Kunst- und Geschichts-Denkmäler des
Freistaates Mecklenburg-Strelitz.
II. Band: Das Land Ratzeburg.
Endlich ist das sehnlichst
erwartete Werk da, aber - die Enttäuschung auch! Wenn im
Vorwort die von der Denkmalskommission veranlaßte "Tönung"
der Inschriften auf den Grabsteinen ein "für die Forschung
wie für die Besucher bleibender Gewinn" genannt und in
"Druck und Wiedergabe der Bilder ... eine hervorragende
Ausstattung ... nur möglich durch den Hochstand der Technik"
gesehen wird, so muß demgegenüber doch festgestellt werden,
daß die Photos - soweit sie den Dom betreffen - fast alle
ohne Rücksicht auf eine wirkungsvolle Lichtführung
ausgenommen sind, auch die der staatlichen
Bildstelle-Berlin, ja besonders die! Man betrachte nur das
Bild vom Innern des Domes (S. 77) oder den
umfallenden Domturm (S. 54) und den
zusammenstürzenden Festsaal im Herrenhause (S. 178).
Beim Hochstand unserer Technik hätte auch die Druckerei mit
mehr Sorgfalt und Mühe durch geschickteres Zurichten aus
manchem Druckstock mehr herausholen können. Solche Arbeiten
und gute Photos, die dem Können unserer heutigen.
Lichtbildner entsprechen, kosten freilich Geld, und die
gewiß schon vor Jahren zusammengetragenen, unerfreulichen
Bildstöcke wollte man nicht fortwerfen. Weitaus erfreulicher
sind die Lichtbilder des zweiten Teiles, bis etwa auf die
Südwestecke der Kirche in Herrnburg, die Kirche zu Schönberg
von Süden und die Kirche in Selmsdorf.
Was nun die euphemistisch "Tönung" genannte pechschwarze,
durch Siegellackrot und Goldbronze "echter" gestaltete
Ausmalung der Grabsteine anlangt, man beachte nur (S.
125 ff.) die auf die abgetretenen Grabplatten
gezeichneten Gesichter und Einzelheiten, so hätte die
gutgemeinte, aber mit den wissenschaftlichen und
ästhetischen Anforderungen unvereinbare "Wiederherstellung"
unterbleiben müssen.
Es ist aufs dringendste zu wünschen, daß dem historisch
bedingten Erhaltungszustand der alten Kunstwerke mehr
Achtung entgegengebracht wird und daß
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sich die Erkenntnis allgemeiner durchsetzt, daß die Erhaltung
des ehrwürdigen Alten einer Scheinaufmachung unter deckender Tünche vorzuziehen
ist.
Schon die große "Restauration" von 1875-1881 hat
schwer wiedergutzumachenden Schaden angerichtet. Der großherzogliche Erlaß, die
größte Schonung des Alten walten zu lassen, ist nicht befolgt worden. "Um die
ursprüngliche Reinheit wieder herzustellen", haben die damaligen Erneuerer einen
Zustand geschaffen, den unsere, nicht mehr in den Kunstanschauungen der
achtziger Jahre befangene Zeit als unwürdig und unerträglich empfindet. Dieser
Ansicht aller Kunstverständigen hätte schärfer als durch die leise Mißbilligung
auf Seite 85 Ausdruck gegeben werden können, selbst wenn, wie es
leider geschehen, auf jede künstlerische Würdigung des Bauwerks und seiner
Schätze verzichtet worden ist. Eine Kritik des Inhalts des ersten Teiles
erübrigt sich, da es nur eine Zusammenstellung aus längst bekannten und vielfach
überholten Werken ist, unter denen die fleißige Arbeit "Der Dom zu Ratzeburg"
von Ferdinand v. Notz merkwürdigerweise zwar im Vorwort, jedoch nicht im
Quellen- und Literatur-Verzeichnis erwähnt wird, obgleich das Buch ebenso wie
die erwähnten kleineren Arbeiten des Verfassers doch ausgiebigst benutzt worden
sind. Daß die einzige streng wissenschaftliche Darstellung der "ältesten
Geschichte des Landes Lauenburg" von Friedrich Lammert, die auf gründlichstem
Studium von Quellen beruht, die den früheren Geschichtsschreibern Lauenburgs
nicht bekannt und nicht zugänglich waren, weder benutzt noch erwähnt wurde, ist
sehr bedauerlich.
Dagegen ist eine Dissertationsschrift von Herbert Rühl angeführt, die es noch
gar nicht gibt, und wenn die einzige Druckfehler-"Berichtigung" den auf Seite
92 als "Kühl" gebrachten Namen mit den Worten richtigstellen will
"Ruhl (nicht Kuhl)", so muß diese tragikomische Druckfehlerteufelei erheitern,
denn der Herr heißt weder Kühl, noch Kühl, noch Ruhl, sondern wirklich Rühl.
