Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1936


Eine böse Stiefmutter. (Kein Märchen.)

Von UDO V. RUNDSTEDT.

Dem Herzog Julius-Heinrich von Lauenburg war seine zweite Frau, eine brandenburgische Prinzessin, bei der Geburt des ersten Kindes gestorben. 1629. Schon im nächsten Jahr ehelichte er die verwitwete Gräfin Kolowrat, eine geborene Prinzessin Lobkowitz. Diese, Anna-Magdalena, gebar ihm einen Sohn Julius-Franz und mehrere Töchter. Für den Stiefsohn Franz-Erdmann stand zunächst die Erbfolge im Herzogtum in Aussicht. Deshalb ließ ihn der Vater, der selbst katholisch geworden war, lutherisch aufziehen. Kaum erwachsen, wurde der Jüngling 1650 als Kommandeur eines Regiments zu Fuß in polnischen Kriegsdienst geschickt. Dorthin liefen mehrfache Verbindungen. Der Vater hatte selbst dem König von Polen gedient und die Mutter war in erster Ehe mit dem Fürsten Janus Radziwill vermählt gewesen, ihre drei Kinder lebten in Litauen. Namentlich auf diese Verwandtschaft gründete Julius-Heinrich den Plan, seinen Ältesten an eine polnische Erbprinzessin aus dem Hause Radziwill zu verheiraten, wodurch der Weg für Julius-Franz zum Herzogsstuhl in Lauenburg frei geworden wäre. Obwohl aber Franz-Erdmann anfänglich in dem wüsten Treiben polnischer Magnaten sehr zum Kummer seines Erziehers Adolf-Friedrich von Maltzahn aufgegangen und in "Unordnung" geraten war, hatte er doch keine Lust, dort Wurzeln zu schlagen. Nach dem ersten Feldzug im heutigen Galizien gegen die Tataren wollte er nach Hause, und der Vater mußte ihn mahnen: "Es ist nochmals unser teurer, väterlicher Rat, daß Ew. Liebden sich vor der Abreise des Feldhern Tochter versichern, denn in 100 Jahren dergleichen Glück nicht mehr zu hoffen." Die Lösung kam von seiten des regierenden Herzogs

