Dem Herzog Julius-Heinrich von Lauenburg war
seine zweite Frau, eine brandenburgische Prinzessin, bei der
Geburt des ersten Kindes gestorben. 1629. Schon im
nächsten Jahr ehelichte er die verwitwete Gräfin Kolowrat, eine
geborene Prinzessin Lobkowitz. Diese, Anna-Magdalena, gebar ihm
einen Sohn Julius-Franz und mehrere Töchter. Für den Stiefsohn
Franz-Erdmann stand zunächst die Erbfolge im Herzogtum in
Aussicht. Deshalb ließ ihn der Vater, der selbst katholisch
geworden war, lutherisch aufziehen. Kaum erwachsen, wurde der
Jüngling 1650 als Kommandeur eines Regiments zu
Fuß in polnischen Kriegsdienst geschickt. Dorthin liefen
mehrfache Verbindungen. Der Vater hatte selbst dem König von
Polen gedient und die Mutter war in erster Ehe mit dem Fürsten
Janus Radziwill vermählt gewesen, ihre drei Kinder lebten in
Litauen. Namentlich auf diese Verwandtschaft gründete
Julius-Heinrich den Plan, seinen Ältesten an eine polnische
Erbprinzessin aus dem Hause Radziwill zu verheiraten, wodurch
der Weg für Julius-Franz zum Herzogsstuhl in Lauenburg frei
geworden wäre. Obwohl aber Franz-Erdmann anfänglich in dem
wüsten Treiben polnischer Magnaten sehr zum Kummer seines
Erziehers Adolf-Friedrich von Maltzahn aufgegangen und in
"Unordnung" geraten war, hatte er doch keine Lust, dort Wurzeln
zu schlagen. Nach dem ersten Feldzug im heutigen Galizien gegen
die Tataren wollte er nach Hause, und der Vater mußte ihn
mahnen: "Es ist nochmals unser teurer, väterlicher Rat, daß Ew.
Liebden sich vor der Abreise des Feldhern Tochter versichern,
denn in 100 Jahren dergleichen Glück nicht mehr zu
hoffen." Die Lösung kam von seiten des regierenden Herzogs
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August. Dieser, der seine Söhne jung hatte
hinsterben sehen, wollte wenigstens der Tochter den Sitz im Lauenburgischen
erhalten, indem er bei den Erschaftsverhandlungen darauf drang, daß sie dem
Franz-Erdmann verlobt werde. JuliusHeinrich mußte einsehen, daß sein
katholischer Sohn Julius-Franz vorläufig keine Aussichten in dem
protestantischen Lande hatte und willigte ein. Indessen hielt er den Sohn mit
Geld äußerst knapp. Dessen mütterliches Erbe war dem Vater zu lebenslänglichem
Nießnutz übertragen, die junge Frau Sibylle-Hedwig hatte nur 6000
Taler mitgebracht. Kurz entschlossen wählte Franz-Erdmann wieder das
Soldatenhandwerk. Bei dem Todfeind seines ersten Kriegsherrn, dem König
Karl-Gustav von Schweden, trat er als Oberst eines Reiterregiments 1655
in Dienst und focht in den Feldzügen der nächsten Jahre gegen Polen, Dänemark
und schließlich das ganze Deutsche Reich. Letzteres wurde dem Generalmajor
Gewordenen besonders verdacht. Große Liebe fesselte ihn nicht mehr an den
Schwedenkönig, seit ihn dieser 1657 in einem Streit mit Lübeck
hatte fallen lassen. Das schwedische Heer lagerte damals, aus Pommern
anmarschiert, bei Mölln, und Franz-Erdmann machte dem Erbhaß seines Hauses gegen
den reichen Nachbarn Luft durch Drangsalierung der lübischen Enklaven. Dem König
