenhaus abtreten, dessen zielbewußte und rücksichtslose Politik somit auf der ganzen Linie gesiegt hatte, da - wie bekannt - auch der dänische Einfall in Lauenburg 1693 an den Werken der Festung Ratzeburg gescheitert war.
 


 


 

 

 

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