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August. Dieser, der seine Söhne jung hatte hinsterben sehen, wollte wenigstens der Tochter den Sitz im Lauenburgischen erhalten, indem er bei den Erschaftsverhandlungen darauf drang, daß sie dem Franz-Erdmann verlobt werde. Julius­Heinrich mußte einsehen, daß sein katholischer Sohn Julius-Franz vorläufig keine Aussichten in dem protestantischen Lande hatte und willigte ein. Indessen hielt er den Sohn mit Geld äußerst knapp. Dessen mütterliches Erbe war dem Vater zu lebenslänglichem Nießnutz übertragen, die junge Frau Sibylle-Hedwig hatte nur 6000 Taler mitgebracht. Kurz entschlossen wählte Franz-Erdmann wieder das Soldatenhandwerk. Bei dem Todfeind seines ersten Kriegsherrn, dem König Karl-Gustav von Schweden, trat er als Oberst eines Reiterregiments 1655 in Dienst und focht in den Feldzügen der nächsten Jahre gegen Polen, Dänemark und schließlich das ganze Deutsche Reich. Letzteres wurde dem Generalmajor Gewordenen besonders verdacht. Große Liebe fesselte ihn nicht mehr an den Schwedenkönig, seit ihn dieser 1657 in einem Streit mit Lübeck hatte fallen lassen. Das schwedische Heer lagerte damals, aus Pommern anmarschiert, bei Mölln, und Franz-Erdmann machte dem Erbhaß seines Hauses gegen den reichen Nachbarn Luft durch Drangsalierung der lübischen Enklaven. Dem König war indessen das Wohlwollen der Hansestadt wichtiger, als die Stimmung seines Generals, und er rüffelte diesen empfindlich. So nahm Franz-Erdmann die Teilnahme des Kaisers am Kriege zum Anlaß des Ausscheidens aus schwedischem Dienst. Er lebte auf dem Gute Tüschenbek, das seiner Frau gehörte, bekam aber die ihm zustehenden Jahrgelder vom Vater nur gegen Unterschrift eines sehr drückenden Vertrages, in dem sich die Hand der mißgünstigen Stiefmutter schon deutlich zeigt. Julius-Heinrich war inzwischen dem Bruder August gefolgt. An der Erbfolge Franz-Erdmanns war nach dem Abkommen nicht mehr zu rütteln, also galt es, diesem wenigstens den Anteil am Privatvermögen zu schmälern. Er mußte sich 1659 zu folgenden Zugeständnissen bereitfinden: 1) Der Stiefmutter soll das Amt Neuhaus als Leibgedinge zufallen. 2) Der Stiefbruder soll aus den Landeseinkünften jährlich 9000 Taler bekommen. 3) Ohne dessen Zustimmung darf an den Tafelgütern nichts geändert werden. 4) Von dem seinem Vater lebenslänglich belassenen Muttergut soll Franz-Erdmann nur 38 636 Taler kriegen. Sein Wert aber war damals von sieben Zeugen auf 200 000 fl. geschätzt. 5) Dieses jetzt in der böhmischen Herrschaft Thausing eingetragene Geld darf der Vater nach Belieben anderweit unterbringen. Die Landräte Hyronimus Schultz und Barthold-Heinrich von Lützow, zur Siegelung dieses Vertrages aufgefordert, weigerten sich zunächst, da er dem Fürstentum zu hohe Lasten aufbürdete, taten es aber schließlich doch. Franz-Erdmann unterschrieb auf das Versprechen des Vaters, daß dieser kein neues Testament mehr machen, auch dem bestehenden keine Klauseln hinzufügen werde. In diesem, 1651 aufgesetzten Schriftstück war die Teilung so vorgesehen, daß beide Söhne das Privatvermögen, bestehend in den böhmischen Besitzungen, einigen Gütern in Westfalen und verschiedenen Schuldforderungen, so den Gehaltsresten bei der kaiserlichen Kriegskasse von 150 000 fl. und Ansprüchen an die Herrschaften Schaumburg und Pinneberg in Holstein, zu gleichen Teilen bekämen. Wie obiges Versprechen gehalten wurde, werden wir später sehen.

Infolge der Aussöhnung übertrug Julius-Heinrich dem Sohn bei seiner letzten Anwesenheit im Herzogtum die Oberaufsicht über die Regierung. Alle Verfügungen sollten ihm vorgelegt werden. Oberamtmann war damals Anton von Steinbach. Dieser sah wohl ein, daß nach des kränkelnden Julius-Heinrich Tod seines Bleibens im Amte nicht länger sein würde, da Franz-Erdmann im Lande residieren wollte, und ließ sich bereitfinden, den größten Teil der Landeseinkünfte, vermehrt durch übermäßigen Holzschlag in den Staatsforsten, nach Böhmen zu schicken, wo das Geld in neuen Gütern für die Frau und Kinder dritter Ehe angelegt wurde. Dies sah Franz-Erdmann nicht lange ruhig mit an. Da der gesamte Geschäftsverkehr durch die Stiefmutter ging, war es kein Wunder, daß sich das Verhältnis bald so sehr verschlechterte, daß der Sohn den Landrat von Bülow nach Schlackenwerth schickte, durch den er erfuhr, daß ihm elf Punkte zum Vorwurf gemacht würden. Auf Bülows Zureden nahm Franz-Erdmann zu diesen schriftlich Stellung. 1) Er habe vor Jahren sich wegen seines Mutterguts an den König von Schweden gewandt. Antwort: Dies sei durch das Abkommen von 1659 schon verglichen. 2) Er sei "mit Soldaten und


