Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1935


Warum bauten unsere Großeltern soviel schöner als wir?

Von Dipl. Ing. ERNST PRINZ, Kiel,
Vertrauensmann der
Schleswig-Holsteinischen Architekten.
 

"Sagen Sie mal, was wollen denn nun eigentlich diese Leute, diese Architekten und die vom Heimatschutzverein, wenn sie immer reden vom Verschandeln in Stadt und Land? Ich verstehe nicht recht, was eigentlich damit gemeint ist. Daß unsere neueren Stadtteile nicht ebenso schön, im Gegenteil, gar häßlicher sein sollen als die älteren, kann ich nicht zugeben. Mein eigenes Haus zum Beispiel, schöne rote, blanke Ziegelsteine, dunkles Dach, ein Giebel, ein Erker, eine Veranda. Davor ein schönes Vorgartengitter aus weißen Hölzern zwischen dicken schweren Backsteinpfeilern und ganz apart im Muster. Drinnen W.-C., Kachelküche, Zentralheizung. Und dagegen sollen nun die alten Strohdachkaten auf dem Lande schöner sein! Und das wollen uns die sogenannten Fachleute erzählen! Das verstehe ein anderer!"

Nun, mein Herr, Sie haben ja eigentlich ganz recht - von Ihren, Standpunkte aus gesehen. Nur sehen Sie von diesem Standpunkt aus reichlich wenig. Wie es scheint, nur das rein Nützliche und vor allem nur das Neue und Blanke. Aber von diesen Dingen reden wir Architekten gar nicht, wenn wir vom Verschandeln sprechen; daran denken wir auch gar nicht.

Aber wählen Sie den Standpunkt einmal etwas anders, vielleicht etwas höher. Denken Sie einmal an Eindrücke, wie fast jeder Wanderer sie erlebt, wenigstens alle die Wanderer, die in kleinen und kleinsten Gruppen, allein, zu dritt oder zu viert sonntäglich unsere schöne Umgebung erwandern. Ich meine hier die Eindrücke, die diese der Natur noch verbundenen und noch nahe stehenden Menschen haben, wenn sie durch ein Dorf wandern. Vor allem, wenn sie dabei an Punkte kommen, die sich noch unberührt die alte Bauweise, wie sie bis vor siebzig oder achtzig Jahren gepflegt wurde, erhalten konnten. Orts-

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teile also, die unbeeinflußt und frei von irgendwelcher neueren Bauweise, sich noch die alten Rethdächer oder auch die älteren Häuser mit Pfannendächern, in der Regel so merkwürdig schön und überzeugend hingestellt, erhalten konnten. Ohne Baufluchtlinie und mit ihren alten Einzäunungen aus Feldsteinmauern oder aus geschnittenen Weißdornhecken, dazwischen eingestreut gut erhaltene ältere Bäume, Linden, Ulmen, Kastanien, auch die wieder so merkwürdig richtig hingepflanzt, so üben diese Ortsteile immer einen ganz besonderen Reiz auf uns aus. Denken Sie also mal an Dorfbilder, wo man das alles noch unverfälscht und ungestört beieinander findet. Jeder Wanderer, wohl auch der gleichgültigste, durchschreitet in der Regel solche Plätze mit einem ganz besonderen Behagen. Stets aber, wenn er sich einmal für Augenblicke freimacht von der uns heute alle treibenden Eile, überrascht ihn die Empfindung, überrascht ihn das bald mehr, bald weniger unbewußte, angenehme Gefühl: "Wie ist das doch alles so schön und dabei so einfach!"

Das, was ich hier eben versuchte zu schildern, deckt sich etwa mit den vielen schönen Bildern, die Theodor MÖLLER seit dreißig Jahren aus der Provinz zusammenträgt und die inzwischen fast allen geläufig wurden. Diese Eindrücke nun sind es, die uns das wiedergeben, was wir alle verstehen unter wirklicher, echter unverfälschter Schleswig­Holsteinischer Landschaft. Die gibt es in ihrer Art eben nur hier in Schleswig-Holstein und Lauenburg. Und kein Mensch kann sich den Reizen dieser Bilder entziehen. Auch nicht der Mitteldeutsche und der Süddeutsche, die sonst doch wirklich mit allen Gütern alter Kultur weit mehr gesegnet sind als wir. Auf die Stadt übertragen, denke ich in diesem Zusammenhang an Bilder etwa wie der Marktplatz in Lübeck, vorausgesetzt, daß man den neueren Postbau aus dem Jahre 1890 im Rücken hat. Aber auch viele, viele Bilder aus den Städten Mölln, Lauenburg und Ratzeburg vermitteln uns solche Eindrücke. Auch an diesen Plätzen, eigentlich überall dort, wo die Bauweise der letzten achtzig Jahre noch nicht eingedrungen ist, erfüllt uns das gleiche angenehme Behagen wie auf den zuerst erwähnten Dorfstraßen.

