Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1936


Zwei berühmte Söhne von Lauenburgern.

Von Pastor FISCHER-HÜBNER.
 

1. Felix Dräseke.

Schütz - Händel - Bach sind die drei kirchenmusikalischen Jubilare des Jahres 1935. Zu ihnen darf als vierter Felix Dräseke gezählt werden, der am 7. Oktober 1835 geboren wurde. In seiner Jugend weilte er sechs "Märchenwochen" lang als Gast Richard Wagners in der Schweiz. Franz Liszt und Bülow waren seine freundlichen Förderer. Jedoch teilte er das tragische Schicksal vieler wahren Künstler. In Deutschland lehnte man den germanischen "Recken", wie ihn seine Jugendfreunde nannten, ab. So zog er sich in die freiwillige Verbannung in der Schweiz zurück. Hier wurde aus dem Wagnerschwärmer ein ausgereifter, abgeklärter Jünger Bachs, indem er sich


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der Kirchenmusik zuwandte. Hatte er in seiner Jugend germanische Stoffe behandelt, so schuf er im letzten Jahre seiner Schweizer Verbannung in Genf seine erste große geistliche Musik, Friedrich Rückerts "Dein König kommt" für Chor und Orchester. 1876 in die Heimat zurückgekehrt, brachte er in Dresden eine große Anzahl Musikwerke fast aller Gattungen heraus. Den Höhepunkt seines tonschöpferischen Wirkens erreichte er mit seinem "Christus-Mysterium", worin Wagnerische und Bachische Kunst sich verschmelzen und das unverfälschte Evangelium mit alttestamentlichen Anmerkungen im Geiste Luthers und Bachs eingedeutscht wird. Als es erst (!) 12 Jahre nach seiner Vollendung 1912 in Berlin und Dresden aufgeführt wurde, ehrte ihn die philosophische Fakultät zu Berlin unter Verleihung des Ehrendoktors als "PRINCEPS INTER GERMANORUM POPULOS IN ARTE MUSICA" (Musiker ersten Grades in Deutschland). Ein Jahr, nachdem er mit den größten Ehrungen gekrönt worden war, starb er am 26. Februar 1913. Am 6. Oktober 1935 wurde an seinem Geburtshause in Coburg eine Gedenktafel enthüllt und in Dresden sein "Christus" aufgeführt.

Sein Vater war GEBORENER LAUENBURGER, nachmals Hofprediger in Coburg und später Superintendent in Rodach. Sein Großvater war der Bischof Bernhard Draeseke in Magdeburg, der bedeutendste Kanzelredner seiner Zeit, ein Prophet voll dichterischen Schwunges. Seine Predigten klingen wie schöne Musik. Solche Reden hat der gott- und vaterlandbegeisterte Prediger in der Schicksalszeit deutscher Schmach unter Napoleons Fremdherrschaft in dem Kirchlein zu ST. GEORGSBERG gehalten mit dem Erfolge, daß selbst Lübecker Bürger den weiten Weg nicht scheuten, um den deutschen Propheten zu hören. Bernhard Dräseke war 16 Jahre lang im Pfarrdienst im LAUENBURGISCHEN tätig. Nach sechsjähriger Tätigkeit in MÖLLN (1798-1804) war er in der Leidenszeit unter dem Franzosenjoch von 1804 bis 1814 Seelsorger der Gemeinde ST. GEORGSBERG vor Ratzeburg, auch Mitglied der während der Unglücksjahre begründeten "Literarischen Gesellschaft" zu RATZEBURG, einer der bedeutendsten Köpfe, die Lauenburg, vornehmlich die lauenburgische Kirche, gehabt hat.

Man kann an dem Enkel, dem Kirchenmusiker Felix Dräseke, zeigen, wie sich der Blutwert der Ahnen vererbt. Der Urgroßvater in Braunschweig, der Großvater im Lauenburgischen und in Magdeburg, der in Lauenburg geborene Vater waren sämtlich musikalisch. Alle drei hatten je zwölf Kinder, auch wieder ein Beweis, daß aus kinderreichen Familien hochwertige Persönlichkeiten erwachsen.

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2. Hochmann von Hochenau *).

Nun liegt er endlich im Druck vor, ein dicker Band von 448 Seiten, woran der Dozent und Lizentiat Heinz Renkewitz viele Jahre gearbeitet hat, indem er Deutschland durchwanderte und die Archive durchsuchte, um das vielgewandte Leben und Leiden eines fast vergessenen Lauenburgers neu zu entdecken; eine überaus fleißige, sachkundige, flüssige Arbeit!

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*) 1935. Maruschke und Berendt, Verlag, Breslau.