war indessen das Wohlwollen der Hansestadt wichtiger, als die Stimmung seines
Generals, und er rüffelte diesen empfindlich. So nahm Franz-Erdmann die
Teilnahme des Kaisers am Kriege zum Anlaß des Ausscheidens aus schwedischem
Dienst. Er lebte auf dem Gute Tüschenbek, das seiner Frau gehörte, bekam aber
die ihm zustehenden Jahrgelder vom Vater nur gegen Unterschrift eines sehr
drückenden Vertrages, in dem sich die Hand der mißgünstigen Stiefmutter schon
deutlich zeigt. Julius-Heinrich war inzwischen dem Bruder August gefolgt. An der
Erbfolge Franz-Erdmanns war nach dem Abkommen nicht mehr zu rütteln, also galt
es, diesem wenigstens den Anteil am Privatvermögen zu schmälern. Er mußte sich
1659 zu folgenden Zugeständnissen bereitfinden: 1)
Der Stiefmutter soll das Amt Neuhaus als Leibgedinge zufallen. 2)
Der Stiefbruder soll aus den Landeseinkünften jährlich 9000 Taler
bekommen. 3) Ohne dessen Zustimmung darf an den Tafelgütern nichts
geändert werden. 4) Von dem seinem Vater lebenslänglich belassenen
Muttergut soll Franz-Erdmann nur 38 636 Taler
kriegen. Sein Wert aber war damals von sieben Zeugen auf 200
000 fl. geschätzt. 5) Dieses jetzt in der böhmischen
Herrschaft Thausing eingetragene Geld darf der Vater nach Belieben anderweit
unterbringen. Die Landräte Hyronimus Schultz und Barthold-Heinrich von Lützow,
zur Siegelung dieses Vertrages aufgefordert, weigerten sich zunächst, da er dem
Fürstentum zu hohe Lasten aufbürdete, taten es aber schließlich doch.
Franz-Erdmann unterschrieb auf das Versprechen des Vaters, daß dieser kein neues
Testament mehr machen, auch dem bestehenden keine Klauseln hinzufügen werde. In
diesem, 1651 aufgesetzten Schriftstück war die Teilung so
vorgesehen, daß beide Söhne das Privatvermögen, bestehend in den böhmischen
Besitzungen, einigen Gütern in Westfalen und verschiedenen Schuldforderungen, so
den Gehaltsresten bei der kaiserlichen Kriegskasse von 150
000 fl. und Ansprüchen an die Herrschaften Schaumburg und Pinneberg in
Holstein, zu gleichen Teilen bekämen. Wie obiges Versprechen gehalten wurde,
werden wir später sehen.
Infolge der Aussöhnung übertrug Julius-Heinrich dem Sohn bei seiner letzten
Anwesenheit im Herzogtum die Oberaufsicht über die Regierung. Alle Verfügungen
sollten ihm vorgelegt werden. Oberamtmann war damals Anton von Steinbach. Dieser
sah wohl ein, daß nach des kränkelnden Julius-Heinrich Tod seines Bleibens im
Amte nicht länger sein würde, da Franz-Erdmann im Lande residieren wollte, und
ließ sich bereitfinden, den größten Teil der Landeseinkünfte, vermehrt durch
übermäßigen Holzschlag in den Staatsforsten, nach Böhmen zu schicken, wo das
Geld in neuen Gütern für die Frau und Kinder dritter Ehe angelegt wurde. Dies
sah Franz-Erdmann nicht lange ruhig mit an. Da der gesamte Geschäftsverkehr
durch die Stiefmutter ging, war es kein Wunder, daß sich das Verhältnis bald so
sehr verschlechterte, daß der Sohn den Landrat von Bülow nach Schlackenwerth
schickte, durch den er erfuhr, daß ihm elf Punkte zum Vorwurf gemacht würden.