Und nun vergleichen Sie damit in Gedanken einmal die Eindrücke, die Sie haben, wenn Sie die weitere Umgebung von Hamburg, etwa in zwanzig bis dreißig Kilometer Umkreis um den Hamburger Rathausturm herum, durchwandern oder auch wenn Sie durch die Gegend von Rendsburg über Nienborstel, Todenbüttel, Hademarschen, Albersdorf, Heide, Meldorf nach Marne fahren.

Besonders deutlich ins Bewußtsein treten diese Bilder, an die ich hier denke, wenn man diese Gegenden mit dem Auto durchfährt, so daß bei der Schnelle des Wechsels die aneinander gereihten Häßlichkeiten in der Stärke ihres Eindrucks nicht gemildert werden durch ganz selten sich hineinschiebende gute alte Bilder.

Und in der Stadt verfolgen Sie vielleicht einmal in Gedanken oder in Wirklichkeit, langsam und aufmerksam, mit wirklich offenen Augen und offenen Sinnen, in Kiel zum Beispiel den Weg vom Hauptbahnhof aus dem Haupteingang heraus, die Auguste-Viktoria-Straße entlang, Mühlenbach, Willestraße, Martensdamm über Möl-


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ingsruh bis zur Universität und zum Hafen. Aber bitte, die Augen offen und mal nach vorne, mal zur Seite und auch sehr oft nach rückwärts.

Um möglichst klar zu werden und um die Dinge möglichst eindringlich sprechen zu lassen, wähle ich natürlich mit Absicht solche krassen Beispiele. In anderen Gegenden der Provinz aber ist die Verschandelung ganz genau so, nur geringer im Umfang.

 



Dorfstraße in Salem.




Gegenbeispiel "Die Villa" im Dorfbild.


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Und dann wieder holen Sie in Ihren Gedanken die zuerst geschilderten Eindrücke heran, die alten Dorf- und Stadtbilder, und vergleichen sie nun mit den neueren Bauanlagen. Aber denken Sie dabei nicht an ungepflegte Strohdächer einerseits und gleichzeitig anderseits an Ihr hagelneues [sic!] Pfannendach und auch nicht an die auf dem Lande so gern mit einem Herzausschnitt gekennzeichnete und oft recht windige Gelegenheit und dagegen an Ihr hochfein weiß verkacheltes und wohltemperiertes Kabinett. Allein die rein gefühlsmäßigen, die seelischen Erlebnisse in den alten Dorf- und Stadtbildern und ihnen gegenüber die Eindrücke in den neueren Stadtteilen interessieren uns im Augenblick. Ich möchte glauben, auch dem Unempfindlichsten und Unempfänglichsten, auch dem Gleichgültigsten dämmert dann in etwas eine Ahnung auf von dem, was wir verstehen unter "Verschandeln". Wir bekämpfen also beileibe nicht all die angenehmen Nützlichkeiten und die gutgepflegten Dächer! Im Gegenteil! Aber wir bekämpfen das "allein Nützliche", das "nur Praktische", das "nur Billige". Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Auch die anderen Dinge, die oft so schwer auszusprechen, so schwer zu definieren sind, gehören zu wahrhafter Kultur. Ohne sie gibt es überhaupt gar keine Kultur, ohne sie gibt es nur Zivilisation, Amerikanismus und krassen Materialismus.

Die oben angeführten, so besonders stark verschandelten ländlichen Gebiete um Hamburg und Heide kann man garnicht anders bezeichnen als mit dem Ausdruck "Kulturschande".