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Hochmann von Hochenau ist der Sohn einer kinderreichen Familie. Sein Vater, Georg Christoph Hochmann, war seit 1652 Sekretär und seit 1658 Zollamtsverwalter in Lauenburg a. d. Elbe. Wegen seiner und seines Vaters Eustachius Verdienste, die dieser sich als Hauptmann in den Türkenkriegen erworben hatte, wurde der Elbzöllner 1664 in den Adelsstand mit dem Prädikat Hochenau erhoben. Das Wappen zeigt eine türkische Mannsperson mit einem Halbmond in der Hand. Nach 22 Jahre langem Dienst in Lauenburg kehrte er 1674 in seine Vaterstadt Nürnberg als Kriegsschreiber zurück, wo er im November 1693 starb. Wohl war sein Dienst unter den Herzogen Lauenburgs an Ehren reich gewesen, jedoch hatte er in den letzten Jahren unter schwerer Anklage wegen angeblicher dienstlicher Verfehlungen zu leiden. Am 18. März 1670 sucht er des Herzogs Gnade wider seine Verfolger, wobei er als Vater von acht Kindern besonders durch Hinweis auf seine kränkliche Ehefrau, Anna Sabina Emerentia geb. von Lingehell aus Innsbruck, das Herz des Fürsten zu erweichen trachtet. Augenscheinlich ging er aus dem ärgerlichen Zank als Sieger hervor, weil ihm der Rat der Stadt Nürnberg "wegen gerühmter guter Qualitäten und habenden vornehmen" Zeugnisse das Amt eines Kriegsschreibers verlieh.

Unter den acht Kindern, die in der Elbstadt geboren wurden, waren zwei Söhne von größerer Bedeutung. Der eine wandelte auf den Höhen des Lebens als Reichshofrat in Wien. Es war Heinrich Christoph, der älteste der Brüder, der sich durch sein Eintreten für die Rechte Nürnbergs große Verdienste erwarb. 1661 wurde er zu Lauenburg geboren. 1719 starb er zu Wien und wurde wie ein Fürst begraben: 52 Kutschen folgten seiner Leiche. Der jüngste der Brüder, Ernst Christoph, wählte im Gegensatz zu dem reichen Reichshofrat freiwillig ein Leben der Armut und der Verfolgung. Nicht lange vor dem 18. März 1670 zu Lauenburg geboren, besuchte er vermutlich das berühmte Melanchthongymnasium zu Nürnberg, studierte die Rechte auf den Universitäten Altdorf, Gießen und Halle, wo er Pietist wurde, setzte seine Studien in Leipzig, Erfurt und Jena fort, um sich dann ganz dem Berufe eines freien Propheten hinzugeben, unstät und flüchtig die deutschen Länder durchwandernd, dauernd mit den Obrigkeiten und mit der offiziellen Kirche im Streit, an Fürstenhöfen und in Schlössern hin und her, landauf, landab seine Prophetenstimme erhebend und ebenso als ein Bruder des schlichten Mannes dem Volke dienend. Zuletzt zog er sich in die von ihm erbaute Friedensburg zu Schwarzenau im Wittgensteinschen zurück, wo er mit ein oder zwei Brüdern ein klosterähnliches Leben führte, während er gleichzeitig die ewige Liebe Gottes und das kommende Gericht verkündigte.

Hochmann war ein Revolutionär, der eine vollständige Neuordnung des privaten und öffentlichen Lebens erhoffte. So war er weder dem Staat noch der Kirche genehm. Aber er wagte sein Leben für das neue Christusreich, ob man ihn auch einsperrte. Tausende verdankten ihm ihr inneres Leben. Seinem begeisternden Wort und seinem christusähnlichen Wesen folgten sie nach.

Das Buch des Lizentiaten Renkewitz ist insbesondere für die Geschichte der Stadt Lauenburg wertvoll. Die Elbzöllner waren nicht
 

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unbedeutend. Auch der Elbzöllner Pfeiffer hatte Söhne, die später eine Rolle spielten, indem der eine Superintendent in Lübeck wurde, ein Gegner der Pietisten, während ein anderer als Führer der Pietisten in der Stadt Lauenburg hervortrat. Ebenso hatte Pfeiffers Nachfolger Hochmann fähige und über den Durchschnitt begabte Söhne, wie wir oben gesehen haben. Da das Kirchenbuch für den fraglichen Zeitraum fehlt, so liefert Renkewitz willkommenen Bericht über die acht Kinder des Elbzöllners: Christoph, bei dem Friedrich Christoph in Versorgung stand, war Amtmann in Nürnberg und seine Tochter Ursula heiratete den nürnbergischen Beamten Stephan Zeltner, der 1739 in den Adelsstand mit "von Hochenau" erhoben wurde, vermutlich, um den im männlichen Stamm erloschenen Namen fortzuführen. Ferner Ferdinand Christoph, der als Fähnrich beim Sturm vor Mainz fiel ( 1689), und Johann Christoph ( 1705). Maria Magdalena starb unvermählt 1714. Eine Tochter war mit DR. MED. Georg Jakob Lang, dem Direktor der Maler-Akademie, verheiratet, deren Schönheit, Beredsamkeit, Klugheit und Malkunst bewundert wurden. Sämtliche Kinder waren geborene Lauenburger.

Nur einmal kann eine Begegnung des Pietisten Hochmann mit einem Lauenburger nachgewiesen werden, nämlich in einem schwärmerischen Briefe, den der junge Theologe Julius Franz Pfeiffer, aus der Stadt Lauenburg gebürtig, während seines vorübergehenden Aufenthalts in Quedlinburg an Hochmann richtete, als dieser in Erfurt bei dem Rechtsgelehrten, Professor Brückner Hauslehrer war. Aber soviel ist erwiesen, daß in den Familien der Elbzöllner Lauenburgs pietistische und sektirerische Tendenzen hervortraten.
 

 


 

 

 

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