Auf Bülows Zureden nahm Franz-Erdmann zu diesen schriftlich Stellung. 1)
Er habe vor Jahren sich wegen seines Mutterguts an den König von Schweden
gewandt. Antwort: Dies sei durch das Abkommen von 1659 schon
verglichen. 2) Er sei "mit Soldaten und
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2 Henkern für Ratzeburg kommen
und habe die Bedienten - d. h. die Beamten der Regierung - übel traktieren
lassen". Antwort: Das sei nicht wahr. Er habe nicht Soldaten, sondern Holzhauer
wegen der Feuerung für sich und seine Gemahlin mitgehabt. Es sei nur ein Henker
mitgewesen, aber ohne Exzesse wieder weggegangen. Der Vater hatte damals dem
Steinbach Vorwürfe gemacht, daß er den Sohn nicht „in die Magnusburg gefänglich
setzen und incarcerieren lassen". 3) Er habe in die Justiz
eingegriffen. indem er die in Schwarzenbek inhaftierten schwedischen Soldaten
hängen lassen habe. Antwort: Das sei mit Billigung der Räte geschehen. 4)
Er habe gegen den Verkauf des Fitzener Holzes protestiert. Antwort: Das sei der
einzige Weg gewesen, das Abhauen zu hindern. 5) Während des Vaters
Krankheit - Julius-Heinrich hatte einen Schlaganfall gehabt - sich auf dem
Wasser mit Blasen lustig gemacht. Antwort: Der Vater habe ihm ja selbst die
Kapelle geschickt. 6) Die von Franz-Erdmann behauptete Vollmacht
zur Kontrolle der Regierung bestreitet der Vater. 7) Er habe die
Rüstkammer zu Franzhagen außer Händen gekauft. - Dieses Tafelgut hatte
Julius-Heinrichs jüngster Bruder Franz-Heinrich bewohnt, der unlängst gestorben
war. Antwort: Die Witwe hätte lieber an den Schwager verkauft, aber
Julius-Heinrich habe abgelehnt, da er Büchsen genug besäße. Da erst habe der
Sohn zugegriffen. Übrigens seien zwei der Stücke (Geschütze) nach Lauenburg
ausgeliehen gewesen, die er jetzt zurückgeholt habe, ebenso wie zwei von ihm dem
Vater geschenkte Maultiere. Letztere seien ganz mager geworden und sollten
aufgefüttert werden. 8) Ein Schreiben der Stiefmutter habe er
nicht beantwortet. Antwort: Er hätte erst Bericht von den „Bedienten" einfordern
müssen. 9) Wegen des in Böhmen verwendeten, aus Lauenburgischen
Steuern stammenden Geldes. Auf diesen sowie den 10. Punkt schweigt
der Sohn. 10) Er sei inkognito nach Schlackenwerth gekommen, um
mit vielen vom Adel aus Sachsen den Vater zu überfallen, was Berthold-Heinrich
von Lützow ihm ausgeredet habe. -
Wie es um des Vaters Gesundheit stand, erhellt aus einem Brief dessen
Kammerdieners Kaspar Wedell: "Wer würde sich nicht über so einen alten, lieben,
geduldigen Herrn erbarmen, der lahm an den Händen und ich ihm sein täglich Brot
ins Maul stecken muß." Die Bitte Franz-Erdmanns, den Vater besuchen zu dürfen,
schlug die Stiefmutter ab, worauf er nochmals in einem Brief auf die Zustände im
Lande näher eingeht. Er erinnert ihn, wie er in Artlenburg vor der Abreise nach
Böhmen die Oberaufsicht in Gegenwart der Räte ihm übertragen habe. Neuerdings
werde ihm jedoch nichts mehr vorgelegt. Die Kopfsteuer sei viel zu hoch und
werde von den ausgemergelten Untertanen durch Militärabteilungen eingetrieben.
Die Türkensteuer werde zu Anrecht noch gefordert, da von dem lauenburgischen
Kontingent nur noch 26 Knechte übrig seien, die nur 1 1/2
Monat Soldrückstand und das Abdankungsgeld zu fordern hätten. Das wolle das Land
gern bezahlen. Im Land werde nichts gebessert. Die Brücke und Residenz in
Ratzeburg sowie das vor zwei Jahren abgebrannte Lusthaus in Artlenburg würden
nicht instandgesetzt; die Prozesse um die entfremdeten Gebietsteile (Mölln u.
a.) nicht durchgefochten. Er habe Ratzeburg besichtigt und nichts in Ordnung
gefunden. Der Kommandant, Major von Falkenberg, sei stets in Geschäften oder zur
Jagd abwesend. Der Leutnant, über 80 Jahre alt, so kümmerlich, daß
er kaum mehr gehen, geschweige die Nachtwachen revidieren könne. Die Knechte
auch so alt und krank, daß sie im Ernstfall nicht zu gebrauchen sind und die
Posten nicht besetzt werden könnten. Dabei sei von der Ankunft französischer
Truppen (als Hilfe für die verbündeten Schweden) die Rede. Da er nach
Schlackenwerth gewollt habe, sei von ihm eine Verstärkung von 1
Leutnant, 1 Sergeant und 12 Mann ins Schloß gelegt.