Den ganzen Reiz, die ganze Schönheit, den ganzen Charakter, alles das, was vielleicht besonders der Fremde, der Süddeutsche - auch von Engländern weiß ich es -, was sie sonst an starkem Eindruck aus unserer Provinz mit sich nehmen, das haben wir nur gar zu häufig mit Erfolg durch unsere Bauweise in den letzten achtzig Jahren totgeschlagen. Im Augenblick muß man fast glauben, für ewig zerstört.

Die hier angeführten Gegenden, vor allem viele Teile von Hamburgs Umgebung, sind wirklich wenig verschieden von den Siedlungen, die wir in Abbildungen kennen aus Australien, Südamerika oder aus irgend einem Wildwest. Das alles tritt nur so verschieden in unser Bewußtsein ein, je nachdem, ob der Beschauer weniger oder mehr empfänglich ist für diese Dinge.

Auch heute gibt es noch eine starke Partei, die geneigt ist, alle diese älteren Eindrücke verhältnismäßig leichten Herzens aufzugeben.

Sie wollen mit den neuen Materialien, Blech und Pappe, unbedingt neue Formen, auch neue gute Formen finden, um den alleräußersten Ansprüchen an Zweckmäßigkeit, besonders beim Bauernhause, gerecht zu werden.

Der im Hausbau, Gott sei's gedankt, überwundene Gedanke der "Wohnmaschine", das heißt das Streben in der Richtung nach der Wohnmaschine, ist beim Bauernhause noch lange nicht tot.

Auto und Dampfschiff geben hier noch immer die Richtung an. Dabei übersieht man gar zu leicht, daß das Auto in seiner Form bald ebenso launisch wird, wie die Mode der Damenkleider.

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Und beim Dampfschiff übersieht man, daß es wenig oder gar keine Rücksicht zu nehmen hat auf seine Umgebung.

So sind wir zur Zeit wirklich dabei, eigenhändig eine alte Kultur zu zermürben und zu zerbrechen, nur, um in der verdammten Richtung "Wohnmaschine" vielleicht einmal eine neue Kultur aufzubauen.

Aber ebenso wie bei der "Wohnmaschine" aus dem Wohnhause, verjagen wir damit aus dem Bauernhause die Seele und zerstören




Gehöft des Hofbesitzers Dassau in Dassendorf.




Gegenbeispiel: Hoher Kniestock mit Pappdach.

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damit letzten Endes in unserem Volke alle diejenigen Kräfte, die seelischen Kräfte, die es vielleicht bald dringender nötig hat als je zuvor.

Wir geben aus einer rein intellektuellen Einstellung heraus verhältnismäßig leicht eine alte Kultur auf, schaffen ein bauliches Durcheinander, ein Chaos, und bedenken dabei nicht, daß doch immer die Menschen in wesentlichen Dingen das Produkt ihrer Umgebung sind.

Vor reichlich Jahresfrist ist nun ein neuer Gedanke zur Bekämpfung dieser Übel in die Tat umgesetzt worden.

Heimatschutzarbeit, Bauberatung und Kunstkommissionen haben fast 30 Jahre lang, nachdem zuerst Schulze-Naumburg seine grundlegenden und ausgezeichneten "Kulturarbeiten" in einer Reihe von durchaus volkstümlich geschriebenen Bänden vorausgeschickt hatte, mit größtem Eifer, bestem Wollen und auch mit besten Kräften versucht, hier helfend einzugreifen. Der Erfolg ist im Vergleich zu der geleisteten unermüdlichen Arbeit leider außerordentlich gering geblieben. Das war, wie wir heute erkennen, auch kaum anders möglich. Ohne einen gewissen Druck läßt sich nun einmal der den Dingen Fernstehende nicht davon überzeugen, daß seine heute oder gestern entdeckte eigene Meinung vom Bauen nicht gleich hoch eingeschätzt werden kann wie die Meinung derjenigen, die sich die Ausübung der Baupflege von Berufs wegen zur Lebensaufgabe gesetzt haben.

Das soll nun anders werden und wir hoffen durchaus, daß es gelingt.

Nach der Bildung der Reichskulturkammer und innerhalb ihrer Organisation, der Fachschaft Architekten (BDA), müssen jetzt alle Verfertiger von Bauzeichnungen dieser Fachschaft angehören. In Zukunft dürfen also nur Architekten Baupläne anfertigen und nur von Architekten angefertigte Pläne dürfen von den Baupolizeiämtern zur Ausfertigung zugelassen werden. Um dies nun erst einmal, rein technisch, durchführen zu können, ist die Zahl der von der Kulturkammer anerkannten Architekten sehr stark vergrößert worden. Früher waren es rund 3000 Mitglieder, jetzt sind es 9000 Mitglieder in Deutschland.