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2 Henkern für Ratzeburg kommen und habe die Bedienten - d. h. die Beamten der Regierung - übel traktieren lassen". Antwort: Das sei nicht wahr. Er habe nicht Soldaten, sondern Holzhauer wegen der Feuerung für sich und seine Gemahlin mitgehabt. Es sei nur ein Henker mitgewesen, aber ohne Exzesse wieder weggegangen. Der Vater hatte damals dem Steinbach Vorwürfe gemacht, daß er den Sohn nicht „in die Magnusburg gefänglich setzen und incarcerieren lassen". 3) Er habe in die Justiz eingegriffen. indem er die in Schwarzenbek inhaftierten schwedischen Soldaten hängen lassen habe. Antwort: Das sei mit Billigung der Räte geschehen. 4) Er habe gegen den Verkauf des Fitzener Holzes protestiert. Antwort: Das sei der einzige Weg gewesen, das Abhauen zu hindern. 5) Während des Vaters Krankheit - Julius-Heinrich hatte einen Schlaganfall gehabt - sich auf dem Wasser mit Blasen lustig gemacht. Antwort: Der Vater habe ihm ja selbst die Kapelle geschickt. 6) Die von Franz-Erdmann behauptete Vollmacht zur Kontrolle der Regierung bestreitet der Vater. 7) Er habe die Rüstkammer zu Franzhagen außer Händen gekauft. - Dieses Tafelgut hatte Julius-Heinrichs jüngster Bruder Franz-Heinrich bewohnt, der unlängst gestorben war. Antwort: Die Witwe hätte lieber an den Schwager verkauft, aber Julius-Heinrich habe abgelehnt, da er Büchsen genug besäße. Da erst habe der Sohn zugegriffen. Übrigens seien zwei der Stücke (Geschütze) nach Lauenburg ausgeliehen gewesen, die er jetzt zurückgeholt habe, ebenso wie zwei von ihm dem Vater geschenkte Maultiere. Letztere seien ganz mager geworden und sollten aufgefüttert werden. 8) Ein Schreiben der Stiefmutter habe er nicht beantwortet. Antwort: Er hätte erst Bericht von den „Bedienten" einfordern müssen. 9) Wegen des in Böhmen verwendeten, aus Lauenburgischen Steuern stammenden Geldes. Auf diesen sowie den 10. Punkt schweigt der Sohn. 10) Er sei inkognito nach Schlackenwerth gekommen, um mit vielen vom Adel aus Sachsen den Vater zu überfallen, was Berthold-Heinrich von Lützow ihm ausgeredet habe. -

Wie es um des Vaters Gesundheit stand, erhellt aus einem Brief dessen Kammerdieners Kaspar Wedell: "Wer würde sich nicht über so einen alten, lieben, geduldigen Herrn erbarmen, der lahm an den Händen und ich ihm sein täglich Brot ins Maul stecken muß." Die Bitte Franz-Erdmanns, den Vater besuchen zu dürfen, schlug die Stiefmutter ab, worauf er nochmals in einem Brief auf die Zustände im Lande näher eingeht. Er erinnert ihn, wie er in Artlenburg vor der Abreise nach Böhmen die Oberaufsicht in Gegenwart der Räte ihm übertragen habe. Neuerdings werde ihm jedoch nichts mehr vorgelegt. Die Kopfsteuer sei viel zu hoch und werde von den ausgemergelten Untertanen durch Militärabteilungen eingetrieben. Die Türkensteuer werde zu Anrecht noch gefordert, da von dem lauenburgischen Kontingent nur noch 26 Knechte übrig seien, die nur 1 1/2 Monat Soldrückstand und das Abdankungsgeld zu fordern hätten. Das wolle das Land gern bezahlen. Im Land werde nichts gebessert. Die Brücke und Residenz in Ratzeburg sowie das vor zwei Jahren abgebrannte Lusthaus in Artlenburg würden nicht instandgesetzt; die Prozesse um die entfremdeten Gebietsteile (Mölln u. a.) nicht durchgefochten. Er habe Ratzeburg besichtigt und nichts in Ordnung gefunden. Der Kommandant, Major von Falkenberg, sei stets in Geschäften oder zur Jagd abwesend. Der Leutnant, über 80 Jahre alt, so kümmerlich, daß er kaum mehr gehen, geschweige die Nachtwachen revidieren könne. Die Knechte auch so alt und krank, daß sie im Ernstfall nicht zu gebrauchen sind und die Posten nicht besetzt werden könnten. Dabei sei von der Ankunft französischer Truppen (als Hilfe für die verbündeten Schweden) die Rede. Da er nach Schlackenwerth gewollt habe, sei von ihm eine Verstärkung von 1 Leutnant, 1 Sergeant und 12 Mann ins Schloß gelegt.