Als auch dieser Brief nichts fruchtete, beschloß Franz-Erdmann, die Vermittlung
der Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen anzurufen. Während ersterer sich auf
ein Mahnschreiben an den Vater beschränkte, gab der letztere dem Kammerrat A. F.
von Maltzahn, der in Franz-Erdmanns Auftrag ihm am 5. Mai
1665 den Zwist vortrug, seinen Kammerjunker von Borcke mit nach Prag, wo
Julius-Heinrich sich aufhielt, mit der Bitte, die beiden Herren anzuhören.
Letzteres wußte die Herzogin zunächst zu hintertreiben. Auf Drängen der
Gesandten gab aber schließlich der Kranke vor seiner Abreise ins Bad nach
Hirschberg einige kurze Auskünfte des Sinnes, daß er glaube, der Sohn hoffe auf
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seinen baldigen Tod. Die Stiefmutter fügte hinzu, sie sei
überzeugt, Franz-Erdmann werde das Testament nicht achten.
Dazu hatte dieser auch allen Grund. Denn als am 20. November
1665 Julius-Heinrich zu Schlackenwerth gestorben war, ließ die Witwe
nicht nur ganze Wagenladungen von Möbeln und Wertsachen fortschaffen, leugnete
das Vorhandensein von Bargeld und forderte die Begräbniskosten aus
Lauenburgischen Mitteln, - es ergab sich nach der Testamentsöffnung auch, daß
die Abmachungen von 1659 schnöde gebrochen waren. In einer neuen
Fassung von 1660 und drei späteren Klauseln dazu bestimmt der
Vater, daß seine Frau und Kinder dritter Ehe Geld und Güter, die Franz-Erdmann
zustanden, im Wert von über 100 000 fl., bekommen
sollten. Dieses Testament focht der nunmehrige Regent natürlich an. und
plötzlich gebrach es ihm auch nicht an Zeugen, die seiner Stiefmutter Schuld
bekräftigten. Es stellte sich heraus, daß die Klauseln erst nach des Erblassers
Tode bei der böhmischen "Landtafel" eingetragen waren und daß die Witwe die
gesetzliche Versiegelung des Archivs und des Prager Palastes verhindert habe.
Vor allem erklärte der Rittmeister von Warnstedt, drei Jahre im Dienst des
Toten, nunmehr vor Gericht: 1) Er habe gehört, daß die Stiefmutter
Julius-Heinrich gebeten habe, das Testament zu Franz-Erdmanns Ungunsten zu
ändern. 2) Sie sei die Ursache gewesen, daß der Vater auf den Sohn
einen Zorn geworfen. 3) Nachdem Julius-Heinrich dann zu einer
Versöhnung geneigt gewesen, habe die Frau ihn erneut aufgehetzt. 4)
In dieser Zeit habe der Herzog die Testamentsklauseln angefügt. So legte denn
Franz-Erdmann am 27. Dezember 1665 in seinem
"Leibgemach" zu Lauenburg im Beisein A. F. von Warnstedts und Monsieur Hans
Klopstocks sowie des Kanzlers Krauthoff feierlichen Protest ein.
Vom Kurfürsten von Sachsen, dem er alle Beweisstücke unterbreitete, erhielt er
freilich nur eine kühle Bestätigung seines "Briefleins" sowie den Rat: "wegen
des Respekts der Frau Stiefmutter und der nahen Verwandtschaft mit dem Bruder"
es nicht zum Äußersten kommen zu lassen. Er möge doch zur Schlichtung
Kaiserliche Kommissarien erbitten.
Das Ergebnis dieser Schlichtung hat Franz-Erdmann nicht mehr erlebt. Schon am
31. Juli ist er kinderlos gestorben. Die Stiefmutter konnte
triumphieren: Ihrem Julius-Franz fiel nun alles zu!
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