Begreiflicherweise haben sich gegen diese Anordnung sehr bald die Baugewerbetreibenden gewandt, weil ihnen das Planungsrecht genommen werden soll - sie sehen darin "eine Schädigung ihrer geschäftlichen Interessen". Das ist im ersten Augenblick gewiß zugegeben, denn in sehr vielen Fällen war, besonders in den Städten, für die Baugewerbetreibenden bisher die Plananfertigung, zunächst in der Regel unentgeltlich, ein Mittel zur Werbung und zur Hereinholung von Aufträgeen [sic!]. Daß infolge des Zwanges, Baupläne vom Architekten anfertigen zu lassen, wie auch von jener Seite gesagt wurde, auch nur ein einziger Bau weniger als bisher im Deutschen Reiche gebaut werden sollte, ist natürlich völlig unbegründet.

Umso begründeter ist diese neue Ordnung, das sogenannte Architektengesetz - oder richtiger "BAUPFLEGEGESETZ" -, aber dadurch, daß die in Zukunft allein berechtigten Architekten als Kammermitglieder strengen Berufsgesetzen unterliegen.

Der Begriff - wer ist Architekt? - ist durch den Zwang zur Mitgliedschaft bei der Kammer im Interesse des Publikums nunmehr

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endlich auch eindeutig klar gestellt. Alljährlich muß nun jeder Architekt alle seine Ausführungen in Photos, ohne Namen-Nennung unter Kennzahl einreichen, Aber nicht nur die Vorderansicht, auch die Seitenansichten, Rückansichten und die Stellung in der Umgebung. Ein unabhängiger Ausschuß wird die Eingänge prüfen und sichten in sehr gut, gut und unzureichend. Die besten der ersten Gruppe wieder werden in Wanderausstellungen ins Land hinausgehen. Die letzte




Haus des Rektors a. D. Schulz in Breitenselde.




Gegenbeispiel: Haus mit Kniestock und Pappdach.
 

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Gruppe soll in den Architektenversammlungen im Lichtbild an die Wand geworfen werden und rücksichtslos ohne Namensnennung - der Urheber selbst wird seine Kinder schon wiedererkennen - kritisiert werden.

Die Kammer hat dann das gesetzliche Recht, durch Geldstrafen und Ausschluß auf ihre Mitglieder einzuwirken und von ihnen zu fordern, immer nur ihr Bestes herzugeben.

So hoffen wir, mit mehr Erfolg, als es den Bauberatungen überhaupt je möglich sein konnte, allmählich einen geschulten Stand von Architekten heranzuziehen. Nach dem Baupflegegesetz ist jetzt der Architekt gesetzesmäßig (§ 6) verpflichtet: "in seinem öffentlichen Wirken, vor allem gegenüber dem Auftraggeber und den engeren und bauausführenden Fachgenossen, das Verantwortungsbewußtsein des Berufes gegenüber Volk und Reich in den Vordergrund zu stellen."

Daß dies heute nur mit sehr viel Takt durchführbar ist, darf allerdings von den Architekten nicht vergessen werden.

Daß nach dem gleichen Gesetz der Architekt als Treuhänder seines Auftraggebers in jeder Beziehung sich sauberster Geschäftsführung zu befleißigen hat, ist ja ganz selbstverständlich. Wir werden gegebenenfalls nicht zögern, Verstöße in dieser Beziehung rücksichtslos und mit Strenge zu ahnden - bis zum Ausschluß aus der Kammer -, und das bedeutet: Verbot der Berufsausübung.

Bauten sind für den Einzelnen, für den Eigentümer, zweifellos im hohen Grade Wirtschaftsgüter, für die Allgemeinheit aber in durchaus ebenso hohem Maße Kulturgüter. Das Baupflegegesetz sagt nun in § 1: "Jede Leistung und Schöpfung der Baukunst gilt, wenn sie der Öffentlichkeit übermittelt wird, als Kulturgut" und "Voraussetzung für die Ausübung des Berufes als Architekt bei der Erzeugung und Erhaltung vom Kulturgut ist die Mitgliedschaft der Kammer."