Ärgerlicher als dieser "berichtigte" Druckfehler sind die ohne Berichtigung
gebliebenen, von denen eine genauere Durchsicht wohl noch mehr als dieses
Dutzend aufzeigen könnte.
S. 36 Rhenaer, nicht Schönberger Tracht, S. 128 u.
132 gest. 1607, nicht 1507, S.
158 Oblatenschachtel 1631, nicht 1681, S.
188 Stadtplan 1747, nicht 1743, S.
205 Putzbau 1817/18, nicht 1517/18,
S. 208 Krippner, nicht Kripper, S. 222 Vogel, nicht
Voget, S. 283 Leuchter im Text 1655, in der Abb.
1635, S. 360 Henninghusen, nicht Henninckhusen, S.
384 Messingschläger-Arbeit, nicht Messingmühlen-Arbeit, S. 395
Scheunen, nicht Scheuen.
Daß S. 427 die zehn Messing- oder Beckenschläger und der Maler van
dem Kroghe als Gießer bezeichnet werden, kann man schon nicht mehr zu den
Druckfehlern rechnen. Die Inschrift in Großbuchstaben (S. 128) ist
leider nur scheinbar genau, denn bei der Inschrift von Schack (nicht Schacke!)
fehlen die Worte - DNS - HUI' - ECCLAE, und statt SEPULCRALEM steht auf dem
Grabstein, der S. 132 abgebildet ist: SEPULCHRALEM. Ein Hinweis
auf die gute Abbildung fehlt sowohl auf S. 121, wie 128.
Daß auf Susanna Neumanns Holztafelbild wirklich "Jfr. Susanna Niemanns,
des seligen Rath Niemanns Tochter" steht, hätte bemerkt werden müssen, daß nicht
Thurmkirche, sondern Thumkirche darauf steht, nur nebenbei.
Der Abschnitt über den "Apostelschrank" S. 97 zeigt dasselbe
Durcheinander, wie der leider völlig sinnlos zusammengesetzte Altar selbst.
Unter Berufung auf v. Notz werden dessen längst durch Warncke richtiggestellten
Irrtümer wiederholt. Der Christus ist nicht "aus Silber gegossen", sondern
getrieben, wie die Beschau- und Meistermarken aus Hamburg ausweisen. Natürlich
nicht die 16 Figuren, sondern die Malereien sind - wie Adolf
Goldschmitt annimmt - von Hermann Rode. Ein weniger flüchtiger Blick in v. Notz
"Der Dom zu Ratzeburg" S. 77 (nicht: "Ratzeburg" S. 77)
hätte das klargestellt. Die ungeschickte Beschreibung der Steintafel spricht von
dem eigentümlichen Hauptmann und den ihm Zuredenden! Der Hauptmann sagt zu den
Umstehenden: VERE FILIUS DEI ERAT ISTE, wie auf dem Spruchband zu lesen, das er
in der Hand hält. Die Entdeckung, daß die Tafel aus "Lauenburger Sandstein
(Weser)" besteht, ist neu, aber leider nicht richtig.
Doch wenden wir uns dem zweiten Teile zu, in dem die Kirchspiele behandelt
werden. Für sein Zustandekommen gaben Grundlagen die Arbeiten bewährter,
zeitgenössischer Heimatforscher, wie Schmidt, Buddin, Warncke, Endler,
Krüger-Plön u. a. Daß die Abbildungen fast alle gut sind, wurde schon gesagt.
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Sehr dankenswert ist, daß mit den Kunst- und
Geschichtsdenkmälern auch Ortsanlagen und Geschichtliches der Dörfer gebracht
wird und viele alteingesessene
Bauernfamilien namentlich aufgeführt werden. Lagepläne, Grundrisse. Schnitte und
mancherlei Einzelheiten unterstützen den Text. Sehr belangreich ist auch die
Übersicht über "Bauernhäuser und Volkskunst im Lande Ratzeburg". Hervorgehoben
sei auch das Verzeichnis der Bauern- und Bürgerfamilien als Quelle für die
Familienforschung.
Bietet das Werk auch keine neuen Forschungsergebnisse und keine kunstkritische
Würdigung des Vorhandenen, so ist es doch ein wertvolles Nachschlagewerk, das
jedem empfohlen werden kann, der die Heimat liebt und kennen lernen will;
besonders willkommen dürfte es den Familienforschern im Lande Ratzeburg und
darüber hinaus sein durch die Fülle bäuerlicher Namen, die das Register der
Bauern- und Bürgerfamilien leicht zugänglich macht. Dieses Register und die
zahlreich eingestreuten Lagepläne der Dörfer sollten besonders auch die Amts-
und Gemeindevorsteher veranlassen, das Werk zu kaufen.
S. S.
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