Als auch dieser Brief nichts fruchtete, beschloß Franz-Erdmann, die Vermittlung der Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen anzurufen. Während ersterer sich auf ein Mahnschreiben an den Vater beschränkte, gab der letztere dem Kammerrat A. F. von Maltzahn, der in Franz-Erdmanns Auftrag ihm am 5. Mai 1665 den Zwist vortrug, seinen Kammerjunker von Borcke mit nach Prag, wo Julius-Heinrich sich aufhielt, mit der Bitte, die beiden Herren anzuhören. Letzteres wußte die Herzogin zunächst zu hintertreiben. Auf Drängen der Gesandten gab aber schließlich der Kranke vor seiner Abreise ins Bad nach Hirschberg einige kurze Auskünfte des Sinnes, daß er glaube, der Sohn hoffe auf
 

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seinen baldigen Tod. Die Stiefmutter fügte hinzu, sie sei überzeugt, Franz-Erdmann werde das Testament nicht achten.

Dazu hatte dieser auch allen Grund. Denn als am 20. November 1665 Julius-Heinrich zu Schlackenwerth gestorben war, ließ die Witwe nicht nur ganze Wagenladungen von Möbeln und Wertsachen fortschaffen, leugnete das Vorhandensein von Bargeld und forderte die Begräbniskosten aus Lauenburgischen Mitteln, - es ergab sich nach der Testamentsöffnung auch, daß die Abmachungen von 1659 schnöde gebrochen waren. In einer neuen Fassung von 1660 und drei späteren Klauseln dazu bestimmt der Vater, daß seine Frau und Kinder dritter Ehe Geld und Güter, die Franz-Erdmann zustanden, im Wert von über 100 000 fl., bekommen sollten. Dieses Testament focht der nunmehrige Regent natürlich an. und plötzlich gebrach es ihm auch nicht an Zeugen, die seiner Stiefmutter Schuld bekräftigten. Es stellte sich heraus, daß die Klauseln erst nach des Erblassers Tode bei der böhmischen "Landtafel" eingetragen waren und daß die Witwe die gesetzliche Versiegelung des Archivs und des Prager Palastes verhindert habe. Vor allem erklärte der Rittmeister von Warnstedt, drei Jahre im Dienst des Toten, nunmehr vor Gericht: 1) Er habe gehört, daß die Stiefmutter Julius-Heinrich gebeten habe, das Testament zu Franz-Erdmanns Ungunsten zu ändern. 2) Sie sei die Ursache gewesen, daß der Vater auf den Sohn einen Zorn geworfen. 3) Nachdem Julius-Heinrich dann zu einer Versöhnung geneigt gewesen, habe die Frau ihn erneut aufgehetzt. 4) In dieser Zeit habe der Herzog die Testamentsklauseln angefügt. So legte denn Franz-Erdmann am 27. Dezember 1665 in seinem "Leibgemach" zu Lauenburg im Beisein A. F. von Warnstedts und Monsieur Hans Klopstocks sowie des Kanzlers Krauthoff feierlichen Protest ein.

Vom Kurfürsten von Sachsen, dem er alle Beweisstücke unterbreitete, erhielt er freilich nur eine kühle Bestätigung seines "Briefleins" sowie den Rat: "wegen des Respekts der Frau Stiefmutter und der nahen Verwandtschaft mit dem Bruder" es nicht zum Äußersten kommen zu lassen. Er möge doch zur Schlichtung Kaiserliche Kommissarien erbitten.

Das Ergebnis dieser Schlichtung hat Franz-Erdmann nicht mehr erlebt. Schon am 31. Juli ist er kinderlos gestorben. Die Stiefmutter konnte triumphieren: Ihrem Julius-Franz fiel nun alles zu!

 

 


 


 


 

 

 

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