Man sollte eigentlich glauben, daß eine so eindeutig auf das Gemeinwohl abgestellte Anordnung den lautesten Beifall aller Wohldenkenden finden müßte. Und ich meine, niemand, aber auch NIEMAND könne sich dem Eindruck entziehen, daß mit diesem Gesetze die Möglichkeit geschaffen ist, die zu Anfang geschilderte Verschandelung von Stadt und Land allmählich mit Erfolg zu bekämpfen.

Ich sage mit guter Überlegung "allmählich", denn daß sich diese Dinge, die doch letzten Endes nur zu einem Bruchteil von den Bauleuten allein abhängen, daß diese Dinge sich nicht von heut auf morgen meistern lassen, ist auch uns klar. Von heut auf morgen können wir weder die Menschen allgemein und ebensowenig die Architekten ändern. Aber dies Gesetz gibt uns die Möglichkeit zur Schulung der Architekten und durch sie wieder, soweit es sich um Baukultur handelt, die Möglichkeit zur Schulung des Volkes.

Und wenn wir das in wenigen Jahren auch nicht erreichen können, so soll uns das nicht kümmern. In zehn Jahren werden wir die Früchte keimen sehen, und in zwanzig Jahren werden wir mindestens ahnen können, daß sie auf diesem Wege auch zur Reife kommen.

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Und was sind zwanzig Jahre im Werden und in der Auswirkung solcher Dinge? Die Gotik gebrauchte 300 Jahre zu ihrer Entwicklung, Renaissance und Barock nicht weniger. Wir haben zwar Telephon und Flugzeug und damit die Möglichkeit zu mancher Zeitabkürzung. Aber gut Ding will auch heute noch Weile haben.

W ir sehen jedenfalls am Ende dieser Entwicklung, die wir jetzt anfangen aufzubauen, daß auch unsere Zeit einmal wieder eine ihr gemäße Baukultur haben wird, deretwegen sie sich vor unseren Enkeln nicht zu schämen braucht.

Wir Architekten haben jedenfalls den Willen, ein solches Ziel zu erreichen, und einen ersten Schritt dazu sehen wir im Baupflegegesetz.

Zur tatkräftigen Unterstützung und Pflege der ausschließlich im Interesse des Volksganzen liegenden guten Keime, die in diesem Gesetz noch schlummern, rufen wir alle auf.

Nur dafür kämpfen wir - nicht für einen einzelnen Berufsstand, nicht für ein Monopol.

Aber noch eines!

Ich sagte schon einmal: der Mensch lebt nicht vom Brot allein. In dem, was wir letzten Endes wollen, geht es ja nicht um gekachelte Wände und um billigste und aufs äußerste ausnutzbare Dächer. Es geht zunächst einmal um die Erkenntnis, daß wir zum Erreichen unseres Zieles auch bereit sein müssen zu opfern, daß wir Wünsche nach einer "Wohnmaschine", das heißt Wünsche nach einer überspitzten Zweckmäßigkeit zurückstellen müssen, daß wir also gelegentlich auch einmal auf gekachelte Wände verzichten können. Die dadurch erzielten Ersparnisse wollen wir dann gern für eine geringe Verteuerung zugunsten einer schöneren Form und vor allem auch in Rücksicht auf die Umgebung zur Verfügung stellen.

Es geht, wie ich ebenfalls schon vorhin sagte, um Dinge, die oft so schwer zu definieren sind und die dennoch Wirklichkeit sind und als solche zu einem vollwertigen und starken Leben gehören. Auch das Behagen, das Gefühl des Wohlbefindens, das die Dinge unserer baulichen Umwelt uns täglich, ob bewußt oder unbewußt, vermitteln, auch sie sind starke Quellen unserer Kraft. Wir können es uns nicht leisten, diese Quellen zu verschütten. Wenn Deutschland wieder groß und stark werden soll, wenn es seine Mission in der Mitte von Europa erfüllen soll, dürfen wir auch diese Alltäglichkeit nicht klein sehen und nicht gering einschätzen. Darum geht es!

Und weil unsere Großeltern diese Dinge mit einer noch von alter Tradition her bedingten Kultur sahen und erlebten, - darum entstanden die zuerst erwähnten schönen Stadt- und Dorfbilder, und darum bauten unsere Großeltern soviel schöner als wir!


 


 

 

 

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